Zuerst wollte ich eine Hausarbeit über Frauen im Militär bzw. über weibliche Soldaten schreiben. Wenn man über Gender und Militär nachdenkt, dann denkt man eher an Untersuchungen oder Essays, die der Frage nachgehen, wie Frauen und Militär vereinbar sind, wie Soldatinnen in der von Männern dominierten Institution überleben oder inwiefern männlicher Habitus vom weiblichen Geschlecht imitiert wird. Frauen in Militäruniform scheinen mit dem maskulinen Bild, das viele vom Militär haben, nicht vereinbar zu sein. Obwohl im Rahmen von political correctness die Armee als eine neutrale Institution betrachtet wird, wird Männlichkeit und Militär hingegen fast in einem Atemzug ausgesprochen. Als männlich konnotierte Eigenscha ften wie mutig, aggressiv, dominant oder stark sind auch Dispositionen, die von Soldaten gefordert werden. Weibliche Zuschreibungen wie emotional, aufs Äußere fixiert oder familiär sind für viele nicht verträglich mit den Anforderungen, die an einen Rekruten zum Beispiel im Einsatz abverlangt werden. In westlichen Gesellschaften stellen weibliche Soldaten immer noch ein ungewohntes Bild und eine Ausnahme dar. Aber die als natürlich betrachtete Verschränkung von Männlichkeit und Militär ist keineswegs so selbstverständlich. Es handelt sich hierbei um eine Institution, die aufs engste mit dem Staat, seinen Ideologien und seiner Politik verschränkt ist (Sasson-Levy, 2003: 74). In der vorliegenden Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit militärischer Habitus, u.a. das Zeigen von Aggressivität, Chauvinismus, die Einstellung zum Töten und getötet werden, erst im Rahmen der militärischen Ausbildung anerzogen wird und biologische Theorien, die von einer Natürlichkeit des männlichen Militärdienstes ausgehen, kaum ausreichend Erklärungskraft besitzen. Männliche Soldaten erfahren eine berufliche Sozialisation, die sie nicht nur zu Kämpfern macht, sondern darüber hinaus auch in die Geschlechtsidentität und Sexualität von Rekruten eingreift. Das Militär kann, wie ich noch drauf eingehen werde, als eine Institution betrachtet werden, die sowohl von politischen als auch von biologischen Denkweisen durchsetzt ist, die von Ausbildern und Soldaten tagtäglich reproduziert werden.
Gliederung
Einleitung
1. Das Militär: Institution mit einer spezifischen Realität
1.1 Rituale und andere Formen von Disziplinierungen
1.2 Funktionale Bedeutung von militärischen Ritualen
1.3 Töten und getötet werden
1.4 Sexualität und Chauvinismus
2. Sozioökonomische Faktoren
3. Biologische und politische Ideologien
4. Zusammenfassung
Literatur
Einleitung
Zuerst wollte ich eine Hausarbeit über Frauen im Militär bzw. über weibliche Soldaten schreiben. Wenn man über Gender und Militär nachdenkt, dann denkt man eher an Untersuchungen oder Essays, die der Frage nachgehen, wie Frauen und Militär vereinbar sind, wie Soldatinnen in der von Männern dominierten Institution überleben oder inwiefern männlicher Habitus vom weiblichen Geschlecht imitiert wird. Frauen in Militäruniform scheinen mit dem maskulinen Bild, das viele vom Militär haben, nicht vereinbar zu sein. Obwohl im Rahmen von political correctness die Armee als eine neutrale Institution betrachtet wird, wird Männlichkeit und Militär hingegen fast in einem Atemzug ausgesprochen. Als männlich konnotierte Eigenschaften wie mutig, aggressiv, dominant oder stark sind auch Dispositionen, die von Soldaten gefordert werden. Weibliche Zuschreibungen wie emotional, aufs Äußere fixiert oder familiär sind für viele nicht verträglich mit den Anforderungen, die an einen Rekruten zum Beispiel im Einsatz abverlangt werden. In westlichen Gesellschaften stellen weibliche Soldaten immer noch ein ungewohntes Bild und eine Ausnahme dar. Aber die als natürlich betrachtete Verschränkung von Männlichkeit und Militär ist keineswegs so selbstverständlich. Es handelt sich hierbei um eine Institution, die aufs engste mit dem Staat, seinen Ideologien und seiner Politik verschränkt ist (Sasson-Levy, 2003: 74).
