Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Einwanderungsland! Dies ist schon lange die Realität, auch wenn sie viel zu lange geleugnet wurde. Dies wird die Realität bleiben. Dennoch gibt es hierzulande viele Menschen, die zwar faktisch Inländer sind, weil sie schon lange hier leben oder sogar hier geboren wurden, aber noch keine deutsche Staatsbürgerschaft haben. Welche Rechte, Chancen und Möglichkeiten hat diese Bevölkerungsgruppe in Bezug auf die politische Partizipation? Doch was steckt eigentlich hinter dem gut klingenden und vielgebrauchten Schlagwort Partizipation? Und kann Partizipation in einer Einwanderungsgesellschaft die Verwirklichung von Integration und darüber hinaus die Erweiterung der etablierten Demokratie fördern? Insbesondere diesen Fragen nachgehend, gestaltet sich der Aufbau der vorliegenden Arbeit.
Im ersten Teil beleuchte ich den Begriff Partizipation mit seinen Bedeutungen, Rahmenbedingungen und Funktionen. Der zweite Teil konzentriert sich auf politische Partizipation von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Zunächst stelle ich den rechtlichen Kontext dar und beschreibe die Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung. Im Anschluss daran zeige ich die mehr oder weniger eingeschränkten Möglichkeiten der für ‘Ausländer’ in Deutschland bestehenden politischen Partizipation auf. Dabei gehe ich auf die Formen der Wahl, Ausländerbeiräte und Selbstorganisationen genauer ein und skizziere jeweils Charakteristik, Chancen, Grenzen und Probleme sowie Veränderungs- bzw. Entwicklungsperspektiven. Schließlich arbeite ich bestimmte Bedingungen und Ressourcen heraus, die bei allen Formen politischer Partizipation für Zugang und Wirkung entscheidend sind. Der dritte Teil geht wieder auf den allgemeinen Partizipationsbegriff zurück und beschreibt Partizipation als Weg und Ziel. Darauf aufbauend gehe ich der Frage nach, ob Partizipation auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Integration und Demokratie leisten kann. Das Fazit ist unter anderem Reflexion und Ausblick aus der Perspektive Sozialer Arbeit. Im Anhang zitiere ich schließlich einen Text, der zeigt, wie kreativ politische Partizipation sein kann.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Partizipation – was ist das?
1. Dimensionen, Formen und Ebenen
2. Rahmenbedingungen und Funktionen
III. Politische Partizipation von Inländern ohne deutschen Pass
1. Rechtlicher Rahmen und Einbürgerung
2. (Un-)Möglichkeiten – Status quo und Perspektiven
a) Wahlen
b) Ausländerbeiräte
c) Selbstorganisationen
3. Ressourcen und Hindernisse
IV. (Politische) Partizipation als Weg und Ziel
1. Integration durch Partizipation
2. Demokratisierung durch Partizipation
V. Fazit
VI. Literatur
VII. Anhang
I. Einleitung
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Einwanderungsland! Dies ist schon lange die Realität, auch wenn sie viel zu lange geleugnet wurde. Dies wird die Realität bleiben.
Dennoch gibt es hierzulande viele Menschen, die zwar faktisch Inländer sind, weil sie schon lange hier leben oder sogar hier geboren wurden, aber noch keine deutsche Staatsbürgerschaft haben.[1]
Welche Rechte, Chancen und Möglichkeiten hat diese Bevölkerungsgruppe in Bezug auf die politische Partizipation? Doch was steckt eigentlich hinter dem gut klingenden und vielgebrauchten Schlagwort Partizipation? Und kann Partizipation in einer Einwanderungsgesellschaft die Verwirklichung von Integration und darüber hinaus die Erweiterung der etablierten Demokratie fördern?
Insbesondere diesen Fragen nachgehend, gestaltet sich der Aufbau der vor-liegenden Arbeit.
Im ersten Teil beleuchte ich den Begriff Partizipation mit seinen Bedeutungen, Rahmenbedingungen und Funktionen. Der zweite Teil konzentriert sich auf politische Partizipation von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Zunächst stelle ich den rechtlichen Kontext dar und beschreibe die Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung. Im Anschluss daran zeige ich die mehr oder weniger eingeschränkten Möglichkeiten der für ‘Ausländer’ in Deutschland bestehenden politischen Partizipation auf. Dabei gehe ich auf die Formen der Wahl, Ausländerbeiräte und Selbstorga-nisationen genauer ein und skizziere jeweils Charakteristik, Chancen, Grenzen und Probleme sowie Veränderungs- bzw. Entwicklungsperspektiven. Schließlich arbeite ich bestimmte Bedingungen und Ressourcen heraus, die bei allen Formen politischer Partizipation für Zugang und Wirkung entscheidend sind. Der dritte Teil geht wieder auf den allgemeinen Partizipationsbegriff zurück und beschreibt Partizipation als Weg und Ziel. Darauf aufbauend gehe ich der Frage nach, ob Partizipation auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Integration und Demokratie leisten kann. Das Fazit ist unter anderem Reflexion und Ausblick aus der Perspektive Sozialer Arbeit. Im Anhang zitiere ich schließlich einen Text, der zeigt, wie kreativ politische Partizipation sein kann.
