Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, in wie weit es möglich ist, durch interdisziplinäre Literaturarbeit die Präpositionalgefüge zu verbessern. Hierzu wurde ein Projekt zur Förderung der lokalen Präpositionen erstellt, durchgeführt und evaluiert. Aufgrund der Förderung durch Bewegungselemente, wurde der Fokus des Förderkonzepts ausschließlich auf die Akkusativ-Konstruktion gelegt.
Da Kinder beider Spracherwerbstypen Deutsch als Erstsprache, sowie Deutsch als Zweitsprache am Projekt teilgenommen haben, widmen sich die ersten beiden Kapitel der Arbeit dieser Erwerbstypen, um einen theoretischen Überblick darüber zu schaffen. Im Fokus des dritten Kapitels stehen die Präpositionen des Deutschen. Nachdem diese im Allgemeinen erläutert werden, wird anschließend spezifisch auf die im Projekt geförderten lokalen Präpositionen eingegangen. Im Anschluss daran folgen die Stolpersteine der Präpositionalgefüge, die die Schwierigkeiten beim Erlernen derer aufzeigen. Der Schluss des Kapitels bildet einen kurzen Überblick zum Thema Valenzgrammatik in Bezug auf Präpositionen. Im weiteren Verlauf wird die Förderung der Sprache mit literarischem Kontext beschrieben. Hierzu wird im Besonderen die Relevanz von Bilderbüchern dargelegt. Darauf aufbauend folgt eine Bilderbuchanalyse des im Projekt verwendeten Buches „Es klopft bei Wanja in der Nacht“ von Tilde Michels anhand der Kriterien von Dr. Nicole Bachor-Pfeff, um den sprachlichen sowie den pädagogischen Wert des Bilderbuches festzustellen. Das letzte Kapitel konzentriert sich auf die Vorstellung des Förderprojekts, sowie dessen Evaluation anhand des durchgeführten Testverfahrens. Ein allgemeines, schlussfolgerndes Fazit beschließt die Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
