Das Thema dieser Hausarbeit lautet: „Wirkung von Gewalt in Computerspielen auf die Entwicklung von Jugendlichen: Bericht von einer Kontroverse“. Im Jugenschutzgesetz (2002: § 14 (1)) wird die „Kennzeichnung von Filmen und Film- und Spielprogrammen“ bzw. Sperrung für die entsprechende Altersstufe gefordert wenn sie „ [...] geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“. Inwieweit speziell gewalthaltige Computerspiele den Effekt haben, diese Entwicklung zu stören, ist wissenschaftlich noch nicht einwandfrei geklärt. Für die Öffentlichkeit ist die wissenschaftliche Perspektive bei der Schuldfindung jedoch nicht von übergeordneter Wichtigkeit. Als Beispiel sei hier der Amoklauf von Robert S. am Gutenberg Gymnasium in Erfurt im April 2002 zu nennen. Er tötete im Verlauf 16 Menschen und anschließend sich selbst. Robert S. war Counter-Strike-Spieler, ein Spiel bei dem zwei Gruppen gegeneinander kämpfen, Terroristen gegen eine Anti-Terroreinheit. Während seiner Tat trug der Amokläufer dunkle Kleidung und war vermummt. Auch die Wahl der Waffen ließ auf Parallelen zu Counter-Strike schließen, wodurch besonders dieses Spiel in die Kritik geriet. Für Politik und Boulevardpresse war schnell die Schuld in gewalthaltigen Computerspielen gefunden und man übertraf sich im Folgenden mit Verbotsforderungen.
Ob Robert S. sich wirklich als ‘Terrorist’ aus „Counter-Strike“ sah und deshalb in Manier dieses Spieles mit Pumpgun und Pistole mordete, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Der wirkliche Hintergrund dieser und ähnlicher Taten bleibt weiterhin ungeklärt, denn die Wirkungsforschung befindet sich in diesem Bereich noch in einer Konsensfindung.
1. Einleitung:
Das Thema dieser Hausarbeit lautet: „Wirkung von Gewalt in Computerspielen auf die Entwicklung von Jugendlichen: Bericht von einer Kontroverse“. Im Jugenschutzgesetz (2002: § 14 (1)) wird die „Kennzeichnung von Filmen und Film- und Spielprogrammen“ bzw. Sperrung für die entsprechende Altersstufe gefordert wenn sie „ [...] geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“. Inwieweit speziell gewalthaltige Computerspiele den Effekt haben, diese Entwicklung zu stören, ist wissenschaftlich noch nicht einwandfrei geklärt. Für die Öffentlichkeit ist die wissenschaftliche Perspektive bei der Schuldfindung jedoch nicht von übergeordneter Wichtigkeit. Als Beispiel sei hier der Amoklauf von Robert S. am Gutenberg Gymnasium in Erfurt im April 2002 zu nennen. Er tötete im Verlauf 16 Menschen und anschließend sich selbst. Robert S. war Counter-Strike-Spieler, ein Spiel bei dem zwei Gruppen gegeneinander kämpfen, Terroristen gegen eine Anti-Terroreinheit. Während seiner Tat trug der Amokläufer dunkle Kleidung und war vermummt. Auch die Wahl der Waffen ließ auf Parallelen zu Counter-Strike schließen, wodurch besonders dieses Spiel in die Kritik geriet. Für Politik und Boulevardpresse war schnell die Schuld in gewalthaltigen Computerspielen gefunden und man übertraf sich im Folgenden mit Verbotsforderungen.
Ob Robert S. sich wirklich als ‘Terrorist’ aus „Counter-Strike“ sah und deshalb in Manier dieses Spieles mit Pumpgun und Pistole mordete, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Der wirkliche Hintergrund dieser und ähnlicher Taten bleibt weiterhin ungeklärt, denn die Wirkungsforschung befindet sich in diesem Bereich noch in einer Konsensfindung.
Das Hauptaugenmerk soll in dieser Arbeit auf die möglichen Wirkungen von Gewalt in Computerspielen auf Kinder und Jugendliche gelegt werden. Ebenso wird versucht die Problemfelder in diesem Forschungsbereich aufzuzeigen. Viele unterschiedliche Untersuchungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Diese kontroverse Diskussion soll anhand zweier unterschiedlicher Studien dargestellt werden. Dazu ist zunächst im ersten Teil des Hauptteils eine Begriffsklärung bzw. Definition nötig. Was versteht man unter Computer- und Videospielen. Wie sind sie voneinander abgrenzbar oder ist dies überhaupt nicht möglich und nötig? Weiterhin wird noch ein Überblick über die Geschichte des Computers gegeben. Anhand von Zahlen und Fakten verschiedener Untersuchungen soll die zunehmende Verbreitung von Computern und Videospielsystemen dargestellt werden. Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass Computerspiele zu einer der größten Freizeitbeschäftigungen deutscher Kinder und Jugendlicher geworden ist. Im letzten Abschnitt des ersten Teiles wird noch die Frage behandelt, ob und warum Computerspiele eher und öfter von Jungen oder Mädchen genutzt werden.
Der zweite Teil der Arbeit beginnt mit einem kurzen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Im Anschluss wird ein Überblick über die in der Literatur gefundenen Motivatoren gegeben, welche Kinder und Jugendliche überhaupt zum Computerspiel greifen lassen. Aufbauend darauf werden einige Theorien zum Wirkungszusammenhang zwischen Gewalt in Computerspielen und ihren Wirkungen sowie deren Probleme und Unzulänglichkeiten dargestellt. Das bisher gezeigte uneinheitliche Bild bezüglich des Forschungsstandes soll dann nochmals an den Ergebnissen zweier unterschiedlicher Studien verdeutlicht werden. Auf der einen Seite stelle ich die Untersuchungsergebnisse von Manuel Ladas (2002) „Brutale Spiele(r)“ dar, auf der anderen Seite werden die Ergebnisse von Trudewind & Steckel (2004) „Effekte gewaltorientierter Computerspiele bei Kindern und Jugendlichen“ zusammengefasst. Im Anschluss erfolgt eine Gegenüberstellung in der einige Probleme der Forschung dargestellt werden sollen. Nach einem kleinen Zukunftsausblick folgen dann abschließende und zusammenfassende Worte.
2. Hauptteil
2.1. Computer- und Videospiele
In den nächsten fünf Gliederungspunkten werden zunächst grundlegende Punkte zum Verständnis der Position des Computerspiels in unserer heutigen Gesellschaft behandelt. Weiterhin werden die in dieser Arbeit zu betrachtenden Computerspiele eingegrenzt.
2.1.1. Definition und Abgrenzung
Bevor auf die Geschichte und Verbreitung von Computer- und Videospielen sowie deren eventuell schädigende Wirkung auf die Entwicklung Jugendlicher eingegangen werden kann, muss zunächst eine Begriffsklärung folgen. Was sind Computer- und Videospiele? Worin unterscheiden sie sich und ist eine explizite Unterscheidung für diese Arbeit überhaupt notwendig?
