Als ich in meinem Studium so weit voran gekommen war, dass es Zeit wurde sich Gedanken zu einem thematischen Feld zu machen, welches in Hinblick auf die Abschlussprüfungen fruchtbar gemacht werden kann, gab es an der Ruhr-Universität Bochum ein Seminar zum Pornografischen Film. Wenn ich festlegen müsste, zu welchem Zeitpunkt sich die ersten Grundideen zu dieser Arbeit in meinem Kopf verankert haben, muss ich dies auf besagtes Seminar zurückführen. Durch die Beschäftigung mit schwuler Pornografie hat sich für mich ein Blickwinkel auf die Repräsentation schwuler Figuren in den Medien eröffnet, welchen ich mit regem Interesse weiter ausbauen wollte.
In der direkten Vorbereitung dieser Arbeit hatte ich jedoch zunächst mit
etwas anderen thematischen Zusammenhängen geliebäugelt. Es interessierte mich, warum es in bestimmten Filmgenres, vornehmlich des Hollywood-Mainstreams, keine Einbindung von schwulen und lesbischen Figuren gibt. Exemplarisch hierfür ist das Science-Fiction-Genre. Eines, welches gerade durch seine eigene zeitliche Verortung zumeist ein Auge auf die Zukunft der Menschheit wirft und dementsprechend prädestiniert dafür wäre, einen weiterentwickelten neutralen Blick auf homosexuelles Leben zu werfen. Stattdessen blendet Science-Fiction gleichgeschlechtliche Lebensformen gänzlich aus.1
Darstellungen von schwulen Figuren fallen hingegen in so genannten weibliche Genres besonders auf, beispielsweise in der Soap-Opera und der Sit-Com (im Fernsehen) oder der Komödie und dem Melodram (im Film). Durch diese ausgeprägte Vernetzung von Homosexualität und den weiblichen Genres lässt sich eine erste Annahme dahingehend machen, dass schwule Figuren in der Verbindung mit diesen Genres
weiblich kontextuiert werden.
[...]
1 Ich möchte nicht behaupten, dass es nicht irgendwann in der Geschichte des Films schwule oder lesbische Figuren innerhalb der Science-Fiction gegeben haben mag. Dennoch fällt es äußerst schwer, ein Beispiel hierfür zu finden, so dass die Tendenz einer fehlenden Einbindung homosexueller Bezüge innerhalb dieses Genres festgehalten werden kann.
Inhalt
1. Vorwort – Zum Ursprung der thematischen Idee
2. Einleitung
3. Die Problematisierung des Begriffs ‚Männlichkeit’
4. Schwule Figuren in Film und Fernsehen Seite
4.1. Passive Feminisierung Seite
4.2. Aktive Feminisierung & Abgrenzung von Männlichkeit Seite
4.3. Feminisierungs- & Abgrenzungstaktiken im Fernsehen
5. Männlichkeit ausgeblendet? - Freundschaft zwischen schwulen und heterosexuellen Männern
6. Die Problematisierung von Männlichkeit im Kontext von männlicher Homosexualität
7. Genre einer unproblematischen Männlichkeitsinszenierung: Schwuler Pornofilm
8. Zu den Wechselwirkungen medialer Männlichkeits- konstrukte & sozialer Männlichkeitsbilder
9. Schlussbemerkungen
10. Literaturverzeichnis
11. Filmografie / Fernsehsendungen
1. Vorwort – Zum Ursprung der thematischen Idee
Als ich in meinem Studium so weit voran gekommen war, dass es Zeit wurde sich Gedanken zu einem thematischen Feld zu machen, welches in Hinblick auf die Abschlussprüfungen fruchtbar gemacht werden kann, gab es an der Ruhr-Universität Bochum ein Seminar zum Pornografischen Film. Wenn ich festlegen müsste, zu welchem Zeitpunkt sich die ersten Grundideen zu dieser Arbeit in meinem Kopf verankert haben, muss ich dies auf besagtes Seminar zurückführen. Durch die Beschäftigung mit schwuler Pornografie hat sich für mich ein Blickwinkel auf die Repräsentation schwuler Figuren in den Medien eröffnet, welchen ich mit regem Interesse weiter ausbauen wollte.
In der direkten Vorbereitung dieser Arbeit hatte ich jedoch zunächst mit etwas anderen thematischen Zusammenhängen geliebäugelt. Es interessierte mich, warum es in bestimmten Filmgenres, vornehmlich des Hollywood-Mainstreams, keine Einbindung von schwulen und lesbischen Figuren gibt. Exemplarisch hierfür ist das Science-Fiction-Genre. Eines, welches gerade durch seine eigene zeitliche Verortung zumeist ein Auge auf die Zukunft der Menschheit wirft und dementsprechend prädestiniert dafür wäre, einen weiterentwickelten neutralen Blick auf homosexuelles Leben zu werfen. Stattdessen blendet Science-Fiction gleichgeschlechtliche Lebensformen gänzlich aus.[1] Darstellungen von schwulen Figuren fallen hingegen in so genannten weibliche Genres besonders auf, beispielsweise in der Soap-Opera und der Sit-Com (im Fernsehen) oder der Komödie und dem Melodram (im Film). Durch diese ausgeprägte Vernetzung von Homosexualität und den weiblichen Genres lässt sich eine erste Annahme dahingehend machen, dass schwule Figuren in der Verbindung mit diesen Genres weiblich kontextuiert werden.
Wenn eine schwule oder auch lesbische Figur dann doch einmal den Weg heraus aus diesen Genres findet, dann oftmals in ganz bestimmten anderen klischeehaften Zusammenhängen.
„Films, and especially those from Hollywood, were criticized for reproducing dominant stereotypes of homosexuals – such as the sissy, the sad young man, the gay psychopath […] – and failing to represent ‚real’ gays […]“ (Smelik 1998, 136).[2]
Im Actionfilm oder Thriller gab der Schwule häufig sein Stelldichein als brutaler Massenmörder, wodurch Schwule einen noch fragwürdigeren Status übergestülpt bekamen oder sie wurden als das hilflose bedauernswerte Opfer inszeniert, womit Schwulsein wieder in einen Zusammenhang mit Weiblichkeit gebracht wurde.