I. Einleitung (L)
II. Theoretischer Hintergrund (V)
1 Deutsch als Muttersprache (V)
1.1 Einführung (V)
1.2 Spracherwerb zwischen Anlage und Umwelt (V)
1.3 Theorien zum Erwerb von Sprache (L)
1.3.1 Behaviorismus
1.3.2 Nativismus
1.3.3 Interaktionismus
1.3.4 Kognitivismus
1.4 Spezifische Spracherwerbsstörungen (V)
2 Deutsch als Zweitsprache (L)
2.1 Einführung (L)
2.2 Einflussfaktoren auf den Erwerb einer zweiten Sprache (L)
2.2.1 Kognitive Variablen
2.2.2 Affektive und attitudinale Faktoren
2.2.3 Soziale Faktoren
2.2.4 Schlussfolgerung
2.3 Die klassischen L2-Erwerbshypothesen
2.3.1 Die Kontrastivhypothese (Lado 1957)
2.3.2 Die Identitätshypothese (Dulay & Burt 1974)
2.3.3 Die Interlanguagehypothese (Selinker 1972)
2.3.4 Schlussfolgerung
3 Präpositionen des Deutschen (V)
3.1 Einführung
3.2 Stellung von Präpositionen
3.3 Abhängigkeit von Präpositionen
3.3.1 Rektion der Präpositionen
3.3.2 Semantische Subklassen von Präpositionen
3.4 Wechselpräpositionen
3.5 Stolpersein Präpositionalgefüge (L)
3.6 Valenzgrammatik/ Valenztheorie
3.7 Schlussfolgerung
4 Sprache fördern mit literarischem Kontext (V)
4.1 Einführung
4.2 Zum Begriff Literary
4.3 Welche Fähigkeiten gehören zu Literacy?
4.3.1 Wahrnehmung von Schrift:
4.3.2 Einsicht in den Aufbau von Schrift:
4.3.3 Kenntnis von Begriffen:
4.3.4 Kenntnis von Konventionen/Konzepten:
4.3.5 Erweiterung sprachlicher Fähigkeiten:
4.4 Anbahnung von Literacy
4.5 Schriftspracherwerb als Teil der sprachlich-kognitiven Entwicklung
4.5.1 Bilderbücher zur Beobachtung und Förderung sprachlicher Fähigkeiten
4.6 Vorerfahrungen mit Bilderbüchern
4.7 Dialogisches Bilderbuchlesen
4.7.1 Was bedeutet es, Kindern vorzulesen?
4.7.2 Was können Kinder beim Vorlesen von Bilderbüchern lernen?
4.7.3 Wie zweisprachige Kinder aus einer Vorlesesituation profitieren können ...42
4.8 Mit Bilderbüchern wachsen
4.9 Konsequenzen für die pädagogischen Fachkräfte (L)
4.10 Schlussfolgerung (L)
5 Bilderbuchanalyse „Es klopft bei Wanja in der Nacht“ von Tilde Michels (L) ..44
5.1 Einführung
5.2 Kriterien aus literarische Perspektive
5.3 Kriterien aus kinder- und jugendliterarischer Perspektive
5.4 Kriterien aus Bilderbuchspezifischer Perspektive
5.5 Kriterien aus interkultureller Perspektive
5.6 Kriterien aus sprachlicher Perspektive
5.7 Schlussfolgerung
III. Evaluationsstudie (V)
1 Einführung
1.1 Förderprojekt
1.1.1 Fragestellung und Zielsetzung
1.1.2 Beschreibung der Gruppe
1.1.3 Zeitlicher Umfang und Verlauf
1.1.4 Didaktische/Methodische Umsetzung
1.2 Projektevaluation (L)
1.2.1 Auswahl Testverfahren
1.2.2 Testdurchführung
1.2.3 Auswertung und Ergebnisse
1.3 Kritische Reflexion (V)
IV. Fazit (L)
V. Literaturverzeichnis
Anhang
Selbstständigkeitserklärung Fehler! Textmarke nicht definiert.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Erstkontakt und L2-Kenntnisse (Grießhaber 2010: 177)
Abbildung 2: Präpositionen als zweiwertige Valenzträger (Welke 2011: 117)
Abbildung 3: Präpositionen als Valenzträger (Welke 2011: 117)
Abbildung 4: Bestimmte Eigennamen (Welke 2012: 118)
Abbildung 5: (Welke 2012: 119)
Abbildung 6: Phasen des Schriftspracherwerbs (Füssenich/Geisel 2008: 33)
Abbildung 7: Wanja (Michels 2012)
Abbildung 8: Schlafraum (Michels 2012)
Abbildung 9: Schnee (Michels 2012)
Abbildung 10: Hase (Michels 2012)
Abbildung 11: Bilder zum Thema „Es klopft bei Wanja in der Nacht“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 12: Präpositionen-Würfel (eigene Aufnahme)
Abbildung 13: Station „Gletscher“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 14: Station „Eisschollen“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 15: Station „Schneedecke“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 16: Station „Schneeballtransport“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 17: Sation „Gefrorener Fluss“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 18: Station „Eislöcher“ (eigene Aufnahme)
Abbildung 19: Präpositionen-Memory (eigene Aufnahme)
Abbildung 20: Testverfahren (eigene Aufnahme)
Abbildung 21: Prätest Kind A (eigene Aufnahme)
Abbildung 22: Posttest Kind A (eigene Aufnahme)
Abbildung 23: Prätest Kind B (eigene Aufnahme)
Abbildung 24: Posttest Kind B (eigene Aufnahme)
I. Einleitung
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Ludwig Wittgenstein)
Ausgehend von diesem einleitenden Zitat wird deutlich, welche große Bedeutung die Sprache darstellt. Demnach auch eine frühe sprachliche Förderung. Hierfür sind vor allem kompetente Fachkräfte gefragt, denn Sprachdefizite können für die Entwicklung von Kindern eine große Belastung darstellen. Mit einer guten Sprachbildung werden auch wichtige Grundlagen dafür gelegt, dass Kinder einen Zugang zur Welt finden und in der Gesellschaft ankommen. Die Sprache ist das wichtigste Mittel zur Verständigung, zur Weltentdeckung und zum Knüpfen von sozialen Kontakten. Wenn wir Kindern also die Welt eröffnen wollen, müssen wir sie bei ihrer Sprachentwicklung unterstützen und fördern. Nach der Erkenntnis aus mehreren Studien, die bewiesen haben, dass das Erlernen von Präpositionalgefügen vielen Kindern, vor allem DaZ- Lernern Schwierigkeiten bereiten, entstand die Motivation diese zu fördern.
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, in wie weit es möglich ist, durch interdisziplinäre Literaturarbeit die Präpositionalgefüge zu verbessern. Hierzu wurde ein Projekt zur Förderung der lokalen Präpositionen erstellt, durchgeführt und evaluiert. Aufgrund der Förderung durch Bewegungselemente, wurde der Fokus des Förderkonzepts ausschließlich auf die Akkusativ-Konstruktion gelegt.
Da Kinder beider Spracherwerbstypen Deutsch als Erstsprache, sowie Deutsch als Zweitsprache am Projekt teilgenommen haben, widmen sich die ersten beiden Kapitel der Arbeit dieser Erwerbstypen, um einen theoretischen Überblick darüber zu schaffen. Im Fokus des dritten Kapitels stehen die Präpositionen des Deutschen. Nachdem diese im Allgemeinen erläutert werden, wird anschließend spezifisch auf die im Projekt geförderten lokalen Präpositionen eingegangen. Im Anschluss daran folgen die Stolpersteine der Präpositionalgefüge, die die Schwierigkeiten beim Erlernen derer aufzeigen. Der Schluss des Kapitels bildet einen kurzen Überblick zum Thema Valenzgrammatik in Bezug auf Präpositionen. Im weiteren Verlauf wird die Förderung der Sprache mit literarischem Kontext beschrieben. Hierzu wird im Besonderen die Relevanz von Bilderbüchern dargelegt. Darauf aufbauend folgt eine Bilderbuchanalyse des im Projekt verwendeten Buches „Es klopft bei Wanja in der Nacht“ von Tilde Michels anhand der Kriterien von Dr. Nicole Bachor-Pfeff, um den sprachlichen sowie den pädagogischen Wert des Bilderbuches festzustellen. Das letzte Kapitel konzentriert sich auf die Vorstellung des Förderprojekts, sowie dessen Evaluation anhand des durchgeführten Testverfahrens. Ein allgemeines, Schlussfolgerndes Fazit beschließt die Arbeit.
II. Theoretischer Hintergrund
1 Deutsch als Muttersprache
1.1 Einführung
Der Erstspracherwerb beginnt mit der Geburt. Er verläuft parallel zur allgemeinen Entwicklung des Kindes und kann sich, wenn Kinder etwa in bilingualen Familien aufwachsen auch durchaus auf mehrere Sprachen beziehen.1
Kinder haben viele unterschiedliche Erwerbsaufgaben gleichzeitig zu meistern, wie man schon aus der Struktur des Sprachpakets entnehmen kann. „Dabei können sich die Kinder sowohl auf ihr angeborenes Talent zum Spracherwerb verlassen als auch auf das, was der Biologe Rupert Riedl (1980: 36) einmal als „Hausverstand“ bezeichnet hat: effiziente Prinzipien der Selbstorganisation“2. Kinder müssen sich aber natürlich auch auf uns Erwachsene und vor allem auch auf die pädagogischen Fachkräfte verlassen können. Es gäbe keine Veranlassung ihrerseits, eine Grammatik zu (re-)konstruieren, die ihnen, wie im Fall des Deutschen, den Erwerb von Details zumutet.3
Oftmals müssen Kinder von Geburt an mit unterschiedlichen Dialekten ihrer Bezugspersonen umgehen. Auf Grund dessen sollten sie möglichst früh ein Gespür dafür entwickeln, welche Art von Information aus ihrem Umfeld in ihrem Sprachangebot für den Aufbau des eigenen Wissenssystems wichtig sein kann und was gewissermaßen wie ein „Hintergrundgeräusch“ oder einen gelegentlichen Versprecher ignoriert werden kann.4
Kinder greifen auf ein anderes (geringeres) Sprachwissen zurück als Erwachsene – Erwachsene besitzen natürlich viel mehr Informationen innerhalb ihres Sprachpakets-, dadurch befinden sich Bezugsperson und Kind eigentlich in jedem ihrer Gespräche in einer Sprachkontaktsituation. Beim Kommunizieren miteinander, haben jeweils beide Seiten ihren eigenen Erwartungshorizont.
