Durkheim zufolge kann sich eine Gesellschaft nur über die Solidarität ihrer Mitglieder erhalten: für ihn bildet die Solidarität das Zentrum und den Ursprung der sozialen Ordnung. „Solidarität“ soll dabei verstanden werden als „ein Beziehungsmodus, eine Form der Soziabilität, die den Zusammenhang und die Funktionsweise einer Gesellschaft mit dem entsprechenden Wertesystem beschreibt.“ (Korte 2000, S. 68) Diese Definition zeigt bereits, dass es sowohl verschiedene Gesellschaftstypen als auch verschiedene Formen der Solidarität geben kann. In seinen Ausführungen „Über soziale Arbeitsteilung“ unterscheidet Durkheim zwei Gesellschaftstypen mit entsprechenden Solidaritätsformen: die primitive oder segmentäre – durch mechanische Solidarität zusammengehaltene – Gesellschaft, die sich durch die Ausweitung der Arbeitsteilung zur modernen – durch organische Solidarität integrierten – Gesellschaft wandelt.
Doch wodurch genau kommt diese Transformation zustande? Wie vollzieht sich der Wandel von Gesellschaft und Solidarität? Und worin manifestieren sich die beiden Solidaritätsformen? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist Ziel der folgenden Ausführungen. Dabei soll wie folgt vorgegangen werden: Zunächst werden die beiden Gesellschaftstypen und die (Manifestationen der) entsprechenden Solidaritätsformen skizziert (Kapitel 1 & 2). Kapitel 3 widmet sich der Frage nach dem Ursprung und dem Ablauf der Transformation. Kapitel 4 bietet schließlich eine zusammenfassende Kritik mit Rekurs auf weitere „Klassiker“ der Soziologie.
Inhalt
1. Die mechanische Solidarität segmentärer Gesellschaften
2. Die organische Solidarität moderner Gesellschaften
3. Transformation durch Bevölkerungswachstum und Arbeitsteilung
4. Zusammenfassende Kritik
Literaturverzeichnis
Durkheim zufolge kann sich eine Gesellschaft nur über die Solidarität ihrer Mitglieder erhalten: für ihn bildet die Solidarität das Zentrum und den Ursprung der sozialen Ordnung. „Solidarität“ soll dabei verstanden werden als „ein Beziehungsmodus, eine Form der Soziabilität, die den Zusammenhang und die Funktionsweise einer Gesellschaft mit dem entsprechenden Wertesystem beschreibt.“ (Korte 2000, S. 68) Diese Definition zeigt bereits, dass es sowohl verschiedene Gesellschaftstypen als auch verschiedene Formen der Solidarität geben kann. In seinen Ausführungen „Über soziale Arbeitsteilung“ unterscheidet Durkheim zwei Gesellschaftstypen mit entsprechenden Solidaritätsformen: die primitive oder segmentäre – durch mechanische Solidarität zusammengehaltene – Gesellschaft, die sich durch die Ausweitung der Arbeitsteilung zur modernen – durch organische Solidarität integrierten – Gesellschaft wandelt.
Doch wodurch genau kommt diese Transformation zustande? Wie vollzieht sich der Wandel von Gesellschaft und Solidarität ? Und worin manifestieren sich die beiden Solidaritätsformen? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist Ziel der folgenden Ausführungen. Dabei soll wie folgt vorgegangen werden: Zunächst werden die beiden Gesellschaftstypen und die (Manifestationen der) entsprechenden Solidaritätsformen skizziert (Kapitel 1 & 2). Kapitel 3 widmet sich der Frage nach dem Ursprung und dem Ablauf der Transformation. Kapitel 4 bietet schließlich eine zusammenfassende Kritik mit Rekurs auf weitere „Klassiker“ der Soziologie.
