Der Effekt, dass Menschen infolge einer moralisch guten Tat vermehrt unmoralisch handeln, wird als Moral Licensing bezeichnet und durch eine Reihe empirischer Untersuchungen gestützt. Gleiches gilt für den entgegengesetzten Effekt, Moral Cleansing, der beschreibt, dass Menschen bestrebt sind, schlechte Taten durch symbolische Handlungen auszugleichen.
Für die Übertragung beider Effekte von der individuellen auf die stellvertretende (vicarious) Ebene erschienen in jüngster Zeit Forschungsbefunde, die nahelegen, dass Moral Licensing und Moral Cleansing auch durch das Verhalten anderer Personen ausgelöst werden können. Entscheidend scheint dabei das Gefühl einer geteilten Identität zu sein, wodurch die beobachtete Handlung anderer Personen als selbstvollzogen erlebt wird. Um diese stellvertretende Beeinflussung auf das eigene [un]moralische Verhalten auszudrücken, spricht man in diesem Zusammenhang vom Vicarious Moral Licensing-Effekt und vom Vicarious Moral Cleansing-Effekt.
Da es bisher nur wenige empirische Befunde zur Existenz beider Effekte gibt, war es das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit, diese anhand eines experimentellen Paradigmas unter Verwendung eines echten Verhaltensmaßes zu erforschen und dabei zusätzlich potenzielle Moderatoren und Mediatoren zu analysieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
- 2.1 Selbstregulierendes moralisches Verhalten
- 2.1.1 Der Effekt des Moral Licensing
- 2.1.2 Der Effekt des Moral Cleansing
- 2.2 Der Einfluss anderer auf die moralische Selbstregulation
- 2.2.1 Der Effekt des Vicarious Moral Licensing
- 2.2.2 Der Effekt des Vicarious Moral Cleansing
- 2.3 Potenzielle Einflussfaktoren
- 2.3.1 Identifikation mit der Ingroup
- 2.3.2 Moralische Internalisierung
- 2.3.3 Konsistenzstreben
- 2.3.4 Zusammenfassung der potenziellen Einflussfaktoren
- 2.4 Potenzielle Erklärungsansätze
- 2.4.1 Moralische Regulationsprozesse
- 2.4.2 Moral Credentials
- 2.4.3 Evozierte Stimmungen
- 2.4.4 Zusammenfassung der potenziellen Erklärungsansätze
- 2.5 Gegenstand der vorliegenden Untersuchung
- 2.5.1 Hypothesenkomplex 1 – Einfluss des moralischen Gruppenstatus auf prosoziales Verhalten
- 2.5.2 Hypothesenkomplex 2 – moderierender Einfluss von Ingroup-Identifikation, moralischer Internalisierung und Konsistenzstreben auf prosoziales Verhalten
- 2.5.3 Hypothesenkomplex 3 – mediierender Einfluss von moralischem Selbstkonzept, Moral Credentials und evozierten Stimmungen auf prosoziales Verhalten
- 3 Methoden
- 3.1 Voruntersuchung
- 3.2 Hauptuntersuchung
- 3.2.1 Untersuchungsdesign
- 3.2.2 Rekrutierung und Beschreibung der Hauptstichprobe
- 3.2.3 Untersuchungsablauf
- 3.2.4 Beschreibung der experimentellen Bedingungen
- 3.2.4.1 Experimentalgruppe 1 – moralische Überlegenheit
- 3.2.4.2 Experimentalgruppe 2 – moralische Unterlegenheit
- 3.2.4.3 Kontrollgruppe 1 – moralischer Durchschnitt
- 3.2.4.4 Kontrollgruppe 2 – neutrale KG
- 3.2.5 Beschreibung der Operationalisierung der abhängigen Variable
- 3.3 Berücksichtigung potenzieller Störvariablen
- 3.3.1 Identifikation unaufmerksamer VersuchsteilnehmerInnen
- 3.3.2 Manipulation Check
- 3.3.3 Einordnung des Spendenverhaltens
- 3.4 Messinstrumente zur Erfassung der Moderator- und Mediatorvariablen
- 3.4.1 Identifikation mit der Ingroup (Moderator I)
- 3.4.2 Moralische Internalisierung (Moderator II)
- 3.4.3 Konsistenzstreben (Moderator III)
- 3.4.4 Moralisches Selbstkonzept (Mediator I)
- 3.4.5 Moral Credentials (Mediator II)
- 3.4.6 Evozierte Stimmungen (Mediator III)
- 3.5 Operationalisierte Hypothesen und statistische Datenauswertung
- 3.5.1 Hypothesenkomplex 1 – Mittelwertsunterschiede
- 3.5.2 Hypothesenkomplex 2 – Moderationshypothesen
- 3.5.3 Hypothesenkomplex 3 – Mediationshypothesen
- 4 Ergebnisse
- 4.1 Datenscreening der Hauptstichprobe
- 4.2 Beschreibung der Analysestichprobe
- 4.3 Manipulation Check
