Die Tragödie „Antigone“ von Sophokles wurde vor über 2400 Jahren (vermutlich im Jahr 442 oder 441 v. Chr.) in Athen zum ersten Mal aufgeführt. Heute ist das Stück eine der sieben erhaltenen Tragödien von Sophokles (insgesamt hatte er 123 geschrieben), die überliefert worden sind. Zahlreiche Übersetzungen und Bearbeitungen hat es seitdem zur Antigone gegeben. Und auch in den letzten Jahrzehnten wurde der Mythos durch verschiedene Inszenierungen immer wieder unterschiedlich behandelt und aufgegriffen. Bedeutende Aufführungen hat es z. B. 1978 in Frankfurt, Bremen und Berlin gegeben, die vor allem durch einen politischen Kontext bestimmt waren. Spätere Aufführungen lösten sich jedoch von einem politisch motivierten Hintergrund und setzten andere Schwerpunkte, wie z. B. den Geschlechterkampf zwischen Mann (Kreon) und Frau (Antigone) .
Auf der einen Seite haben wir es dabei mit Inszenierungen zu tun, die sich um eine möglichst originalgetreue Wiedergabe bemühen, d. h. denen der Aufführungsstil der Antike zu Grunde liegt. Demgegenüber stehen auf der anderen Seite bewusst modernisierte Inszenierungen, die z. B. durch die Art der Bühnengestaltung, der Figuren und deren schauspielerische Leistung den religiös-kultisch bestimmten Gehalt der griechischen Tragödie auf andere Weise vermitteln .
Zur letztgenannten Gruppe zählt u. a. die Inszenierung von Peter Mussbach, die 1988 im Schauspielhaus Bochum aufgeführt und – eigens für das Fernsehen produziert – 1989 im ZDF ausgestrahlt worden ist und in dieser Arbeit näher betrachtet werden soll. Signifikant ist bei Peter Mussbachs Antigone vor allem die sehr zeitlose Gestaltung, die ihm durch seine Modernisierung gelang. Neben der Inszenierung wird deshalb auch auf ihre Adaption für das Fernsehen eingegangen.
1. Inhalt
2. Einleitung
3. Die Inszenierung
3.1 Übersetzung nach Schadewaldt und Hölderlin
3.2 Bühnengestaltung und Licht
3.3 Darstellung, Einsatz und Wirkung der Figuren
4. Die Umsetzung für das Fernsehen
5. Literaturverzeichnis
2. Einleitung
Die Tragödie „Antigone“ von Sophokles wurde vor über 2400 Jahren (vermutlich im Jahr 442 oder 441 v. Chr.) in Athen zum ersten Mal aufgeführt. Heute ist das Stück eine der sieben erhaltenen Tragödien von Sophokles (insgesamt hatte er 123 geschrieben), die überliefert worden sind. Zahlreiche Übersetzungen und Bearbeitungen hat es seitdem zur Antigone gegeben. Und auch in den letzten Jahrzehnten wurde der Mythos durch verschiedene Inszenierungen immer wieder unterschiedlich behandelt und aufgegriffen. Bedeutende Aufführungen hat es z. B. 1978 in Frankfurt, Bremen und Berlin gegeben, die vor allem durch einen politischen Kontext bestimmt waren. Spätere Aufführungen lösten sich jedoch von einem politisch motivierten Hintergrund und setzten andere Schwerpunkte, wie z. B. den Geschlechterkampf zwischen Mann (Kreon) und Frau (Antigone)[1].
Auf der einen Seite haben wir es dabei mit Inszenierungen zu tun, die sich um eine möglichst originalgetreue Wiedergabe bemühen, d. h. denen der Aufführungsstil der Antike zu Grunde liegt. Demgegenüber stehen auf der anderen Seite bewusst modernisierte Inszenierungen, die z. B. durch die Art der Bühnengestaltung, der Figuren und deren schauspielerische Leistung den religiös-kultisch bestimmten Gehalt der griechischen Tragödie auf andere Weise vermitteln[2].
