Das vorrangige Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die nach dem IDW Standard S 1 i. d. F. 2008 zur Durchführung von Unternehmensbewertungen anerkannten Ertragswertverfahren und DCF-Verfahren strukturiert und übersichtlich, zugleich aber auch detailliert zu analysieren und in einem Vergleich auf mögliche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu untersuchen.
Um einen besseren Einstieg in die ihm folgenden Kapitel zu ermöglichen, widmet sich der zweite Abschnitt der Arbeit den Grundlagen der Unternehmensbewertung. Hierbei werden zunächst ihre Aufgaben, Anlässe und Entwicklungsgeschichte dargestellt, bevor im Anschluss daran die im IDW S 1 festgelegten Bewertungsgrundsätze sowie die zur Unternehmensbewertung existenten Methoden aufgezeigt werden. In den nachkommenden Kapiteln drei und vier werden mit dem Ertragswertverfahren sowie den einzelnen DCF-Verfahren die in der Einführung und Zielsetzung bereits thematisierten Unternehmensbewertungsverfahren in all ihren Einzelheiten eingehend durchleuchtet. Das fünfte Kapitel dient dem Vergleich der beiden Verfahren, bevor die Arbeit abschließend durch eine Schlussbemerkung abgerundet wird.
Bei der Durchführung der Bewertung eines Unternehmens kann i. d. R. auf verschiedene Methoden zurückgegriffen werden. Dabei stellt in Deutschland traditionsgemäß das Ertragswertverfahren die am weitesten verbreitete Bewertungsmethode dar. Aufgrund der in jüngerer Vergangenheit zunehmenden Relevanz grenzüberschreitender Unternehmenstransaktionen, sowie der wachsenden Internationalisierung der Kapitalmärkte gewinnen hierzulande jedoch auch die ursprünglich aus der anglo-amerikanischen Bewertungspraxis stammenden und zur Unternehmensbewertung bei Transaktionen sowie zur wertorientieren Unternehmenssteuerung einsetzbaren Discounted Cashflow (DCF)-Verfahren ebenfalls zunehmend an Bedeutung. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, erkennt das auf dem Gebiet der Bewertung national als maßgebend geltende Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) in seinem mittlerweile bereits mehrmals revidierten Standard S 1 sowohl das Ertragswertverfahren als auch die einzelnen DCF-Verfahren als gleichgestellte, von Wirtschaftsprüfern zur Unternehmensbewertung heranzuziehende Verfahren an.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Abbildungsverzeichnis ... III
Tabellenverzeichnis ... IV
Formelverzeichnis ... V
Abkürzungsverzeichnis ... VI
Symbolverzeichnis ... VIII
1. Einleitung ... 1
1.1 Einführung in die Thematik ... 1
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ... 2
2. Grundlagen der Unternehmensbewertung ... 3
2.1 Aufgaben und Anlässe der Unternehmensbewertung ... 3
2.2 Entwicklungsgeschichte der Unternehmensbewertung ... 5
2.2.1 Objektive Unternehmensbewertung ... 6
2.2.2 Subjektive Unternehmensbewertung ... 7
2.2.3 Funktionale Unternehmensbewertung ... 8
2.2.3.1 Beratungsfunktion ... 9
2.2.3.2 Vermittlungsfunktion ... 10
2.2.3.3 Argumentationsfunktion ... 10
2.3 Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung ... 11
2.4 Methoden der Unternehmensbewertung ... 14
3. Ertragswertverfahren ... 16
3.1 Grundkonzeption des Ertragswertverfahrens ... 16
3.2 Ertragsbegriffe ... 17
3.2.1 Netto-Cashflows ... 18
3.2.2 Netto-Ausschüttungen ... 19
3.2.3 Einzahlungsüberschüsse ... 20
3.2.4 Netto-Einnahmen ... 21
3.2.5 Periodenerfolge ... 21
3.3 Ermittlung der zukünftigen zu diskontierenden Zielbeiträge ... 22
3.3.1 Analyse und Bereinigung der Vergangenheitsergebnisse ... 23
3.3.2 Prognose der künftigen Unternehmenserträge ... 24