- 4.4 Korrelationsmatrix relevanter Untersuchungsvariablen
- 4.5 Statistische Überprüfung der Hypothesen
- 4.5.1 Hypothesenkomplex 1 – Mittelwertsunterschiede
- 4.5.1.1 Prüfung der Voraussetzungen
- 4.5.1.2 Überprüfung der Mittelwertsunterschiede
- 4.5.2 Hypothesenkomplex 2 – Moderationshypothesen
- 4.5.2.1 Prüfung der Voraussetzungen
- 4.5.2.2 Hypothese 2a – moderierender Einfluss der Identifikation mit der Ingroup
- 4.5.2.3 Hypothese 2b – moderierender Einfluss der moralischen Internalisierung
- 4.5.2.4 Hypothese 2c – moderierender Einfluss des Konsistenzstrebens
- 4.5.2.5 Gesamtmodell unter Einschluss aller angenommenen Moderatoren
- 4.5.3 Hypothesenkomplex 3 – Mediationshypothesen
- 4.5.3.1 Hypothese 3a – mediierender Einfluss durch das moralische Selbstkonzept
- 4.5.3.2 Hypothese 3b – mediierender Einfluss durch die Moral Credentials
- 4.5.3.3 Hypothese 3c – mediierender Einfluss durch evozierte Stimmungen
- 5 Diskussion
- 5.1 Einordnung und Interpretation der Ergebnisse
- 5.1.1 Mittelwertsunterschiede bezogen auf die Effekte Vicarious Moral Licensing und Vicarious Moral Cleansing
- 5.1.2 Moderierende Einflüsse auf die Effekte Vicarious Moral Licensing und Vicarious Moral Cleansing
- 5.1.2.1 Moderierender Einfluss der Identifikation mit der Ingroup
- 5.1.2.2 Moderierender Einfluss der moralischen Internalisierung
- 5.1.2.3 Moderierender Einfluss des Konsistenzstrebens
- 5.1.3 Mediierende Einflüsse auf die Effekte Vicarious Moral Licensing und Vicarious Moral Cleansing
- 5.1.3.1 Mediierender Einfluss des moralischen Selbstkonzepts
- 5.1.3.2 Mediierender Einfluss der Moral Credentials auf den Effekt des Vicarious Moral Licensing
- 5.1.3.3 Mediierender Einfluss evozierter Stimmungen auf den Effekt des Vicarious Moral Cleansing
- 5.2 Kritische Würdigung der vorliegenden Untersuchung samt Anregungen für zukünftige Forschung
- 5.3 Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht den Einfluss des Verhaltens anderer auf die eigene moralische Selbstregulation, insbesondere die Effekte "Vicarious Moral Licensing" (VML) und "Vicarious Moral Cleansing" (VMC). Es wird geprüft, ob das beobachtete moralische Verhalten einer Ingroup das eigene moralische Handeln beeinflusst und ob potenzielle Moderatoren (Ingroup-Identifikation, moralische Internalisierung, Konsistenzstreben) und Mediatoren (moralisches Selbstkonzept, Moral Credentials, evozierte Stimmungen) diese Effekte beeinflussen.
- Replikation und Erweiterung des VML-Effekts im Kontext prosozialen Verhaltens.
- Untersuchung des VMC-Effekts im gleichen experimentellen Paradigma.
- Analyse des Einflusses von Ingroup-Identifikation, moralischer Internalisierung und Konsistenzstreben auf VML und VMC.
- Ermittlung der mediierenden Rolle von moralischem Selbstkonzept, Moral Credentials und evozierten Stimmungen.
- Vergleich der Ergebnisse mit bestehenden Theorien der moralischen Selbstregulation.
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Arbeit leitet mit dem Beispiel Uli Hoeneß ein, um die Phänomene Moral Licensing und Moral Cleansing im Kontext von moralischem Verhalten zu illustrieren. Sie hebt die Bedeutung der moralischen Selbsteinschätzung und des Strebens nach moralischer Balance hervor und führt in die Forschungsfrage nach dem stellvertretenden Einfluss anderer auf das eigene moralische Handeln ein.
2 Theoretischer und empirischer Hintergrund: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über die relevanten Theorien und empirischen Befunde zu Moral Licensing, Moral Cleansing, Vicarious Moral Licensing (VML) und Vicarious Moral Cleansing (VMC). Es werden potenzielle Einflussfaktoren (Ingroup-Identifikation, moralische Internalisierung, Konsistenzstreben) und Erklärungsansätze (moralische Regulationsprozesse, Moral Credentials, evozierte Stimmungen) diskutiert. Schließlich werden die Hypothesen der Studie formuliert.