Klimmt (2004: 696) beschreibt Computer- und Videospiele als „[…] interaktive Medienangebote, die zum Zweck der Unterhaltung hergestellt und genutzt werden.“. Auch nach Ladas (2002: 34) ist ein Computer- bzw. Videospiel ein „der Unterhaltung dienendes Programm, das auf einem mehr oder weniger auf das Spielen spezialisiertem Computersystem gestartet werden kann“. Hierbei ist schon die grundlegendste Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Computer- und Videospielen angesprochen. Ein Computerspiel ist für die Nutzung auf Personal Computern (PC) geschrieben worden. Diese Systeme sind nicht rein für das Spielen entwickelt worden sondern können auch für andere Dinge wie z. B. der Anwendung von Textverarbeitung, Tabellenkalkulationen, dem Brennen von CDs, dem Zugang zum Internet und diversen anderen Programmen (Lischka 2002: 70) genutzt werden. Weiterhin müssen Spiele auf dem Computer zuerst installiert werden, d. h. sie werden teilweise oder komplett auf den Festplattenspeicher des Rechners gespeichert, bevor sie gespielt werden können. Oft ist auch noch eine Konfiguration des Spieles nötig, da aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten sich einen PC zusammenzustellen kaum einer dem anderen gleicht und somit vielfältige Kombinationsmöglichkeiten an Hardware berücksichtigt werden müssen. Als Ausgabegerät zur Rückmeldung an den Spieler dient beim PC im Normalfall ein Bildschirm, weshalb hier auch oft von ‘Bildschirmspielen’ (Ladas 2002:S 34) gesprochen wird. Die meisten Spiele verwenden als Eingabegeräte Maus und Tastatur, da diese bei jedem PC vorhanden sind. Lischka bietet zur Unterscheidung zwischen Computer- und Videospielen noch den Zugang der Komplexität, welcher bei Computerspielen oft komplizierter als bei Videospielen ist. Allein die viel größeren Steuerungsmöglichkeiten, durch die Kombination von Tastatur und Maus, lassen eine vielfältigere Einflussnahme auf die Spielwelt zu.
Ein Videospiel hingegen ist speziell auf eine Videospielkonsole ausgerichtet und kann nicht auf anderen Produkten wie z. B. dem PC oder anderen Konsolen abgespielt werden. Als Beispiel seien der Nintendo Game Cube, die Sony Playstation 1 und 2 genannt. Diese Konsolen werden an den Fernseher angeschlossen und bieten einen schnellen und unkomplizierten Zugang in die Spielwelt (vgl. Lischka 2002: 71). Als Eingabegeräte sind den Konsolen im Normalfall so genannte „Joypads“ beigelegt. Sie bieten mit einer eher begrenzten Anzahl von Bedienelementen keine so komplizierten Steuerungsmöglichkeiten wie der Computer. Dennoch ist auch bei Spielkonsolen ein Trend zur Nutzung von Tastatur und Maus zu erkennen, da auch diese Konsolen immer öfter über die Möglichkeit der Internetnutzung verfügen. Hauptsächlich zwar um gegen Spieler auf aller Welt anzutreten, aber auch, um im Internet surfen zu können. Im Bereich der Videospiele gibt es dann noch die so genannten Handhelds und Videospielautomaten. Handhelds wie der Game-Boy oder der Game Gear sind von kompakten Ausmaßen, batteriebetrieben und besitzen einen kleinen Bildschirm, weshalb sie überall verwendet werden können. Videospielautomaten stehen in der Regel in Spielhallen und können gegen Einwurf von Geld genutzt werden. Für die weitere Betrachtung dieser Arbeit sind sie nicht von größerer Bedeutung, da der Zugang zu Spielhallen für Jugendliche unter 18 Jahren nicht gestattet ist.
Insgesamt sind Videospielkonsolen also nichts anderes als abgespeckte Computer; sie „haben heute dieselben Komponenten wie jeder High-End-PC“ (Lischka 2002: 30). Sie bestehen aus exakt für das Spielen entwickelten Komponenten und können nicht wie ein PC im Baukasten-Prinzip zusammengesetzt oder erneuert werden. Dennoch ist demnach ein Spiel, das auf einer Konsole gespielt wird ebenso ein Computerspiel, wie ein Spiel das auf einem herkömmlichen Computer genutzt wird. In Grafik und Sound unterscheiden sie sich kaum und immer mehr Spiele werden für Konsolen und Computer gleichzeitig entwickelt und veröffentlicht. Deshalb ist eine weitere Unterscheidung im Laufe der Arbeit nicht relevant und wird, falls dennoch notwendig, im Text deutlich gemacht. Überdies hat sich der Begriff ‘Computerspiel’ in den letzten Jahren sowohl für Computer- als auch für Videospiele etabliert (Fritz (1997: 81).
2.1.2. Geschichte des Computers und der Spiele
Die folgenden Darlegungen zur Geschichte des Computers und der Computerspiele stützen sich hauptsächlich auf Lischka (2002: 19-68), Mayer (1992: 19-29) und Ladas (2002: 27-29).
Als Großvater der Computer- und Videospiele sieht die Literatur einhellig den Physiker W. Higinbotham der 1958 am „Massachusetts Institute of Technology“ das „Tennis for two“ entwickelte. Hierbei ist zu bemerken, dass Higinbotham kein Spieler war. Er nutzte vielmehr die gegebenen technischen Möglichkeiten, um die Arbeit seiner Abteilung der Öffentlichkeit an einem Tag der offenen Tür begreifbar zu machen. Damit waren die Weichen für die Spielentwicklung gestellt, was damals allerdings noch niemand ahnte. 1958 gab es erst 2550 Computer in den USA und diese konnten nur von Eliten genutzt werden.1960 waren es zwar schon 6000. Dennoch war an einen Zugang für die Massen noch nicht zu denken. Es wurden zwar Spiele entwickelt, deren Nutzung blieb jedoch den Personen vorbehalten die Zugang zu Großrechnern hatten. Sie waren vielmehr eine Freizeitbeschäftigung und Hobby für die damaligen Programmierer und keiner dachte an eine kommerzielle Nutzung. Verbreitet und verändert wurden die Spiele über den Vorläufer des Internet, genannt ARPAnet. Im Laufe der Zeit wurden die Computer immer kleiner. Die erste kommerzielle Nutzung eines Computerspiels erfolgte 1971 als der Hacker Bill Pitts und der Ingenieur Hugh Tuck einen alten Rechner kauften und diesen mit einem Display und einem Münzeinwurfschacht kombinierten. Aufgestellt war dieser Videospielautomat in einem Café und lief dort auch bis 1979. Die erste Spielkonsole für das Heim brachte 1972 der Ingenieur Ralph Baer durch die Firma Magnavox heraus. Sein Spielcomputer Namens ‘Odyssey’ konnte an den heimischen Fernseher angeschlossen werden. Der durchschlagende Erfolg blieb aus, denn es wurden nur ca. 100000 Stück verkauft. Problematisch war der von Magnavox mit 100 Dollar relativ hoch angesetzte Preis sowie die Werbekampagne, welche zu sehr den Schein vermittelte, dass diese Geräte nur auf Magnavox Fernsehern funktionieren würden. Wirklich bahnbrechend war erst das 1973 erschienene Spiel „Pong“ von Nolan Bushnell und dessen Firma Atari. Das Spiel war gerade wegen seiner Einfachheit sehr beliebt und innerhalb eines Jahres machte Atari mit dem Verkauf von Videospielautomaten drei Millionen Dollar Umsatz. Jeder Spieler steuerte hierbei einen kleinen Balken am rechten und linken Bildschirmrand und musste versuchen damit einen Ball so zu reflektieren, dass der Gegner ihn nicht mehr erreichte. 1975 wurde dann „Home Pong“ auf den Markt gebracht und verkaufte sich in einem Jahr etwa 150000 Mal wodurch die Videospielwelle auf den Heimbereich überschwappte. Im Laufe der Jahre wuchsen die Konsolen und Computer mit der sich rasant weiterentwickelnden Technik weiter. 