„La comédie est en cinq actes lorsqu’elle est ambitieuse: elle emprunte chaque fois
qu’elle le peut la coupe du „grand genre“, la tragédie“ (Scherer, 1970:197).
Molières Komödie „Tartuffe“ ist eine solche Komödie „mit Ambitionen“ - sie
umfasst 5 Akte und hält sich auch an weitere Regeln des „grand genre“:
• Die Länge der einzelnen Akte ist ausgeglichen: (Akt I: 426 Verse; Akt II:396;
Akt III:362; Akt IV:387; Akt V:391).
• Spannung und Tempo der einzelnen Akte steigen bis zur Auflösung an, was hier
u.a. durch die Anzahl der Szenen erreicht wurde: Je mehr Szenen ein Akt zählt,
desto schneller ist er (Akt I: 5 Szenen, Akt II: 4 Szenen, Akt III: 7 Szenen, Akt
IV: 8 Szenen, Akt V: 7 Szenen.).
• Von den drei Einheiten des Aristoteles kann zunächst gesagt werden, dass die
Einheit des Ortes und der Zeit eingehalten werden. (Das Problem der Einheit der
Handlung wird nach der Untersuchung der Struktur behandelt werden.)
Das Stück spielt in Paris, in Orgons Haus (Einheit des Ortes ). Die Zeit wird nicht
genau eingegrenzt. Man weiß nur, dass der 4. Akt gegen 15:30 beginnt (V.1266) und
der letzte Akt am selben Abend spielt, die 24 Stunden werden also nicht
überschritten.
Im Laufe des Referats soll aber deutlich gemacht werden, dass Molières Stück nicht
in allen Punkten den klassischen Regeln entspricht.
Im ersten Teil werden Struktur und Handlungsführung mit den Besonderheiten der
jeweiligen Akte dargestellt und im zweiten Teil vor diesem Hintergrund die
Anwendung des klassischen Musters auf dieses Stück diskutiert werden.
Inhalt
Einleitung
Struktur und Handlungsführung der einzelnen Akte
Akt 1: Exposition
Die Spaltung der Familie
Berichte (Geschehenes/Vorausdeutungen)
Orgon tritt auf
Besonderheiten des ersten Aktes
Akt 2: Die Heiratskonflikte
Dorine
Besonderheiten des zweiten Aktes
Akt III: der erste „coup de théâtre »
Einführung der zentralen Szene
Die zentrale Szene/“coup de théâtre »
Damis
„Coup de théâtre“2
Besonderheiten des dritten Aktes
Akt IV
Versuche der Tartuffe-Gegner
Besonderheiten des vierten Aktes
Akt V
Cléante
Scènes de groupes
Besonderheiten des letzten Aktes
Besonderheiten der Gesamtstruktur
Die Exposition
Der Verlauf der Spannungskurven/Frage nach der Einheit der Handlung.
Die Auflösung
Zusammenfassung
Bibliografie
Einleitung
„La comédie est en cinq actes lorsqu’elle est ambitieuse: elle emprunte chaque fois qu’elle le peut la coupe du „grand genre“, la tragédie“ (Scherer, 1970:197).
Molières Komödie „Tartuffe“ ist eine solche Komödie „mit Ambitionen“ - sie umfasst 5 Akte und hält sich auch an weitere Regeln des „grand genre“:
- Die Länge der einzelnen Akte ist ausgeglichen: (Akt I: 426 Verse; Akt II:396; Akt III:362; Akt IV:387; Akt V:391).
- Spannung und Tempo der einzelnen Akte steigen bis zur Auflösung an, was hier u.a. durch die Anzahl der Szenen erreicht wurde: Je mehr Szenen ein Akt zählt, desto schneller ist er (Akt I: 5 Szenen, Akt II: 4 Szenen, Akt III: 7 Szenen, Akt IV: 8 Szenen, Akt V: 7 Szenen.).
- Von den drei Einheiten des Aristoteles kann zunächst gesagt werden, dass die Einheit des Ortes und der Zeit eingehalten werden. (Das Problem der Einheit der Handlung wird nach der Untersuchung der Struktur behandelt werden.)
