Das Thema Parteienverbot erhielt neue Aktualität, als 2001 die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag kurz nacheinander einen Verbotsantrag gegen die NPD einreichten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ein knappes halbes Jahr zurück liegt (18. März 2003), fiel in Bezug auf ein Verbot negativ aus: der Verbotsantrag wurde für unzulässig erklärt. In diesem Zusammenhang entstand eine heftige Diskussion hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit einer solchen Maßnahme.
Auf der einen Seite stehen die Befürworter des Parteienverbots, die trotz des demokratischen Grundrechts der Meinungsfreiheit daran festhalten, dass eine Vernichtungsideologie „kein schutzwürdiges Gedankengut“ (Buntenbach/ Wagner 2002, S.134) darstelle, auf der anderen Seite resümieren die Gegner, dass Meinungen durch ein Verbot nicht verändert würden, Organisationen sich im Untergrund schlechter verfolgen ließen und die Parteienvielfalt eingeschränkt würde. Während sich neonazistische Aktivitäten durch ein Verbot kaum unterbinden lassen, wird die entsprechende Partei zumindest vorerst zerschlagen und eine größere (Re-)Organisation verhindert. Es stellt sich die Frage, ob ein Parteienverbot heute überhaupt noch zeitgemäß ist.
Vor diesem Hintergrund müssen zunächst die Ursprünge des Parteienverbots und dessen Verankerung im Grundgesetz geklärt werden. Der seit dem KPD-Verbotsurteil verwendete Begriff „streitbare Demokratie“ umfasst neben dem Parteienverbot eine Reihe von Präventivmaßnahmen zur Bekämpfung von Extremisten. Im Anschluss erörtert diese Arbeit die beiden „erfolgreichen“ Parteienverbotsverfahren: das SRP- und das KPD-Verbotsverfahren. In einer abschließenden Problematisierung werden Parteienverbote auf demokratietheoretischer, verfassungsrechtlicher und politisch-pragmatischer Ebene diskutiert, um der Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit des Parteienverbots in der heutigen Zeit näherzukommen.
Gliederung
1. Einführung in das Thema
2. Streitbare Demokratie
2.1 Das Konzept der streitbaren Demokratie
2.2 Instrumente der streitbaren Demokratie
2.2.1 Das Parteienverbot
3. Parteienverbotsverfahren in den 50er Jahren
3.1 Das SRP-Verbotsverfahren
3.2 Das KPD-Verbotsverfahren
4. Diskussion des Parteienverbots
5. Resümee
6. Literaturverzeichnis
7. Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung in das Thema
Das Thema Parteienverbot erhielt neue Aktualität, als 2001 die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag kurz nacheinander einen Verbotsantrag gegen die NPD einreichten. Die Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts, die ein knappes halbes Jahr zurück liegt (18. März 2003), fiel in Bezug auf ein Verbot negativ aus: der Verbotsantrag wurde für unzulässig erklärt. In diesem Zusammenhang entstand eine heftige Diskussion hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit einer solchen Maßnahme.
Auf der einen Seite stehen die Befürworter des Parteienverbots, die trotz des demokratischen Grundrechts der Meinungsfreiheit daran festhalten, dass eine Vernichtungsideologie „kein schutzwürdiges Gedankengut“ (Buntenbach/ Wagner 2002, S. 134) darstelle, auf der anderen Seite resümieren die Gegner, dass Meinungen durch ein Verbot nicht verändert würden, Organisationen sich im Untergrund schlechter verfolgen ließen und die Parteienvielfalt eingeschränkt würde. Während sich neonazistische Aktivitäten durch ein Verbot kaum unterbinden lassen, wird die entsprechende Partei zumindest vorerst zerschlagen und eine größere (Re-)Organisation verhindert. Es stellt sich die Frage, ob ein Parteienverbot heute überhaupt noch zeitgemäß ist.
Vor diesem Hintergrund müssen zunächst die Ursprünge des Parteienverbots und dessen Verankerung im Grundgesetz geklärt werden. Der seit dem KPD-Verbotsurteil verwendete Begriff „streitbare Demokratie“ umfasst neben dem Parteienverbot eine Reihe von Präventivmaßnahmen zur Bekämpfung von Extremisten. Im Anschluss erörtert diese Arbeit die beiden „erfolgreichen“ Parteienverbotsverfahren: das SRP- und das KPD-Verbotsverfahren. In einer abschließenden Problematisierung werden Parteienverbote auf demokratie-theoretischer, verfassungsrechtlicher und politisch-pragmatischer Ebene diskutiert, um der Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit des Parteienverbots in der heutigen Zeit näherzukommen.
2. Streitbare Demokratie
Aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik bzw. der Folgen durch deren Verfassung, die nicht in der Lage war Extremisten einzudämmen, entwickelte die Bundesrepublik Deutschland ein Konzept zum Schutz der Demokratie. „Der parlamentarische Rat zeigte sich darin einig, daß eine Anküpfung (!) an die Weimarer Republik gerade mit Blick auf den Demokratieschutz um nahezu jeden Preis vermieden werden sollte.“ (Jesse 1999, S. 584) Dieses Konzept heißt seit seiner namentlichen Erwähnung im KPD-Verbotsurteil „Streitbare Demokratie“. „Termini wie ‚abwehrbereit‘, ‚wachsam‘, ‚wehrhaft‘, ‚militant‘, ‚kämpferisch‘ [werden] mehr oder weniger synonym zu ‚streitbar‘ verwandt.“ (Jesse 1999, S. 586) „Streitbar“ ist jedoch der gängige Begriff in der Literatur und wird vom Bundesverfassungsgericht verwandt.