Spätestens in dem Moment, in dem der Kontakt eines Kindes mit seiner Peer Group im Alltag an Bedeutung gewinnt, merken die Eltern das unterschiedliche Varietäten ins Spiel kommen. Die Vielfalt von Optionen spielt also schon sehr früh eine wichtige Rolle im Spracherwerb.5 „Mit der frühen Empfänglichkeit von Variation, also mit dem Wahrnehmen von alternativen Möglichkeiten sich auszudrücken, stellt sich zugleich pragmatisches Wissen hinsichtlich der Verwendungstauglichkeit (…) der mit Sprache verbundenen Macht einher“.6
Bei Kindern, die schon früh zweisprachig aufwachsen, unterscheidet man jedoch zwischen dem doppelten Erstspracherwerb und dem frühen Zweitspracherwerb. Vom doppelten Erstspracherwerb spricht man, wenn Kinder von ihrer Geburt an in mehr als einer Sprache angesprochen werden.7
1.2 Spracherwerb zwischen Anlage und Umwelt
Kinder sind schon mit erstaunlichen Kompetenzen ausgestattet, wenn sie zur Welt kommen. Die Frage, die sich für den Spracherwerb stellt, also wie viel genetische Anlage und wie viel die Umwelt beisteuert, tritt nicht erst nach der Geburt ein, da sich die Kinder bereits im Mutterleib mit lautlichen und melodisch-rhythmischen Eigenschaften der Sprache ihrer Mütter vertraut machen.8
„Die Fähigkeit zum Spracherwerb ist dem Menschen angeboren und weitgehend unabhängig von der Intelligenz. Das Sprachlernen erweist sich aufgrund dieser genetischen Verankerung als ausgesprochen robust, der Erwerbsverlauf– trotz aller Variation– als höchst systematisch.“9 Was Kinder beim Spracherwerb leisten müssen, ist weit mehr als eine Imitation oder eine einfache Übernahme von außen an sie herangetragenen Wissens, denn es steckt immer die individuelle Konstruktionsleistung des Kindes hinter dem Spracherwerb. Dabei müssen die Kinder unterschiedlichste Aufgaben bewältigen, zum einen müssen sie sowohl in der Lage sein, unzählige Details zu speichern und durch Netze zu verknüpfen, zum anderen müssen sie Regeln, die über Einzelfälle hinweggreifen, entwerfen. Vor allem aber sind Kinder offensichtlich dazu fähig, ihre eigenen Lernsysteme bei Bedarf auch ohne explizite Anleitung oder Korrektur immer wieder zu überarbeiten.10
1.3 Theorien zum Erwerb von Sprache
Bis heute wird darüber diskutiert, was passiert, wenn wir sprechen lernen. Diese Frage führt zu verschiedenen theoretischen Ansätzen, die zu erklären versuchen wie der Spracherwerb genau funktioniert. Dabei stehen sich grob verallgemeinernd zwei Richtungen gegenüber: die nativistischen Theorien und die empiristischen Theorien. Grundsätzlich versuchen unterschiedliche Theorien den kindlichen Spracherwerb zu erklären und legen den Schwerpunkt ihrer Betrachtung auf ganz verschiedene Aspekte. Bisher ist es jedoch noch keiner Theorie gelungen, eine vollständige Erklärung des kindlichen Spracherwerbs, ohne offen gebliebenen Fragen, zu geben. Vielmehr wird von einer Kombination einzelner spezifischer Punkte der jeweiligen Theorien ausgegangen, um den kindlichen Erstspracherwerb zu erklären. Im Folgenden wird nun ein kurzer Überblick über die Spracherwerbstheorien gegeben, um einen Einblick in die unterschiedlichen Grundannahmen zu erhalten.11
1.3.1 Behaviorismus
Die zentrale These des behavioristischen Ansatzes des Spracherwerbs entwickelte sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Geprägt wurde er vor allem durch Watson, Bandura und Skinner. Behavioristische Ansätze behaupten, dass Sprache durch Imitation von Vorbildäußerungen und Verstärkung erworben wird. Während erwünschte Reaktionen im Lernprozess auf Stimuli verstärkt werden, zeigt sie unangemessene Reaktionen wie zum Beispiel Ignoranz, damit sie sich nicht verfestigen. Je öfter ein Wort oder eine Äußerung verstärkt wird, desto mehr festigt sie sich im Sprachrepertoire des Kindes. Nach Bloomfield sind Lalllaute der Ausgangspunkt, die dann von der Umwelt verstärkt werden und von den Babys zu Worten geformt werden. Dieser langwierige Prozess kann als Imitation von Erwachsenäußerungen betrachtet werden. Die Umwelt liefert also sprachliche Vorbilder, welche dann von den Kindern solange nachgeahmt werden, bis durch den Verstärkungsprozess der Erwachsenen ein zufriedenstellendes Resultat erzielt wurde. Imitation als Erklärung ist kritisch, da Kinder die Sprache der Erwachsenen in keinem nennenswerten Maße imitieren. Vielmehr produzieren spracherwerbende Kinder Formen, die sie nie von Erwachsenen gehört haben können und verfügen aktiv schon sehr früh über Strukturen der Sprache, die im Input sehr selten vorkommen.12
1.3.2 Nativismus
Chromsky (1959) legte den Grundstein für die nativistische Spracherwerbstheorie. Nativistische Ansätze gehen davon aus, dass das Kind universelle sprachliche Strukturen besitzt, die angeboren sind. Diese enthalten alle möglichen grammatischen Strukturen menschlicher Sprache und werden im Prozess des Spracherwerbs für eine konkrete Einzelsprache aktiviert. Das sprachlernende Kind ist ein spezialisiertes Wesen, dieses dann aufgrund des Kontaktes mit der Umgebungssprache die Sprache nach einem vorgegebenen Sprachprogramm verarbeitet und annimmt.13
1.3.2.1 Meilensteine der Satzkonstruktion
In den folgenden beschriebenen Meilensteinen von Tracy (2008), die sich wie der Nativismus mit grammatischen Strukturen der menschlichen Sprache beschäftigen, wird aufgezeigt, „(…) wie Kinder nach und nach die Architektur deutscher Sätze und ausgewählte Aspekte der Morphologie des Deutschen, vor allem die Verbflexion (Beugung), für sich entdecken.“14 Wenn deutschsprachige Kinder im Alter von etwa einem Jahr bis dreieinhalb Jahren beobachtet werden, kann man feststellen, dass sich ihre eigenen Äußerungen verändern.15 Die Meilensteine wurden in dieser Arbeit berücksichtigt, da sie Orientierung zum Stand der Satzkonstruktion jeden Kindes bieten. Die Altersgruppe, der am Förderprojekt teilnehmenden Kinder lag bei vier bis sechs Jahren, sie haben die Meilensteine bereits bewältigt. Aus diesem Grund war es möglich an die Meilensteine anzuknüpfen und mit der Förderung der Präpositionalgefüge zu beginnen.