1. Die mechanische Solidarität segmentärer Gesellschaften
Primitive bzw. segmentäre Gesellschaften, die nur eine geringe Bevölkerungszahl aufweisen, sind in kleineren Gruppen (Clans und Horden) organisiert. Zwischen diesen Gruppen gibt es, wenn überhaupt, nur relativ geringe Interdependenzen und die sozialen Beziehungen sind ebenfalls nur schwach ausgeprägt. Die Menschen dieser Gesellschaft sind einander (sowohl physisch als auch psychisch) sehr ähnlich (Durkheim 1992, 185ff.), nicht nur weil sie miteinander verwandt sind (Ebd., 238): Sie verrichten auch die gleichen Tätigkeiten (Ebd., 190), teilen den gleichen Lebensraum, die gleichen Anschauungen, Gefühle, Normen und Wertvorstellungen, wobei sich jedes einzelne Mitglied der Tatsache bewusst ist, dass es Teil der Gemeinschaft ist. Hierdurch entsteht das Kollektivbewusstsein[1]. Das von religiösen Vorstellungen geprägte Kollektivbewusstsein ist in primitiven Gesellschaften sehr stark entwickelt und von allgemeiner Bedeutung. Dies zeigt sich darin, dass die Bedeutung des Einzelnen im Vergleich zur Gruppe eher gering ist. (Ebd., 121) Die kollektiven Normen sind konkret und spezifisch; unter anderem legen sie rigide die Position jedes Einzelnen, und somit seine Handlungspflichten fest. Dadurch erklärt sich auch die Terminologie: die Handlungen der einzelnen Menschen werden unreflektiert – durch bloße Ausführung der gesellschaftlichen Normen – praktiziert und greifen somit „mechanisch“ ineinander. (Münch 2002, 66) Eine Abweichung von diesen Normen wird als Angriff auf die gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen aufgefasst; ein Verbrechen ist eine Verletzung des Kollektivbewusstseins[2] (Durkheim 1992, 134). Je stärker dabei das Kollektivbewusstsein ausgeprägt ist, desto stärker und leidenschaftlicher wird auch die kollektive, „rein mechanische“ (Ebd., 158) Reaktion darauf sein.
„Die primitiven Völker bestrafen, um zu strafen, fügen dem Schuldigen Schmerzen zu einzig und allein, um ihm Schmerzen zu bereiten, ohne für sich selbst aus dem Leiden, das sie ihm zufügen, irgendeinen Vorteil zu ziehen.“ (Ebd., 135)
Das heißt allerdings nicht, dass die Strafe keine Funktion erfüllt: Dadurch, dass das Kollektiv[3] Verbrechen rächt, versichert es sich selbst die fortwährende Gültigkeit der kollektiven Normen; das Kollektivbewusstsein und die Solidaritätsbande werden aufrechterhalten. (Ebd., 159) Daher identifiziert Durkheim auch die Repression als das in primitiven Gesellschaften vorherrschende Rechtsmittel (Ebd., 127). Mehr noch: das Strafrecht symbolisiert die mechanische Solidarität (Ebd., 155)
Kurzum: Der Ursprung des Zusammenhalts und der sozialen Ordnung in primitiven Gesellschaften liegt in der durch Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten erzeugten Solidarität, die im täglichen Leben durch die Ausübung von kollektiven Normen ständig reproduziert und durch kollektive Repression abgesichert wird.
[...]
[1] „Die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitglieder einer Gesellschaft bildet ein umgrenztes System, das sein eigenes Leben hat; man könnte sie das gemeinsame oder Kollektivbewußtsein nennen.“ (Durkheim 1992, 128)
[2] „Wir können also zusammenfassend sagen, dass eine Handlung kriminell ist, wenn sie starke und bestimmte Zustände des Kollektivbewusstseins verletzt.“ (Durkheim 1992, 129)
[3] „Da es das gemeinsame Bewusstsein ist, das verletzt worden ist, muss es auch genau dieses gemeinsame Bewußtsein sein, das Widerstand leistet, und folglich muss der Widerstand ein kollektiver sein.“ (Durkheim 1992, 153; Hervorhebungen nicht im Original)
- Arbeit zitieren
- Sebastian Wiesnet (Autor:in), 2004, Durkheims Modernisierungstheorie: Von der mechanischen Solidarität segmentärer Gesellschaften zur organischen Solidarität moderner Gesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33446
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