Das zentrale Interesse in diesem Artikel richtet sich auf die Entwicklung eines psychodramatischen Diagnoseinstruments, wobei in einem standardisiertem Psychodrama-Spiel körperliche Impulse dazu anregen sollen, die Gefühle zu den Interaktionsmustern zu benennen. Aus diesen Informationen, die tiefenpsychologisch als Übertragungsphänomene und auf der psychodramatischen Betrachtungsweise als Spiegelungsergebnisse angesehen werden können, werden die PatientInnen gebeten, ihre Empfindungen auf „plus“ und „minus“ zu reduzieren. Durch die Auswertung dieser Sichtweisen gelingt die Zuordnung der Bindungstypen. Es werden in der Folge erste Ergebnisse präsentiert. Das Verfahren kann als szenisches Interview angesehen werden.
Das Psychodrama-Bindungstypen-Interview (PDBI) - ein szenisches Verfahren als Instrument der psychotherapeutischen Diagnostik - Aufbau, Anwendung und erste Ergebnisse
Helene Bader
Zusammenfassung
Das zentrale Interesse in diesem Artikel richtet sich auf die Entwicklung eines psychodramatischen Diagnoseinstruments, wobei in einem standardisiertem Psychodrama- Spiel körperliche Impulse dazu anregen sollen, die Gefühle zu den Interaktionsmustern zu benennen. Aus diesen Informationen, die tiefenpsychologisch als Übertragungsphänomene und auf der psychodramatischen Betrachtungsweise als Spiegelungsergebnisse angesehen werden können, werden die PatientInnen gebeten, ihre Empfindungen auf „plus“ und „minus“ zu reduzieren. Durch die Auswertung dieser Sichtweisen gelingt die Zuordnung der Bindungstypen. Es werden in der Folge erste Ergebnisse präsentiert. Das Verfahren kann als szenisches Interview angesehen werden.
Schlüsselwörter
Psychodrama, Szenisches Interview, Bindungstypen, positiv bewerten, kalkulierbar, vorsichtig, lebhaft, flexibel
The Psychodrama-Attachment-Interview (PDBI) - a scenic method as instrument for psychotherapist diagnosis - construction, application and first results
Active impulses of the psychotherapist constitute reactions, whose analysis permits a diagnosis about the attachment quality. - What the body knows to supply to the awareness - with the transference decode
Abstract
The central interest of this paper concerns the development of a psychodrama diagnosis method, whereas in a standardized psychodrama-play impulses should stimulate interaction emotions for titling. From these information, which could be scrutinised psychoanalytically as transference and on the psychodrama consideration as reflection result, the patients are invited to reduce their emotions on “plus” and “minus”. By evaluation of these points of view succeed the assignment of the human attachment-types. In consequence there are presented first results. The method can be considered as a scenic-interview.
Keywords
Psychodrama, Scenic Interview, Attachment Types, Assess Positive, Calculable, Cautious, Lively, Flexible
1. Einleitung
1.1 Diagnostik in der psychodramatischen Psychotherapie
Der Leidensdruck von Psychotherapie-PatientInnen steht in multikausalen Zusammenhängen, er ist innerhalb der Sozialisation individuell geprägt, von persönlichen Wertevorstellungen und Glaubenssätzen beeinflusst und den divergierenden Einflüssen des sozialen Umfelds ausgesetzt. Zusätzlich wirken die ökonomischen Zwänge und Vorgaben der Gesellschaft, was insgesamt die Belastbarkeit des Einzelnen überfordern kann. Aus dieser Perspektive ermöglicht die psychotherapeutische Diagnostik einen wesentlichen Ausgangspunkt für die psychotherapeutische Behandlung (vgl. Bartuska 2005).
„Psychotherapie richtet ihr Augenmerk dann nicht einfach auf das Innere eines Menschen, sondern auf das Rollenatom und die Stellung eines Menschen in seinem Netzwerk“ Dollase (1996) cit. nach Buer (2004, S. 41)
Burmeister (2004) erklärt das szenische Handeln zur aktionalen Selbstexploration, welches den Erkenntnisgewinn zur Beschreibung und Identifikation des zu behandelnden Problems eröffnet. Dadurch wird die Klassifikation der Störung im Sinne eines interaktiven Mediums der Kommunikation, wie dies Uexküll und Wesiak (1996) gefordert haben, erfüllt. Hochreiter betont, dass die Rollenentwicklung ein lebenslanger Prozess ist und verweist gleichzeitig, auf die früh integrierten somatischen Rollen wie das Atmen und das Essen (vgl. Hochreiter 2004).
