Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Ausarbeitung des Referats, welches ich zusammen mit Maja Schmitz im Sommersemester 2004 im Seminar „Charisma und Stigma“ bei Prof. Günter Albrecht gehalten habe. Ich folge dabei weitgehend dem inhaltlichen Aufbau des Referats, welches sich um eine Darstellung der historischen Rahmenbedingungen, des Lebensweges des und um eine Erklärung seines spezifischen Charisma bemühte. Lediglich ein Kapitel zum Charismabegriff Max Webers und dem Konzept der Selbststigmatisierung charismatischer Bewegungen habe ich hinzugefügt.
In der Literatur lassen sich meines Erachtens zwei Gegenpositionen bei der Erklärung von Charisma ausmachen, die sich, idealtypisch getrennt, folgendermaßen darstellen lassen: Eine Sichtweise ist darum bemüht Charisma als Zuschreibung von außen festzumachen. D.h. weniger die außergewöhnlichen Begabungen des Charismatikers sind relevant, z.T. wird ihr Vorhandensein ganz in Abrede gestellt, sondern die Projektion der Anhänger macht aus einem gewöhnlichen Menschen erst den z.B. von Gott gesegneten Propheten. Eine solche Sichtweise wird sich eher den historischen Rahmenbedingungen und den mentalen Strukturen der Anhänger zuwenden, die eigentliche Botschaft des Charismatikers und die ihr eventuell innewohnende Kraft aber übergehen. Oder sie wird seine Botschaft und die Art ihrer Vermittlung als letztlich betrügerische Manipulationstechnik zu analysieren suchen.
Die andere Sichtweise erkennt den Charismatiker als vom historischen Kontext und der psychologischen Befindlichkeit der Masse zumindest z.T. unabhängigen außergewöhnlichen Charakter an. Sie versucht darzustellen, welche Überzeugungen der Charismatiker vertritt und lebt, und warum er eine so außergewöhnliche Wirkung auf die Menschen seiner Umgebung hat. Sei es, weil er tatsächlich in Resonanz mit einer tieferen „göttlichen“ Weisheit steht, sei es, weil er die negativen, zerstörerischen Impulse der Menschen repräsentativ in reiner Form vertritt. Auf jeden Fall billigt man dem Charismatiker zu, dass er von seiner Botschaft selbst zutiefst durchdrungen ist, und daraus einen Großteil seiner Kraft ziehen kann. In der Praxis sind beide Positionen selten so strikt geschieden, und kommen beispielsweise bei Weber durchaus nebeneinander bzw. miteinander verbunden vor.
Inhalt
1.0. Einleitung
2.0. Die historischen Rahmenbedingungen
3.0. Das Leben des Jesus von Nazareth
4.0. Einführung in den Forschungsstand
5.0. Die Botschaft des Propheten
6.0. Schluss
Literatur
1.0. Einleitung
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Ausarbeitung des Referats, welches ich zusammen mit Maja Schmitz im Sommersemester 2004 im Seminar „Charisma und Stigma“ bei Prof. Günter Albrecht gehalten habe.
Ich folge dabei weitgehend dem inhaltlichen Aufbau des Referats, welches sich um eine Darstellung der historischen Rahmenbedingungen, des Lebensweges des und um eine Erklärung seines spezifischen Charisma bemühte. Lediglich ein Kapitel zum Charismabegriff Max Webers und dem Konzept der Selbststigmatisierung charismatischer Bewegungen habe ich hinzugefügt.
In der Literatur lassen sich meines Erachtens zwei Gegenpositionen bei der Erklärung von Charisma ausmachen, die sich, idealtypisch getrennt, folgendermaßen darstellen lassen: Eine Sichtweise ist darum bemüht Charisma als Zuschreibung von außen festzumachen. D.h. weniger die außergewöhnlichen Begabungen des Charismatikers sind relevant, z.T. wird ihr Vorhandensein ganz in Abrede gestellt, sondern die Projektion der Anhänger macht aus einem gewöhnlichen Menschen erst den z.B. von Gott gesegneten Propheten. Eine solche Sichtweise wird sich eher den historischen Rahmenbedingungen und den mentalen Strukturen der Anhänger zuwenden, die eigentliche Botschaft des Charismatikers und die ihr eventuell innewohnende Kraft aber übergehen. Oder sie wird seine Botschaft und die Art ihrer Vermittlung als letztlich betrügerische Manipulationstechnik zu analysieren suchen.