Es lässt sich also nicht einfach behaupten, schwule Figuren seien in den Medien nicht vorhanden, jedoch gibt es anscheinend bestimmte Grundsätze nach denen sie medial eingebunden werden. Christina Nord hat ebenfalls festgestellt, dass man nicht behaupten kann, es habe Schwule und auch Lesben nicht im Film gegeben. Sie macht jedoch deutlich, dass sie „an den dunklen Rändern der Sichtbarkeit [...] ein oft trauriges, bisweilen lustvolles Dasein [fristeten].“ (2000, 160)
Schnell ist mir klar geworden, dass es generell schwierig sein dürfte, etwas zu untersuchen, das in bestimmten Zusammenhängen nicht auftaucht. Wie soll das fehlende Auftreten homosexueller Figuren in Science-Fiction untersucht werden? Überdies dürfte auch die Frage, warum es schwule Figuren in Actionfilmen und Thrillern nicht außerhalb klischeehafter Darstellungen gibt, schwer zu beantworten sein. Eine geeignete Vorgehensweise, hat sich für mich nicht erschließen können.
Ich wollte mich von diesem Themenbereich aber nicht trennen, da mir der Grundgedanke weiterhin fruchtbar erschien. Schließlich kam eine weitere Idee auf, welche auf der Frage nach den genauen Funktionen von schwulen Figuren in Film und Fernsehen basierte. Gibt es eine allgemeine Rolle, welche schwule Figuren in filmischer Narration spielen? Haben schwule Charaktere bestimmte Aufgaben und Funktionen, sind sie in bestimmte Kontexte gebettet, wenn sie in Erscheinung treten? Über meine eigene Arbeit zur Inszenierung von Männern als erotische Objekte in Kenneth Angers Scorpio Rising (1963) hat sich mein Interesse dann nochmals modifiziert.
Über die Verbindung der Frage nach bestimmten narrativen Funktionen schwuler Figuren und der Inszenierung von Männern unter der Dominanz eines erotischen Zuschauerblicks habe ich die Fragestellung nach der Inszenierung von Männlichkeit entwickelt, welche nun hier auf den kommenden Seiten verhandelt werden soll.
2. Einleitung
Um sich dem Thema der Konstruktion von heterosexueller und homosexueller Männlichkeit in Film und Fernsehen anzunähern, bedarf es zunächst einer genauen Definition. Daher werde ich damit beginnen, den Begriff ‚Männlichkeit’ genauer zu betrachten und dessen Begriffsdefinitionen problematisieren. Wie sich im weiteren Verlauf zeigen wird, ist dies notwendig, um meine Ausgangsthese zu verfolgen, in welcher ich davon ausgehe, dass die Darstellung von schwulen Figuren im Mainstream von Film und Fernsehen dazu dienen, die Vormachtstellung des heterosexuellen Mannes zu rechtfertigen und zu stabilisieren.
Um Männlichkeit zunächst definieren zu können, verwende ich Ausführungen von Michael S. Kimmel, Siegfried Kaltenecker und Anthony Easthope, aus welchen ich eine Basis für das bilde, was in Zusammenhang mit ‚Männlichkeit’ allgemeine Gültigkeit zu haben scheint. Ich werde aus diesen drei Perspektiven eine Definition von Männlichkeit entwickeln, um an Hand derer die Darstellung von Schwulen in konkreten Beispielen aus Film und Fernsehen zu untersuchen. Dabei werde ich meinen Untersuchungsfokus auf ganz bestimmte Mechanismen richten, welche dazu dienen, schwule Männlichkeit über die Einbindung in filmische Kontexte zu definieren, was wiederum ein Mittel zur Aufrechterhaltung der Vormachtstellung des heterosexuellen Mannes im Patriarchat ist. Diese Mechanismen nenne ich ‚Feminisierung’ und ‚Abgrenzung’. Beide haben, wie die Analysen zeigen werden, ähnliche Wirkungen, sind innerhalb der Filme aber anders eingebettet.
Nach dieser eingehenden Betrachtung filmischer Beispiele werde ich das Verhältnis von schwulen und heterosexuellen Männern untereinander betrachten und dabei besonders auf deren männliche Identitäten eingehen. Ich will in diesem Zusammenhang vornehmlich untersuchen, in wie weit verschiedene Männlichkeitskonstrukte in Männerfreundschaften relevant werden können. Dabei bediene ich mich den Forschungen von Dwight Fee, welcher Freundschaften zwischen Schwulen und Heteromännern in einer Feldstudie untersucht hat und ziehe Lynn C. Spanglers Analysen von Männerfreundschaften in Fernsehserien der 1950er bis 1980er Jahre hinzu. Spangler arbeitet in ihrem Aufsatz Kategorien und Besonderheiten innerhalb von medialen Männerfreundschaften heraus, welche in Zusammenhang mit der Auswertung von Fees Feldstudie zu einem fruchtbaren Konzept zusammengestellt werden können. Hiermit kann ich aus meinen eigenen Filmbeispielen drei Freundschaften herausnehmen und diese mit den bis dahin erarbeiteten Feststellungen zum Problem von Männlichkeit erläutern.
Um dieses Problem zu verdeutlichen, welches sich nicht nur innerhalb von filmischen Darstellungen oder in Zusammenhang von divergierenden sexuellen Vorlieben zeigt, werde ich auch auf verschiedene Männlichkeitsbilder eingehen, welche sich innerhalb der schwulen Subkultur gebildet haben. Darüber entwickelt sich die Fragestellung, auf welche Art sich schwule Männer gesellschaftlich als Mann zu etablieren haben, und mit welchen Schwierigkeiten sie seitens heteronormativer Werte konfrontiert werden. Dabei werde ich mich auf Murray Healey und Simon Watney beziehen, welche sich jeweils mit Problemen von Männlichkeit beschäftigt haben. Sie beziehen sich beispielsweise auf Hypermaskulinität und der sich daraus ergebenden, wechselnden Bedeutung der Zeichen und Merkmalen von Männlichkeit. Darüber hinaus werde ich unter anderem über die Problematisierung von schwuler Sexualität verschiedene Paradoxien erläutern, welchen sich schwule Männer in Verbindung mit ihrer männlichen Identität gegenüber stehen sehen.