Das Stück spielt in Paris, in Orgons Haus (Einheit des Ortes ). Die Zeit wird nicht genau eingegrenzt. Man weiß nur, dass der 4. Akt gegen 15:30 beginnt (V.1266) und der letzte Akt am selben Abend spielt, die 24 Stunden werden also nicht überschritten.
Im Laufe des Referats soll aber deutlich gemacht werden, dass Molières Stück nicht in allen Punkten den klassischen Regeln entspricht.
Im ersten Teil werden Struktur und Handlungsführung mit den Besonderheiten der jeweiligen Akte dargestellt und im zweiten Teil vor diesem Hintergrund die Anwendung des klassischen Musters auf dieses Stück diskutiert werden.
Struktur und Handlungsführung der einzelnen Akte
Akt 1: Exposition
Die Spaltung der Familie
Durch die Regel, nach der die Spannung und Dichte bis zum Höhepunkt kurz vor der Auflösung zunehmen soll, ergibt sich die Gefahr, die Einführung langsam und langatmig zu gestalten[1].
„Le Tartuffe“ beginnt allerdings mit einer sehr bewegten Szene (nach Goethe eine Exposition « „unique au monde“ »[2]. Die Familie Orgons wird (mit Ausnahme von ihm selbst) vorgestellt und durch Mme Pernelles Moralpredigten charakterisiert. Der Zuschauer/Leser erhält auch gleich zwei Porträts von Tartuffe (noch nicht anwesend): Eins von Mme Pernelle, die ihn als Vorbild betrachtet, und eins von Damis und Dorine, die ihn als „cagot de critique“ (Damis,V.45) und „critique zélé“ (Dorine, V.51) bezeichnen, der der Familie ihre mondäne Lebensweise verbieten will: Die Spaltung der Familie in zwei Lager wird also gleich in der ersten Szene als Hauptkonflikt eingeführt.
Das Lager der Tartuffianer wird allerdings bisher allein von Mme Pernelle vertreten, die sich mit ihren scharfen Kritiken selbst charakterisiert (expressive Funktion) und der Kritik der Zuschauer aussetzt. Durch ihre grobe Ausdrucksweise („Hé! Merci de ma vie!“(Vers 67) und ihr hektisches Auftreten disqualifiziert sie sich von Anfang an.
Berichte (Geschehenes/Vorausdeutungen)
In den folgenden beiden Szenen lässt Molière die Gegner Tartuffes unter sich auftreten. Sie können also vertraute Gespräche führen, und ermöglichen durch ihre Berichte, die Einheit der Zeit zu wahren und dem Zuschauer einen Einblick in Vergangenheit und Zukunft zu geben:
So berichtet Dorine in Szene 2 Cléante gegenüber von dem Geschehenen: Orgon, der Familienvater, habe eine Entwicklung zum Tyrann durchgemacht, seit er Tartuffe bei sich aufgenommen und zu seinem Ein und Alles gemacht habe. (V.195)
In Szene 3, in der Elmire, Mariane, Damis, Cléante und Dorine auftreten, deutet Damis voraus, dass Tartuffe sich der Liebesheirat zwischen Mariane und Valère und seiner Liebe zu dessen Schwester in den Weg stellen könnte (V.217-223).
Orgon tritt auf
Orgon tritt erst in den Szenen 4 und 5 auf. Er erweitert das Lager der Tartuffianer, und bestätigt tatsächlich alle Vorurteile, die der Zuschauer durch die Berichte gewonnen hat:
Dorine berichtet Orgon, von der Migräne seiner Frau am Vorabend (Szene 4). Orgon überhört aber sowohl die referentielle Funktion dieses Berichtes (seine Frau war krank), als auch seine appellative Funktion (er soll sich um seine Frau sorgen). Stattdessen stellt er nur Nachfragen, die Tartuffe betreffen. Die Komik seines völlig unpassenden Verhaltens wird noch verstärkt durch seine formelhaften Fragen und Antworten, die sich ständig wiederholen (Sprachkomik): „Et Tartuffe?“(233, 238, 245 251), und, nachdem er sich vergewissert hat, dass der sein Leben in vollen Zügen genießt: „Le pauvre homme!“ (V.235, 241, 249,256).