Zur letztgenannten Gruppe zählt u. a. die Inszenierung von Peter Mussbach, die 1988 im Schauspielhaus Bochum aufgeführt und – eigens für das Fernsehen produziert – 1989 im ZDF ausgestrahlt worden ist und in dieser Arbeit näher betrachtet werden soll. Signifikant ist bei Peter Mussbachs Antigone vor allem die sehr zeitlose Gestaltung, die ihm durch seine Modernisierung gelang. Neben der Inszenierung wird deshalb auch auf ihre Adaption für das Fernsehen eingegangen.
3. Die Inszenierung
3.1 Übersetzung nach Schadewaldt und Hölderlin
Peter Mussbach hat als Grundlage seiner eigenen Bearbeitung, die von den Originaltexten allerdings nur in verhältnismäßig geringem Umfang abweicht, für die Inszenierung der Antigone zwei bekannte Übersetzungen herangezogen. Bei den Figuren Antigone, Ismene, Kreon, dem Wächter, Haimon und dem Boten stützt er sich dabei auf die Übersetzung von Wolfgang Schadewaldt (1900 – 1974) von 1964[3]. Ausschließlich für die Rede des Sehers Teiresias hat er die ältere Übersetzung von Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) von 1804 zu Grunde gelegt.
Eine Erklärung, warum Mussbach gerade die Übersetzung von Schadewaldt ausgewählt hat, kann dabei ein Blick auf die grundsätzlichen Eigenschaften der für die Bühne konzipierten Übersetzungen von Schadewaldt liefern.
Sie sind nach dem Prinzip der sogenannten dokumentarischen Übersetzungen des Textes gestaltet, […]. [Schadewaldt] versteht darunter eine vollständige Übersetzung des Textes ohne Verkürzungen und Hinzufügungen unter Beibehaltung der originalen Vorstellungen, Begriffe und Bilder, ja, sofern möglich, ein Bewahren der Abfolge der einzelnen Wörter in Satz und Vers, geleitet von der Grundüberzeugung, daß das Dichtwerk sich nicht ohne Schaden in andere Konventionen transportieren läßt. Dieser Übersetzungsstil ist gleich weit entfernt sowohl von der antiquarischen Übersetzungsart <<im Versmaß des Originals>> […] wie vor allem von jeder Art transponierender Übersetzung oder Bearbeitung in der Reduktion des Wortes auf die Wiedergabe der bloßen Begebenheit. […]. [Schadewaldt vertraut] auf die Kraft der inneren Aussage auch von heute nicht mehr voll verstandenen Mythologemen und hält im Unterschied zu nahezu allen Übersetzungen an den vielfach gestuften Äußerungen der elementaren Emotionen (pheu, oi, oimoi, ai, otototoi usw.) wörtlich fest, um im Bewahren des rituellen Momentes die unmittelbare Manifestation des Tragischen zum Ausdruck zu bringen. (Flashar 1991, S. 199)
Trotz der damit einhergehenden großen Nähe zu den griechischen Originaltexten leidet bei der Tragödie Antigone darunter nicht die Verständlichkeit der Übersetzung. Im Vergleich mit der 1988 in Freiburg von Lore Stefanek verwendeten Übersetzung von Hölderlin sieht Gerhard Jörder dabei das „Verständlichere“ und „Eingängigere“ jedoch nicht nur in der Diktion Schadewaldts, sondern auch in der besonderen Sprechkunst der Protagonisten der Bochumer Antigone[4].
Gewiß unterliegt das Urteil über jede Übersetzung den Veränderungen des Sprachwandels im Laufe der Zeit, doch wirken die Übersetzungen Schadewaldts nach fast einer Generation – auch auf der Bühne – genau so sachadäquat, gerade weil sie sich von allzu zeitbedingten Geschmackskonventionen freihalten. (Flashar 1991, S. 200)
Die Übersetzung von Schadewaldt ist also inhärenter Bestandteil dessen, was Mussbach im Gesamten gelingt: eine zeitlose(re) Gestaltung. Dies aber ohne dabei das Werk durch eine übertriebene Modernisierung umzukrempeln oder gar aus seinem Ursprung – der Antike – herauszureißen. Den kurzen Auftritt der Eurydike – der Frau Kreons – lässt Mussbach allerdings aus. Eigentlich dient sie dem Boten als Ansprechpartnerin[5], die Mussbach aber durch den Chor ersetzt und ebenfalls die Schwerpunktsetzung auf die drei Figuren Kreon, Antigone und Haimon erkennen lässt.