Hutter (2004) beschreibt den Mensch als RollenspielerIn, der aufgrund seiner körperlichen, geistigen, strukturellen und anderen Möglichkeiten seine Aktivitäten entfaltet. Dies passiert eingebettet in der sozialen Umgebung, in welcher auch alle anderen Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Bestimmte gewohnte Verhaltensmuster fasst Hutter als Cluster zusammen und kann darin das kulturelle Atom nach Moreno erkennen, welcher dieses als dynamisch und relativ konstant ausmacht. Damit möchte ich die Bindungsdiagnostik weiter fokussieren, welche Aufschluss über die Begegnungsqualität vom „Ich“ zum „Du“ verspricht.
Gnothi seauton - Erkenne dich selbst -, diese Forderung haben schon die antiken griechischen Denker gestellt. Als Psychotherapeutin bin ich die unterstützende Kraft, damit sich der Patient besser kennen lernt und sich schlussendlich besser in seinem Leben orientieren kann. Damit ist auch die Basis der Handlungsfähigkeit gestärkt und der Weg zu einer Sinnhaftigkeit nach salutogenetischem Ansatz gegeben (vgl. Antonovsky 1987).
1.2 Grundlagen der Bindungstheorie
Im Fokus meiner Betrachtung steht das Bindungsverhalten meiner Patienten. Es erscheint mir sehr wichtig, auf die Bindungstheorie von John Bowlby Bezug zu nehmen (vgl. Bowlby 1973). Dieser erkennt die Mutter-Säuglings-Interaktion als Teil eines ganzheitlichen Beziehungsgefüges, welches von inneren und äußeren regulierenden Systemen ausgeht, die sich zwangsläufig bedingen. In dieser Hinsicht kann die Mutter-Kind-Bindung nur als Teil eines Beziehungsgeflechts verstanden werden (vgl. Brisch 1999).
Einen wertvollen Beitrag zur Bindungsthematik liefert uns Rudolf (2006). Er sieht die Bindungsebene an innere und äußere Objekte gebunden. Die defizitäre Bindung an die inneren Objekte verknüpft Rudolf an die eingeschränkte Internalisierung, die fehlenden positiven Introjekte und die eingeschränkte Variabilität der Bindung. Der unglückliche Umgang mit äußeren Objekten wird lauf Rudolf (ebd.) durch die eingeschränkte Bindungsfähigkeit, die Unfähigkeit Hilfe anzunehmen und die eingeschränkte Fähigkeit sich zu lösen, angesehen. In diesem Zusammenhang erkennt das Manual OPD-2 auf der Achse IV Struktur allgemeine Charakteristika der Integrationsniveaus, welches sich in vier Stufen gliedert: gut, mäßig, gering und desintegriert (vgl. Arbeitskreis OPD 2007, S. 256ff).
Berg (2013) unterscheidet zwischen „organisierten“ und „nicht organisierten“ Bindungstypen, wobei er den organisierten Bindungstypen, den sicheren sowie den unsicher-vermeidenden und den unsicher-ambivalenten Bindungstypus zuordnet und dem nicht Organisierten den unsicher-desorganisierten zuordnet. Besonders bemerkenswert finde ich die Tatsache, dass nach Berg bei den organisierten Bindungstypen bereits acht Unterkategorien beschrieben werden. Ähnlich fein abgestufte Konzepte zur Bindungsdifferenzierung finden sich auch bei Julius (2009) und Grossmann und Grossmann (2004).et.al.
