Personen sind sozusagen die Atome der Organisationen. Organisationsentwicklung kommt nicht ohne die Entwicklung der beteiligten Personen und ihrer Persönlichkeit aus. Verbleiben die Menschen innerlich dort wo sie sind, so wird sich die Organisation nicht erfolgreich und nachhaltig entwickeln können. Der Organisationsentwickler betrachtet die Organisation und seine eigenen Handlungsmöglichkeiten mit einer bestimmten Haltung.
Der Schluss liegt nahe, dass er auch die Menschen in der Organisation mit einer bestimmten Haltung behandeln muss, damit auch sie sich erfolgreich entwickeln können. Warum liegt dieser Gedanke nahe, welche Haltung könnte dies sein und wie konkret kann er sich verhalten?
Inhaltsverzeichnis:
Essay
Literaturverzeichnis:
Weise am Weisen ist die Haltung
Zu Herrn K. kam ein Philosophieprofessor und erzählte ihm von seiner Weisheit. Nach einer Weile` sagte Herr K. zu ihm: „Du sitzt unbequem, du redest unbequem, du denkst unbequem.“ Der Philosophieprofessor wurde zornig und sagte: „Nicht über mich wollte ich etwas wissen, sondern über den Inhalt dessen, was ich sagte.“ „Es hat keinen Inhalt“, sagte Herr K. „Ich sehe dich täppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die du während des Redens schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich Dein Ziel nicht.“
aus: Bert Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner
(suhrkamp taschenbuch, Frankfurt amMain, 1971)
Essay
Personen sind sozusagen die Atome der Organisationen. Organisationsentwicklung kommt nicht ohne die Entwicklung der beteiligten Personen und ihrer Persönlichkeit aus. Verbleiben die Menschen innerlich dort wo sie sind, so wird sich die Organisation nicht erfolgreich und nachhaltig entwickeln können. Der Organisationsentwickler betrachtet die Organisation und seine eigenen Handlungsmöglichkeiten mit einer bestimmten Haltung. Der Schluss liegt nahe, dass er auch die Menschen in der Organisation mit einer bestimmten Haltung behandeln muss, damit auch sie sich erfolgreich entwickeln können. Warum liegt dieser Gedanke nahe, welche Haltung könnte dies sein und wie konkret kann er sich verhalten?
Organisationsentwicklung beschäftigt sich mit Organisationen. Im Unterschied zu anderen Systemen sind Organisationen immer Systeme, in denen Menschen agieren. In Organisationen werden Menschen, Technik und Strukturen miteinander so in ein Zusammenspiel gebracht, dass die Organisation für ihre Umwelt Probleme lösen kann.[1]
Organisationen sind mithin ohne das Mitwirken der in ihnen organisierten Menschen nutzlos, ja sinnlos. Die einzelnen Menschen sind – systemisch gesehen – Subsysteme der Organisation. Auch sie wiederum tragen die Aufgabe für ihre Umwelt, also ihre Organisation, Probleme zu lösen. Dazu bringen sie fachliche und methodische Kompetenz, Zeit und Kraft, sowie Persönlichkeit ein.
Die Organisation ist daran interessiert, dass diese Personen – im Falle von Unternehmen die „Mitarbeiter“ – möglichst optimal mit allem ausgestattet sind, was sie zur Mitarbeit am Organisationszweck brauchen. Zu diesem Zweck kauft die Organisation nun die Zeit und die Arbeitskraft der Mitarbeiter gegen ein Gehalt ein. Dann stattet sie die Menschen mit Arbeitsmitteln aus, wie etwa Computer, Telefone, Autos, Maschinen, Waffen, Kleidung, Medikamente, etc. Die Teams stattet die Organisation mit hierarchischen Strukturen, Grundsätzen, disziplinarischen Regeln, Zielvereinbarungen, etc. aus und schafft so neben dem personellen und materiellen Inventar sozusagen ein Regelinventar.
Auf diesem Wege schafft das System Organisation für seine Subsysteme Mitarbeiter eine Umwelt, die möglichst optimal zur Problemlösung für seine eigene Umwelt Gesellschaft führen soll. Dadurch erfährt die Organisation Anerkennung von aussen und sichert ihr Überleben, so wie das ja auch die einzelnen Menschen wollen.
Was aber ist nun mit dem Inneren des Systems Mitarbeiter? Mit der Innenwelt des einzelnen Menschen, der in der Organisation arbeitet? Ebenso wie in der nächsthöheren Ebene wirken auch im Inneren des Mitarbeiters verschiedene Anteile und Strukturen. Der Mitarbeiter ist eine Person. Er hat eine Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit ist für ihn der Schlüssel zu seinen Fähigkeiten.