1.3.2.2 Meilenstein I (10-18 Monate)
Im Alter von etwa einem Jahr fangen Kinder an Einwortäußerungen zu produzieren, vor allem Elemente offener Klassen. Im Gegensatz zu den späteren Phasen erweitert sich der Wortschatz in dieser Zeit eher langsam. Diese Phase wird nun durch die folgenden Äußerungen eines Kindes im Alter von 1;8 illustriert:
(betonte Silben sind großgeschrieben; Schrägstriche am Ende zeigen Aufstieg oder Abfall der Äußerungsmelodie an; Punkte weisen auf kurze Pausen hin)
„Julia trägt einen Stoffaffen zum Bett, legt ihn rein à daREIN/… ÄFFchen/
Julia isst Joghurt à joko/… essen/“16
Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Julia eigentlich schon im Übergang zu Wortkombinationen. Wie kommt es, dass es Kinder nicht beim Erwerb einfacher sprachlicher Mittel belassen? Warum entwickelt das menschliche Gehirn komplexe Strukturen, die über grundlegende Fähigkeiten hinausgehen? Sicher nicht, weil man dieses den Kindern beibringt, sondern weil sie in ihrem Sprachangebot immer wieder neue Anreize finden, um ihre alten Konstruktionen zu ersetzen.
In den nun folgenden Äußerungen wächst Julia bereits über Meilenstein I hinaus.17
„Julia läuft zu einem Teller voller Brezeln à BREzel essen/ Kurz danach gibt sie einer anwesenden Erwachsenen, Frau B., Mutter eines anderen Kindes, einen Spielzeugvogel. Frau B. nimmt den Vogel und sagt: Sie zieht den Vogel auf. à AUFziehn/… Vogel aufziehn/ Vogel aufziehn!
Du sprichst ja jetzt schon so schön!
Die mit Bewunderung geäußerte Wiederholung der kindlichen Äußerung Vogel aufziehn durch Frau B. und ihr Kommentar (Du sprichst ja jetzt schon so schön!) unterstreichen, dass Julias Wortkombination als Fortschritt empfunden wurde.“18
1.3.2.3 Meilenstein II (18-24 Monate)
Die Kinder steigen mit den ersten Wortkombinationen voll in die Syntax ein. Brown (1973) hat diese Phase telegraphie speech („Telegrammstil“) bezeichnet, da anfangs immer noch viele Wortklassen fehlen.
„Neben allmählich längeren Äußerungen mit Verben und den dazu gehörigen semantischen Rollen (…) finden sich auch verblose Äußerungen (…).
1;11 Julia sieht RTs Halskette, fasst sich an den Hals schaut Mutter an. à Julia KEtte/ Mami AUCH kette/“19
Dank der Partikel auch erkennt man bereits eine besondere Beziehung zwischen aufeinander folgende Äußerungen.
Wie man bereits in Vogel aufziehn bemerkt hat, treten Verben in Infinitivform oder Verbpartikeln am Äußerungsende auf. „Damit zeigt uns Julia, dass sie die rechte Satzklammer und die Elemente, die typischerweise dort vertreten sind, entdeckt hat. Mit der Zeit werden diese Strukturen dadurch komplexer, dass Verben zunehmend mit einem vollständigen Rollen – „Team“ auftreten“.20 Im zweiten Meilenstein zeigt sich außerdem eine erste Unterscheidung von Verbformen. Von nun an gibt es nicht nur Infinitive Verbformen, sondern auch solche die ausdrücklich auf abgeschlossene oder vergangene Ereignisse hinweisen.21
1.3.2.4 Meilenstein III (24-36 Monate)
Wenn Kinder einfache Sätze mit finite Verben in der zweiten Satzposition, der V-2 Stellung produzieren, ist ein neuer qualitativer Sprung vollzogen. Weitere Wortklassen wie Artikel, Präpositionen und Hilfsverben tauchen in dieser Entwicklungsphase auf. „Die Verben sind zielsprachlich gebeugt (flektiert), d.h. sie stimmen mit dem Subjekt in Person und Numerus überein (…) Die Regelmäßigkeit, mit der Verben in V-2 Position flektiert werden, ist bemerkenswert.
Ich bau ein TURM mit ein uhr/
DA geht Julia PUppenwagen rein/
Da falln jetzt i BLÄtter runter/“22
1.3.2.5 Meilenstein IV (etwa ab 30 Monate)
Ein weiterer wichtiger Schritt ist vollzogen, wenn die Kinder damit beginnen komplexe Sätze zu äußern, d.h. von endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch zu machen. Nebensätze mit Konjunktionen sowie finiten, flektierten Verben am Satzende sind charakteristisch für diesen Abschnitt. Hierzu folgen Beispiele von Julia im Alter 2;8.
