Zunächst sollen die zentralen politischen Interessen des Irak unter der Regentschaft der
Baath- Partei definiert werden. Dazu sollen die wesentlichen Merkmale des irakischen
politischen Systems analysiert werden, die kennzeichnend für den Irak sind: die
gesellschaftliche Fragmentierung, die Baath- Ideologie, der Einsatz von Gewalt als zentrales
Mittel der irakischen Politik sowie die Person Saddam Hussein als charismatische irakische
Führergestalt. In einem zweiten Schritt sollen die direkten Auseinandersetzungen zwischen
dem Irak und Israel analysiert werden. Zu diesen Konfrontationen zählen: Die Zerstörung des
irakischen Atommeilers Osirak 1981 sowie die SCUD- Angriffe des Irak während des
zweiten Golfkrieges 1991. Bei der Darstellung dieser beiden Ereignisse sollen einerseits die
Wechselbeziehungen zwischen dem außenpolitischem Verhalten und dem innenpolitischen
System des Irak herausgearbeitet werden. Zudem soll gezeigt werden, dass beide direkten
Konfrontationen, die Zerstörung des Osirak- Reaktors durch die israelische Luftwaffe sowie
die SCUD- Angriffe des Irak auf Israel, als securitizing moves innerhalb eines
Sekuritisierungsprozess gedeutet werden können. In einem abschließenden Teil soll dann
gemäß der Leitthese erörtert werden, inwieweit es dem Irak in der Auseinandersetzung mit
Israel gelungen ist, eigene Interessen durchzusetzen und inwieweit das außenpolitische
Verhalten des Irak die Existenz des Nahostkonfliktes gefördert hat.
Inhaltsverzeichnis
A. Herleitung der Leitthese
B. Gliederung
C. Das politische System des Irak
1) Gesellschaftliche Fragmentierung und politische Instabilität
2) Die Ideologie der Baath- Partei
a) Der Panarabismus
b) Sozialistischer Wandel
3) Uneingeschränkte Gewalt als Mittel der Politik
a) Die Geheimpolizei
b) Das Militär
4) Saddam Hussein als politische Führergestalt
D. Direkte Konfrontationen zwischen dem Irak und Israel
1) Osirak 1981
a) Vorgeschichte
b) Wahrnehmung der israelischen Regierung
c) Tatsächliche Bedrohung
d) Der Osirak- Angriff als Sekuritisierungsprozess
e) Die Reaktion des Irak
2) Der Zweite Golfkrieg 1990/91 und die irakischen SCUD- Angriffe auf Israel
a) Vorgeschichte
b) Die Angriffe auf Israel
c) Die irakischen SCUD- Angriffe als Sekuritisierungsprozess
d) Wahrnehmung der SCUD- Angriffe in Israel
e) Folgen des Zweiten Golfkrieges für den Irak
E. Fazit
1) Rückwirkungen auf die irakische Interessenlage
2) Auswirkungen auf den Nahostkonflikt
F. Literaturverzeichnis
1) Monographien
2) Aufsätze
3) Quellen
Der Irak unter Saddam Hussein als arabischer Akteur im Nah- Ost- Konflikt
A. Herleitung der Leitthese
Wenn man sich an der offiziellen Rhetorik des irakischen Regimes unter Saddam Hussein orientiert, so scheint es, als wolle der Irak, ähnlich wie die arabischen Nachbarstaaten Israels, den Nahostkonflikt zugunsten der palästinensischen Seite beenden[1], indem er Israel mit seiner Vernichtung droht, und indem er den Palästinensern ihren eigenen Staat verspricht. Als Beispiel für die aggressive Rhetorik Saddam Husseins mag folgendes Zitat genügen: „Israel ist und bleibt unser eigentlicher Todfeind. Deshalb muss das Endziel unseres Heiligen Krieges sein, Israel zu vernichten und Palästina und Jerusalem von der zionistischen Pest zu befreien.