Schwule Sexualität bildet für mich dann eine Überleitung zu einem anderen medialen Genre, in welchem Männlichkeit ganz anders diskutiert werden kann als in allen anderen Formaten und Genres, nämlich dem schwulen Pornofilm. Ich werde herleiten, dass Männlichkeit weit weniger problematisch ist, wenn es um die Inszenierung schwuler Hardcore-Pornografie geht. Dies geschieht in Anlehnung an diverse Aufsätze zur Blickstruktur bei der Rezeption von inszenierten Männerkörpern, beispielsweise von Richard Dyer und Kobena Mercer.
Abschließend möchte ich versuchen, die Wechselwirkungen zwischen medialen Männlichkeitsdarstellungen und sozialen Männlichkeitsbildern zu untersuchen. Ich werde einen Ausblick geben, in welcher Form Männlichkeit in Zukunft medial und gesellschaftlich verhandelt werden kann und versuche deutlich zu machen, dass es möglicherweise auch Darstellungen von Männlichkeit geben kann, welche nicht auf der Verhandlung von sexuellen Präferenzen beruhen müssen. Männlichkeit könnte möglicherweise auch losgelöst von geschlechtlicher Wertung und Abgrenzung in medialen und sozialen Verknüpfungen definiert und repräsentiert werden.
3. Die Problematisierung des Begriffs ‚Männlichkeit’
Da ich mich in dieser Arbeit mit Männlichkeit beschäftige, ist es wichtig genau zu überlegen, was sich hinter dessen Wortsinn überhaupt verbirgt. ‚Männlichkeit’ wird als Begriff oftmals so verwendet, als habe er eine feste Definition. Das mag in bestimmten Bezügen auch unproblematisch sein, aber in Hinblick auf kultur-, sozial- und auch medienwissenschaftliche Zusammenhänge sollte man sich genau überlegen, was mit diesem Begriff ausgedrückt werden soll.
Oberflächlich betrachtet umschreibt Männlichkeit wohl das, was einen Mann ‚ausmacht’. Das könnten beispielsweise biologische Definitionen sein. Doch darum soll es mir nicht gehen. Vielmehr möchte ich auf ein Verständnis von Männlichkeit eingehen, welches umschreibt, was einen Mann kulturell und sozial als männlich definiert. Damit bewegt man sich zunächst in einem abgesteckten Umfeld, welches allgemein gültige kulturelle Zuschreibungen von Männlichkeit umfasst. Demnach wäre ein Mann laut Michael S. Kimmel (1994, 125) dann männlich, wenn er folgende Attribute in sich vereint: Stärke, Erfolg, Kontrolliertheit, Zuverlässigkeit, Kompetenz und Macht. Diese definierenden Attribute bilden, wie Kimmel es nennt, ein hegemoniales Männlichkeitsbild[3] und machen, sicherlich auch noch in Verbindung mit anderen Kriterien, den dominanten Mythos des Mannes[4] aus. Problematisch sind diese Attribute jedoch in Hinsicht ihrer Definition und Funktion bezüglich Männlichkeit. Ist mit Stärke nur die körperliche Kraft gemeint oder soll damit auch geistige Stärke bezeichnet werden? Reicht es aus, den Alltag zu bewältigen oder müssen regelmäßig neue, bisher nicht aufgetretene Herausforderungen gemeistert werden, um als erfolgreich zu gelten? Worin muss ein Mann kompetent sein? Wie man sehen kann, sind diese Begriffe in ihrer Bedeutung schwammig und nicht genau definiert. Um zu erfassen, was Männlichkeit bedeutet, reicht es nicht aus, sich auf diese Zuschreibungen von Eigenschaften zu beziehen.
Siegfried Kaltenecker (1996, 7) sagt, dass Männlichkeit das Produkt des Patriarchats sei. Seinen Ausführungen zu Folge, bildet das Patriarchat, indem es Männlichkeit als Basisgeschlecht definiert, eine besondere Position für Männlichkeit, aus welcher sie immer als Subjekt und nie als Objekt verstanden wird. Jedwede andere Geschlechtlichkeit wird von Männlichkeit abgeleitet und zum Objekt gemacht. Damit wird sie der Männlichkeit nicht nur einfach gegenüber gestellt, sondern ihr untergeordnet. Beispielsweise differenziert sich Männlichkeit von Allem, was als weiblich gelten könnte. Damit fällt Weiblichkeit aus dem Diskurs des Männlichen heraus, was Weiblichkeit der Männlichkeit unterordnet und sie zum Objekt subjektiver Männlichkeit macht. Es wird also durch die Offenlegung von Differenzen in Bezug auf das männliche Geschlecht eine hierarchische Ordnung aufgebaut. Auf dieser Basis sollte man besser Abstand davon nehmen zu sagen, Männlichkeit läge im Zentrum des Geschlechterdiskurses und der damit verbundenen Machtordnung oder bilde das zentrale Geschlecht. Viel mehr bietet es sich an, auch hier hierarchische Strukturen zu verwenden und Männlichkeit innerhalb eines anderen Modells an die Spitze zu setzen, während jegliche andere Geschlechtlichkeit darunter angeordnet ist.
Laut Anthony Easthope (1990, 166) gilt Männlichkeit als natürlich, normal und universell. Für ein hierarchisches Modell wäre es also nahe liegend, dass dieses natürliche, normale und universelle Geschlecht an der Spitze steht und damit eine Machtposition einnimmt. Unsere Gesellschaftsstruktur basiert darauf, normierten Gegebenheiten einen Status der Korrektheit einzuschreiben. Damit muss sich alles, was der normierten Basis nicht zugehörig ist, unter der mit Macht besetzten Spitzenposition einordnen, und hat damit weniger oder sogar keine Macht.
Wie schon festgehalten, würde Weiblichkeit in diesem Schema Männlichkeit untergeordnet werden und somit auch nicht innerhalb der machtbesetzten Ebene angeordnet sein.