Szene 4 geht nahtlos in die folgende Szene über: Cléante, der mit Orgon auf der Bühne bleibt, führt den Versuch fort, Orgon zur Einsicht zu bringen. Seinem Wesen entsprechend ist der Ton allerdings weniger komisch. Orgon bestätigt aber auch hier sowohl seine mangelnde Ausdrucksfähigkeit (V.272), als auch seine engstirnige völlige Hingabe zu Tartuffe. Einmal mehr wirft das Lob seiner Fürsprecher ein eher negatives Licht auf Tartuffe: Parallel zu Szene 1 disqualifiziert sich Orgon, wie Mme Pernelle, durch seinen Sprachstil und seine Verbohrtheit. Mit dieser Klammer endet der erste Akt.
Die große Klammer, die von der ersten Szene als „scène de groupe“ geöffnet wurde[3], wird sich erst mit der letzten Szene des Stückes schließen.
Besonderheiten des ersten Aktes
Die Präsentation der beiden Lager
Das Tartuffe – feindliche Lager ist zahlenmäßig weit bedeutender als das Tartuffe-freundliche: Elmire, Damis, Mariane, Cléante und Dorine sehen Tartuffe als Heuchler an. Dieser „Horizontale“ steht jedoch eine „Verikale“ gegenüber: die hierarchische Stellung der betreffenden Personen, in der die Pro-Tartuffes sind – und von dieser hierarchischen Überlegenheit machen sie auch Gebrauch:
So erlaubt es sich Mme Pernelle z.B., die anderen zu unterbrechen und ihnen Lektionen abzuhalten. Orgons hierarchische Stellung als Familienvater lässt weit schlimmeres erahnen.
Der Akt wird von Mme Pernelle und Orgon mit ihren Auftritten eingerahmt – und von Cléante und Dorine begleitet. Sie werden durch ihre sprachliche Gewandtheit den Tartuffianern gegenübergestellt. Sie stehen durch verschiedene Parallelen und Oppositionen in Symmetrie zueinander: Trotz ihrer gegensätzlichen gesellschaftlichen Positionen (Cléante gehört als Bruder Elmires den Herren an, Dorine als Dienerin Marianes den Angestellten) haben beide Tartuffes Heuchelei erkannt, und wollen sie bekämpfen. Aus ihrer unterschiedlichen Stellung ergibt sich die unterschiedliche Art dieses Kampfes: Dorine darf als Dienerin durchweg komisch sein – Cléante nimmt die Rolle des „raisonneurs“ ein.
Dorine kämpft mit gesundem Menschenverstand- der Version der Vernunft der einfachen Leute- Cléante im Namen der Vernunft –der intellektuellen Version des gesunden Menschenverstands.[4]).
Cléantes Rolle wird im letzten Akt ausgebaut, Dorines Rolle bereits im zweiten.
Die Exposition
In der klassischen Exposition sollte die Einführung der Charaktere und Gefahrenmomente möglichst rasch im ersten Akt abgeschlossen werden.
Das Erscheinen der Hauptdarsteller wird jedoch herausgezögert. Orgon erscheint erst in der 4. Szene, Tartuffe wird erst in der 2. Szene des dritten (!) Aktes auftreten. Ähnliches gilt für die Gefahrenmomente: Die Bedrohung der Heirat von Mariane und Valère wird erst in Szene 3 erwähnt, der drohende Angriff auf das Paar Orgon-Elmire kaum angedeutet (V.84). Dieses Moment wird eigentlich erst im dritten Akt vorgestellt - und die Exposition erst damit wirklich beendet.
Akt 2: Die Heiratskonflikte
Der zweite Akt schlägt eine Brücke zu den Befürchtungen von Damis (I,3): Er hat die Bedrohung der Liebesheirat zwischen Mariane und Valère zum Thema: Orgon plant, Mariane mit Tartuffe zu verheiraten.
[...]
[1] Jacques Scherer, La dramaturgie classique en France, A.G.Nizet, editeur, Paris, S.198.
[2] Nouveaux Classiques Larousse : Molière, Tartuffe, 1971 : 157
[3] Nouveaux Classiques Larousse, 1971:157
[4] Classiques Larousse (1990) : S. 178
- Quote paper
- Joanna Jaritz (Author), 2003, Struktur und Handelsführung in Molières "Tartuffe", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32647
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.