1977 wurden in Deutschland die ersten Personal Computer wie z. B. der Apple2 oder der PET verkauft. Während 1982 noch nur 460000 Stück verkauft wurden, waren es 1983 bereits 880000 und Ende 1983 bereits 3,3 Millionen Stück. Einer der populärsten Heimcomputer wurde der Commodore VC 64, der von 1983 bis 1988 ca. 1,2 Millionen Mal gebaut wurde. Kostete der Rechner zu Beginn noch 1300,- DM, so war er am Ende in einer verbesserten Version bereits für 280,- DM zu haben (vgl. Lischka 2002). Diese Entwicklung ist bezeichnend für den rasanten Preisverfall in der Computerindustrie. Aber sie ist eben auch eine Vorraussetzung für die immer weitere und schnellere Verbreitung von Computern und Videospielsystemen. Auf den moderneren Computern konnten nun auch anspruchsvollere Spiele in Angriff genommen werden. Im Folgenden erschienen z. B. der Commodore Amiga 500 und später der Amiga 1200 sowie diverse andere Modelle. Es entstanden erste Flugsimulatoren, Adventures und Rennspiele. Auch Sportspiele wie z. B. das Boxspiel „Rocky“ fanden große Beachtung. Ab etwa 1990 gab es dann die ersten PCs mit dem Windows Betriebssystem. Diese boten den Vorteil der größeren Modularität. Je mehr Geld zur Verfügung stand, desto besser konnte der PC ausgerüstet werden. Ein Rechner, der auch zum Spielen verwendet werden sollte, benötigte beispielsweise einen relativ leistungsfähigen Prozessor und eine bessere Grafikkarte. Wollte man das Spiel auch noch akustisch genießen, musste auch noch eine Soundkarte eingebaut werden. Verschiedene Hersteller boten hierfür unterschiedlich leistungsfähige Komponenten an. Zu dieser Zeit waren PCs den Konsolen leistungsfähig haushoch überlegen. Darüber hinaus waren die Zielgruppen auch unterschiedlich angesiedelt. Während Videospielkonsolen wie z. B. das Nintendo Entertainment System (NES), später das Super Nintendo Entertainment System (SNES) oder auch das Sega Mega Drive auf die Zielgruppe der acht-14 Jährigen (Lischka 2002: 64) zugeschnitten waren, konzentrierten sich PCs eher auf die Gruppe der jungen Erwachsenen. Das änderte sich 1995 als Sony die Playstation 1 auf den Markt brachte. Diese Konsole entsprach dem aktuellsten Stand der Technik, war leistungsfähiger als die meisten PCs und kostete „nur“ ca. 800,- DM. Für einen PC mit gleicher Leistungsfähigkeit mussten man mehr als das doppelte, wenn nicht sogar dreifache ausgeben. Weiterhin wurde sie systematisch beworben wodurch Sony insgesamt weltweit ca. 70-80 Millionen Exemplare verkaufte (Klimmt 2004: 697 und Lischka 2002: 63). Auch andere Hersteller brachten im Folgenden Konsolen heraus, die in der Lage waren die PCs zu überflügeln. So z. B. das Nintendo 64 (1996), Die Sony Playstation 2 (2000), der Game Cube von Nintendo (2001) oder auch die Microsoft X-Box (2001). Durch diese Vielfalt von relativ kostengünstigen Alternativen zu den bis dahin leistungsmäßig nicht zu übertreffenden PCs kam eine „massive Umwälzung des Freizeitverhaltens von Kindern und Jugendlichen“ in Gang (Klimmt 2004: 697). Allerdings waren und sind diese Videospielsysteme technisch immer nur für einen relativ kurzen Zeitraum wirklich aktuell, da bei ihnen keine älteren bzw. veralteten Komponenten gegen modernere ausgetauscht werden können. Dennoch bestand auch auf dem PC-Markt weiterhin ein enormer Wachstum.
Nachdem in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, wie schnell sich die Computertechnologie in den letzten knapp 40 Jahren entwickelt hat und wie stark ihre Verbreitung von den ersten Jahren des Computerzeitalters bis in die 90er zugenommen hat, soll im nächsten Abschnitt betrachtet werden, wie sehr PC- und Videospiele heutzutage tatsächlich in das Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen Einzug genommen haben.
2.1.3. Computernutzung heute
1985 verfügten nur 4,7% aller bundesdeutschen Haushalte über einen PC, 1987 waren es schon 6% und Anfang der neunziger Jahre dann bereits 15-20% (Mayer 1992: 23). 1999 waren insgesamt mehr als 16 Millionen PCs und mehr als 11 Millionen Videospielsysteme in deutschen Haushalten vorhanden (Klimmt 2004: 696). Laut Feierabend und Klingler (2001) hat sich die Zahl von Computern in deutschen Haushalten mit Kindern im Grundschulalter von 1990 bis 2000 von 23% auf 57% erhöht. Die Zahlen haben sich also mehr als verdoppelt. Nach Klimmt (2004: 696) spielen etwa 16,4 Millionen Deutsche zumindest selten Computerspiele, wobei diese Nutzungsform unter Kindern und Jugendlichen am häufigsten angetroffen wird. Dies führt dazu, dass Computerspiele unter den ersten fünf Lieblingsbeschäftigungen von Kindern und Jugendlichen rangieren (Feierabend & Klingler, 2001, KIM 2003). Feierabend und Klingler (2001) befanden weiterhin bei einem Vergleich ihrer Studien von 1999 und 2000, dass sich die Zahl der sechs- 13-jährigen Kinder, die sich täglich mit dem Computer beschäftigen, von 8% auf 16% verdoppelt hat. Ebenso ging die Zahl derer, die sich gar nicht mit dem Computer beschäftigt hatten, rapide zurück. Die „KIM“-Studien des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (1999, 2000, 2002, 2003) kommen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass 2003 knapp 74% aller Haushalte einen PC zur Verfügung hatten, wovon 15% in den Besitz der Kinder gehören. Über Spielkonsolen verfügten 49%, wovon immerhin 27% in Kinderbesitz sind. 57% aller befragten Haushalte verfügen über einen Internetanschluss (2002: 47%), wovon aber nur 6% den Kindern zuzuordnen ist. 2003 nutzten 70% aller Kinder den Computer zumindest selten (2002: 63%), wobei Computerspiele hier mit 70% der Tätigkeiten am Computer einen Spitzenplatz belegten. Der Internetgebrauch zu Hause oder in der Schule ist zwischen 2000 und 2003 von 31% auf ca. 60% gestiegen und hat sich damit fast verdoppelt. Hier belegen bei den Internet-Tätigkeiten die Netzspiele mit 18% einen Spitzenplatz.
Bei den 12-19-jährigen Jugendlichen ist die Ausstattung mit neuen Medien höher als bei Kindern. Nach „JIM“ (2003) verfügen über 96% der Jugendlichen über einen Zugang zu Computern, wobei 53% einen eigenen besitzen Zu einer Spielkonsole haben immerhin auch 54% Zugang. 34% verfügen sogar schon über einen eigenen Internetanschluss (85% verfügen über Nutzungsmöglichkeit im Haushalt). Von den Jugendlichen sitzen 70% täglich oder mehrmals die Woche vor dem Computer. Im Vergleich zu 71%, 1998, nutzen in 2003 93% den Computer mindestens einmal im Monat. Hierbei stehen Online-Dienste sowie Computerspiele an erster Stelle. Die Internetnutzung ist bei Jugendlichen von nur 18% in 1998 auf 84% in 2003 angewachsen, wobei auch hier Computerspiele in Form von Netzspielen einen relativ hohen Rang einnehmen.
Diverse Studien kommen also zu ähnlichen Ergebnissen. Sowohl die Nutzung von Computerspielen als auch die Internetnutzung in den letzten Jahren zugenommen. Dies ist für einen späteren Abschnitt über Onlinespiele noch von Wichtigkeit.
2.1.4. Überblick über die Genres
In der Literatur existiert keine einheitliche Einteilung bezüglich standardisierter Genres. Die Gründe liegen im Besonderen in der raschen Entwicklung und Steigerung der Leistungsfähigkeit von Computern. Mit ihr eröffnen sich softwaretechnisch immer mehr Möglichkeiten, neue und realitätsnähere Spiele zu entwickeln. Neue Spieltypen oder Hybride entstehen, alte verschwinden oder werden abgewandelt. So bietet z.B. Mayer (1992) zur Klassifizierung folgende Genretypen an: Abenteuerspiel, Simulationen, Denkspiele, Geschicklichkeitsspiele, Reaktionsspiele, Sportspiele. Seine Darstellungsweise spiegelt in gewisser Weise die Hardwaremöglichkeiten der frühen Neunziger dar. Heutzutage sind neue Genres wie z. B. das des ‘First-Person-Shooters’ oder des ‘Strategiespieles’ mit den neuen Hardwarekomponenten und ihrer Darstellungsmöglichkeit dreidimensionaler virtueller Welten gewachsen. Andere sind jedoch mehr oder weniger komplett verschwunden. Dieses Problem sieht auch Klimmt (2001) und bietet eine andere Klassifizierungsmöglichkeit nach drei charakteristischen Komponenten vor: Narrativer Kontext, Art der Aufgaben, Darstellungsform.