II. Partizipation – was ist das?
„‘Partizipation’ ist ein umstrittener Begriff, über dessen Definition man sich bislang uneinig ist. (...) Der Begriff ‘Partizipation’ erzeugt Enthusiasmus und Ablehnung in gleichem Maße. (...) Es ist ein enorm umfassender Begriff, der oft höchst oberflächlich verstanden und entpolitisiert wird.“[2]
Partizipation ist ein vielbeanspruchtes Schlagwort geworden, dessen inflationäre Verwendung eine zunehmende Inhaltslosigkeit des Begriffes bewirkt. Den Begriff genauer zu definieren, bereitet erhebliche Schwierigkeiten.
1. Dimensionen, Formen und Ebenen
„Im Englischen ist ‘participation’, nach Auskunft des Oxford English Dictionary, ‘der Akt oder Zustand der Teilnahme oder Teilhabe’. So definiert kann die Partizipation aktiv oder passiv sein, erzwungen oder freiwillig, ungeplant oder in manipulativer Absicht erfolgen, moralisch gut, schlecht oder neutral sein.“[3]
Partizipation kann also vieles sein: Teilhabe, Teilnahme, Mitnutzung, Beteiligung, Mitwirkung, Mitgestaltung und Mitbestimmung in unterschiedlicher Form, Ausprägung und Intensität. Die unterschiedlichen Grade von Partizipation reichen dann von unverbindlicher Beteiligung (z.B. beratende Funktionen) bis hin zur gleichwertigen Mitbestimmung als tatsächliche und umfassende Einflussnahme. Grundsätzlich werden folgende vier Typen der Einwirkung durch Partizipation unterschieden: Verfasst-repräsentativ/indirekt (z.B. Wahlen), verfasst-direkt (z.B. Volksentscheide), nicht verfasst-direkt (z.B. Bürgerinitiativen, Demonstrationen, etc.) und nicht verfasst-mittelbar/indirekt (Interessensvertretungen z.B. Verbände, Vereine, etc.). Partizipation findet dabei auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen statt. Entsprechend werden zum Beispiel politische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Partizipation unterschieden, die aber miteinander zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen.[4]
Ein umfassendes Verständnis von Partizipation beinhaltet konsequenterweise die vollständige und gleichwertige Beteiligung an und Mitgestaltung von möglichst allen gesellschaftlichen Prozessen. Grundvoraussetzung hierfür sind konkrete Partizipationsmöglichkeiten, die durch Partizipationsrechte gewährleistet, erhalten und gegebenenfalls ausgebaut werden müssen.
2. Rahmenbedingungen und Funktionen
Um zu vermeiden, dass durch Partizipation – selbst wenn diese noch so gut gemeint ist – Ungleichheit, Benachteiligung und Ungerechtigkeit reproduziert und verfestigt werden, ist die Unterschiedlichkeit von Menschen unbedingt zu berücksichtigen. Denn die Menschen, in ihren jeweiligen Lebenskontexten und –situationen und mit ihren individuellen Ressourcen, haben zwangsläufig verschie-dene Partizipationschancen bzw. können diese unterschiedlich gut wahrnehmen.
Zudem ist Partizipation nie losgelöst vom Kontext, bewegt sich also innerhalb von beeinflussenden Rahmenbedingungen. Dazu gehören zum einen strukturelle Hindernisse, die Partizipation erschweren oder gar verhindern können. Zum anderen treten unter Umständen erhebliche Widerstände gegen die Einflussnahme selbst auf – vor allem wenn dadurch eine Neuverteilung von Machtverhältnissen angestrebt wird.
„Partizipatorische Initiativen können ein Weg zur Umverteilung der Macht, Veränderung von Beziehungen und Schaffung von Einflußmöglichkeiten sein. Gleichzeitig können sie als Mittel dienen, der Bevölkerung Macht zu entziehen und einen falschen Eindruck von Übertragung zu erwecken. Sie können zwei einander widersprechenden Zwecken dienen, die davon abhängen, ob ihre Initiatoren Macht behalten oder teilen wollen.“[5]
Partizipation kann verschiedene, ja gegensätzliche Funktionen erfüllen und somit unterschiedlichsten Interessen dienen.