In der vorliegenden Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit militärischer Habitus, u.a. das Zeigen von Aggressivität, Chauvinismus, die Einstellung zum Töten und getötet werden, erst im Rahmen der militärischen Ausbildung anerzogen wird und biologische Theorien, die von einer Natürlichkeit des männlichen Militärdienstes ausgehen, kaum ausreichend Erklärungskraft besitzen. Männliche Soldaten erfahren eine berufliche Sozialisation, die sie nicht nur zu Kämpfern macht, sondern darüber hinaus auch in die Geschlechtsidentität und Sexualität von Rekruten eingreift. Das Militär kann, wie ich noch drauf eingehen werde, als eine Institution betrachtet werden, die sowohl von politischen als auch von biologischen Denkweisen durchsetzt ist, die von Ausbildern und Soldaten tagtäglich reproduziert werden.
1. Das Militär: Institution mit einer spezifischen Realität
Als ich in meinem Freundeskreis von dieser geplanten Arbeit sprach, gab es unterschiedliche Reaktionen. Ein Bekannter fragte mich, warum ich überhaupt darüber schreiben will, weil das Militär seiner Ansicht nach, nichts Besonderes darstelle. Männer gingen zum Militär, weil es ihrer Natur entspräche.
Ich bin nicht der Meinung, dass man das Militär mit zivilen Ausbildungsstätten oder Arbeitsplätzen so einfach vergleichen kann, denn das „Militär ist jene soziale Organisation, die uniformiert, kaserniert, bewaffnet und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam unterworfen ist, und die von einem Staat unterhalten wird, um bestimmte Macht-, Herrschafts- oder Produktionsformen durchzusetzen, aufrechtzuerhalten oder zu verteidigen“ (Euskirchen, 2004: 35). Das Militär ist ein gesellschaftlicher Bereich, wie die Politik oder die Wissenschaft auch, eine Organisation, deren Strukturen gemacht sind und nicht von sich aus gewachsen. Organisationsweisen werden nicht in der Welt gefunden, sondern von Menschen geschaffen und die Individuen in solchen Einrichtungen treten miteinander in soziale Beziehungen, die nicht ‚natürlich’ sind. Es wird aber nicht nur beim Militär Uniform getragen oder gehören Waffen zum Arbeitsalltag. Was diese Institution von anderen gesellschaftlichen Bereichen dagegen trennt, ist zum einen die Kasernierung von Soldaten, Rekruten und Vorgesetzten. Die örtliche Abgrenzung des Militärs, welche im ausgehenden 17. Jahrhundert entstanden ist, verfolgt den Zweck, die Erziehung des Soldaten auf alle Lebensbereiche ausweiten und somit die militärische Ausbildung maximieren zu können (vgl. Euskirchen, 2004: 56). Die Isolation hat darüber hinaus die Funktion, die verschiedenen Lebenssituationen stärker kontrollieren zu können, d.h. Fremdbeherrschung somit zu ermöglichen. Ferner scheint es nur durch die Abgrenzung möglich zu sein, eine sogenannte militärische Scheinrealität beizubehalten. Gemeint ist damit, dass sonst in Friedenszeiten das Militär seine eigentliche Bestimmung für den Krieg nicht problemlos aufrechterhalten kann (Voss, 1988: 49).
Markus Euskirchen verweist an dieser Stelle auf den von Erving Goffman geprägten Begriff der ‚totalen Institution’ und die Analogie zum Militär. Eine sogenannte totale Institution ist durch vier Merkmale charakterisiert: Alle Lebensbereiche finden nur an einem Ort statt; alle werden gleich behandelt; das Leben in einer solchen Institution ist genau geplant und alle Tätigkeiten dienen einem institutionellen Zweck (vgl. Euskirchen, 2004: 56; Goffman 1973: 17).