Narrativer Kontext: Hier werden alle Informationen erfasst, die den Rahmen des Spielgeschehens beschreiben. In welcher Zeit und an welchem Ort befindet sich der Spieler? Welche Ereignisse und sonstige Bedingungen bezeichnen die Spielwelt? Durch den narrativen Kontext gelangt der Spieler in eine Rolle, die in die Gesamtheit der Handlungen einzubetten ist.
Art der Aufgabe: Klimmt unterscheidet hier nach Komplexität und Zeitdruck. Ein Spiel das vom Zeitdruck lebt fordert meist schnelle, automatisierte Reaktionen. Hohe Geschwindigkeiten wie z. B. bei Autorennspielen fordern über die meiste Zeit ein hohes Maß an Konzentration. Bei vielen Abenteuerspielen hat man hingegen oft unbegrenzt Zeit um ein Problem zu lösen. Es ist anzunehmen, dass durch die Aufgabendimension Zeitdruck, die physische Erregung des Spielers beim Spielen beeinflusst wird (Klimmt 2004: 699).
Die Komplexität, die ein Spiel kennzeichnet, bezieht sich auf die Anzahl der Spielelemente, die im Blick zu behalten sind sowie auf ihre Wechselwirkungen zueinander. Müssen z. B. Taktiken erdacht werden, ist langfristiges, strategisches und vorrausschauendes Handeln notwendig? Diese Aufgabendimension ist speziell für die kognitionspsychologische Perspektive interessant, da der Erwerb von Problemlösestrategien die Bildung kognitiver Strukturen beeinflusst.
Darstellungsform: Hier differenziert Klimmt nach Spiel-Raum und Spiel-Zeit. Die Möglichkeiten sind ähnlich vielfältig wie bei den narrativen Inhalten. Jedoch ist insgesamt ein Trend in Richtung Dreidimensionalität zu beobachten. Dadurch findet eine Angleichung des Spielraumes an den realen Raum statt und das Spiel nimmt immer mehr den Charakter einer Simulation an. Eine ähnliche Entwicklung findet im Bereich der Spiel-Zeit statt. Waren frühere Computerspiele noch rundenbasierend, ähnlich einem Brettspiel, so geht der Trend hier immer mehr zur Echtzeit.
Ein Computerspiel lässt sich also nach Klimmt als Kombination der Ausprägung dieser drei konstitutiven Merkmale auffassen. Natürlich lassen sich diese Komponenten nicht isoliert voneinander betrachten. Nur in einem sinnvollen Zusammenhang gebracht ergeben sie ein unterhaltsames Computerspiel.
In einer späteren Arbeit geht er (Klimmt 2004)noch über diese Einteilung hinaus und führt noch Multiplayer-Spiele als weiteres wichtiges Merkmal an. Gerade auch die Tatsache, dass sich immer mehr Kinder mit Online-Spielen beschäftigen, fordert eine nähere Betrachtung dieses Punktes (vgl. Kapitel 2.1.3.). Viele moderne Spiele verfügen über die Möglichkeit, entweder in einem Local Area Network (LAN) auf z. B. so genannten „LAN-Partys“ oder auch im Internet gegen und miteinander zu spielen. Es existieren aber inzwischen auch Spieltitel die nur mit mehreren Spielern gespielt werden können. Während ein LAN im Normalfall örtlich begrenzt ist (Gebäude, Gebäudekomplex, Firma), bietet das Internet die Möglichkeit zu jeder Zeit, überall auf der Welt mit anderen Spielern in den Wettstreit zu treten. Hierbei können sich konkurrierende Allianzen bilden und Spieler können gegeneinander oder gegen von dem Computer gesteuerte Gegner antreten. Hierzu existieren im Internet Plattformen (Server), die bei Bedarf interessierte Spieler zusammenschalten. Weiterhin existieren aber auch zahlreiche permanent bestehende Spielwelten, die von angemeldeten Teilnehmern ohne zeitliche Einschränkung genutzt werden können. Innerhalb solcher Multi-User-Dungeons oder Multi-User-Dimensions (MUDs) (Götzenbrucker 2001) führt jeder Spieler eine eigene Spielfigur, die mit individuellen Merkmalen (Beruf, Aussehen) ausgestattet wird. Der Spieler hat die Möglichkeit, die Spielwelt zu durchstreifen und mit anderen Usern in Interaktion (Handel, Kampf, Gespräche usw.) zu treten. Ein wirkliches Spielziel existiert hier nicht. Vielmehr geht es darum in einer Gemeinschaft kleinere Abenteuer und Aufgaben zu erfüllen. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Spielfigur bei jeder Sitzung wieder aktiviert wird und sich im Laufe der Zeit durch das Bestehen von Abenteuern bestimmte Fähigkeiten der Figur (z.B. Stärke, Geschicklichkeit usw.) weiterentwickeln.
Im Falle von Videospielkonsolen erfolgt ein Mehrspieler-Spiel, indem sich mehrer Personen vor einem Gerät einfinden und jeder einen eigenen Controller (Joy-Pad) erhält. Allerdings ist auch hier der Trend zu erkennen, dass immer mehr Videokonsolen mit einer Online-Funktion ausgestattet werden (vgl. Kapitel 2.1.1.).
Nachdem nun einige Merkmale genannt worden sind, nach denen Computerspiele katalogisiert werden können, muss geklärt werden welcher Spieltypus für diese Arbeit von Interesse ist.
Wenn man nun die rasante Entwicklung von den ersten, eigentlich eher Geschicklichkeitstest darstellende, Computerspielen zu heutigen Programmen nachvollzieht, so fällt auf, dass die Spiele zwar komplizierter, akustisch sowie optisch reizvoller geworden sind und oft in einer simulierten 3D Umgebung stattfinden. Der Grundtenor jedoch größtenteils der Gleiche geblieben ist. In vielen Spielen geht es nach wie vor um die kriegerische Auseinandersetzung (Klimmt & Vorderer, 2002, Dietz, 1998) und damit um das Ausmerzen von Gegnern. Es geht in dieser Arbeit, wie der Titel schon sagt, um gewalthaltige Computerspiele. Diese weisen im Regelfall einen relativ geringen narrativen Kontext auf, verlangen keine komplizierten Problemlösestrategien, sondern eher schnelle und automatisierte Reaktionen und sind in ihrer Darstellungsform meist dreidimensional angelegt. Ein großer Teil dieser gewalthaltigen Spiele lässt sich als so genannte Ego-Shooter oder auch First-Person-Shooter bezeichnen. Sie versetzen den Spieler direkt in die Position des Protagonisten, indem sie das Spielgeschehen aus dessen Sichtweise zeigen.
Um den Gewaltaspekt in Computerspielen weiter zu differenzieren, kann man diese Spieleklassifizierung mit der Darstellung der Bundeszentrale für politische Bildung (Abbildung 1) kombinieren. Demnach lässt sich der Gewaltaspekt danach unterscheiden, ob er direkt und unmittelbar ausgeübt wird und hierbei bildorientiert ist wie bei Ego-Shootern (Counter-Strike, Battlefield 1942, Painkiller etc.) oder ob er direkt aber nur mittelbar ausgeübt wird und hierbei auch eher symbolorientiert ist wie bei Kriegs- und Schlachtensimulationen oder auch Staatensimulationen. In dieser Arbeit geht es sowohl um die mittelbare und symbolorientierte Gewalt als auch besonders um die bildorientierte, direkt ausgeübte Gewalt.