„wenn die Julia FUTter reintut DANN fressen die vögeln alles auf/ ich muss mal verSUchen ob das Abgeht/ Julia hat den Weg zu Meilenstein vier beeindrucken schnell zurückgelegt. Es gibt aber sowohl Kinder, die noch schneller in den Erwerb der Nebensätze einsteigen, (…) als auch Kinder, die sich sehr viel mehr Zeit lassen, dafür aber wiederum am Ausbau anderer Strukturbereiche arbeiten“.23
Insgesamt lässt sich der gesamte Entwicklungsprozess von Meilenstein I an folgendermaßen beschreiben. Satzstrukturen werden von rechts nach links aufgebaut, das heißt Kinder identifizieren die rechte Satzklammer schon sehr früh, was sich bereits an Zweiwortäußerungen belegen lässt (Meilenstein I). In Meilenstein II entdecken die Kinder auf dem Weg zur linken Satzklammer mit den Partikeln auch und nicht zusätzliche verlässliche und strukturelle Wegweiser des Mittelfelds. In Meilenstein III sind einfache und vollständige Sätze zu erkennen, die Wortstellung ist zielgerichtet, jedoch sind auch noch ältere Strukturformale von Meilenstein II aufzufinden. Ein weiterer Erwerbsschritt der sich in Meilenstein IV vollzieht, ist durch das Auftreten von satzeinleitenden Komplementierern in der linken Satzklammer zu erkennen. Die meisten Wortklassen stehen den Kindern hier zur Verfügung, wodurch sie in der Lage sind komplexe Sätze zu bilden.24 25
1.3.3 Interaktionismus
Während die soziale Interaktion im Behaviorismus und Nativismus nur als ein untergeordneter Faktor angesehen wird, kommt ihr im Ansatz des Interaktionismus von Bruner (1983) eine bedeutende Rolle zu. Er betont die frühen Interaktionen zwischen dem Kind und der Bezugsperson und damit das Unterstützungssystem für den Spracherwerb. Nach ihm bedarf es nämlich mindestens zwei Beteiligte, da Sprache eine soziale Aktivität ist. Für Brunner sind bereits Lautäußerungen, das Schreien, die Mimik und die Gestik des Säuglings erste frühe Formen der Kommunikation. Durch gemeinsame Handlungen und Spielen, in dem das Kind die aktive Rolle übernimmt, werden Strukturen der Kommunikation, die sogenannten „frames“, von den Kindern mit Hilfe der Erwachsenen erworben. Diese dienen ihnen dann weiterhin als Hilfsmittel des Erwerbs sprachlicher Einheiten. Sprache und die Bedeutung von Begriffen werden nicht einfach erworben oder gelernt, sondern regelrecht zwischen den Beteiligten ausgehandelt.26
1.3.4 Kognitivismus
Die Vertreter dieses Ansatzes, Piaget und seine Genfer Schule gehen davon aus, dass die Sprachentwicklung als ein Teil der allgemeinen kognitiven Entwicklung zu betrachten ist. Gegenstand der Forschung sind daher die „inneren“ Prozesse des Menschen: die Art und Weise wie Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten, verstehen und erinnern. Die Entwicklung der Sprache steht demnach im engen Zusammenhang mit der kognitiven Entwicklung. Das Kind erwirbt die Sprache durch die ständige Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, den Menschen sowie den Dingen und nicht durch Nachahmung oder Verstärkung.27 Das von Piaget stammende Entwicklungsstufenmodell beschreibt die Entwicklung des Kindes, jedes durchläuft vier wichtige Stufen, die jeweils durch bestimmte Fähigkeiten gekennzeichnet sind.
Beim Entwicklungsstufenmodell handelt es sich nicht um eine Lerntheorie im klassischen Sinne, sondern eher um Hintergrundinformationen, an denen andere Lerntheorien anknüpfen können. Piagets Ansicht über den kindlichen Spracherwerb ist als alleinige Erklärung jedoch nicht ausreichend.
Diese Theorien geben uns Pädagogen eine Hilfestellung, um sich Phänomene des Alltags erklären zu können und über unser praktisches Handeln nachzudenken. Jedoch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass diese Theorien niemals eindeutig sind, sondern immer nur an und mit Hypothesen gearbeitet wird. Bei behavioristischen Ansätzen können zum Beispiel nur diejenigen Lernprozesse erklärt werden, die sich durch äußeres Verhalten bestimmen lassen. Auch bei dem Kognitivismus lässt sich kritisieren, dass der Lernweg und vor allem das Ergebnis bereits vorliegt und der Lernende damit nur vorgegebene Wege beschreiten kann. Jeder dieser Theorien weist bei den Erklärungsversuchen erhebliche Gegensätze auf, weshalb es kein einzig richtiges Paradigma gibt.28 Bei der pädagogischen Arbeit kommt es auf die richtige Mischung unterschiedlicher Lösungsansätze an.
1.4 Spezifische Spracherwerbsstörungen
Der Spracherwerb verläuft bei jedem Kind individuell. Dies bedeutet, dass die Aneignung der Sprache bei manchen Kindern recht zügig verläuft und bei anderen durch Spracherwerbsstörungen verzögert wird.
Zwar führt der Spracherwerb in den meisten Fällen zum Erfolg, jedoch gibt es auch sehr hartnäckige Verzögerungen und Störungen. Dies wird durch bisher erforschte Beeinträchtigungen des Spracherwerbs unterstrichen. Kinder mit spezifischen Spracherwerbsstörungen verhalten sich ebenfalls systematisch und greifen sich wichtige Bausteine aus dem Input. Bei bilingualen Kindern tritt die Störung immer in beiden Sprachen auf. Durch den verspäteten Sprachbeginn, Probleme mit der Subjekt-Verb Kongruenz, Platzierung finiter Verben sowie der Verbinterpretation manifestiert sich die Störung im Deutschen. Eine Spracherwerbsstörung muss jedoch nicht den Verzicht auf Mehrsprachigkeit bedeuten, dies zeigen aktuelle Ergebnisse aus Kanada.29 Die Mehrsprachigkeit erweist sich nicht als Hindernis, sondern sogar als Vorteil, denn Bilinguale sprachgestörte Kinder scheinen in manchen Bereichen bessere Ergebnisse zu erzielen als einsprachige Kinder mit einer Spracherwerbsstörung. Es gibt Eigenschaften einer Zielsprache, die sich trotz etwaiger Verarbeitungsprobleme als robust und durchsetzungsfähig erweisen. Diese lassen sich vor allem bei Kindern mit spezifischen Sprachstörungen erkennen. Auch einem normal entwickelten jungen Lerner einer Zweitsprache sollten diese besonderes robusten Strukturen zugänglich sein.30
Der Erstspracherwerb ist eine besonders beeindruckende Leistung der frühen Kindheit. „Er ist das Ergebnis der Interaktion von angeborenen, spezifisch menschlichen Fähigkeiten und einem sprachlichen Angebot durch die Umwelt (Input) und vollzieht sich über Sprachen hinweg und ungeachtet der Erziehungspraxis und Intelligenz des Kindes.“31 Durch die Beschäftigung mit dem Verlauf des Erstspracherwerbs werden damit auch wichtige Grundlagen für die Betrachtung weitere Erwerbstypen, wie zum Beispiel Deutsch als Zweitsprache gelegt, die im folgenden Kapitel näher beleuchtet wird.
2 Deutsch als Zweitsprache
2.1 Einführung
„Zweitspracherwerb wird als Sammelbegriff für jeden Spracherwerb verstanden, der sich gleichzeitig mit (=simultan) oder als Folge (=konsekutiv) zum Grundspracherwerb (Erstsprache) vollzieht.“32 Die zweite Sprache dient nach oder neben der Erstsprache als zweites Mittel, die zum Überleben in einer neuen Kultur und Gesellschaft notwendig ist. Sie wird in einer sozialen Umgebung erworben, in der man die Sprache spricht. In erster Linie dient sie zur kommunikativen Bewältigung von Alltagssituationen. Beim Zweitspracherwerb müssen wir den ungesteuerten und den gesteuerten Erwerb voneinander unterscheiden.