Die militärische Struktur innerhalb der Kaserne oder auf dem Stützpunkt ist zum anderen eine Besonderheit, was das Prinzip von Befehl und Gehorsam anbetrifft. Die Methoden dienen nicht nur der Aufrechterhaltung von Ordnung, sondern haben als Disziplinierungsmittel1 den Zweck Unterordnung und Selbstaufgabe zu gewährleisten.
Das Militär unterscheidet sich noch in einem weiteren Punkt von zivilen Institutionen: Die Verknüpfung mit dem Staat und seiner Politik ist in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich so ausgeprägt wie hier. Einerseits konzentriert das Militär auf seinem Territorium staatliche Gewaltmittel, stellt demzufolge eine verdinglichte Erscheinungsform von Staatsgewalt dar (Krippendorff, 1988: 15) und kann dieses Potential sowohl nach innen als auch nach außen einsetzen, je nach Anweisung der jeweils herrschenden Staatsoberhäupter. Die Armee ist demnach ein politisches Instrument nicht nur in Kriegs- und Krisenzeiten, sondern auch in Friedenszeiten, wie zum Beispiel als militärische Ehrerweisung bei Staatsbesuchen oder Staatsbegräbnissen. Andererseits verkörpert die Armee politische Ideologien2 u.a. in Form eines ganz bestimmten Typus von militärischer Männlichkeit: Die Eigenschaften des Militärs wie Heldentum, Kampf, Tapferkeit und Tod zeichnen sich durch einen aggressiv-gewaltförmigen und ambivalenten Charakter aus. Auffallend ist, dass die oben genannten soldatischen Attribute vorrangig männlich konnotiert sind und einen prosozialen, das heißt beschützenden, aber auch einen gewaltverherrlichenden Inhalt haben. Typisch weibliche Eigenschaften haben im Militär sowohl keinen Platz als auch keine Funktion (vgl. Sasson-Levy, 2003: 82). Wir haben es hier also mit einem ‚reinen’ männlichen Charakter zu tun, der sich beim Militär nicht zufällig herausgebildet hat, vielmehr erfüllt dieses Konzept wichtige Aufgaben. Den Konstruktionscharakter dieser Männlichkeit, die Rolle, die er erfüllt und die Schwierigkeiten, die sich damit ergeben werde ich in den nächsten Abschnitten noch ausführlicher darstellen.
1.1 Rituale und andere Formen von Disziplinierungen
Rituale haben eine ordnungsstiftende und eine ordnungssichernde Funktion, nicht nur im Militär, sondern auch in vielen zivilen Organisationen. Es handelt sich hier um „verdichtete Kommunikation [...], die eine bestimmte soziale Ordnung vermittelt, diese reproduziert, reorganisiert und bisweilen auch neu hervorbringt“ (Euskirchen, 2004: 26). Die Armee bedient sich, durch ihre besondere Aufgabe der Gehorsamsproduktion, spezifischer Techniken zur Disziplinierung der Soldaten. Euskirchen (2004: 56f.) fasst drei militärische Methoden zusammen, die nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch in der Armee anderer Länder verwendet werden.
Die Normenfalle kennzeichnet eine Disziplinierungstechnik, welche die Reglementierung des soldatischen Alltags betrifft. Der Rekrut muss sich von Anfang seiner Dienstzeit an mit einer sehr großen Anzahl von Regeln und Vorschriften beugen. Diese beziehen sich nicht nur auf das pünktliche Erscheinen, unbegründete Reinigungsaufgaben, exakten militärischen Gruß, sondern auch auf strenge Uniform- und Körperpflege und sportliche Anforderungen. Fast jede Situation, in die der Rekrut geraten kann, ist normierbar bzw. normiert. Auch hier wieder scheint die Ähnlichkeit zur totalen Institution durch. Dieses hohe Ausmaß der Reglementierungen kann nun insofern als Disziplinierungsmaßnahme eingesetzt werden, da der Soldat, aufgrund der beinahen Unmöglichkeit ihres Gerechtwerdens, zum einen fortwährend unter Druck ist, seine Pflichten korrekt zu erfüllen, zum anderen gerade diese Unüberschaubarkeit von den Vorgesetzten missbraucht werden kann, den Rekruten fälschlicherweise eines Fehlverhaltens zu beschuldigen. Die Mittel, in dieser Situation den Überblick zu behalten, sind sehr begrenzt. „Daraus resultiert der für das Militär typische Zustand ständiger Fremd- und Selbstkontrolle und -sanktion“ (Euskirchen, 2004: 57). Folgen dieses schikanösen Verhaltens seitens der Ausbilder bestehen in der soldatischen Unterwerfung unter die fremdbestimmten Normen und in der permanenten Furcht vor der ‚Normenfalle’.