2.1.5. Die Gender-Frage
Repräsentative Studien belegen eindeutig, dass Jungen und männliche Jugendliche in der Regel früher anfangen Computerspiele zu spielen und dies auch häufiger tun als Mädchen und weibliche Jugendliche (Feierabend & Klingler, 1999,2001). Laut der Studie „JIM“ (2003) nutzen über 60% der Jungen aber nur etwas über 20% der Mädchen den PC täglich oder mehrmals pro Woche für Computerspiele. Bei den Netz- bzw. Online-Spielen sind es knapp 20% der Jungen und unter 5% der Mädchen. Als Ursache für die geringere Spielmotivation bei Mädchen kommen mehrere Ursachen in Betracht. Zum einen ist ein großer Teil, der am Markt erhältlichen Spiele, geprägt durch gewalthaltige narrative und grafische Inhalte. Zum anderen ist die Darstellung der weiblichen Geschlechterrolle oft klischeehaft. Dadurch können Mädchen sich mit den Protagonisten weniger identifizieren und werden regelrecht abgeschreckt. Darüber hinaus besitzen viele Computerspiele einen Wettbewerbscharakter der sich vermutlich eher mit der männlichen Geschlechterrolle vereinbaren lässt (vgl. Klimmt 2004: 706-707, Salisch 2003:123).
2.1.6. Überblick über den aktuellen Forschungsstand
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind die vorliegenden Befunde zu aggressionsfördernden Wirkungen gewalthaltiger Computerspiele uneindeutig. Einige Befragungsstudien finden minimale oder gar keine Zusammenhänge (Schie & Wiegmann, 1997, Ladas, 2002). Andere (z.B. Anderson & Dill, 2000) dagegen sehr deutliche Korrelationen. Den größten Teil der Untersuchungen machen jedoch Laborexperimente aus (z.B.: Anderson Dill, 2000, Trudewind & Steckel 2004), bei denen zumeist die Experimentalgruppe mit einem gewalthaltigen Spiel konfrontiert wurde, während die Kontrollgruppe einen harmlosen Titel erhielt. Die Befundlage aus diesen Untersuchungen kommt an verschiedenen Stellen zu sehr uneinheitlichen Ergebnissen (Klimmt & Trepte 2003). Angesichts der uneinheitlichen Ergebnisse führte Sherry (2001) eine Metaanalyse über 25 Einzelstudien durch. Demnach belegen die vorliegenden Untersuchungen einen insgesamt schwach aggressionsfördernden Effekt gewalthaltiger Computerspiele. Dagegen halten Anderson und Bushman (2001) den Effekt aufgrund einer eigenen Metaanalyse für wesentlich größer.
Da sich Computerspiele einer immer größeren Beliebtheit erfreuen (Feierabend & Klingler, 2000), gleichzeitig die Gewaltdarstellung immer „realitätsnäher“ (Klimmt & Vorderer 2002) wird, scheint eine genauere Betrachtung dieses Problemfeldes angebracht zu sein. Hierzu wird zunächst geklärt warum überhaupt Computerspiele gespielt werden und welche Theorien zum Zusammenhang zwischen der Gewalt in Computerspielen und ihrer Wirkung bezüglich der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Betracht kommen.
2.2. Warum werden Computerspiele gespielt?
Hierbei ist nach Ladas (2004) zunächst eine Unterscheidung nach dem einfachen Anlass zum Spielen und zum anderen nach der höheren Motivation notwendig.
Der vordergründigste Anlass zum Spielen ist diversen Untersuchungen zufolge die Langeweile. Nach Fritz & Misek-Schneider (1995) schalteten 1995 hierfür 8% den PC ein und 1997 schon 50,5% (Fritz et al 1997). Dieser enorme Anstieg lässt sich durch die immer größere Verbreitung von Computern und Videospielsystemen in deutschen Haushalten erklären (vgl. Kapitel 2.1.3.)
Auch die soziale Komponente in Form von kollektiver Langeweile ist vertreten. Beim Zusammensein mit Freunden saßen 2001 13 % vor dem Computer (Feierabend & Klingler 2001) und 2003 spielten sogar schon 53% mindestens einmal pro Woche mit anderen Computer (KIM, 2003).
Eine weitere, elementare Motivation stellt anscheinend die „Realitätsflucht“ dar. So haben in einer Untersuchung von Hoffmann/Wagner (1995) etwa 75% der Befragten das „völlige Aufgehen im Spiel“ und damit die Ablenkung von der realen Welt als Motiv zum Spielen angegeben.
Es fällt weiterhin auf, dass die Nutzung von Computerspielen teilweise stark instrumentalisiert wird, um bestimmte Gratifikationen zu erhalten. Dies kann sowohl erfolgen, um positive Stimmungen wie Spaß (16%), Spannung (14%), gute Laune (9%) (Feierabend & Klingler, 2001) zu erleben, als auch um negative Gefühle und Stimmungen abzubauen. Bei einer Befragung von Fritz et al. (1997) gaben 33,6% den Wunsch nach Stressabbau durch Entspannung an. 25,2% spielten aus Ärger und um Aggressionen abzubauen. Über den konkreten Anlass zum Computerspiel zu greifen kann darüber hinaus zwischen verschiedenen übergeordneten bzw. höheren Motivationen für das Computerspielen unterschieden werden.
Während andere mediale Inhalte wie z.B. Kino und Fernsehen nur linear wahrgenommen werden können wird bei Spielen eine Teilnahme und Beeinflussung gefordert. Bei Computerspielen präsentiert der Computer dem Nutzer Informationen auf dem Bildschirm. Dieser nimmt sie auf und verarbeitet sie. Die Informationsverarbeitung führt zu Handlungen bzw. Handlungsanweisungen, die dem Computer über ein geeignetes Interface (Tastatur, Maus, Joystick) eingegeben wird. Auf diese Eingabe reagiert der Computer wiederum und produziert erneut Informationen. Dies nennt Klimmt (2004) einen „Interaktions-Zyklus“ der „Mensch-Computer-Interaktion“ (Klimmt 2004, 702). Unabhängig von dem Sinn der Eingabe oder Handlung die dem Computer bei einem Spiel oder einem anderen Programm vorgegeben wird, erfahren die Nutzer ein großes Maß an Selbstwirksamkeit (Klimmt 2004), indem sie Kontrolle und Macht ausüben. Computer reagieren im Gegensatz zu den Partnern in sozialen Interaktionsprozessen schnell und direkt auf die Handlungen ihrer Nutzer, wodurch diese die Wirkungen ihrer Handlungen eindeutig und zeitnah identifizieren können. Bei sozialen Interaktionsprozessen hingegen kommt es nicht so sehr auf das einzelne Individuum an. Computer bieten also grundsätzlich erstmal die Möglichkeit eigene Handlungen und damit auch sich selbst als besonders einflussreich und wirksam zu erfahren (vgl. Klimmt, 2004, Knobloch, 2000). Diese Selbstwirksamkeit empfinden nach Klimmt (2004) viele Menschen als angenehm, wodurch sich das hohe Motivationspotenzial von Computeranwendungen erklären lässt. Weiterhin werden speziell bei Computerspielen den Nutzern durch die narrative Umgebung und/oder auch die Art der Aufgabe (vgl. Kap. 2.1.4.) gewisse Handlungsnotwendigkeiten und Handlungsmöglichkeiten vorgegeben. Die Auflösung und Bewältigung dieser Notwendigkeiten führt zu kleinen Erfolgserlebnissen, welche wiederum die Motivation steigern und auch zu einem positiven Gefühl verhelfen. Besonders die Handlungsmöglichkeiten in einem Computerspiel geben dem Nutzer ein Gefühl von Macht und Kontrolle. Sie verstärken praktisch die Selbstwirksamkeitserfahrung.