Männlichkeit nennt einen weiteren Vorteil ihr Eigen. Als Basisgeschlecht, an der Spitze des Modells verortet, wird sie nicht verhandelt oder gar in Frage gestellt[5]. „Heterosexuality as a social reality seems to be invisible to those who benefit from it. In part, this is because of the remorseless construction of heterosexuality as normal“ (Dyer 1993, 133). Daher wird Männlichkeit im Geschlechterdiskurs nicht in Frage gestellt und so verfestigt sich gleichzeitig die männliche Machtposition. Jeff Hearn und David L. Collinson (1994, 97) kritisieren den unzureichenden Umgang mit Männlichkeit auch innerhalb wissenschaftlicher Kontexte indem sie feststellen, dass Männlichkeit in zu vielen Fällen einfach als Referenzeinheit zu Grunde gelegt wird, um andere Einheiten und Kategorien davon abzuleiten. Männlichkeit wird also zum Subjekt innerhalb verschiedenster Diskurse gemacht, während alles andere einer Objektivierung unterliegt.
Wenn sich Männlichkeit darüber hinaus durch die oben beschriebenen Attribute definiert und sich so in einer exklusiven Subjektposition verortet, muss man davon ausgehen können, dass alles das, was nicht männlich und demnach außerhalb der Subjektposition verortet ist, nicht über diese Attribute verfügt. Es lässt sich an Hand dieses Schemas also sehr gut zeigen, wie Weiblichkeit mit anderen Attributen belegt wird, oder besser, wie machthabende Instanzen innerhalb des Geschlechterdiskurses durch pauschale Ausschlussverfahren und Differenzierungspraktiken der Weiblichkeit bestimmte Eigenschaften aberkennt.
Doch damit ist Männlichkeit gegenüber Weiblichkeit noch nicht ausreichend gefestigt. Um sich als Mann in der Gesellschaft zu positionieren, muss ein biologisch männliches Subjekt sich an Hand von Kriterien der Männlichkeit präsentieren. Es muss zum Beispiel die angeführten Attribute in sich tragen. Zur Erfüllung dieser Anforderungen bedarf es der Ausspielung seiner Machtposition. Sollte es darauf verzichten, könnte dies als ein Mangel von Stärke und Kontrolle gewertet werden und somit würde es sich selbst im Machtgefüge aus der Spitzenposition heraus katapultieren. Um also die eigene Machtposition nicht zu gefährden, bedarf es der Ausführung von Macht gegenüber den Machtlosen, also den mit Weiblichkeit belegten Individuen. Kulturell steht der Mann demnach in der Pflicht, seine Macht auszuüben und sich somit der Frau gegenüber ungleich zu verhalten, wenn er seine Positionierung wahren möchte. Sich selber als Mann und somit als Machthabender zu definieren kann nur durch die Bestimmung dessen erfolgen, was weiblich, also nicht ‚Mann’ ist, um dann wiederum von der Macht voll profitieren zu können.
Dieses Konstrukt von Männlichkeit ist natürlich nicht auf ein Individuum übertragbar. Das soll heißen, dass ich nicht behaupten will, dass männliche Individuen in unserer Gesellschaft bewusst diesen Prinzipien folgen und sich so Macht zusichern. Dieses Schema soll einfach herausstellen in welchen umfangreichen Prozessen sich Macht auf Geschlecht projiziert, und dass beides durchaus in einem wechselwirkenden Verhältnis zueinander steht.
Biologisch gesehen sichern die geschlechtlichen Verbindungen von Männern und Frauen den Fortbestand unserer Gesellschaft. Auf das Konstrukt der Männlichkeit übertragen hieße dies, dass es ebenso der Fortpflanzung bedarf, um die Machtposition des Männlichen aufrecht zu erhalten. Also erfordert Männlichkeit eine gegengeschlechtliche Sexualität und damit diese gewährleistet ist, müssen eindeutige Genderstrukturen geschaffen werden, um so die Selektion des Partners zu gewährleisten (Gutterman 1994, 225). Das Patriarchat und dessen hegemoniales Männlichkeitsbild basieren also auf zwei primären Faktoren: der Unterordnung des Weiblichen und der heterosexuellen Sexualität.
Das Problem an einer solchen Definition von Männlichkeit liegt darin, dass es kaum ein Individuum geben kann, welches dieses Konstrukt annähernd in sich umsetzen könnte. Allein die oben erwähnten Kriterien von Stärke, Kontrolliertheit, Erfolg usw. stetig zu erfüllen scheint unmöglich. Um aber trotzdem innerhalb der Machtsphäre zu bleiben, bedarf es einiger Mechanismen, mit Hilfe derer Männer sich weiterhin als Machthaber verorten können. Den Gedanken von der Abgrenzung des Weiblichen weiterentwickelnd könnte man auch sagen, dass sich das Subjekt vom Objekt lossagt. Der Schlüssel darin liegt sowohl in der Abgrenzung vom Weiblichen, als auch vom ‚Anderen’. Indem sich Männer als nicht weiblich begreifen, distanzieren sie sich auch von der Weiblichkeit. Da sie schon rein biologisch nicht weiblich sind, können sie auf der Basis der in unserer Gesellschaft zu Grunde gelegten Zweigeschlechtlichkeit nur männlich sein. Auf dieser Grundlage ist es also für Männer nicht sehr schwierig, eine männliche Identität zu bilden, auch ohne alle Anforderungen des männlichen Mythos zu erfüllen.