Ungesteuerter Zweitspracherwerb:
Der Zweitspracherwerb wird dann als ungesteuert bezeichnet, wenn der Erwerb durch die alltägliche Kommunikation des Individuums mit anderen dieser Sprache sprechenden Personen geschieht. Der Prozess des Spracherwerbs geschieht auf natürliche und unkontrollierte Weise, das heißt der Lerner versucht nicht, diesen Prozess durch systematische, intentional angelegte Handlungen zu steuern.33
Gesteuerten Zweitspracherwerb:
Im Bereich des gesteuerten Zweitsprachenerwerbs ist vom Begriff der Fremdsprache und Zweitsprache zu trennen. Nach Henrici und Vollmer spricht man von der Zweitsprache und Zweitspracherwerb, wenn der Erwerb innerhalb der Zielkultur stattfindet. Von Fremdspracherwerb dagegen, wenn der Erwerb im Kontext der Ausgangskultur geschieht.34 Diese wird nicht neben der Erstsprache zur alltäglichen Kommunikation verwendet, sondern wird gewöhnlich im Unterricht gelernt.
Hierzu werden häufig die Begriffe „lernen“ und „erwerben“ einander gegenübergestellt. Eine Fremdsprache wird „gelernt“ und eine natürliche Zweitsprache wird „erworben“. Die Fremdsprache wird im Unterricht systematisch gelernt. Bei dem Erwerb einer Zweitsprache hingegen, wird von einer nicht detaillierten geplanten Aneignung gesprochen.35
2.2 Einflussfaktoren auf den Erwerb einer zweiten Sprache
Der Erfolg des Zweitspracherwerbs kann wie auch beim Erstspracherwerb individuell sehr verschieden sein.36 Der Lernerfolg im Sinne von erreichter Kompetenz variiert ebenso, wie das Lerntempo des L2-Lerners sehr stark. Nun stellt sich die Frage welche Faktoren beeinflussen ihn? Die Spracherwerbsforschung beschäftigt sich seit längerem mit dieser Frage.
Die Bedeutung der Erstsprache beim Zweitspracherwerb
„Die Erstsprache hat eine wichtige Sozialisationsfunktion und ist meist die Sprache, in der metasprachliche Fähigkeiten ausgebildet werden.“37
Längsschnittstudien in Kindergärten von Apeltauer (2004) konnten beweisen, dass bei bilingualen Kindern der Deutscherwerb analog den Stufen einsprachig deutscher Kinder verläuft. Im Hinblick auf die Erstsprachkompetenz konnten sie weiterhin belegen, dass Kinder zum einen mit hohem Erstsprachniveau eine größere Lexik in der Zweitsprache Deutsch entwickeln und zum anderen sprachliche Meilensteine schneller erreichen, als Kinder mit niedrigem Niveau in der Erstsprache.38
Die Forscher kamen zu dem Entschluss, dass je früher die sprachliche Förderung beginnt, desto schneller die Grundregeln angeeignet werden.39
Die Muttersprache bildet das Fundament für das Erlernen einer zweiten Sprache und ist somit die Voraussetzung für die Zweitsprachkompetenz. Jedoch findet nicht nur der Transfer von L1 auf L2 statt, sondern die Erstsprache kann ebenfalls durch den Erwerb einer Zweitsprache beeinflusst werden.40
Für die „sogenannten Lernervariablen“ gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Hierzu werden nach Kniffka/Siebert-Ott kognitive, affektive und soziale Faktoren zu drei Hauptgruppen zusammengefasst, die im Folgenden erläutert werden.
2.2.1 Kognitive Variablen
2.2.1.1 Sprachlerneignung
Sie bezeichnet die Fähigkeit eines Lernenden eine Fremd/Zweitsprache in relativ kurzer Zeit zu erwerben. Nach Studien aus den 60er und 70er Jahren setzt sich die Sprachlerneignung aus verschiedenen Komponenten zusammen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um sprachanalytische Fähigkeiten und die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses.41
2.2.1.2 Intelligenz
In Studien konnte man einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Erfolg beim Zweitspracherwerb feststellen. Jedoch gilt zu berücksichtigen, dass viele Intelligenztests zumindest partiell sprachanalytische Fähigkeiten messen. Daher fallen die Korrelationen zwischen Intelligenzquotient und metasprachlichen Fähigkeiten von Lernenden höher aus. Intelligenztests geben eine verlässliche Prognose über den Sprachlernerfolg ab, wenn die Sprachlernprogramme auf Sprachanalyse und Regellernen ausgerichtet sind. Kommunikative Fähigkeiten, die heute eine sehr große Rolle spielen, werden hingegen eher nicht erfasst.42
2.2.1.3 Lernstile
Die Spracherwerbsforschung beschäftigt sich damit, wie der Lernstil eines Menschen seinen Zweitspracherwerb beeinflusst. Der Begriff „Lernstil“ wird in der Fachliteratur unterschiedlich definiert und angewendet. Grotjahn (2003) nennt den Begriff „Lernstil“ als Oberbegriff für „kognitiven Stil“. Der Terminus „Lernstil“ bezeichnet demnach „intraindividuell relativ stabile, zumeist situations- und aufgabenunspezifische Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung als auch bei der sozialen Interaktion.“43 Es wird ein breites Spektrum von Lernstilen unterschieden, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.
2.2.2 Affektive und attitudinale Faktoren
2.2.2.1 Persönlichkeitsmerkmale
Ob ein extrovertierter L2-Lerner, der eher den Kontakt zu Sprechern der L2 sucht, einen höheren Lernerfolg als ein eher introvertierter L2-Lerner hat, ist jedoch nicht eindeutig. Da sich der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf den L2-Erfolg leider schwer zu erfassen lässt.
2.2.2.2 Angst
Ängste nahmen in Untersuchungen, im Zusammenhang mit dem L2-Erwerb, eine zentrale Rolle ein. Sie wurden über lange Zeit als ein konstantes Persönlichkeitsmerkmal angesehen. Heute jedoch geht man davon aus, dass Angst/Ängstlichkeit eine dynamische Größe ist, die sich in Abhängigkeit von den äußeren Umständen ändert. Die Sprechangst kann den Lernerfolg eines L2-Lerners negativ beeinflussen.