Insbesondere stellt Klimmt (2004) noch mal die besondere Motivation von Multiplayer-Spielen heraus die „[…] durch eine soziale Komponente gekennzeichnet [sind]: Die Spieler wissen, dass sie gegen andere Menschen kooperieren.“ (Klimmt 2004, 705). Daher ist anzunehmen, dass durch dieses Wissen die Faktoren Macht und Kontrolle die empfundene Selbstwirksamkeit noch weiter steigern. Es existieren zwar noch keine Untersuchungen zum Erleben von Multiplayer-Spielen, dennoch vermutet Klimmt, dass gerade diese soziale Komponente die Faszinationskraft dieser Spiele ausmacht.
Eine mögliche Erklärung, warum Jugendliche ausgerechnet gewalthaltige Computerspiele spielen, könnte demnach darin liegen, dass die meisten dieser Spiele relativ einfach und linear aufgebaut sind und dadurch das Erlebnis der Selbstwirksamkeit schnell, einfach und unkompliziert erreicht werden kann. Weiterhin liegt nach Ladas (2002) ein Zusammenhang zwischen den Inhalten der virtuellen Welt der Spiele und der realen Lebenswelt des Spielers vor. So ist der Nutzer „nämlich – unterbewusst – bestrebt, die ‘Irritationen’, die sich durch neue Handlungs- und Wahrnehmungs-Schemata in den Spielen ergeben, so gering wie möglich zu halten.“ (Ladas 2002, 94). Es findet also eine Auswahl der Spiele nach realen Persönlichkeitsmerkmalen, Hobbys, Vorlieben und Interessen statt.
Nachdem in diesem Abschnitt einige Beweggründe aufgeführt wurden warum Kinder und Jugendliche überhaupt Computerspiele und somit auch gewalthaltige Computerspiele spielen, soll im nächsten Abschnitt die Verbindung geknüpft werden, inwiefern diese Spiele geeignet sind, über psychosoziale Prozesse eine Verhaltensänderung herbeizuführen, welche Theorieansätze hierzu existieren und ob diese auch anwendbar sind.
2.3. Theorieansätze zur Wirkung medialer Gewalt
Die Tatsache, dass Computerspiele nicht nur konsumiertes Medium, sondern gleichzeitig aktiv ausgeführtes Spiel sind, schränkt die Anwendbarkeit vieler klassischer Medienwirkungstheorien stark ein (vgl. Ladas 2002). Der älteste Ansatz, die Stimulus-Response-Theorie von Lasswell, 1927 erdacht, geht hierbei von einer direkten Kausalität zwischen dem Stimulus und der zu erwartenden Wirkung aus. Dieser Ansatz scheint insofern ungeeignet, eine Wirkung von Computerspielen darzustellen, als dass er davon ausgeht das der Nutzer der Wirkung des Mediums mehr oder weniger hilflos ausgesetzt ist. Ähnlich verhält es sich mit dem in bewusster Abkehr vom Stimulus-Response-Ansatz gebildeten Uses-and-Gratifications-Ansatz. Entwickelt wurde er 1974 von Blumler und Katz und stellt den aktiven Mediennutzer in den Vordergrund. Dieser Nutzer hat individuelle Bedürfnisse, nach denen er die Medien auswählt, von denen er glaubt, dass sie seine Bedürfnisse am besten befriedigen. Hier steht also nicht die Wirkung der Medien im Vordergrund, sondern der Zweck bzw. die Funktion. Insgesamt scheint dieser Ansatz zwar besser geeignet, ihm wird jedoch vorgeworfen bestimmte Voraussetzungen von Seiten des Nutzers (z.B. psychologische Prädispositionen, Wissensstände u.ä.) einfach zu ignorieren. Mit ihm lässt sich auf jeden Fall ermitteln, welche Medien von welchen Nutzern für welche Zwecke ausgewählt werden (Merten 1994: 318). Insgesamt eignen sich beide Ansätze nicht als vollständige Modelle zur Beschreibung der Wirkung von gewalttätigen Computerspielen. Sie bereiten jedoch für einige der nachfolgend vorgestellten Theorien die Grundlage.
Eher historische Bedeutung haben heute die Wirkmechanismen der „Katharsis“. Hierbei wird davon ausgegangen, dass bei der Betrachtung von Gewalt und deren Nachvollzug in der Phantasie das aggressive Triebpotential ausgelebt werden kann und somit die Gewaltbereitschaft in der Realität sinkt. Verschiedene Ergebnisse empirischer Studien weisen jedoch auf, dass diese Theorien nicht haltbar sind (vgl. Klimmt & Trepte 2003: 116, Ladas 2002: 69).
Auf Emotions- und Arousal-Theorien basierende Überlegungen, auch als Erregungsmodelle bezeichnet, gehen davon aus, dass der Konsum und die mentale Verarbeitung gewalthaltiger Computerspiele ein allgemein erhöhtes Erregungspotential auslöst, dass von den Spielern als unspezifisch erlebt und nicht auf die Spieleaktivität, sondern auf nachträglich wahrgenommene Umgebungsreize zurückgeführt wird. In Experimenten wurde nach dem Spielen gewalthaltiger Computerspiele eine erhöhte Aggressionsbereitschaft nachgewiesen. Diese Erregung ist allerdings nicht spezifisch bei Computerspielen anzutreffen, sondern kann prinzipiell auch von anderen Medien erzeugt werden (vgl. Ladas 2002: 71, Klimmt & Trepte 2003: 115). Ähnliches gilt für die Anwendung des Priming-Paradigmas (vgl. Peter, 2002). Ausgangspunkt ist hier die Idee, dass gewalthaltige Computerspiele die Auseinandersetzung mit aggressiven Gedanken fördern und dadurch aggressives Verhalten wahrscheinlicher wird. Allerdings kann auch hier die Annahme zur Wirkung nicht nur auf Computerspiele begrenzt werden. Spezifischer auf gewalthaltige Computerspiele anwendbar ist die sozial-kognitive Lerntheorie von Bandura (2001). Demnach fungieren die Akteure in Computerspielen als “Vorbilder“ für die Nutzer. Eine erfolgreiche Identifikation fällt hier sehr leicht, da die Spieler nicht nur mit den Akteuren mitfiebern und mit ihnen empathisch werden können, sondern auch, weil viele dieser Spiele den Nutzer aus der Perspektive des Protagonisten bzw. der Protagonistin agieren lassen. Weiterhin findet meist eine Rechtfertigung der Gewalt durch den narrativen Hintergrund statt, so dass der Spieler im Endeffekt vermeintlich positive Konsequenzen durch die virtuelle Gewaltanwendung erfährt. Diese können in einem Lernprozess verarbeitet und später in der wirklichen Welt nachgeahmt werden (vgl. Ladas 2002, 70). Innerhalb dieser grundsätzlichen theoretischen Ansätze ist das General-Affective-Aggression-Modell (GAAM; vgl. Anderson & Dill 2000) wohl am fundiertesten. Grundlage ist für diese Theorie eine Systematisierung, welche Phänomene unter Aggression zu verstehen sind. Im Einzelnen wird hier zwischen aggressiven Kognitionen, aggressiven Gefühlen und physiologischer Erregung differenziert. Um gewalttätiges Verhalten hervorzurufen, genügt meist ein angesprochener Bereich. Gewalthaltige Computerspiele können nun sowohl aggressive Gedanken hervorrufen, feindselige Emotionen schüren als auch starke Erregung auslösen. Da emotionale und physiologische Wirkungen ebenso durch z. B. Misserfolge und Frustration bei nicht gewalthaltigen Computerspielen hervorgerufen werden können, interessiert sich Anderson hauptsächlich für die kognitiven Wirkungen. Hierbei werden durch die gewalthaltigen Spiele Skripte eingeübt, die zu einer Wahrnehmungsverzerrung der Realität führen können. Beispielsweise können Erwartungen geschürt werden, dass sich andere Personen feindselig verhalten werden, ebenso kann es zu einer positiven Einstellung gegenüber der Gewaltanwendung kommen. Nach Anderson kann es neben kurzfristigen Effekten durch diese kognitiven Prozesse zu langfristigen Wirkungen in Form von Verhaltensänderungen kommen.