Michael S. Kimmel (1994, 126-128) geht zurück auf Ansätze Freuds und nutzt diese, um zu erklären, wie es durch Abgrenzung von Weiblichkeit zu einer männlichen Identitätsbildung kommt. Demnach muss jeder Junge in seiner Entwicklung eine sichere Identität als Mann entwickeln. Seine Sexualität entspricht dabei der des Vaters und um diese Sexualität ebenfalls für sich zu sichern, bedarf es der Identifikation mit dem eigenen Unterdrücker, um nach der Entwicklungsphase selbst die Position des Unterdrückers einnehmen zu können. Während dieser Phase bleibt die Angst bestehen, von anderen Männern oder auch Jungen als unmännlich demaskiert zu werden. Um diese Demütigungen zu umgehen, distanziert sich der Junge von seiner Mutter, welche für ihn den Inbegriff von Weiblichkeit darstellt, also das, was es strikt zu vermeiden gilt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Mutter über ihren Sohn die Macht hat, ihm seine Abhängigkeit von ihr bewusst zu machen. Um sich davon zu lösen, versucht der Junge, seine Mutter von sich zu weisen und damit auch alle Eigenschaften und Attribute, welche sie verkörpert. Des Weiteren versucht er genau diese Eigenschaften in sich selbst zu verdrängen, denn würden diese sichtbar werden, könnte darin ein Indiz gefunden werden, sich nicht von der Mutter losgesagt zu haben, sprich weiblich zu sein. Denn diese Attribute wären immer mit einer weiblichen Konnotation belegt, welche es ebenfalls zu vermeiden gilt, um eine Einschreibung von Weiblichkeit in die eigene sexuelle Identität zu vermeiden. Zur Komplettierung dieser beiden Aufgaben erlernt der Junge, Weiblichkeit und alle darin eingebundenen Eigenschaften zu entwerten und hat sich damit seine Position im Gefüge des männlichen Machtkonstrukts erschaffen, ohne zwangsläufig auch die Eigenschaften verinnerlicht zu haben, welche dem hegemonialen Männlichkeitsbild eingeschrieben sind.
Eine Gefahr für die Positionierung und die Identitätsbildung innerhalb von Männlichkeit geht jedoch nicht nur durch Weiblichkeit oder unzureichende Erfüllung von hegemonialen Männlichkeitskriterien aus. Ich habe bereits angedeutet, dass sowohl Männlichkeit als auch das Patriarchat neben der Abgrenzung von Weiblichkeit auch auf gegengeschlechtlicher Sexualität basieren. Was passiert also nun, wenn Männer auftauchen, die gleichgeschlechtliche Sexualität leben?[6] Das Konstrukt von Männlichkeit gerät dadurch definitiv ins Wanken und wird dadurch in Frage gestellt. Wie Peter M. Nardi (2000, 6) auch herausgestellt hat, fordern Schwule die hegemoniale Männlichkeit heraus, indem sie auf der einen Seite Sex mit anderen Männern haben und auf der anderen Seite Merkmale von Männlichkeit in sich vereinen. Männlichkeit wird damit in gewisser Hinsicht untergraben. Damit das nicht passieren kann, haben sich weitere Mechanismen entwickelt, die ganz speziell auf männlich homosexuelles Verhalten wirken und damit das hegemoniale Männlichkeitsbild aufrechterhalten und die Stellung heterosexueller Männer als Machthaber festigen.
Hierbei handelt es sich, ähnlich wie im Bezug auf Weiblichkeit, um einen Abgrenzungsvorgang. Heterosexuelle Männlichkeit versucht dabei, homosexuelle Männlichkeit auszugrenzen, sich davon zu distanzieren und zu differenzieren. Zunächst ist schwule Sexualität in einen weiblichen Kontext gestellt, denn einen Mann zu lieben ist etwas Weibliches.[7] Dies ist allerdings nur der erste Schritt und es reicht nicht aus, schwule Sexualität und schwule Männlichkeit damit zu verdrängen, denn trotz alledem sind schwule Männer auf den ersten Blick, also in Hinsicht auf ihre anatomischen und biologischen Merkmale, nicht von heterosexuellen Männern unterscheidbar.
„A major fact about being gay is that it doesn’t show. There is nothing about gay people’s physiognomy that declares them gay, no equivalents of the biological markers of sex and race. There are signs of gayness, […] but these are cultural forms designed to show what the person’s person alone does not show: that he or she is gay” (Dyer 1993a, 19).
Um diesen Nachteil in der Entlarvung von Schwulen auszugleichen, werden andere Strategien aufgerufen. Dazu distanziert das heterosexuelle männliche Individuum sich vom eigens konstruierten Bild des homosexuellen Mannes. So kann er deutlich machen, dass es keinerlei gleichgeschlechtliche Neigung in seinem Wesen und seiner Identität gibt.
Der dominante Mythos von Männlichkeit, oder das, was ich oben als hegemoniale Männlichkeit beschrieben habe, erfordert also männliche Homosexualität entweder zu unterdrücken oder sogar komplett zu bannen. Diverse TheoretikerInnen legen Homophobie zu Grunde, um zu erklären, wie die Unterdrückung auf dieser Ebene funktioniert. Homophobie gegenüber schwulen Männern beginnt damit, dass binäre Oppositionen konstruiert werden, bei denen der erste Begriff den anderen überschreibt und ausschließt:
„Most important is the opposition masculine/homosexual. But this becomes superimposed on other oppositions, especially natural/unnatural, and with particular application to the body, healthy/sick. [...] Insinde/outside corresponds to all of these but has particular application to the body and the aim of seperating genital from anal, and ensuring desire does not touch the anus” (Easthope 1990, 105).
Sicherlich versucht in dieser Konstruktion der erste Begriff den zweiten ideologisch auszuschließen, was dabei jedoch vergessen wird ist, dass auf Grund der Relation der jeweiligen zwei Worte zueinander ein Ausschluss nicht möglich ist.
Homophobie muss aber nicht die letzte Station auf dem Wege der Ausgrenzung schwuler Männlichkeit bleiben. Easthope beschreibt weiter, dass sich Homophobie in Paranoia weiterentwickeln kann. Die lang gültige Annahme, dass Homosexualität als krankhaft gilt, ist scheinbar noch tief in das Gedankengut der Gesellschaft eingeschrieben, so dass Homosexualität als etwas empfunden wird, was jeden wie eine Krankheit von allen Seiten befallen kann. Letztlich entspringt diese Paranoia aber einem homosexuellem Verlangen, welches als krankhaft abgewehrt wird. Easthope beschreibt diesen Prozess als einen:
„[…] in four stages or statements in which one feeling is transformed into another. The first is the homosexual desire, (1) ‘I love him’. But the attempt to ward this off turns it into the opposite, (2) ‘I do not love him – I hate him’. The mechanism of projection changes it into another equivalent statement, (3) ‘He hates me, which justifies me in hating him’. Generalized, this becomes, (4) ‘I do not love him – I hate him, because he persecutes me’” (Easthope 1990, 7).