2.1 Das Konzept der streitbaren Demokratie
Die Weimarer Republik ging zwar gegen Extremismus vor, erkannte jedoch nicht die Gefahr, die von legal agierenden Extremisten ausging. Die Verfassung der Weimarer Republik war nicht wehrlos, aber „die volle Meinungsfreiheit zählte zu den elementaren Voraussetzungen des freiheitlichen Staates [...]“ (Canu 1996, S. 190) Daraus entwickelte sich in den Verfassungsdebatten nach 1945 das Konzept der streitbaren Demokratie. „Die Konzeption der streitbaren Demokratie, wie sie im Grundgesetz fixiert worden ist, wollte die Hilflosigkeit der relativistisch geprägten Demokratie des Weimarer Typs überwinden [...]“ (Jesse 1999, S. 584) Der Begriff der „streitbaren Demokratie“ wird nicht explizit benannt, das Grundgesetz beinhaltet jedoch eine Vielzahl von Artikeln, die den Schutz der freiheitlichen Demokratie betreffen.
Generell stellt das Konzept der streitbaren Demokratie einen Lösungsversuch des demokratischen Dilemmas dar. Das Schutzobjekt ist die freiheitliche demokratische Grundordnung, über die ein Grundkonsens besteht. Das Konzept umfasst das Recht der Demokratie zur Selbstverteidigung. Charakteristika der streitbaren Demokratie sind Vorverlagerung (Prävention), Wert- und Wehrhaftigkeit. (vgl. Jesse 1999, S. 584) Hinzu kommt die Treuepflicht, die den öffentlichen Dienst betrifft.
Die streitbare Demokratie beinhaltet also abgestufte Maßnahmen, sowohl im repressiven als auch im präventiven Bereich. Das Prinzip der Wertgebundenheit wird durch die „Ewigkeitsklausel“ repräsentiert, das der Wehrhaftigkeit wird z.B. durch Organisationsverbote und die Verwirkung von Grundrechten umgesetzt. Die Demokratie wehrt sich demnach nicht erst gegen gewalttätige Angriffe, sondern schon gegen antidemokratische Bestrebungen, die das System gefährden könnten. In der Vorverlagerung in den Bereich des legalen politischen Handelns „liegt der Hauptunterschied zum liberalen Staatsschutz.“ (Canu 1996, S. 200) Demzufolge ist die Ausübung von Grundfreiheiten durch die demokratische Kontrolle begrenzt.
Es ergeben sich insgesamt vier konstitutive Elemente der streitbaren Demokratie:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(vgl. Canu 1996, S. 200)
2.2 Instrumente der streitbaren Demokratie
Wie bereits erwähnt, sind im Grundgesetz einige Bestimmungen zum Schutz der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung verankert. Dabei geht es dem Verfassungsgeber darum, die freiheitliche Demokratie vor der Beseitigung zu schützen. Einige Autoren beschränken die Anzahl der „schützenden Artikel“ auf vier, andere sehen in 28 Artikeln Hinweise auf eine solche Ordnung. Canu wählt für sich folgende Bestimmungen aus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(vgl. Canu 1996, S. 193)
In Deutschland ist es noch nie zu einer „Verwirkung von Grundrechten“ gekommen, während es durchaus Fälle gab und gibt, in denen Personen der Zugang zum öffentlichen Dienst verweigert wird.
Da es in dieser Hausarbeit um das Parteienverbot geht, beschränke ich mich auf die genauere Erklärung dieses Instruments.
2.2.1 Das Parteienverbot
„Organisationsverbote enthalten präventive Elemente, wobei das Parteienverbot ein Extreminstrument darstellt.“ (Canu 1996, S. 198) Das Parteienverbot - unter der Parole „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“ (Wassermann 2002, S. 101) - gehört somit zu den umstrittensten Bestimmungen der streitbaren Demokratie. Die Grundlage des Parteienverbots stellte die Angst vor einer erneuten Übernahme der Macht durch extremistische Gruppen (vgl. NSDAP) dar.
Obwohl ein Parteienverbot die Vielfalt des Spektrums (Entscheidungsfreiheit und Mehrheitsprinzip) einschränkt, „ist ein Parteiverbot grundsätzlich rechtfertigungsfähig.“ (Morlok 2002, S. 64) Die Strukturen der freiheitlichen Demokratie bedürfen des Schutzes vor äußeren Kräften, die diese Demokratie angreifen. „Die Gewährleistung politischer Freiheit muß, so betrachtet, die Möglichkeit ausschließen, ebendiese Freiheit abzuschaffen“ (Morlok 2002, S. 64f). Um dem Missbrauch des Parteienverbots vorzubeugen, da es gemeinwohl-relevant sein soll und nicht als politisches Mittel eingesetzt werden darf, sind nur der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung berechtigt, einen Parteienverbotsantrag zu stellen (BVerfGG Art. 43 Abs. 1). Länderregierungen dürfen nur einen Antrag gegen eine Partei stellen, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes beschränkt (BVerfGG Art. 43 Abs. 2). Über den Verbotsantrag entschieden wird durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG Art. 13).
Inhaltlich besagt das Grundgesetz Art. 21 Abs. 2:
„‚Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen (...), sind verfassungswidrig. [...]‘“ (Leggewie/Meier 1995, S. 65)
[...]
- Quote paper
- Fee Krausse (Author), 2003, Der Schutz der Demokratie vor Extremisten: Parteienverbote in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33257
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