Eine horizontale Kooperation zwischen Unternehmen liegt vor, wenn auf derselben Marktstufe zwischen Unternehmen eine Vereinbarung geschlossen, oder eine Verhaltensweise aufeinander abgestimmt wird. Eine solche Zusammenarbeit kann zu Wettbewerbsproblemen führen, wenn beispielsweise die an der Zusammenarbeit beteiligten Unternehmen gemeinsam Preise oder Produktionsmengen festsetzen. Andererseits kann eine horizontale Zusammenarbeit auch erheblichen Nutzen bringen. Im Rahmen einer Kartellrechtsreform hat die EG- Kommission Leitlinien für den Bereich der Horizontalvereinbarungen verabschiedet. Die Leitlinien ergänzen die horizontalen Gruppenfreistellungsverordnungen über Forschung und Entwicklung sowie über Spezialisierung. In diesen Leitlinien werden die Grundsätze für eine Bewertung von Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit gemäß Art. 81 EGV dargelegt.
Wollen Kooperationspartner feststellen, ob ihre horizontale Kooperation unter das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV fällt, geben die beiden Verordnungen und die Leitlinien die wesentlichen Prüfungsmerkmale vor.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeine Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EGV
2.1 Spürbarkeit der Beeinträchtigung
2.2 Beeinträchtigung des Zwischenstaatlichen Handels
3. Beurteilung der Horizontalen Kooperation
3.1 Analytischer Rahmen
3.2 Kooperationsformen
a) Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung
b) Produktionsvereinbarungen
c) Einkaufsvereinbarungen
d) Vermarktungsvereinbarungen
e) Vereinbarungen über Normen
f) Umweltschutzvereinbarungen
4. Horizontale Kooperationen nach deutschen Wettbewerbsrecht
5. Ergebnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eine horizontale Zusammenarbeit i.S.d. Art. 81 EGV liegt vor, wenn auf derselben Marktstufe zwischen Unternehmen eine Vereinbarung geschlossen, oder eine Verhaltensweise aufeinander abgestimmt wird.[1] Eine solche Zusammenarbeit kann zu Wettbewerbsproblemen führen, wenn beispielsweise die an der Zusammenarbeit beteiligten Unternehmen gemeinsam Preise oder Produktionsmengen festsetzen.[2] Andererseits kann eine horizontale Zusammenarbeit auch erheblichen Nutzen erbringen.[3] Die Zusammenarbeit kann ein Weg darstellen um Kosten einzusparen oder Risiken zu teilen.[4] Im Rahmen der Kartellrechtsreform hat die EG- Kommission am 1.1.2001 Leitlinien[5] für den Bereich der Horizontalvereinbarungen verabschiedet.[6] In diesen Leitlinien werden die Grundsätze für eine Bewertung von Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit gemäß Art. 81 EGV dargelegt. Neben den Leitlinien umfasst der neue Rechtsrahmen für horizontale Zusammenarbeit noch zwei Verordnungen[7]. Wollen Kooperationspartner feststellen, ob ihre Vereinbarung unter das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV fällt, geben die beiden Verordnungen und die Leitlinien die wesentlichen Prüfungsmerkmale vor.[8]
2. Allgemeine Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EGV
Die in den Leitlinien vorgenommene Würdigung von Art. 81 Abs. 1 EGV kommt grundsätzlich nur dann zum Tragen, wenn die übrigen Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 EGV vorliegen.[9] Die Leitlinien erstrecken sich also nur auf spürbare Wettbewerbsbeschränkungen und auf Vereinbarungen, die geeignet sind den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.[10]
2.1 Spürbarkeit der Beeinträchtigung
Eine Voraussetzung des Art. 81 Abs. 1 EGV ist nach der Rechtssprechung des EuGH[11] die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung.[12] Die Spürbarkeit wird in der Anwendungspraxis von EuGH und Kommission meist in quantitativer Hinsicht geprüft.[13] Gelegentlich wird die Spürbarkeit aber auch nach qualitativen Gesichtspunkten beurteilt.[14] Die Kommission hat die quantitative Spürbarkeit in einer Bekanntmachung[15] präzisiert.[16] Diese Bagatellbekanntmachung stellt bei der Beurteilung der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung maßgeblich auf die Marktanteile ab.[17] Gemäß der de- minimis- Bekanntmachung beschränkt eine horizontale Vereinbarung den Wettbewerb nicht spürbar, wenn der von den beteiligten Unternehmen gehaltene Marktanteil, auf den von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte, 10% nicht überschreitet.[18] Die de- minimis- Bekanntmachung stellt klar, dass die Marktanteilsschwellen nicht für so genannte Kernbeschränkungen gelten.[19]
2.2 Beeinträchtigung des Zwischenstaatlichen Handels