Die andere Sichtweise erkennt den Charismatiker als vom historischen Kontext und der psychologischen Befindlichkeit der Masse zumindest z.T. unabhängigen außergewöhnlichen Charakter an. Sie versucht darzustellen, welche Überzeugungen der Charismatiker vertritt und lebt, und warum er eine so außergewöhnliche Wirkung auf die Menschen seiner Umgebung hat. Sei es, weil er tatsächlich in Resonanz mit einer tieferen „göttlichen“ Weisheit steht, sei es, weil er die negativen, zerstörerischen Impulse der Menschen repräsentativ in reiner Form vertritt. Auf jeden Fall billigt man dem Charismatiker zu, dass er von seiner Botschaft selbst zutiefst durchdrungen ist, und daraus einen Großteil seiner Kraft ziehen kann.
In der Praxis sind beide Positionen selten so strikt geschieden, und kommen beispielsweise bei Weber durchaus nebeneinander bzw. miteinander verbunden vor.
Dennoch scheint mir heute, vermutlich aus der Erfahrung mit der charismatischen Hitlerbewegung, ein großes Bedürfnis vorhanden zu sein, charismatische Persönlichkeiten zu demontieren, als Betrüger zu entlarven und möglichst ins Lächerliche zu ziehen, so wie in früheren Zeiten die genau entgegengesetzte Tendenz vorherrschend war.
Da ich diese Tendenz, bei allem Verständnis, für fragwürdig halte, habe ich mich im Referat und im folgenden auch in dieser Arbeit, ohne selbst Christ zu sein, der Persönlichkeit und der Botschaft des Jesus von Nazareth nicht verschlossen. Ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder die psychologische Wirkung seiner Anhängerschaft auf ihn außer Acht zu lassen, werde ich versuchen, den Kern seines Erfolges in seiner Botschaft selbst zu suchen.
Ich bitte um Verständnis, dass ich weder die umfassende Literatur zum Thema hinreichend miteinbeziehen, noch die umfangreichen Quellen zum Leben und zur Lehre des Jesus von Nazareth umfassend auswerten kann. Daher beschränke ich mich im folgenden auf die Texte Max Webers zum Thema Charisma, die Arbeiten von Michael N. Ebertz und das Matthäus Evangelium.
2.0. Die historischen Rahmenbedingungen
Nach langen Jahrhunderten assyrischer, babylonischer, persischer und schließlich hellenistischer Fremdherrschaft, und einer weniger als hundert Jahre währenden Unabhängigkeit unter den Hasmonäern (142 v.u.Z – 63 v.u.Z.), befand sich Palästina zur Zeit der Geburt des Jesus als römischer Vasallenstaat unter der Herrschaft des „volksfremden“[1] Tyrannen Herodes. Im Jahre 6 u.Z. wurde das jüdische Kernland zur römischen Provinz Judäa, während Galiläa, die Heimat des Jesus, dem hellenistisch orientierten Herodessohn Antipas unterstellt wurde.
Nach der hoffnungsvollen Zeit der Hasmonäer, die durch die Wiederherstellung der staatlichen Einheit und ein Zurückdrängen des hellenistischen Einflusses geprägt war, muss der erneute Rückfall unter fremde Herrschaft als große Enttäuschung und als krasser Widerspruch zur göttlichen Verheißung empfunden worden sein[2]. Etliche Autoren beschreiben diese Zeit als „Zeit von Blut und Tränen“[3].
Wenn auch der jüdischen Religion als „religio licita“ weitgehende Autonomie eingeräumt wurde, brachte die römische Präsenz doch eine starke Einschränkung der Souveränität mit sich. So wurde das ursprünglich höchste und lebenslange Amt des Hohenpriesters der Willkür des römischen Statthalters unterworfen, welcher es nach Belieben gegen Geldzahlungen neu besetzte[4]. Auch die „hellenistische Überfremdung“[5] schnitt erneut, z.B. durch die Gründung neuer Städte, energisch voran.
Das Gebiet Galiläa, welches sich weit im Norden, durch Samaria von Judäa getrennt, als jüdisches Siedlungsgebiet von je her in einer Randposition befand, war erneut vom Kernland abgespalten. Die Missachtung durch die judäischen Juden, die den Galiläern ihr volles Judentum absprachen, als auch die besondere Hilflosigkeit gegenüber den massiven Hellenisierungsversuchen des Antipas, führte hier zu einer besonderen Verbitterung und Radikalisierung. Vermutlich von daher war dieses Gebiet seit langem das Zentrum jeglicher Aufstandsbewegungen[6] und neuer religiöser Konzepte[7].