2.2.2.3 Motivation
Ebenso die Motivation, die Haltung zur Kultur und Sprachgemeinschaft und weitere attitudinale Faktoren haben Einfluss auf den Zweitspracherwerb. Es zeigt sich jedoch als schwierig, ob eine positive Einstellung Lernerfolg bewirkt oder ob Lernerfolg eine positive Einstellung zur Folge hat. Allerdings gibt es Belege dafür, dass eine positive Einstellung mit einem gewissen Lernwillen einhergeht. Motivation bezeichnet die Bereitschaft auf ein gewisses Ziel, hier das Erlernen einer Sprache, hinzuarbeiten. Je wertvoller das angestrebte Ziel ist, desto motivierter handelt der Lerner. Motivation bezeichnet im Rahmen der Zweitspracherwerbsforschung eine längerfristige stabile Einstellung. Gardner und Lambert (1972) unterschieden instrumentelle Motivation von integrativer Motivation. Instrumentale Gründe betonen die pragmatischen Aspekte des Zweitspracherwerbs. Der Lerner geht eher davon aus, dass die Zielsprache ihm für sein späteres Leben nützlich sein könnte und erhofft sich dadurch zum Beispiel bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Integrative Motivation dagegen zeigt sich durch eine positive Einstellung. Der Lerner will den Erwerb einer weiteren Sprache und möchte eine neue Kultur kennenlernen. Inwieweit integrative Motivation als der hauptsächliche bestimmende Faktor gilt, ist nicht nachweisbar. Jedoch haben Untersuchungen herausgefunden, dass Lernende, die sich aktiv mit der Zielsprache und –Kultur auseinandersetzen, den Zweitspracherwerbsprozess erfolgreicher durchlaufen.44
2.2.3 Soziale Faktoren
2.2.3.1 Alter
Das Alter spielt im L2-Erwerb eine große Rolle und ist ein umstrittener Aspekt. „Auf die Frage nach den Auswirkungen des Alters oder der vom Alter betroffenen Reifungsprozesse auf den L2-Erwerb nennt Ellis (1995) sechs Bereiche:
- Umfang der Lautwahrnehmung und Trennschärfe der Lautdiskriminierung nehmen ab;
- Zahl und Vernetzung der Neuronen verändern sich;
- Affektiv-emotionale Faktoren ändern sich vom Säugling bis zum Erwachsenen;
- Erwachsene Lerner haben andere Lernfähigkeiten als Kinder oder Jugendliche;
- (Klein-)Kinder erhalten besser geeigneten sprachlichen Input als Erwachsene;
- Die Speicherung sprachlicher Informationen ist möglicherweise verschieden.“45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Erstkontakt und L2-Kenntnisse (Grießhaber 2010: 177)
Es scheint, als sei der L2-Erwerb auf der vertikalen Zeitachse vom zunehmenden Alter beeinflusst. Als Grenze gilt die Pubertät, die im Zusammenhang mit der Interlanguage-Hypothese von Selinker (1972) angesetzt wurde. In Patkowskis (1980) Untersuchung wurden 67 Gespräche von Immigranten mit amerikanischen Muttersprachlern aufgezeichnet. Diese wurden von zwei Beurteilern nach der Nähe zur englischen Muttersprachkompetenz bewertet. Es wurden zwei Gruppen gebildet, eine mit präpubertärem Erstkontakt und eine mit postpubertärem Erstkontakt.
Die präpubertären Lerner der linken Grafik weisen eine systematisch verzerrte Verteilung am oberen Ende auf, während die postpubertären Lerner der rechten Grafik eine glockenförmige Normalverteilung aufweisen. Der Zeitpunkt des Erstkontaktes wirkt also differenzierend auf die späteren L2-Kenntnisse.46
In einer bedeutsamen Studie von Thoma & Tracy (2006) wurde die Entwicklung der produktiven Verwendung des Deutschen bei Kindern beobachtet. Hierzu wurden sieben Kinder mit verschiedenen Erstsprachen ein Jahr lang untersucht. In den Erstsprachen der Kinder lagen keine Sprachentwicklungsstörungen vor, jedoch waren die Deutschkenntnisse der Eltern sehr gering. Dabei wurden der Erwerb der V2-Stellung des Verbs und die Flexionsmorphologie untersucht, da sowohl erwachsenen L2-Lernern als auch Kinder mit spezifischen Sprachentwicklungsstörungen erhebliche Schwierigkeiten damit haben.
Die Untersuchung zeigt, dass L2-Kinder im Alter von drei bis vier Jahren die wichtigsten deutschen morphosyntaktischen Eigenschaften (syntaktische Baupläne, Subjekt-Verb-Kongruenz) genauso treffsicher, zügig und mit qualitativ ähnlichen Erwerbsschritten aneignen können, wie L1-Lerner. Die Studie verdeutlicht, dass es weder an den Kindern mit Deutsch als Zweitsprache, noch an den vermeintlichen Einflüssen der Erstsprachen liegt, dass Kinder bis zum Schulanfang nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Beginnt der Erwerb der Zweitsprache bis zum Alter von vier Jahren, gleicht er sehr dem Erwerb der Erstsprache. Tritt er allerdings später ein, nimmt er zunehmend die Charakteristika des Zweitspracherwerbs Erwachsener an.47
Aus diesen Erkenntnissen ist festzuhalten, „dass der Erwerb in einer natürlichen Immersionssituation in wenigen Monaten zu einem Ergebnis führt, dass Kinder in spezifischen morphosyntaktischen Strukturbereichen fast auf das Niveau von gleichaltrigen L1-Lerner bringt, auch wenn andere Bereiche noch große Lücken aufweisen, wie beispielsweise der Wortschatz.“48 Für Pädagogen spricht vieles dafür, dieses Potenzial zu fördern und die Kinder beim Erwerb der deutschen Sprache zu unterstützen.