[2] “ Es fällt offenkundig auf, dass die irakische Realpolitik sich im Widerspruch zu dieser drastischen Rhetorik befindet. Denn um den Staat Israel zu zerstören, wäre es erforderlich, gegen Israel einen langen, für die israelische Armee und Zivilbevölkerung gleichsam verheerenden Krieg zu führen, in dem auch Massenvernichtungswaffen zum Einsatz kämen. Zu einer solchen Auseinandersetzung ist es zwischen dem Irak unter dem Regiment der Baath- Partei und dem israelischen Staat nie gekommen. Es ist auch nicht bekannt, dass eine solche Auseinandersetzung von Seiten des Irak unter Saddam Hussein[3] je systematisch geplant und angestrebt wurde. Dieser Widerspruch zwischen der offiziellen Rhetorik einerseits und der Realpolitik andererseits zeigt, dass der Irak den Nahostkonflikt in erster Linie nicht zugunsten der palästinensischen Seite beenden wollte. Es ist viel wahrscheinlicher, dass er mit diesem Widerspruch dazu beitrug, den Israel- Palästina- Konflikt bestehen zu lassen. Setzt man des Weiteren voraus, dass das außenpolitische Verhalten eines Staates wesentlich von seiner innenpolitischen Verfassung abhängig ist, so lässt sich als Ausgangsthese festhalten:
.
Der Irak unter S. Hussein befürwortete eine dauerhafte Existenz des Nah- Ost- Konfliktes, mit der Absicht, ihn für die eigenen politischen Interessen[4] zu instrumentalisieren.
Diese These soll in der folgenden Hausarbeit untersucht werden.
B. Gliederung
Zunächst sollen die zentralen politischen Interessen des Irak unter der Regentschaft der Baath- Partei definiert werden. Dazu sollen die wesentlichen Merkmale des irakischen politischen Systems analysiert werden, die kennzeichnend für den Irak sind: die gesellschaftliche Fragmentierung, die Baath- Ideologie, der Einsatz von Gewalt als zentrales Mittel der irakischen Politik sowie die Person Saddam Hussein als charismatische irakische Führergestalt. In einem zweiten Schritt sollen die direkten Auseinandersetzungen zwischen dem Irak und Israel analysiert werden. Zu diesen Konfrontationen zählen: Die Zerstörung des irakischen Atommeilers Osirak 1981 sowie die SCUD- Angriffe des Irak während des zweiten Golfkrieges 1991. Bei der Darstellung dieser beiden Ereignisse sollen einerseits die Wechselbeziehungen zwischen dem außenpolitischem Verhalten und dem innenpolitischen System des Irak herausgearbeitet werden. Zudem soll gezeigt werden, dass beide direkten Konfrontationen, die Zerstörung des Osirak- Reaktors durch die israelische Luftwaffe sowie die SCUD- Angriffe des Irak auf Israel, als securitizing moves innerhalb eines Sekuritisierungsprozess gedeutet werden können. In einem abschließenden Teil soll dann gemäß der Leitthese erörtert werden, inwieweit es dem Irak in der Auseinandersetzung mit Israel gelungen ist, eigene Interessen durchzusetzen und inwieweit das außenpolitische Verhalten des Irak die Existenz des Nahostkonfliktes gefördert hat.
C. Das politische System des Irak
1) Gesellschaftliche Fragmentierung und politische Instabilität
Der irakische Staat, welcher 1920 als Britisches Mandatsgebiet gegründet wurde, ist ein Kunstgebilde mit großer gesellschaftlicher Zerklüftung[5]. Die Bevölkerung besteht aus einer arabischen Mehrheit von ca. 75% und einer kurdischen Minderheit von ca.18%. Daneben existieren im Irak noch andere Minderheiten (z.B.Turkmenen, Perser, Assyrer). Der arabische Teil der Bevölkerung ist wiederum gespalten in eine schiitische Mehrheit von 55% und einer sunnitischen Minderheit von 20%[6].