Die Wettbewerbsbeschränkung muss geeignet sein den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.[20] Diese so genannte Zwischenstaalichkeitsklausel[21] soll den Anwendungsbereich des gemeinschaftlichen Kartellrechts von den nationalen Wettbewerbsrechten abgrenzen.[22] Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen ist geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie den Waren- oder Dienstleistungsverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell in einer der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Weise beeinflussen kann.[23] Eine Zwischenstaatlichkeit liegt vor, wenn in einem Kartell mehrere Hersteller ihren Absatz innerhalb der EG abstimmen, durch Kooperationen auch bei ihrem Export den Wettbewerb untereinander ausschalten oder wenn bei einer Absprache nur bezüglich eines nationalen Marktes die Gefahr besteht, dass der Wettbewerb in anderen Mitgliedstaaten verändert wird oder Importe beeinflusst werden.[24]
Auch Vereinbarungen, an denen nur Unternehmen aus einem einzigen Mitgliedstaat beteiligt sind können den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen, wenn sich Rückwirkungen auf den Absatz ausländischer Produkte im Inland oder auf den Marktzutritt ausländischer Unternehmen ergeben können.[25]
Vereinbarungen eines EU- Unternehmens mit einem Unternehmen aus einem Drittland können auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.[26] In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob Rückwirkungen auf den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr im gemeinsamen Markt zu erwarten sind.[27]
Werden von einem Unternehmen mit mehreren Unternehmen wettbewerbsbeschränkende Verträge mit gleichem oder ähnlichem Inhalt abgeschlossen, die bei isolierter Betrachtung wirtschaftlich unbedeutend sind, so kann unter Berücksichtigung der Bündeltheorie auch die kumulative Wirkung dieser Parallelverträge zu einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führen.[28]
3. Beurteilung der Horizontalen Kooperation
Die kartellrechtliche Beurteilung vieler horizontaler Vereinbarungen ist komplex[29] und erfordert eine sorgfältige Untersuchung der wettbewerbsfördernden und wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen, sowie gegebenenfalls eine Untersuchung der Freistellungsfähigkeit der Vereinbarung.[30] Eine praktische Anleitung zur Beurteilung von horizontalen Kooperationen geben die bereits erwähnten Leitlinien für horizontale Zusammenarbeit. Die Leitlinien geben eine auf wirtschaftlichen Kriterien beruhende Orientierungshilfe für eine kartellrechtliche Beurteilung von Kooperationsvereinbarungen.[31] Ein Verhalten, das gemäß Art. 81 Abs. 1 EGV per se als hardcore- Beschränkung untersagt war, soll nach den Vorgaben der Leitlinien einer ausführlichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterzogen werden, bevor anhand von Art. 81 Abs. 3 EGV die Ausnahmebestimmungen überprüft werden.[32] In den Leitlinien finden sich Anhaltspunkte, die die in Art. 81 Abs. 1 EGV festgeschriebenen Verbote relativieren.[33] Spezifische Gegebenheiten der Marktstruktur, der Marktanteile und der Notwendigkeit des bestimmten kartellverdächtigen Marktauftritts können also dazu führen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des betreffenden kooperativen Marktauftritts insgesamt wettbewerblich als gutartig bewertet werden.[34]
3.1 Analytischer Rahmen
An den Anfang der Leitlinien hat die Kommission einen analytischen Rahmen gestellt, nach dem sie untersucht, ob eine Vereinbarung nachteilige Marktwirkungen hat.[35] In die Analyse, ob Art. 81 Abs. 1 EGV greift, wird insbesondere die Art der Vereinbarung, die Marktmacht der Beteiligten und die Marktstruktur einbezogen.[36] Nach diesem Prüfungsschema werden die verschiedenen Kooperationsformen auf ihre wettbewerbsrechtliche Wirkung untersucht.[37] Einführend legen die Leitlinien fest, welche Arten von Vereinbarungen nicht von Art. 81 Abs. 1 EGV erfasst werden.[38] Hierzu zählt zum einen die Zusammenarbeit zwischen Nichtwettbewerbern, aber auch Vereinbarungen, zwischen Wettbewerbern, die die von der Zusammenarbeit erfasste Tätigkeit oder das entsprechende Projekt nicht eigenständig durchführen könnten.[39] Gleiches gilt auch für die Zusammenarbeit bei einer Tätigkeit, welche die relevanten Wettbewerbsparamter nicht beeinflusst.[40] Solche Vereinbarungen werden nur dann von Art. 81 Abs. 1 EGV erfasst, wenn sie marktbeherrschende Unternehmen einbeziehen und geeignet sind, Probleme der Abschottung gegenüber Dritten zu treffen.[41]
[...]
[1] Polley/ Seeliger, WRP 2001, S. 494, 494.
[2] „Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG- Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit“ Tz. 2.
[3] Leitlinien, Tz. 3.
[4] Leitlinien, Tz. 3.
[5] „Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 81 EG- Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit“, ABl. 2001 Nr. C 3/2 v. 6.1.2001, S. 2.