Die zahlreichen Aufstände, die das ganze jüdische Siedlungsgebiet unter Herodes und während der römischen Besatzung immer wieder erschütterten, wurden blutig niedergeschlagen. Tausende, vielleicht hunderttausende Juden wurden von den Römern gekreuzigt[8].
Im Jahre 66 u.Z., also schon eine Generation nach der Kreuzigung des Jesus, bricht der große jüdische Aufstand aus, der im Jahre 70 u.Z. zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem führt. Der Bar-Kochba-Aufstand von 132-135 u.Z. markiert schließlich das Ende des jüdischen Volkstums in Palästina. Jerusalem wird vollständig zerstört und die jüdische Bevölkerung deportiert oder ins Exil getrieben.
Diese Ereignisse lassen die Spannungen erkennen, die schon zur Zeit Jesus geherrscht haben müssen. Auch die weite Verbreitung apokalyptischer Endzeitvisionen, befördert durch die jüdische Vorstellung eines in die Geschichte eingreifenden Gottes, wird in diesem Rahmen verständlich[9].
3.0. Das Leben des Jesus von Nazareth
Jesus wurde vermutlich zwischen 7 v.u.Z. und 4 v.u.Z. in Betlehem[10] als Sohn des wenig begüterten Zimmermannes Josef und seiner Frau Maria[11] geboren. Er erlernte den Beruf seines Vaters. Er wuchs in einem kleine Dorf in Galiläa innerhalb der jüdischen Sinnwelt auf[12] und erlebte die vielfältigen Stigmatisierungen der jüdischen Bevölkerung Galiläas am eigenen Leibe[13]. Vermutlich hat Jesus über keinerlei höhere Bildung verfügt, evtl. sprach er neben dem lokalen Dialekt etwas griechisch und konnte rudimentär lesen und schreiben; belegt ist dies jedoch nicht. Andere Forscher gehen jedoch davon aus, dass Jesus zumindest Teile einer Ausbildung zum Rabbi genossen hat und somit auch die hebräische Sprache erlernte[14].
Etwa um das Jahr 30 v.u.Z. konvertiert er zur Bewegung Johannes des Täufers, die ähnlich der, die er später selbst begründete, bereits „durch und durch charismatisch geprägt“ war.[15] Die Evangelien berichten davon, dass Jesus bereits zu dieser Zeit von Johannes als eigentlicher Sendbote Gottes entdeckt wurde[16]. Vieles deutet darauf hin, dass Jesus im folgenden zumindest zeitweise Schüler und Assistent des Johannes gewesen ist[17]. Seine eigentliche Initiation scheint in diese Zeit zu fallen: Ebertz sieht den Gang in die Wüste als eigentliche Bewährung und Stabilisierung seiner neuen Wirklichkeit[18].
Schließlich scheint es zum Bruch mit Johannes gekommen zu sein, wenngleich er für Jesus immer ein großer Prophet und Lehrmeister blieb[19]. Während Johannes in der Abgeschiedenheit verbleibt, und später ermordet wird, zieht Jesus, möglicherweise mit einem Teil der Anhängerschaft des Johannes, in die Städte und Dörfer Galiläas. Die Taufe, das zentrale Symbol des Johannes spielt im folgenden bei Jesus keine Rolle mehr[20].
[...]
[1] Ebertz, 1987 S.115
[2] Ebd. S. 120
[3] Ebd. S. 120
[4] Ebd. S. 114
[5] Ebd. S. 55
[6] Schon die Makkabäer hatten hier ihren Ursprung, ebenso wie die zur Zeit Jesus aktiven Zeloten.
[7] Ebd. S. 83
[8] Ebd. S. 120
[9] Ebd. S. 54f.
[10] Manche Historiker halten Nazareth für wahrscheinlicher.
[11] Möglicherweise war er auch uneheliches Kind Marias.
[12] Ebertz 1987, S. 58
[13] Ebd. S. 59
[14] Internetquelle http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Jesus_Christus.html
[15] Ebertz, 1987 S. 56f. u. 64
[16] „Du kommst zu mir, eher hätte ich es nötig, von dir getauft zu werden.“ (Mt 3,14)
[17] Ebertz 1987, S. 64
[18] Ebd. S. 65
[19] Ebd. S. 67f.
[20] Ebd. S. 69
- Citar trabajo
- Mark Thumann (Autor), 2004, Jesus als charismatische Führerpersönlichkeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33165
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