Insgesamt scheint es schwer möglich zu sein, eine allgemeingültige Theorie zur Voraussage der Wirkung gewalthaltiger Spiele zu postulieren. Die Eigenschaften des Nutzers, die Arten der medialen Gewalt, der gesellschaftliche Kontext und diverse andere Faktoren sind zu individuell verschieden, um eine allgemeingültige Theorie zu erstellen (vgl. Ladas 2002: 71).
2.4. Zwei Untersuchungen und ihre Ergebnisse
Im nun folgenden Kapitel werden zwei Untersuchungen vorgestellt anhand derer die schon erwähnte Uneinigkeit im Bereich der Theoriefindung dargestellt werden soll. Im Anschluss erfolgt ein kurzer Vergleich der auf die hauptsächlichen Probleme in dieser Forschungsrichtung eingehen soll.
2.4.1. Brutale Spiele (r ) ? Wirkung und Nutzung von Gewalt in Computerspielen
2.4.1.1. Ziel und Aufbau
Diese 2002 erschienene Dissertation versucht anhand einer durchgeführten Online-Befragung zu klären: „Wer spielt wann warum welche gewalthaltigen Computerspiele? Welchem Zweck dient die Gewalt in Computerspielen, wie wird sie wahrgenommen und wie wirkt sie?“ (Ladas 2002: 30). Ziel war es Faktoren und Motive für die Auswahl gewalthaltiger Computerspiele zu erkennen, sowie erlebte Spielwirkungen zu untersuchen. Hierzu wurden 2141 Spieler im deutschsprachigen Raum im Rahmen einer hypothesengeleiteten Online-Befragung erfasst. Der standardisierte Fragebogen bestand aus 11 Untersuchungsbereichen deren Items zum Teil aus den Überlegungen des theoretischen Teils der Arbeit stammten als auch aus bisherigen Untersuchungen ausgewählt wurden.
2.4.1.3. Ergebnisse
Nach der Auswertung der empirischen Daten ist das Computerspielen zum extrem überwiegenden Teil ein Hobby für männliche Spieler unter 25 Jahren (Abbildung 2). Auch findet durch diese Spieler die Ausgiebigste Nutzung statt. Zu den Spielanlässen, Motivationen und gesuchten Gratifikationen der meisten Computerspieler passten am besten hoch gewalthaltige Computerspiele mit mehreren menschlichen Gegenspielern, die demzufolge auch sehr häufig genutzt werden. Die wesentlichen festgestellten Motivationen und im Spiel gesuchten Gratifikationen wie Herausforderung und Wettbewerb, Anspannung, Aggressionsabbau, Macht und Erfolg lassen sich am demnach am besten mit gewaltlastigen Spielinhalten ausleben. Eine starke Verknüpfung von Nutzermotivation/ -interesse und Angebot des Spiels bezüglich sonstiger medialen Vorlieben oder Einstellungen zur Gewaltanwendung ist feststellbar. Am auffälligsten bezüglich der Verknüpfung zu einer allgemeinen Gewaltbefürwortung sind solche Spiele, die Kriegshandlungen direkt und unmittelbar umsetzen und hierbei einen Mittelweg zwischen der Bildorientiertheit sowie der Symbolorientiertheit finden. Spiele mit explizit dargestellten Gewalthandlungen sind demgegenüber vollkommen unauffällig.
Da die wenigsten Motivationen/Gratifikationen einen direkten psychologischen Bezug zu realer Gewalt haben, sieht Ladas deren Zusammenhang zu gewalthaltigen Spielen als Bestätigung für seine Annahme das „Gewalt in Computerspielen offensichtlich einen vollkommen anderen Sinn verfolgt als reale Gewalt“ (Ladas 2002: 323). Dies ist in den Befragungsergebnissen zu erkennen. Demnach wird virtuelle Gewalt ästhetisiert, empathiefrei und rein funktionalistisch wahrgenommen und genutzt. Dadurch findet bei den meisten Spielern eine starke Rahmung gegenüber realer Gewalt statt, ganz besonders bei Vielspielern. Aufgrund dieser funktionalistischen Wahrnehmung der virtuellen Gewalt erfolgt keine verstärkte Habitualisierung bei der Nutzung gewalthaltiger Computerspiele. „Was nicht als schockierende Gewalt wahrgenommen wird, kann auch nicht gegen Gewalt abstumpfend wirken“ (Ladas 2002: 324).
Letztendlich lässt sich als Ergebnis für Ladas Untersuchungen feststellen, dass Gewalt zwar ein wichtiges Element in Computerspielen ist, diese jedoch so für den Nutzer einen vollkommen anderen Sinn hat als filmische oder reale Gewalt. Sie wird hier eher funktionalistisch als Wettbewerbsbestandteil empfunden und ist daher weitestgehend empathiefrei.
2.4.2. Effekte gewaltorientierter Computerspiele bei Kindern und Jugendlichen – Wirkungsmechanismen, Moderatoren, Entwicklungsfolgen
2.4.2.1. Ziel und Aufbau
Das Ziel, dass die Autoren Trudewind & Steckel (2004) mit dieser Untersuchung verfolgten war im Endeffekt das Gleiche wie bei Klimmt (2002). Sie wollten einen Beitrag zur Klärung der Auswirkungen des Umganges mit gewalthaltigen Computerspielen leisten. Allerdings wählten sie einen anderen Ansatz und damit auch andere Feinziele. Im einzelnen versuchten sie: „a) unmittelbare Effekte des Spielens gewalthaltiger Computerspiele experimentell nachzuweisen, b) […] langfristige Entwicklungsfolgen der unmittelbaren Effekte [aufzudecken], c) Wirkmechanismen aufzudecken, die mögliche Entwicklungsfolgen theoretisch erklären können und d) Variablen zu identifizieren, die die unmittelbaren Effekte moderieren und mögliche Entwicklungsfolgen beeinflussen können“ (Trudewind & Steckel 2004: 6).
Bei der Untersuchung wurden 280 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren erfasst. Der Ablauf wurde in zwei Phasen unterteilt. In der ersten Phase wurden die Moderatorvariablen Aggression, Empathie und Bindung im Gruppenversuch erfasst während in der zweiten Phase das eigentliche Experiment gekoppelt mit einem abschließenden Interview stattfand. Für das Experiment wurden die Kinder zufällig jeweils einem von drei Computerspielen zugeteilt welches sie ca. 20 Minuten spielen sollte. Ein Spiel war das gewalthaltige Kampfsportspiel „Virtua Fighter“, das zweite ein Problemlösespiel „Die Abenteuer der Zobinis“ und das dritte eine interaktive Spielgeschichte „Der kleine Prinz“. Durch die Aufnahme des Problemlösespiels sollte geprüft werden, ob tatsächlich gewalthaltige Inhalte oder nur eine allgemeine Erregung zu einer „unmittelbaren emotionalen Destabilisierung“ (Trudewind & Steckel 2004: 11) führen. Nach dem Konsum des Spieles wurden den Kindern verschiedene Bilder vorgeführt die Menschen und/oder Tiere in Notsituationen zeigten. Die Kinder konnten selber bestimmen wie viele Bilder und wie lange sie sich ansehen wollten. Ihr Ausdrucksverhalten wurde ebenfalls beobachtet. Hierdurch sollte eine Messung der Desensibilisierung durch das gewalthaltige Computerspiel erfolgen.
2.4.2.2. Ergebnisse
Die Analyse des Spielverhaltens zeigt zuerst einmal das Computerspiele, mit einer mittleren Spielzeit von 7 Stunden pro Woche, zu einer festen Freizeitbeschäftigung von Kindern gehören. Weiterhin scheinen auch bei dieser Untersuchung gewalthaltige Computerspiele besonders attraktiv zu sein. Fast 50% der Kinder bewerteten die Gewalt als positiv und ca. 20% waren unentschlossen.
Bedenklich ist außerdem die Tatsache, dass etwa die Hälfte der Väter und 60% der Mütter keine Kenntnis von den genutzten Spieltiteln haben.