Eine Besonderheit ist die Verwendung der sprachlich komplexeren Übersetzung von Hölderlin für die Figur des Teiresias, mit der Mussbach einen Akzent in seiner Inszenierung setzt. „Der greise Seher erscheint so über die Welt der anderen in sakraler Feierlichkeit erhöht.“ (Flashar 1991, S. 283) und wirkt nach Jörder wie eine „Stimme aus einer anderen Welt“[6].
3.2 Bühnengestaltung und Licht
In der Antike fanden die Tragödien in doppeltem Sinne „draußen“ statt. Zum einen wurden sie in den offenen Theatern unter freiem Himmel aufgeführt und zum anderen fand auch die eigentliche Handlung der Stücke außerhalb statt. Und so spielt sich das Geschehen der Antigone vor dem Königshaus Kreons – also ebenfalls draußen – ab. Ereignisse des Stückes, die sich an einem anderen Ort abspielen (z. B. die Bestattung des Polyneikes durch Antigone oder der Tod Antigones und Haimons), werden auf der Bühne durch einen Wächter oder Boten berichtet[7].
Für die Bochumer Antigone trifft jedoch das genaue Gegenteil zu. Sie spielt in doppeltem Sinne „drinnen“. Nicht nur der Ort der Aufführung – das Schauspielhaus Bochum –, sondern auch der Raum der Handlung spielt innerhalb. Die Bühne ist ein rechteckiger Raum, der sich in drei Abschnitte einteilt und die Konfrontation zwischen Kreon und Antigone bildlich werden lässt[8]. Links wird er von einer feuerflammen-roten Hauswand, rechts durch eine dunkle Wand begrenzt und dazwischen befindet sich eine etwas tiefer angelegte Bühnenfläche. Während in der linken Wand ein kleinerer Durchlass ohne Tür auf die Bühne führt, ist die rechte Wand mit einem deckenhohen Flügelportal versehen, durch die, wenn sie geöffnet ist, helles Licht auf die Bühne einfällt. Die rechte Seite, auf der sich zu Anfang der Chor ausschließlich aufhält, ist nur mit wenig Mobiliar versehen. Ein offener Kamin mit brennendem Feuer und ein großer, darüber hängender, blinder Spiegel bilden hier neben der hohen Flügeltür das Hauptaugenmerk. An der linken Wand befindet sich lediglich ein Stuhl, die Bühnenmitte ist leer.
Johannes Schütz schiebt in den Bochumer Kammerspielen zwei komplett unterschiedliche Räume ineinander – eine dramatische, spannungsgeladene Chiffre für die Konfrontation einer archaischen Gefühls- und einer zivilisatorischen Ordnungswelt. (Jörder 1988, S. 46)
Neben dem einfallenden Licht durch die beiden Türen wird die Handlung noch durch einen weiteren Aspekt besonders hervorgehoben. „Eine starke Farbsymbolik verdeutlicht das Bühnengeschehen, nimmt es teilweise voraus.“ (Flashar 1991, S. 284) Die dominierenden Farben sind hier vor allem rot und blau. Insgesamt wird das Stück in seiner Stimmung durch den präzisen und gezielten Einsatz der Farben und das Spiel mit Licht und Schatten getragen. Sie geben häufig die Gefühlswelt der Figuren wieder, weisen aber ebenfalls auf anstehende Ereignisse hin.
[...]
[1] Vgl. Geisenhanslüke 1999, S. 90f.
[2] Vgl. Geisenhanslüke 1999, S. 90
[3] Vgl. Jörder 1988, S. 45
[4] Jörder 1988, S. 45
[5] Vgl. Schadewaldt 1974, S. 74
[6] Jörder 1988, S. 45
[7] Vgl. Flashar 1991, S. 283
[8] Vgl. Kapitel 4.3
- Citation du texte
- Michael Sturmberg (Auteur), 2004, Antigone, Tragödie von Sophokles - Die Inszenierung und Umsetzung von Peter Mussbach am Schauspielhaus Bochum für das Fernsehen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32531
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