[6] Immenga/ Stopper, RIW 2001, S. 241, 241.
[7] Verordnung (EG) Nr. 2658/2000 v. 29. November 2000 über die Anwen- dung von Art. 81 Abs. 3 des Vertrags auf Gruppen von Spezialisierungs- vereinbarungen, ABl. 2000 Nr. L 304/3; Verordnung (EG) Nr. 2659/2000 v. 29.November 2000 über die Anwendung von Art. 81 Abs. 3 des Vertra- ges auf Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung; ABl. 2000 Nr. L 304/7.
[8] Immenga/ Stopper, RIW 2001, S. 241, 242.
[9] Polley/ Seeliger, WRP 2001, S. 494, 495.
[10] Polley/ Seeliger, WRP 2001, S. 494, 495.
[11] Steiner/ Woods, EC Law, p. 222; EuGH v. 9.7.1969, Rs. 5/69, Völk/ Vervaecke, Slg. 1969, S. 295 Rdn. 7.
[12] Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EU Wirtschaftsrechts, § 1, Rdn. 118; Bunte, Kartellrecht, S. 368; Streinz, Europarecht, Rdn. 818; Commichau/ Schwartz, Grundzüge des Kartellrechts, Rdn. 623; Bunte, in: Langen/ Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Art. 81, Rdn. 101; Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker, EG- Wettbewerbsrecht, Art. 85 Abs. 1, Rdn. 199.
[13] Eilmansberger, in: Streinz, EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 71.
[14] Z.B. in: EuGH, Rs. C- 215 u. 216/96, Bagnasco u.a., Slg. 1999, I- 135 Rdn. 35.
[15] De- minimis- Bekanntmachung, ABl. 2001/ C 368/13.
[16] Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker, EG- Wettbewerbsrecht, Art. 85 Abs. 1, Rdn. 199.
[17] De- minimis- Bekanntmachung, Tz. 2; Eilmansberger, in: Streinz, EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 78; Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EU Wirt- schaftsrechts, § 1, Rdn. 118
[18] De- minimis- Bekanntmachung, Tz. 7; Weiß, in: Callies/ Ruffert, Kom- mentar zu EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 93.
[19] De- minimis- Bekanntmachung, Tz. 11.
[20] Steiner/ Woods, EC Law, p. 222; Streinz, Europarecht, Rdn. 817; Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EU Wirtschaftsrechts, § 1, Rdn. 118
[21] S.h.: Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrags, 2004/C 101/07.
[22] Stockmann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7, Rdn. 24; Commichau/ Schwartz, Grundzüge des Kartellrechts, Rdn. 628; Bunte, in: Lan- gen/ Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Art. 81, Rdn. 101.
[23] Steiner/ Woods, EC Law, p. 222; Weiß, in: Callies/ Ruffert, Kommentar zu EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 125.
[24] Weiß, in: Callies/ Ruffert, Kommentar zu EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 127.
[25] Bunte, Kartellrecht, S. 346, 347.
[26] S.h. ausführlich: Eilmansberger, in: Streinz, EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 33ff.
[27] Brinker, in: Schwarze, EU- Kommentar, Art. 81 EGV, Rdn. 61; Bunte, Kartell- recht, S. 347.
[28] Bunte, Kartellrecht, S. 347; Eilmansberger, in: Streinz, EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 31; Brinker, in: Schwarze, EU- Kommentar, Art. 81 EGV, Rdn. 76; Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker, EG- Wettbewerbsrecht, Art. 85 Abs. 1, Rdn. 251.
[29] Anders als für vertikale Vereinbarungen bestehen für horizontale Vereinba- rungen keine umfassenden Gruppenfreistellungsverordnungen
[30] Eilmansberger, in: Streinz, EUV/ EGV, Art. 81 EGV, Rdn. 236.
[31] Immenga/ Stopper, RIW 2001, S. 241, 241.
[32] Stopper, EuZW 2001, S. 426, 427.
[33] Stopper, EuZW 2001, S. 426, 427.
[34] Stopper, EuZW 2001, S. 426, 427.
[35] Polley/ Seeliger, WRP 2001, S. 494, 497.
[36] Polley/ Seeliger, WRP 2001, S. 494, 497.
[37] Leitlinien, Tz. 38; Immenga/ Stopper, RIW 2001, S. 241, 242.
[38] Sog. „Weiße Klauselen“; Leitlinien, Tz. 24.
[39] Geiger, EuZW 2000, S. 325, 326; Leitlinien, Tz. 24.
[40] Immenga/ Stopper, RIW 2001, S. 241, 242; Geiger, EuZW 2000, S. 325, 326.
[41] Geiger, EuZW 2000, S. 325, 326; Leitlinien, Tz. 24.
- Arbeit zitieren
- Patrick Gageur (Autor:in), 2004, Horizontale Kooperationen im europäischen Kartellrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32585
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