Die Studie stellt fest, dass der Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen unmittelbar zu einer Desensibilisierung der Empathiefähigkeit führt. Als Moderatorvariable nimmt hier noch die Bindungssicherheit, also das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, einen Einfluss. Kinder mit einer positiven Bindung weisen nach dem Spielen von Computerspielen höhere Empathiewerte auf als unsicher gebundene Kinder. Diese Ergebnisse ordnen die Autoren in „das motivationstheoretische Modell der Aggression von Kornadt“ (Trudewind & Steckel 2004: 6, 28) ein, wonach der intensive Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen besonders einen Einfluss auf die dispositionelle Empathie als zentrale Hemmungskomponente für aggressives Verhalten nimmt.
Insgesamt führt also das Spielen von gewaltorientierten Computerspielen bei 8 bis 14 Jährigen zum einen zu einer unmittelbaren empathischen Desensibilisierung. Zum anderen kann es bei regelmäßigem Konsum zu einer Steigerung der aggressiven Verhaltensweisen führen. Moderiert werden diese Wirkungen durch das Verhalten der Eltern in Form der Bindungssicherheit, die dem Kind gegeben wird als auch in der Involviertheit in den Computerspielkonsum der Kinder.
2.4.3. Vergleich der Ergebnisse/Probleme/Zukunftsausblick
Die Darstellung der Ziele, des Aufbaus und der Ergebnisse dieser beiden Studien stellen in gewisser Weise exemplarisch die Uneinigkeit in diesem Forschungsbereich dar. Auf der einen Seite steht eine Befragungsstudie mit einer sehr reichhaltigen Datengrundlage und auf der anderen ein Laborexperiment mit einer ebenfalls nicht unerheblichen Anzahl an Probanden. Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Ergebnisse mehr Gültigkeit besitzen. Wird die Gewalt in Computerspielen wirklich nur ästhetisiert und als Wettbewerbsaspekt wahrgenommen? Oder führt der regelmäßige Konsum tatsächlich zu einer Abschwächung der Hemmungskomponente des Aggressionsmotivs und dadurch zu verstärkt gewalttätigen Handlungen? In diesem speziellen Fall lässt sich diesbezüglich keine genaue Aussage treffen. Die Untersuchungen sind in sich einfach zu verschieden. Nicht unbeträchtlich ist auf jeden Fall die Tatsache das Trudewind und Steckel sich nur mit Schülern im Alter von 8 bis 14 Jahren beschäftigt haben, während in der Befragung von Ladas das Alterspektrum von 11 bis ca. 30 Jahre reichte, wobei die Jugendlichen und Jungen Erwachsenen von 16 bis 25 den größten Anteil ausmachen. Dies lässt die Vermutung zu, dass Kinder die Gewalt in Computerspielen anders aufnehmen und verarbeiten als Jugendliche und junge Erwachsene. Während es bei ihnen durch regelmäßigen Konsum gewaltorientierter Computerspiele zu einer Habitualisierung kommen kann, sind ältere Gruppen zu einer starken Rahmung der Gewaltaspekte fähig. Eine mögliche Erklärung, welche noch zu beweisen wäre, könnte in der höheren Lebenserfahrung zu suchen sein. Unterstützend greifen hier die von Trudewind und Steckel gefundenen Moderatorvariablen der Eltern. Sicher gebundene Kinder in einem soliden Familiehintergrund verarbeiten mediale Gewalt offensichtlich anders. Die Eltern, als lebenserfahrene Personen, die sich für das Kind interessieren, es anleiten und führen, geben durch diese Erziehung etwas von ihrer „Lebenserfahrung“ an das Kind weiter. Durch diesen fortgesetzten Prozess der Erziehung wird das Kind dann eventuell als Jugendlicher oder junger Erwachsener zu eben der von Ladas erwähnten „Rahmung“ befähigt. Die Ansichten von Ladas stützen auch Klimmt & Trepte (2002: 116), indem sie feststellen, dass „Gewalt im Computerspiel in aller Regel in intensiven Wettbewerbs- und Konkurrenz-Situationen stattfindet“ und das gewalttätige Handlungen hier die einzigen Erfolg versprechenden Handlungen auf den Druck des Spieles sind.
Als grundlegendes Problem für die Wirkungsforschung stellt sich, wie in Kapitel 2.3. schon dargestellt, die Suche nach einer allgemein gültigen Theorie zum Zusammenhang zwischen der Gewalt in Computerspielen und ihren Wirkungen dar. Es existieren noch keine Standardtheorien (vgl. Ladas 2002 S71; Kp. 2.3.). Aufgrund der hohen Interaktivität von Computerspielen lassen sich bisher keine allgemeingültige Aussagen treffen (vgl. Klimmt & Trepte 2003: 118). Zu viele Faktoren wie z.B. der Einfluss des Spielers auf den Spielverlauf, aggressiv prädisponierte Verhaltensweisen, Wissen, Elternhaus, Motivationen und persönliche Lebensumstände sind noch unberücksichtigt und können auch nur schwer erfasst werden (vgl. Ladas 2002: 116). Zum Beispiel ist noch nicht geklärt, ob gewaltbereite Personen eine Vorliebe für gewaltorientierte Spiele besitzen oder ob sie erst durch diese Spiele gewalttätig werden.
Als Lösung für diese Problematiken fordern Klimmt & Trepte (2003: 119) eine größere Interdisziplinarität. So könnte die sozialpsychologische Forschung Beiträge zur Konzeptualisierung von Wirkungszusammenhängen leisten, die Entwicklungspsychologie könnten die zeitliche Perspektive erweitern und medienpsychologische, kommunikationswissenschaftliche und medienpädagogische Beiträge könnten ihren Beitrag in der Spezifika des Mediums leisten.
Insgesamt behandeln die meisten Untersuchungen hauptsächlich die kurzfristigen Wirkungen von Gewalt in Computerspielen. Klimmt (2004: 709) fordert mehr Längsschnittstudien, die sich von eben diesen kurzfristigen Aspekten lösen und sich stattdessen der Frage widmen inwieweit eine regelmäßige Nutzung von gewaltorientierten Computerspielen einen Beitrag zur Ausbildung einer aggressiven Persönlichkeit beiträgt.
3. Schluss:
Diese Hausarbeit sollte einen Einblick in den Bereich der „Wirkung von Gewalt in Computerspielen auf die Entwicklung von Jugendlichen“ geben. So diente der erste Teil dazu die Thematik im Allgemeinen näher zu bringen. Es erfolgte ein Überblick über die Geschichte und einige Zahlen bezüglich der heutigen Verbreitung und Nutzung von Computern und Spielen. Dies war von besonderer Wichtigkeit um die rasante Entwicklung der Computertechnologie und daraus folgend auch den hohen Anstieg der Computernutzung insgesamt nachvollziehen zu können. Anhand Ausbreitung und Entwicklung von Computern konnte auch deutlich gemacht werden, dass eine Genre-Einteilung immer nur temporäre Gültigkeit besitzt und sich den steigenden Hardware Möglichkeiten anpasst.
Als wichtigster Aspekt konnte im Laufe der Arbeit herausgestellt werden welche Motivatoren zur Nutzung eines Computerspiels führen können und welche Theorieansätze zum Wirkungszusammenhang zwischen der Gewalt in Computerspielen und Verhaltensänderungen existieren. Bei dem Vergleich der beiden Untersuchungen wurde besonders auf die Probleme der Theoriefindung eingegangen. Den Abschluss bildete ein kleiner Ausblick auf eine mögliche Lösung durch mehr Interdisziplinarität sowie die Forderung nach einer vermehrten Forschung bezüglich langfristiger Effekte.
Anhang:
Abbildung 1: „Gewaltaspekte in Computerspielen“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fehr (1997a: 3)
Abbildung 2: „Altersverteilung der Befragten“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ladas (2002: 230)
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- Quote paper
- Björn von der Wroge (Author), 2004, Wirkung von Gewalt in Computerspielen auf die Entwicklung von Jugendlichen: Bericht von einer Kontroverse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33253
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