Diese Fragmentierung und die damit verbundene nicht vorhandene gemeinsame irakische Identität, welche die gleichberechtigte Partizipation am politischen Willensbildungsprozess für alle Volksgruppen sichern würde, haben sich seit der Gründung des Staates als ein massives Problem für die politische Stabilität und Regierbarkeit des Landes erwiesen: Häufige Regierungswechsel, häufige Putschversuche und regelmäßige bürgerkriegsähnliche Zustände waren somit bis zur Machtübernahme durch die Baath- Partei 1968 typisch für den Irak[7]. Allerdings ist es auch nicht der Baath- Partei gelungen, trotz ihrer langen Regierungszeit von 1968 bis 2003, die verschiedenen Volksgruppen zu integrieren. Vielmehr gelang es der Baath- Partei nur deshalb, so lange den Irak zu beherrschen, weil sie durch den systematischen Einsatz von Gewalt und Terror politische Gegenkräfte ganz gleich welcher Art dauerhaft ausschalten konnte[8].
Für die Interessenlage des Irak gilt aufgrund der gesellschaftlichen Spannungen für jede politische Partei, die im Irak Herrschaft ausübt: die unbedingte Aufrechterhaltung und Sicherstellung der innenpolitischen Stabilität, um eine geregelte politische Entscheidungs-findung langfristig zu ermöglichen.
2) Die Ideologie der Baath- Partei
Die Herrschaft der Baath- Partei sowie deren Interessendefinition sind nicht zu verstehen, ohne sich mit der Ideologie der Bathismus und dessen Bedeutung für das politische System des Irak auseinandergesetzt zu haben. Charakteristisch sind für den Baathismus zwei Gedankenstränge: Der Panarabismus sowie die sozialistische Umgestaltung der gesamten arabischen Gesellschaft.
a) Der Panarabismus
Der Grundsatz des Panarabismus bedeutet, dass alle Araber eine Nation bilden. Die arabischen Staaten bilden folglich eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Einheit[9].
Die Aufgabe der Baath- Partei besteht nun darin, als selbsternannte „arabische Elite[10] “ diesen Anspruch, in dem Staat, wo es ihr gelungen ist, die Macht zu übernehmen, in die Tat umzusetzen.
Die Forderung nach der Einheit aller arabischen Staaten bedeutete für die Interessenlage der irakischen Bath- Partei: Erstens die unbedingte Wahrung der nationalen Einheit, nicht nur aus pragmatischen Gründen, sondern auch als ideologische Pflicht. Um alle Araber unter dem Regiment der Baath- Partei einen zu können, kam es zweitens für den Irak darauf an, nach der Konsolidierung der Macht im Inneren, eine expansionistische Hegemonialpolitik im Nahen Osten zu betreiben. Das Resultat dieser ideologisch motivierten, hegemonialen Absichten waren die beiden Golfkriege gegen den Iran von 1980 bis 1988 sowie gegen Kuwait 1990/1, mit denen der Irak in der Tat glaubte, dieses Ziel verwirklichen zu können[11].
b) Sozialistischer Wandel
Der zweite programmatische Leitgedanke des Baathismus und damit für die im Irak regierende Baath- Partei verpflichtendes Interesse ist die umfassende, innere Umgestaltung aller arabischen Gesellschaften nach sozialistischen Prinzipien. Sozialistisch bedeutet dabei konkret: Laizistischer Staatsaufbau, Verstaatlichung der arabischen Schlüsselindustrien, insbesondere der Ölindustrie und intensiv betriebene öffentliche Wohlfahrt. Die öffentliche Wohlfahrt umfasst dabei gesicherte Vollbeschäftigung, die Anhebung des allgemeinen Bildungsniveaus sowie die volle Gleichberechtigung der Frau[12].
Was die Umsetzung dieser sozialistischen Ziele anbelangt, so wird in verschiedenen Studien immer wieder darauf hingewiesen, dass es dem Irak tatsächlich vor allem in der Zeit nach der Konsolidierung der Macht durch die Baath-Partei und vor dem Ausbruch des ersten Golfkrieges (1973 bis 1980) gelungen ist, beträchtliche Erfolge in der Steigerung der Alphabetisierungsrate, der Berufstätigkeit der Frau und der sozialen Absicherung der Bevölkerung zu erzielen, wodurch es der regierenden Baath- Partei zudem gelang, ihre Anerkennung als ausschließlich herrschende Kraft im Irak zu steigern[13].