Das Adult Attachment Interview AAI (Gloger-Tippelt 2001) erforscht mit 18 Fragen den Bindungstyp, der sich in folgender Klassifizierung findet: „autonomer, distanziert-beziehungsabweisender, verstrickter, unverarbeiteter und nichtklassifizierbarer Bindungstypus“. Die sicher-autonomen Menschen sprechen wertschätzend über ihre Bindungspersonen. Vielfältigkeit, Genauigkeit und Objektivität bestimmen ihre Aussagen, Widersprüche werden mit Nachsicht behandelt. Der feinfühlige Umgang ist auch im aktuellen Erleben erkennbar, welcher mit lebendiger Sprache und Humor transportiert wird. Bei vermeidend gebundenen Personen werden bindungsrelevante Erfahrungen klein gemacht. Die Ignoranz von unangenehmen Erfahrungen stellt ein starkes Merkmal dar. Das Interview ist häufig sehr kurz, weil sich die Betroffenen nicht mehr erinnern. Hingegen ist die Verstrickung von ablehnend-ambivalent gebundenen Personen beherrschend in Interviews. In einer entwicklungspsychologischen Sichtweise kann davon ausgegangen werden, dass im Kleinkindalter in diesem Fall die Vorstellung vermittelt worden ist, dass es den Bezugspersonen nur gut geht, wenn das Kind „brav“ ist. Auffällig ist das Vermeiden von Ärger und Leid. Das AAI-Interview verwendet für den unsicher-desorganisierten Bindungstyps die Kategorien unverarbeitet und nicht klassifizierbar (vgl. Berg 2013, Main u. Solomon 1986). Kurz zusammengefasst machen diese Kinder Erfahrungen, die so schwer belastend sind, dass sie nicht integriert werden können, sondern mit erstarrten Handlungen, ähnlich einem „bewegten Standbild“, einen unwirklichen Eindruck vermitteln. Wichtig erscheint, dass dieses Verhalten noch keine Psychopathologie bedeutet, sondern Hinweis auf einen Risikofaktor darstellt (Berg 2013 cit. Hédervári Heller et al. 2011).
2. Entwicklung und Konstruktion des PDBI
2.1 Leitziele der Verfahrensentwicklung
Im Fokus dieser Arbeit steht die Weiterentwicklung der Bindungsdiagnostik. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus der praktischen Arbeit als Psychodrama-Psychotherapeutin beschäftigte ich mich mit dem Modell einer Erweiterung zu den Bowlby-Ainsworth-Typen für die Nutzung in der psychotherapeutischen Diagnostik.1 Daraus entstand das hier vorgestellte Psychodrama-Bindungstypen-Interview (PDBI) als szenisches Untersuchungsinstrument. Leitziele der Verfahrensentwicklung waren eine standardisierte und ökonomische Abklärung des Bindungstyps für die psychotherapeutische Praxis zu ermöglichen. Um die PatientInnen wertschätzend in ihrer Befindlichkeit abzuholen, wurde auf die positive Charakterisierung der Bindungstypen bei der Benennung Acht gegeben und damit eine positive therapeutische Beziehung in der Untersuchungssituation unterstützt. Weitere Verfahrensziele sind die hinreichende Erfüllung der Kriterien der Objektivität, der Validität und der Reliabilität, die in Folgestudien noch näher untersucht werden sollen.
2.2 Vorüberlegungen zur Entwicklung eines standardisierten psychodramatischen Bindungstypeninterviews
Solange wir leben, bilden Soma und Psyche eine untrennbare Einheit. Diese Einheit nutzt das vorgestellte Verfahren, um zu neuen Erkenntnissen mit einer ganzheitlichen Sicht der PatientInnen zu gelangen. Udo Baer und Gabriele Frick-Baer (2001) unterscheiden zwischen dem Körperbild, welches sie als differenzierte Imagination des Menschen ansehen und dem Körperschema, in dem bewusste, vorbewusste und unbewusste Körperwahrnehmungen und Erkenntnisse stecken. Durch eine körperbezogene Intervention, im Sinne eines „Abklopfens“ des Körperschemas, kann die individuelle Verstehbarkeit der Dimensionen der persönlichen Existenz gefördert werden. Die Technik des „Abklopfens“ oder „Antippens“ kann aus dem psychodramatischen Blickwinkel von Rolle und Gegenrolle verstanden werden. In der lebensgeschichtlichen Erfahrung haben die Bezugspersonen Handlungen in einer gewissen Intensität und Erlebnisqualität gesetzt. Mit der Aktivierung dieser Erinnerung in der Untersuchungssituation kann am vorsprachlichen Bereich der Erfahrung angeknüpft werden. So entstehen über die Einbeziehung des Körpers erweiterte diagnostische Möglichkeiten.
Die psychosomatische Rollenebene verspricht hier eine aussagekräftige Quelle der Information zu sein. Die Untersuchungsperson kann durch „Antippen“ bei den PatientInnen zu einer Abklärung der Vorlieben und Abneigungen im Bezug auf die unterschiedenen Bindungstypen kommen. Berg (2013) filtert aus den Erkenntnissen der Bindungstheorie das Bindungsverhaltenssystem und komplementär hierzu das Explorationssystem. Darin erkenne ich das Thema der Suche nach der Ausgewogenheit von Nähe und Distanz. Diese überlebenswichtigen Motivationen scheinen neben anderen wichtigen Faktoren der Bindung hinterlegt zu sein. Dabei beruft sich Berg auf Bowlby, der erkannte, dass Bindung und Exploration einen lebenslangen Prozess des Ausbalancierens der beiden Pole bedeutet. Bei Becker (2008) ist nachzulesen, dass eine Neubildung der Nervenzellen im zentralen Nervensystem beim Menschen auch im erwachsenen Zustand möglich ist. Diese Tatsache macht es plausibel, dass auch das Bindungsverhalten lebenslänglich veränderlich sein kann.