Hier findet die Abgrenzung in einer noch extremeren Form statt, bei der ein Verlangen in totale emotionale Abneigung umschwenkt. Ich würde dieses Schema jedoch etwas abändern bzw. erweitern wollen, denn es ist durchaus denkbar, dass am Anfang des beschriebenen Prozesses nicht unbedingt ein schwules Verlangen stehen muss. Es reicht aus, dass dort die Angst vor homosexuellem Verlangen steht. Damit einher geht eine weitere Angst, nämlich jene, als unmännlich enttarnt zu werden. Allein aus diesem Grund bedarf es der völligen Verleugnung homosexuellen Verlangens. Das Enttarnen der Unmännlichkeit ist, und das macht es so fatal, keine Bedrohung, welche von Frauen ausgeht, sondern basiert auf der Befürchtung, von anderen Männern unterdrückt und gedemütigt zu werden (Kimmel 1994, 131).
In weiteren Verlauf der Arbeit werde ich auf diese zwei Grundlagen von hegemonialer Männlichkeit zurückkommen, da diese für meine Argumentation in Bezug auf die Darstellung von Männlichkeit in Film und Fernsehen von Wichtigkeit sein werden. Zunächst wäre es aber ratsam, den Begriff ‚Männlichkeit’ noch aus einer anderen Position heraus zu problematisieren.
Wenn man die Definition von hegemonialer Männlichkeit zu Grunde legt, welche ich entwickelt habe, wird deutlich, dass es sich hierbei um eine optimierte Form von Männlichkeit handelt. Optimiert in der Hinsicht, dass sie in der männerdominierten Gesellschaft als ein erstrebenswertes Modell anerkannt ist. Dennoch muss noch mal darauf hingewiesen werden, dass Männlichkeit in dieser als erstrebenswert geltenden Form nur von wenigen Individuen erreicht und verkörpert werden kann. Da aber auch Individuen, welche nicht in das hegemoniale Schema hinein passen, durchaus eine männliche Identität bilden, muss Männlichkeit auch noch anders definiert werden können. Aus dieser Perspektive entwickele ich eine weitere Problematisierung des Begriffs ‚Männlichkeit’.
Die Macht liegt, wie bereits erläutert, bei denen, welche am ehesten dem Bild hegemonialer Männlichkeit entsprechen. Beispielsweise ist ein schwuler Mann aus diesem Machtdiskurs ausgeschlossen, zumindest teilweise, denn ihm wird mit Hilfe der beschriebenen Mechanismen sein Männlichkeitsstatus aberkannt.[8] Dennoch entspricht die Identität eines Schwulen deshalb nicht zugleich einer weiblichen Identität. Schwule Männer definieren sich ebenfalls als männlich und bilden eine entsprechende Identität aus. Bei dieser individuellen Konstruktion von Männlichkeit geht es eben nicht darum, ob die Umwelt das betreffende Individuum als männlich anerkennt, sondern um das eigene subjektive Empfinden. Somit kann beispielsweise ein nach außen feminin wirkender Mann sich subjektiv dennoch als männlich definieren, auch wenn seine Umwelt ihm Weiblichkeit zuschreiben mag.
‚Männlichkeit’ gerät aber nicht nur durch schwule Männer in eine Krise der begrifflichen Unklarheit, sondern ist auch in heterosexuellen Kontexten undeutlich. Michael S. Kimmel (1994, 137) hat ein gutes Beispiel beschrieben, welches das angedeutete Problem verdeutlichen kann: Ein Unternehmer beschäftigt zur Entlastung seiner eigenen Person einen Chauffeur, welcher seine Wünsche und Anweisungen entgegen nimmt. Der Chauffeur nimmt also Befehle eines anderen Mannes entgegen und ist auf Grund von gesellschaftlichen Konventionen und Verträgen dazu verpflichtet, diesen Befehlen nachzukommen. Damit sind beide in einer Machthierarchie eingeordnet, welche dem Unternehmer Macht über den Angestellten gibt. Somit ist der Angestellte einem Teil seiner potenziellen Macht beraubt. Da Macht aber Männlichkeit mitbestimmt, müsste der Angestellte sozusagen teilweise ‚entmännlicht’ worden sein. Jedoch ist er das nicht. Er ist zwar in diesem Verhältnis dem Arbeitgeber untergeordnet, in seiner Männlichkeit jedoch weiterhin fest verankert. Er kann sie, beispielsweise in Bezug auf Frauen und schwule Männer, an Hand der oben beschriebenen Mechanismen stabilisieren und sich weiterhin in der Gruppe der machthabenden Männer verorten, wenngleich nicht ganz so weit oben, wie der Unternehmer. Darüber hinaus ist es möglich, dass er anderen heterosexuellen Männern in seinem sozialen Umfeld gegenüber eine ähnliche Machtstellung einnimmt, wie sein Arbeitgeber ihm gegenüber. Kimmel spricht deshalb auch davon, dass sich einzelne männliche Individuen nicht als mächtig empfinden.
„Men’s feelings are not the feelings of the powerful, but of those who see themselves as powerless. These are feelings that come inevitably from the discontinuity between the social and the psychological, between the aggregate analysis that reveals how men are in Power as a group and the psychological fact that they do not feel powerful as individuals” (1994, 136).
Die Macht ist demnach nicht in einzelne Individuen eingeschrieben, sondern basiert auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe.
Männlichkeit als eine grundlegende Eigenschaft der Identitätsbildung ist also kein klar definierter Zustand, sondern ein sich stets neu bildendes und jederzeit neu verhandelbares Merkmal. Harry Brod und Michael S. Kaufman haben daher festgestellt, dass „[one] aspect of a new wave of critical men’s studies is the ever-growing recognition that we cannot study masculinity in the singular, as if the stuff of man were a homogeneous and unchanging thing“ (1994, 4).
Man könnte festhalten, dass es nicht die Männlichkeit gibt, sondern eine Reihe von verschiedenen Männlichkeiten.[9] Diese können sicherlich teilweise verschmelzen, genauso wie sie sich in anderen Belangen unterscheiden werden. Sie können jedoch alle zur Identitätsbildung beitragen. Außerdem werden so auch Merkmale schwuler und heterosexueller Männlichkeit wieder in einen Zusammenhang gebracht, woraus möglicherweise im Alltag bei der männlichen Identitätsbildung Schwierigkeiten auftreten können. Im späteren Verlauf werde ich versuchen, diese Probleme herzuleiten. Fest steht jedoch, dass der Begriff ‚Männlichkeit’ immer kontextualisiert werden sollte, um klarzustellen wovon überhaupt die Rede ist.