3) Uneingeschränkte Gewalt als Mittel der Politik
Die Notwendigkeit, die politische Einheit des Irak aufrechtzuerhalten sowie gleichsam die politische Herrschaft gegen jede Form der Opposition abzusichern, dazu die äußerst ambitionierten, ideologisch motivierten Ziele, die ganze arabische Welt unter irakischer Führung zu vereinen sowie die gesamte arabische Gesellschaft nach sozialistischen Grundsätzen umzugestalten, erfordern, wenn diese Ziele mehr als bloße Programmatik sein sollen, durchschlagende und wirkungsvolle Mittel.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass uneingeschränkte, institutionalisierte Gewalt das zentrale politische Mittel ist, dem die Baath- Partei die innenpolitische Stabilität im Irak sowie ihr außenpolitisches Aggressionspotential zu verdanken hat. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die zentralen, irakischen Gewaltinstitutionen erfolgen, um sich der Durchschlagkraft dieser Institutionen bewusst zu sein.
[...]
[1] Vgl.: M. Efinger, V. Rittberger, M.Zürn, Internationale Regime in den Ost- West Beziehungen. Ein Beitrag zur Erforschung der friedlichen Behandlung internationaler Konflikte, S.55-56.
Der Terminus „Konfliktbeendigung“ wird als Prozess verstanden, in dem keine oder nur eine Konfliktpartei ihre Ziele vollkommen erreichen kann. Der Begriff „ Konfliktlösung“ meint hingegen, dass alle Konfliktparteien ihre Ziele vollständig erreichen können.
[2] Das Zitat stammt aus dem Zweiten Golfkrieg; zit. nach: www.jerusalem-schalom.de/unwahrhe.htm.
[3] Obwohl S. Hussein erst seit 1979 irakischer Präsident ist, sollen in der Hausarbeit die Bezeichnungen „ Irak unter Saddam Hussein“ und „Irak unter der Herrschaft der Baath- Partei“, welche bereits seit 1968 das Land regiert, als Synonyme verwendet werden.
[4] Der Begriff „Interesse“ soll in diesem Kontext definiert sein als: Handeln der jeweiligen Staatsführung, welches den Nutzen für die eigenen Ziele fördert und welches Schaden für die eigenen Ziele abwendet.
[5] Vgl. zur Entstehung des Irak: P. Marr, The modern history of Iraq, S.29-32.
[6] Die Zahlen sind entnommen: T. Koszinowsky, Irak, in: Der Nahe und Mittlere Osten, S.94.
[7] Vgl.: Die Geschichte des Irak von seiner Gründung bis zur Etablierung des Baath- Herrschaft wird ausführlich beschrieben in: P. Marr, The modern history of Iraq, S29-211.
[8] Vgl.: S.N. Ghabra, Iraq’s Culture of violance, in: Middle East Quarterly, Summer 2001, , S.1-3.
[9] Vgl.: A. Hottinger, Die Baath- Partei, S.135 f.
[10] ebd., S.162.
[11] Zu Motiven und Absichten des Irak in den ersten beiden Golfkriegen Vgl.: H. Münkler, Der neue Golfkrieg, S.69-95.
[12] Zu den sozialistischen Vorstellungen des Baathismus vgl.: A. Hottinger, die Baath-Partei, S.147-149.
[13] Zum Erziehungswesen, dem Gesundheitswesen, dem Arbeitsmarkt, der Stellung der Frau und zur Erdölwirtschaft vgl.: T. Koszinowsky, Irak, in: Der Nahe und Mittlere Osten, S 100-105.
- Quote paper
- Sebastian Dregger (Author), 2004, Der Irak unter Saddam Hussein als Arabischer Akteur im Nahostkonflikt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32847
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