2.2.3.2 Neurolinguistische Untersuchung zum Alter
In einem Experiment von Kim et al. (1997) wurde herausgefunden, dass Erwachsene mit einem Erstkontakt einer zweiten Sprache bis zum sechsten Lebensjahr, ein grammatisches neuronales Zentrum für beide Sprachen besitzen. Dagegen besaßen Erwachsene mit einem Erstkontakt nach dem sechsten Lebensjahr zwei getrennte grammatische Zentren für die zwei Sprachen. Daraus ergibt sich, dass im frühen Erstspracherwerb sprachspezifische Netzwerke zur Verarbeitung grammatischer Informationen ausgebildet werden. Wird eine weitere Sprache, allerdings bis zum sechsten Lebensjahr erworben, dann baut sich ein auf die Grammatik beider Sprachen ausgerichtetes Netzwerk auf.49
Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die einzelnen Faktoren bedingen und es daher schwierig ist die Variable Alter zu isolieren. Mit zunehmenden Alter kann sich die Motivation oder die Einstellung etc. verändern. Mit diesen Erkenntnissen ergibt sich für uns Pädagogen umso mehr die notwenige Konsequenz, dass die Förderung vor allem im frühkindlichen Spracherwerb äußerst bedeutsam ist.
2.2.3.3 Geschlecht
Ähnlich ist es bei dem Faktor Geschlecht. Es ist zwar statistisch belegbar, dass Mädchen durchschnittlich höhere Erfolge beim Zweit- und Fremdspracherwerb erzielen, jedoch ist bei ihnen keine angeborene günstigere Disposition zum L2-Erwerb nachweisbar. Die soziokulturellen Bedingungen spielen hier auch eine wichtige Rolle. Das soziokulturelle Milieu, in dem der Zweitspracherwerb stattfindet, bestimmt unter anderem die Motivation und die Einstellung des Lernenden.50
2.2.4 Schlussfolgerung
Die Einflussfaktoren zeigen auf, wie der Erwerb einer Zweitsprache bei Kindern beeinflusst werden kann. Da der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache auf den Großteil der Kinder im Förderprojekt zutrifft, wurde ein theoretischer Hintergrund darüber geschaffen, um einen Überblick zu erhalten, welche Faktoren die Kinder in dem Zeitraum der Förderung beeinflussen könnten. Des Weiteren gaben die Einflussfaktoren Aufschluss darüber, weshalb der Verlauf bei jedem Kind individuell verlief. Nach der Erläuterung verschiedener Einflussfaktoren, sowie die Bedeutung der Erstsprache einschließlich Forschungsergebnissen wird der Fokus im Folgenden auf die Zweitspracherwerbstheorien gelegt.
2.3 Die klassischen L2-Erwerbshypothesen
Der Zweitspracherwerb findet vorwiegend ungesteuert im Kontakt mit Sprechern der Zielsprache statt. Nun stellt sich die Frage, wie verläuft dieser?51 Hierzu wurden Modelle entwickelt, um die kognitiven und lernpsychologischen Prozesse und Ergebnisse des Zweitspracherwerbs genauer zu erklären. Jedoch ist eine alles umfassende und erklärende Hypothese noch nicht gelungen. Im kommenden Abschnitt werden die „klassischen“ L2-Erwebstheorien erläutert. Folgende Theorien lassen sich unterscheiden:52
2.3.1 Die Kontrastivhypothese (Lado 1957)
Sie wurde auf der Grundlage eines behavioristischen Erklärungsansatzes formuliert und besagt, dass der Zweitspracherwerb auf Grundlage der bereits erworbenen Sprache erfolgt. Demzufolge greift der Lerner bei der Konstruktion von Sätzen auf die Erstsprache zurück und überträgt Regelmäßigkeiten und Besonderheiten auf die Zweitsprache, sodass es zu den Interferenzen kommt.53 54 Dabei geht er davon aus, dass der Lerner ständig seine Erfahrungen der Erstsprache in den zweitsprachlichen Erwerbsprozess transferiert.
[...]
1 Vgl. Tracy (2008), S. 64.
2 Tracy (2008), S. 64.
3 Vgl. Tracy (2008), S. 64.
4 Tracy (2008), S. 66.
5 Vgl. Tracy (2008), S. 66.
6 Tracy (2008), S. 66 f.
7 Vgl. Tracy/Schulz (2011), S. 29.
8 Vgl. Tracy (2008), S. 67.
9 Tracy (2008), S. 68.
10 Vgl. Tracy (2008), S. 68.
11 Vgl. Grießhaber (2010), S. 9.
12 Vgl. Grießhaber (2010), S. 11 ff.
13 Vgl. Grießhaber (2010), S. 14 f.
14 Tracy (2008), S. 76.
15 Vgl. Tracy (2008), S. 77.
16 Tracy (2008), S. 77.
17 Vgl. Tracy (2008), S. 78.
18 Tracy (2008), S. 79.
19 Tracy (2008), S. 79.
20 Tracy (2008), S. 79.
21 Vgl. Tracy (2008), S.79.
22 Tracy (2008), S. 80.
23 Tracy (2008), S.81.
24 Vgl. Thoma/Tracy in Bernt Ahrenholz (2005), S. 61.
25 Vgl.http://www.schule-bw.de/unterricht/paedagogik/sprachfoerderung/wissenschaft/unimannheim.pdf (10.05.2016).
26 Vgl. Grießhaber (2010), S. 19 f.
27 Vgl. Günther (2007), S. 90 f.
28 Vgl. Günther (2007), S. 88.
29 Vgl. Tracy (2008), S. 99.
30 Vgl. Tracy (2008), S. 100.
31 Tracy/Schulz (2011), S.29.
32 Günther (2007), S. 141.
33 Vgl. Günther (2007), S. 142.
34 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2007), S. 15.
35 Vgl. Günther (2007), S. 142.
36 Vgl. Rösch (2003), S. 15.
37 Rösch (2003), S. 18.
38 Vgl. Apeltauer (2004), S. 165.
39 Vgl. Krempin et al. in Ahrenholz (2012), S. 63 f.
40 Vgl. Apeltauer/Glumpler (1997), S. 80.
41 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2009), S. 60.
42 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2009), S. 61.
43 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2009), S. 61.
44 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2007), S. 58-67.
45 Grießhaber (2010), S. 176.
46 Vgl. Grießhaber (2010), S. 177 f.
47 Vgl. Tracy (2008), S. 131-146.
48 Thoma/Tracy in Ahrenholz (2012), S. 75 f.
49 Vgl. Grießhaber (2010), S. 179.
50 Vgl. Kniffka/Siebert-Ott (2007), S.67 f.
51 Vgl. Engin (2004), S. 11.
52 Vgl. Grießhaber (2010), S.127.
53 Vgl. Rösch (2011), S. 12.
54 Vgl. Engin (2004), S. 11.
- Arbeit zitieren
- Larissa Krauter (Autor:in), Vanessa Dillmann (Autor:in), 2016, Förderung der Präpositionalgefüge im frühkindlichen Spracherwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324374
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