Die Organisationsentwicklung betrachtet Organisationen mit großem Respekt. Sie schätzt das innere Expertentum der Organisationsmitglieder, seien es Einzelne, Teams oder größere Gruppen. Ja, sie geht sogar davon aus, dass es ausserhalb der Organisation gar keine Experten für das jeweilige Innere gibt. Deswegen legt sie besonderen Wert auf die Begleitung von Entwicklungsprozessen unter größtmöglicher Liberalität dem Prozessinhalt gegenüber. Die Organisation kann sich nur selbst entwickeln. Der Organisationsentwickler kann ihr dabei kompetent helfen und dies kann sich auch entscheidend auf die Qualität und den Erfolg des Entwicklungsprozesses auswirken. Diese respektvolle Haltung der Systemumwelt gegenüber dem System, das sich entwickeln möchte, ist meiner Ansicht nach von entscheidender Wichtigkeit.[2]
Ein ebenso entscheidender Aspekt in der Haltung des Organisationsentwicklers ist die Auffassung, dass Entwicklung in Systemen autopoietisch ist und nur so sein kann.[3] Das System entwickelt sich immer nur aus sich selbst heraus und auf der Grundlage dessen was es bereits ist und kann. Dieser Aspekt ist artverwandt mit dem Aspekt des Respekts. Wenn die Entwicklung nur selbstständig durch das System realisiert werden kann, dann ist letztlich äusserer Druck oder gar Zwang sicher die Ultima Ratio, der letzte Schritt vor dem Alles-oder-nichts. Und selbst dann kann das System die notwendige Entwicklung unter Inkaufnahme des eigenen Unterganges verweigern oder fahrlässig verpassen. Das Gras wächst eben nicht schneller, nur weil man daran zieht. Weil es nicht kann.
Die Systemtheorie möchte für Systeme allgemeingültige Aussagen treffen. Die Annahmen sollen also fraktal identisch auf jeder Ebene der Systemwelt Gesellschaft in gleicher Weise gelten. Also gilt, aus systemischer Sicht, der Ansatz der Organisationsentwicklung analog auf der Ebene der Personalentwicklung.
Personalentwicklung bezieht sich auf Fach-, Methoden-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenz. Die Bereiche Fach- und Methodenkompetenzen sind dabei normalerweise leichter untersuchbar und veränderbar. Die Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen sind subtiler und dadurch weniger objektiv analysierbar. Oft, eigentlich meistens, ist die Persönlichkeit eines Mitarbeiters nur durch seine Wirkung auf seine Umgebung zu erkennen. Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen sind in der Praxis nicht voneinander trennbar und gemeinsamer Gegenstand der Persönlichkeitsentwicklung.
Wenn nun die Persönlichkeitsentwicklung als strategischer Prozess analog zur Organisationsentwicklung aufgefasst wird, dann muss unterstellt werden, dass es keine lineare Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen (äusserer) Intervention und (innerer) Entwicklung gibt und geben kann. Dies wird in der Organisationsentwicklung anerkannt, was den Schluss nahelegt, dass es auch in der Personalentwicklung, und hier im Speziellen in der Persönlichkeitsentwicklung seine berechtigte Bedeutung hat. Die Haltung der Organisationsentwicklung empfiehlt sich auch in der Persönlichkeitsentwicklung. Das Bild von der Organisation kann durch Analogieschluss eine wertvolle Anregung bei der Gestaltung des Menschenbildes sein.
Auf der Grundlage dieses Gedankens entwickeln sich die beiden Kernpunkte in der Haltung beispielsweise eines Vorgesetzten gegenüber der Persönlichkeitsentwicklung seines Mitarbeiters: Respekt und Achtung vor ihm und seinem Expertentum für seine eigene Person, sowie Verständnis und Akzeptanz für seine autopoietischen Entwicklungsmöglichkeiten. Dazu kommt die Einsicht, dass es keine linear wirkende Interventionsmöglichkeit gibt, um einen anderen Menschen zu einer Veränderung seiner Persönlichkeit zu bewegen.[4]
[...]
[1] vgl. Simon. 2011. Seite 11
[2] vgl. Becker. 2013. Seiten 40-42
[3] vgl. ebenda. Seiten 37-38
[4] vgl. Becker. 2013. Seite 40
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- Ulrich Mann (Author), 2014, Über die Haltung in der systemischen Organisationsentwicklung. Tiger ändern ihre Streifen nicht! Oder vielleicht doch?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334683
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