Da es in dieser Arbeit letztlich ebenfalls darum gehen soll, die Darstellungen und Konstruktionen von Männlichkeit zu untersuchen, welche in verschiedenen Formaten und Genres innerhalb der Medien Film und Fernsehen präsentiert werden, werde ich im folgenden Kapitel einige audio-visuelle Beispiele erläutern.
4. Schwule Figuren in Film und Fernsehen
Ich habe diverse exemplarische Beispiele aus Film und Fernsehen ausgewählt, welche ich in Hinsicht auf die zwei bereits kurz umrissenen Mechanismen der Abgrenzung und der Feminisierung untersuchen möchte. In Anwendung auf mediale Beispiele werden beide Mechanismen ein wenig modifiziert sein, sich im wesentlichen aber so darstellen, wie sie im vorigen Kapitel definiert wurden und somit in direktem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung von hegemonialer Männlichkeit als machthabendes Konstrukt stehen. Es ist zudem erstaunlich, wie häufig sich hinter der Einbindung schwuler Figuren die Funktion zur Stabilisierung des Patriarchats verbirgt, allein schon in ihrer narrativen Einbindung.
Die Erkenntnisse aus den Filmbetrachtungen und -analysen sollen im Verlauf der Arbeit benutzt werden, um zu erklären, wie durch mediale Umsetzungen schwule Figuren konstruiert sind und wie sich daraus ein in der Gesellschaft allgemeines und klischeehaftes schwules Männlichkeitsbild ableiten lässt, welches wiederum unter Betrachtung von heterosexuellen Männlichkeitskonstrukten analysiert werden soll.
Ich möchte gleich so fortfahren, dass ich in Bezug auf die beiden Mechanismen zunächst die ausgewählten Filmbeispiele jeweils kurz zusammenfasse. Dabei richtet sich der Fokus natürlich speziell auf die schwulen Figuren und ihre Verbindungen zu den heterosexuellen Charakteren. Anschließend werde ich versuchen, den betreffenden Mechanismus aus diesen Zusammenfassungen herzuleiten und zu erklären. Ich werde dabei jedoch in den Filmen keine gesonderte Betrachtung heterosexueller Männlichkeit vornehmen.[10] Mir geht es stattdessen darum, direkte Zusammenhänge zwischen den Männlichkeitsbildern schwuler und heterosexueller Art herzustellen.
Als letztes werde ich dann kurz vergleichend ein Beispiel aus dem Fernsehen anführen, um zu schauen, ob es in dortigen Formaten ähnliche Strukturen gibt. Dabei werde ich Serien und Fernsehfilme außen vor lassen, da hier die Ähnlichkeiten zu Kinofilmen in Hinsicht auf narrative Strukturen und Inszenierungsformen von Männlichkeit sehr groß sind. Stattdessen werde ich ein anderes Format hinzuziehen, um die Bandbreite der medialen Wirkung in Hinsicht auf die Konstruktion von Männlichkeit deutlicher zu machen.
Zunächst erscheint es mit jedoch ratsam, eine Schwierigkeit zu klären, welche in Hinsicht auf den Mechanismus der Feminisierung auftreten kann. Feminisierung findet auf medialer Ebene in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen statt. Auch wenn der Effekt beider Formen letztlich ähnlich bleibt, ist es doch auffällig, dass die Einbettung der jeweiligen Form eine andere Grundlage hat.
Der erste Typus der Feminisierung zielt darauf ab, eine Figur auf Grund homosexueller Neigungen als weiblich zu charakterisieren und sie damit zu degradieren. Das heißt, dass innerhalb der filmischen Narration durch verbale Äußerungen oder auch Handlungen eine männliche Figur zu einer Frau ‚degradiert’ wird.[11] Dabei muss es sich jedoch nicht zwangsläufig um einen schwulen Mann handeln, wie eines der Beispiele zeigen wird. Es reicht aus, dass die erniedrigenden Figuren eine homosexuelle Neigung in die erniedrigte Figur einschreiben. Mit dieser Degradierung geht natürlich ein Verlust von Macht einher und in einem weiteren Schritt bedeutet das nicht nur eine Erniedrigung und Degradierung von Weiblichkeit, sondern im zweiten Schritt auch von schwuler Homosexualität.
Die zweite Form der Feminisierung vollzieht sich auf einer ganz anderen Ebene und zeigt sich darin, dass schwule Figuren an Hand von Handlungskontexten oder Tätigkeiten in Zusammenhänge gestellt werden, die weiblich konnotiert sind. Dadurch könnte ihnen zwar ebenfalls das Privileg der männlichen Vormachtstellung im Patriarchat aberkannt werden, doch sie werden nicht durch andere Figuren entmachtet, was den gesamten Vorgang unaufdringlicher und nicht so leicht offensichtlich werden lässt. Die Entmachtung basiert hier auch nicht auf Erniedrigung, sondern auf weibliche Kontextualisierung.
Das Ergebnis beider Arten der Feminisierung ist gleich. Alle Figuren, welche diesem Mechanismus ausgesetzt sind, verlieren ihren Status als Individuen mit männlichen Machtansprüchen und sind damit trotz ihrer männlichen Identität der hegemonialen Männlichkeit untergeordnet. Um Missverständnisse zu verhindern habe ich mich entschlossen, von aktiver und passiver Feminisierung zu sprechen. Aktiv in Bezug auf bewusst vorangetriebene Handlungen filmimmanenter Figuren, welche die Entmachtung schwuler Männlichkeit vornehmen und passiv, wenn es sich in den Beispielen um Zuschreibungen von Weiblichkeit handelt, welche den Figuren auf Grund ihrer Konzeption innerhalb des Films wie Schablonen aufgelegt werden können. Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass aktive Feminisierung sehr häufig in Zusammenhang mit homophoben Handlungen vorkommt und dann auch in Verbindung mit dem zweiten Mechanismus der Abgrenzung einhergeht. Daher werden Abgrenzung und aktive Feminisierung in einem Kapitel behandelt.