Da der Psychodrama-Psychotherapeut den Menschen in einer Vielzahl von Rollen erkennt, habe ich mich entschlossen, mein Hauptaugenmerk auf diese Rolleninteraktionen zu lenken. Stelzig (2004) ortet einen primären Rollenmangel auf der somatischen Ebene, wenn nicht ausreichende Versorgung und Wahrnehmung gegeben war. Seiner Ansicht nach bauen die psychosomatischen Rollen die Brücke zur Gefühlswelt, sowohl zu positiv als auch zu negativen empfundenen Gefühlen, auf. Auf dieser Ebene ist das „Anklopfen“ des szenischen Interviews einzuordnen. Für die untersuchte Person führt die Erfahrung des Anklopfens durch die gezielte Anleitung und das gezieltes Abfragen der untersuchenden Person zu einem diagnostischen Ergebnis. In der Untersuchungssituation werden Erinnerungen zur Sozialisation ausgelöst, die in die vorsprachliche Zeit der Kindheit zurückreichen und in die unbewusste Inhalte einfließen.
2.3 Durchführung des diagnostischen Interviews – Das „Einrichten der Szene“
Die Vorarbeit für mein szenisches Interview war die Entwicklung von vier Bewegungsimpulsen für die Untersuchungssituation, angeregt von den Bowlby-Ainsworth-Bindungstypen. Dazu habe ich nach Vorversuchen vier unterschiedliche Elterntypen ausgewählt. In der Durchführung des Interviews lade ich meine PatientInnen ein, mit mir auf die Bühne zu kommen und bitte diese sich vorzustellen, wie es war, als sie etwa drei Monate jung waren. Nach dem individuellen Bedürfnis der untersuchten Person gebe ich Zeit, um sich in diese Imagination hineinzuversetzen. Dabei erkundige ich mich, ob es Fotos von diesem Lebensabschnitt gibt. Anschließend frage ich meine KlientInnen, ob ich durch Berühren („Anstupsen“) am Oberarm verschiedene Wiegeimpulse durchführen dürfe. Es ist mir auch sehr wichtig zu erklären, dass nun vier verschiedene Typen von „Impulsen“ kommen werden und bitte meine ProtagonistInnen, sich ausschließlich auf ihr Gefühl zu konzentrieren, weil ich im Anschluss gerne wissen möchte, wie sie es erlebt haben. Wenn dies bejaht wird, beginne ich mit „Elterntyp 1“, um dann mit „Elterntyp 2“ fortzusetzen und „Elterntyp 3“ und „Elterntyp 4“ folgen zu lassen.
Bezugsperson 1 („Elterntyp 1“) betreut mit gleichbleibender Intensität verlässlich, kalkulierbar, in mittlerer Stärke ihr Kind; dies erreiche ich mit gleichbleibendem Anstupsen mit mittlerem Kraftaufwand. Bezugsperson 2 („Elterntyp 2“) versorgt mit „letzter Kraft“ bzw. in einem zeitlich sehr knappen Horizont ihr Kind, weil die Mutter möglicherweise krank ist oder viele Verpflichtungen innehat. Dies setze ich mit wenigen, ganz leichten, Anstups-Bewegungen um. Bezugsperson 3 („Elterntyp 3“) kümmert sich einmal sehr intensiv und dann wieder ganz wenig, dies allerdings mit einer gewissen Regelmäßigkeit, weil die Mutter selbst sehr unausgeglichen ist. Das übersetze ich in Körperwahrnehmung, indem ich abwechselnd stark und schwach anstupse. Bezugsperson 4 („Elterntyp 4“) ist völlig unberechenbar in der Betreuungspflicht, möglicherweise selbst nicht wirklich erwachsen oder mit den Herausforderungen des Lebens völlig überlastet. Diesem Bindungsverhalten habe ich ein unruhiges und abwechselnd intensives wie zartes Anstupsen zugeordnet.
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1 Ich danke Michael Schacht für den Gedankenaustausch zu den Bindungstypen in psychodramatischer Sichtweise.
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