3 Methoden: Dieses Kapitel beschreibt das methodische Vorgehen, beginnend mit einer Voruntersuchung zur Überprüfung der Operationalisierung der unabhängigen Variablen. Es detailliert das Design der Hauptuntersuchung (einfaktorielles Between-subjects-Design), die Rekrutierung der Teilnehmer, den Untersuchungsablauf, die experimentellen Bedingungen und die Operationalisierung der abhängigen Variable (Spendenverhalten). Die verwendeten Messinstrumente zur Erfassung der Moderator- und Mediatorvariablen werden vorgestellt und die statistischen Verfahren zur Hypothesentestung erläutert.
Schlüsselwörter
Vicarious Moral Licensing, Vicarious Moral Cleansing, Moral Licensing, Moral Cleansing, Ingroup-Identifikation, Moralische Internalisierung, Konsistenzstreben, Moralisches Selbstkonzept, Moral Credentials, Evozierte Stimmungen, Prosoziales Verhalten, Selbstregulation, Moralität
Häufig gestellte Fragen zur Diplomarbeit: Einfluss des Verhaltens anderer auf die moralische Selbstregulation
Was ist das Thema der Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit untersucht den Einfluss des moralischen Verhaltens anderer (insbesondere der Ingroup) auf die eigene moralische Selbstregulation. Im Fokus stehen die Effekte „Vicarious Moral Licensing“ (VML) und „Vicarious Moral Cleansing“ (VMC), also wie das beobachtete moralische Verhalten anderer unser eigenes Handeln beeinflusst.
Welche Effekte werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Effekte Vicarious Moral Licensing (VML) und Vicarious Moral Cleansing (VMC). VML beschreibt das Phänomen, dass das Beobachten positiven moralischen Verhaltens bei anderen dazu führen kann, dass man sich selbst eher unethisch verhält. VMC hingegen besagt, dass das Beobachten negativen moralischen Verhaltens bei anderen dazu führen kann, dass man sich selbst danach eher ethisch verhält.
Welche Variablen spielen eine Rolle in der Studie?
Die Studie untersucht neben VML und VMC den Einfluss von Moderatorvariablen (Ingroup-Identifikation, moralische Internalisierung, Konsistenzstreben) und Mediatorvariablen (moralisches Selbstkonzept, Moral Credentials, evozierte Stimmungen) auf das prosoziale Verhalten. Die abhängige Variable ist das Spendenverhalten.
Wie ist die Studie aufgebaut?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, einem Kapitel mit theoretischem und empirischem Hintergrund, einem Methodenkapitel, einem Ergebniskapitel und einer Diskussion. Die Hauptuntersuchung verwendet ein einfaktorielles Between-subjects-Design mit vier Gruppen (zwei Experimentalgruppen und zwei Kontrollgruppen).
Welche Methoden wurden verwendet?
Die Studie beinhaltet eine Voruntersuchung zur Überprüfung der Operationalisierung der unabhängigen Variablen. Die Hauptuntersuchung nutzt ein experimentelles Design mit verschiedenen Gruppen (moralische Überlegenheit, moralische Unterlegenheit, moralischer Durchschnitt, neutrale Kontrollgruppe). Es werden verschiedene statistische Verfahren eingesetzt, um die Hypothesen zu testen (Mittelwertsunterschiede, Moderations- und Mediationsanalysen).
Welche Hypothesen wurden aufgestellt?
Die Arbeit formuliert Hypothesen zu den Auswirkungen des moralischen Gruppenstatus auf prosoziales Verhalten (Hypothesenkomplex 1). Weitere Hypothesen untersuchen den moderierenden Einfluss von Ingroup-Identifikation, moralischer Internalisierung und Konsistenzstreben (Hypothesenkomplex 2) sowie den mediierenden Einfluss von moralischem Selbstkonzept, Moral Credentials und evozierten Stimmungen (Hypothesenkomplex 3) auf das prosoziale Verhalten.
Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Das Ergebniskapitel beschreibt die Datenanalyse, inklusive Datenscreening, Manipulation Check und Korrelationsanalysen. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die drei Hypothesenkomplexe dargestellt und diskutiert (Mittelwertsunterschiede, Moderationseffekte und Mediationseffekte).
Wie werden die Ergebnisse interpretiert?
Die Diskussion interpretiert die Ergebnisse im Kontext bestehender Theorien zur moralischen Selbstregulation. Es wird beleuchtet, wie die Ergebnisse die Effekte VML und VMC erklären und welche Rolle die Moderator- und Mediatorvariablen spielen. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung der Studie und Anregungen für zukünftige Forschung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Vicarious Moral Licensing, Vicarious Moral Cleansing, Moral Licensing, Moral Cleansing, Ingroup-Identifikation, Moralische Internalisierung, Konsistenzstreben, Moralisches Selbstkonzept, Moral Credentials, Evozierte Stimmungen, Prosoziales Verhalten, Selbstregulation, Moralität.
- Quote paper
- Lucas Senzel (Author), 2015, Wenn andere uns die moralische Hintertür öffnen. Eine Untersuchung zu Vicarious Moral Licensing, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335125