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[1] Ich möchte nicht behaupten, dass es nicht irgendwann in der Geschichte des Films schwule oder lesbische Figuren innerhalb der Science-Fiction gegeben haben mag. Dennoch fällt es äußerst schwer, ein Beispiel hierfür zu finden, so dass die Tendenz einer fehlenden Einbindung homosexueller Bezüge innerhalb dieses Genres festgehalten werden kann.
[2] Anneke Smelik bezieht sich hier auf Stereotypen, welche Richard Dyer (1993a) bereits ausführlich in medialen Zusammenhängen betrachtet hat. Ich habe mich entschlossen, auf diese Stereotypisierung in meinen Filmbeispielen zu verzichten, da es mir letztlich nicht darum geht, verschiedene Typen festzulegen, sondern generelle Mechanismen aufzuzeigen, welche auf nahezu jeden im Mainstream inszenierten schwulen Charakter angewendet werden.
[3] Ich werde im weiteren Verlauf diesen Begriff der ‚hegemonialen Männlichkeit’ von Kimmel übernehmen, da ich denke, dass sich mit dieser Bezeichnung sehr deutlich zeigt, dass dies ein in der Gesellschaft vorherrschendes Bild einer ‚optimalen’ Männlichkeit ist, welche jedoch in äußerst seltenen Fällen etwas mit Männlichkeit als Teil von individueller Identität zu tun hat.
[4] Diese Bezeichnung entlehne ich Ausführungen von Anthony Easthope (1990).
[5] Männlichkeit wird in ihrer Machtposition natürlich in Frage gestellt, beispielsweise von feministischen Theorien allerdings wird sie innerhalb des Machtdiskurses von den Machthabenden niemals in Frage gestellt und verhandelt.
[6] Um mit der Bezeichnung ‚auftauchen’ nicht in Ungenauigkeit oder Missverständnisse zu verfallen, möchte ich hier kurz den Grund für diese Art der Fragestellung erläutern. John D’Emilio (1993, 467-476) schreibt in seinem Aufsatz, dass die Behauptung, Schwule und Lesben habe es immer gegeben, so nicht haltbar sei. Er leitet her, dass es höchstwahrscheinlich schon lange Zeit homosexuelle Kontakte zwischen Männern oder Frauen gegeben habe, jedoch sei dies lange Zeit geschehen, ohne dass die betreffenden Personen diese sexuellen Erfahrungen als Merkmal in ihre eigene Identität eingebracht hätten. Dies sei erst mit Aufkommen des Kapitalismus und der damit entstehenden sozialen Absicherungssysteme entstanden, also zu einer Zeit, in der es nicht mehr essentiell wichtig für das eigene Überleben war, Nachkommen zu zeugen und damit das eigene älter werden abzusichern. Übertragen auf die Argumentation in dieser Arbeit kann also ruhig vom Auftauchen homosexueller Männer gesprochen werden, da die hier erklärten Männlichkeitskonstrukte durchaus in Verbindung mit individueller Identitätsbildung stehen und die Sichtbarkeit von homosexueller Identität in der Öffentlichkeit zugenommen hat.
[7] Diese Behauptung basiert schlicht auf der Struktur der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung unseres Daseins, welche zur Sicherung unserer Art die Paarung von Mann und Frau erforderlich macht. Übertragen auf kulturelle Zusammenhänge bedeutet dies, dass ein Mann nur von einer Frau geliebt werden kann, sowohl körperlich als auch emotional. Wenn sich also zwei Männer lieben müssen beide Weiblichkeit verinnerlich haben.
[8] Ich schreibe von einem teilweisen Ausschluss aus dem Machtdiskurs, da ich der Meinung bin, dass auch ein schwuler Mann in bestimmten Bereichen von der Macht der Männlichkeit in gesellschaftlichen Aspekten profitiert, beispielsweise im Berufsleben. Der Schwule ist in vielen Situationen einfach in einer Vorteilsposition, da er als Mann wahrgenommen wird und daher innerhalb der männlich bestimmten Umwelt bevorzugt behandelt wird. Probleme mögen auftauchen, wenn er als homosexuell erkannt wird, dennoch bleibt ihm bis zu diesem Punkt ein gewisser Vorteil.
[9] Siehe dazu: Clay Steinman (1992) Gaze out of bounds. In: Steve Craig. (Hg.) Men, Masculinity and the Media. Nowberry Park / London / New Dehli, Seite 202
Oder: Peter M Nardi (2000) “Anything for a Sis, Mary”. An Introduction to Gay Masculinities. In: Ders. (Hg.) Gay Masculinities. Thousand Oaks / London / New Dehli, Seite 1
[10] Beispiele hierfür kann man bei Sigfried Kaltenecker (1996, 26-27) unter Bezugnahme auf Vertigo (USA 1958, Alfred Hitchcock) finden. In diesem Zusammenhang spricht er davon, dass, sollte die Männlichkeit des Protagonisten in einem Film nicht mehr haltbar sein, also seine männliche Identität in eine Krise geraten, so ist der Film in seiner narrativen Struktur immer darauf bedacht, die ursprüngliche patriarchale Ordnung wiederherzustellen.
[11] Ich finde es generell nicht vorteilhaft, die Redewendung ‚zu einer Frau degradiert’ zu verwenden. Indem man äußert, jemand könne zu einer Frau degradiert werden, wird deutlich, dass sozusagen anerkannt wird, dass Frauen nicht die gleiche Stellung haben, wie Männer. Zitiert man diese Redewendung, sollte dies immer in klarer Distanzierung dazu passieren. Ich verwende diese Redewendung hier in dem Versuch, den erläuterten Sachverhalt aus der Perspektive des dominant definierten Mannes im Patriarchat zu betrachten. Hierin spiegelt sich weder meine eigene Meinung wieder, noch soll es sich um den Standpunkt von einzelnen Individuen handeln.
- Quote paper
- Stefan Rein (Author), 2004, Being Male - Straight or Queer: Zur Konstruktion von Männlichkeit in Film und Fernsehen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32644
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