Beispiele für missbräuchliche Funktionen sind: Manipulation (d.h. Verhinderung unerwünschter Gegenmacht durch extern kontrollierte ‘Partizipationsnischen’), Legitimierung (d.h. Public-Relations- und Alibizwecke durch scheinbar weit-reichende aber faktisch eingeschränkte Partizipationsmöglichkeiten) und Schein-Beteiligung (d.h. ‘Zufriedenstellung’ motivierter Menschen durch begrenzte und oft folgenlose ‘Partizipationsspielwiesen’). Dem gegenüber stehen Beispiele für positive Funktionen tatsächlicher Partizipation: Sicherung von Verantwortlichkeit durch Identifikation (d.h. Erhöhung der Akzeptanz, Tragfähigkeit und Konse-quenz von Entscheidungen), Dynamisierung und Demokratisierung von Struk-turen sowie Förderung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit.[6]
III. Politische Partizipation von Inländern ohne deutschen Pass
Wie bereits erwähnt, erstreckt sich Partizipation auf verschiedene Bereiche des Lebens. Gesellschaftliche Partizipation in allen Bereichen und auf allen Ebenen ist der umfassende Anspruch. Jedoch möchte ich im Folgenden den Blick auf die politische Partizipation richten, die nach demokratischem Grundverständnis für alle Einwohner eines Landes zumindest prinzipiell möglich sein sollte. Politische Partizipationsrechte und -chancen sind eine außerordentlich wichtige Grundlage für Gleichstellung und Gerechtigkeit.
Über sieben Millionen MigrantInnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit leben in Deutschland. Das sind ca. 8 % der Gesamtbevölkerung. Der Bevölkerungsanteil in einigen Gemeinden liegt sogar bei bis zu 50 %. Ein Viertel dieser sieben Millionen lebt seit über 20 Jahren in Deutschland, davon sind etwa 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 20 Jahren.[7]
„Die Angehörigen der ‘Dritten Generation’, die Kinder und Kindeskinder der für deutsche Industrien angeworbenen ArbeitsmigrantInnen, sind zumeist in der BRD geboren, zur Schule gegangen und haben in der Regel eine den deutschen Kindern und Jugendlichen vergleichbare Sozialisation erfahren.“[8]
Doch wie steht es mit politischen Partizipationsmöglichkeiten dieser Menschen, die zwar in Deutschland leben, aber die deutsche Staatsangehörigkeit (noch) nicht besitzen?
1. Rechtlicher Rahmen und Einbürgerung
Was die Gleichstellung von ausländischen Staatsbürgern bezüglich politischer Partizipation betrifft, ist die deutsche Verfassung defizitär. So sind die Grundrechte Versammlungs-, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 8 und 9 GG ausschließlich deutschen Staatsbürgern vorbehalten. Verfassungsmäßig sind ‘Ausländer’ eigentlich von diesen Formen politischer Partizipation ausgeschlossen, wobei ihnen die entsprechenden Rechte nachträglich durch einfachgesetzliche Regelungen in fast gleichgestellter Form eingeräumt wurden.[9] Dieses Zugeständnis bildet die rechtliche Grundlage für die Selbstorganisation von ausländischen Staatsbürgern in Deutschland.[10]
[...]
[1] Um diese Tatsache gewissermaßen sprachlich anzuerkennen, werde ich den Begriff ‘Ausländer’
in der vorliegenden Arbeit in einfache Anführungszeichen setzen.
[2] Croft/Bevesford 1993, S. 439
[3] Rahnema 1993, S. 248
[4] vgl. Liebrich 2001, S. 862 f / vgl. Pfaffenberger 1997, S. 691 f
[5] Croft/Bevesford 1993, S. 452
[6] vgl. ebd., S. 449 ff
[7] vgl. Kilicgedik 2001, S. 61
[8] ebd.
[9] vgl. Schulte 2000, S. 20 / vgl. Tränhardt/Hunger 2000, S. 33 / vgl. Meyer 2001, S. 21
[10] ausführlich zu Selbstorganisationen in diesem Kapitel III., Abschnitt 2. c)
- Citar trabajo
- Thomas Haug (Autor), 2003, Politische Partizipation von Inländern ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland - Ein Beitrag zu Integration und Demokratisierung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33028
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