Die Überlastung als weitere Methode steht in Beziehung zur Normenfalle. Sie stellt eine Steigerung der militärischen Willkür dar. Die Vorgesetzten können und dürfen auch widersprüchliche Anforderungen an Soldaten stellen, die kaum bzw. nicht zu bewältigen sind. Zum Beispiel, Soldaten müssen unter Zeitdruck antreten und dennoch kann der Ausbilder verlangen, dass Ausrüstung und Uniform in tadellosem Zustand sind. Überlegenheit der Ausbilder und die eigene Schwäche als Konsequenzen erreichen, dass die Überlastung als Gehorsamsproduktionstechnik effektiv eingesetzt werden kann.
Der Drill letztlich betrifft vorrangig die körperliche Einübung von Befehlsketten und Gehorsam. Innerhalb der Ausbildung lernt der Soldat zunächst einzelne Befehle wie bestimmte Formen von Marschieren und Exerzieren körperlich fehlerfrei umzusetzen, solange bis das Kommando ohne nachzudenken ausgeführt werden kann. Später werden dann kombinierte Bewegungsfolgen von den Rekruten einwandfrei abverlangt.
Beim amerikanischen Militär scheint es ferner eine Technik zu geben, welche die Rekruten innerhalb der Geschlechterordnung degradiert. Die Anrede ‚ladies’ (Horn, 1988: 26) oder women gegenüber den Soldaten soll gleich mehrere Zwecke erfüllen. Zunächst sollen die Rekruten herabgewürdigt werden, da es sich um eine Verletzung ihrer Geschlechtsidentität handelt. Ferner hat die Bezeichnung die Wirkung, die Rekruten schon von Anfang an darauf vorzubereiten, dass sie während der militärischen Sozialisation erst zu einem Mann bzw. Kämpfer gemacht werden, dessen Männlichkeit nicht mit der Männlichkeit in der zivilen Welt vergleichbar ist und schließlich reproduziert diese Anrede die rigorose Geschlechterpolitik3 in der Armee. Alle Disziplinierungstechniken führen letztlich zu einer Entindividuation (Voss, 1988: 49) des einzelnen Rekruten. „Der Sublimierungsdruck ist in der militärischen Realität ein ganz anderer als in der zivilen. Er weist in den Verhaltensäußerungen der Soldaten deutlich auf einen in der zivilen Realität schon überschrittenen Zeitpunkt der Zivilisationsgeschichte hin. Von der Sprache über die Eß- und Trinkgewohnheiten bis hin zum Umgang mit der eigenen Sexualität überschreitet die sich im Militär herausbildende Soldatenkultur an vielen Stellen die Peinlichkeits- und Schamgrenze der Jugendlichen, die im zivilen Leben geprägt worden ist“ (Voss, 1988: 48f.).
[...]
1 Auf die verschiedenen Methoden und Techniken und den Zweck bzw. ihre Folgen gehe ich im nächsten Abschnitt konkret ein.
2 Die biologischen und politischen Ideologien beim Militär werde ich im letzten Abschnitt ausführlich behandeln.
3 Chauvinismus beim Militär wird in einem gesonderten Abschnitt behandelt.
- Citar trabajo
- Steffi Osterburg (Autor), 2004, Zum Soldaten geboren? Militärische Sozialisation und politische Ideologien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33410
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