3.4 Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ... 26
3.5 Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes ... 27
3.5.1 Basiszinssatz ... 29
3.5.2 Risikozuschlag ... 30
3.5.3 Berücksichtigung von Geldentwertung, Wachstum und Steuern ... 33
3.6 Berechnung des Unternehmenswertes ... 34
4. DCF-Verfahren ... 37
4.1 Grundlagen ... 37
4.2 Konzeption, Systematisierung und grundlegende Vorgehensweise ... 38
4.3 Nettoverfahren (Equity Approach) ... 41
4.3.1 Bewertungsrelevante Cashflows (Flows to Equity) ... 42
4.3.2 Ermittlung des erforderlichen Kapitalkostensatzes ... 43
4.3.3 Residualwert und die Berechnung des Unternehmenswertes ... 44
4.4 Bruttoverfahren (Entity Approach) ... 46
4.4.1 WACC-Ansatz ... 47
4.4.1.1 Free Cashflow-Variante ... 50
4.4.1.2 Total Cashflow-Variante ... 52
4.4.1.3 Zirkularitätsproblem ... 53
4.4.2 APV-Ansatz ... 55
4.5 Gegenüberstellung der DCF-Verfahren ... 58
5. Ertragswertverfahren und DCF-Verfahren im Vergleich ... 59
5.1 Gemeinsamkeiten der Verfahren ... 59
5.2 Unterschiede zwischen den Verfahren ... 60
6. Schlussbemerkung ... 62
Literaturverzeichnis ... XI
[...]
1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
Die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen zählt seit langem zu den in der Theorie und Praxis der Betriebswirtschaftslehre mit am meisten diskutierten Bereichen. Die enorme Vielschichtigkeit dieses Themenkomplexes wird nicht zuletzt durch eine vergleichbar immense Fülle an der hierzu vorhandenen Literatur zusätzlich unterstrichen.1 Diese Komplexität erscheint jedoch nur wenig überraschend, da Unternehmensbewertungen in der Praxis überwiegend in eminent wichtigen Situationen erfolgen, „(…) in denen das Unternehmen sich großen Chancen, aber auch großen Risiken gegenüber sieht.“2 Als Beispiel für eine derartige Situation kann an diesem Punkt der Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens angeführt werden, in dessen Rahmen das Bewertungsergebnis als Entscheidungsbasis für eine mögliche Realisierung der anvisierten Unternehmenstransaktion fungiert. Kommt es in so einem Fall zu einer eklatanten Fehlbewertung des relevanten Unternehmens, kann dies sowohl auf der Seite der potentiellen Käufer als auch auf der Seite der potentiellen Verkäufer zu beträchtlichen finanziellen Verlusten führen. Hierdurch wird die enorme Bedeutung von Unternehmensbewertungen, insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen, deutlich ersichtlich.3 Darüber hinaus gewinnen Unternehmensbewertungen auch bei der Umsetzung aktien- bzw. umwandlungsrechtlicher Maßnahmen, wie z. B. bei Abschlüssen von Ergebnisabführungsverträgen, bei Abfindungen oder bei Squeez-out-Verfahren, zusehends an Bedeutung.4
Bei der Durchführung der Bewertung eines Unternehmens kann i. d. R. auf verschiedene Methoden zurückgegriffen werden. Dabei stellt in Deutschland traditionsgemäß das Ertragswertverfahren die am weitesten verbreitete Bewertungsmethode dar. Aufgrund der in jüngerer Vergangenheit zunehmenden Relevanz grenzüberschreitender Unternehmenstransaktionen, sowie der wachsenden Internationalisierung der Kapitalmärkte gewinnen hierzulande jedoch auch die ursprünglich aus der anglo-amerikanischen Bewertungspraxis stammenden und zur Unternehmensbewertung bei Transaktionen sowie zur wertorientieren Unternehmenssteuerung einsetzbaren Discounted Cashflow (DCF)-Verfahren ebenfalls zunehmend an Bedeutung.5 Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, erkennt das auf dem Gebiet der Bewertung national als maßgebend geltende Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) in seinem mittlerweile bereits mehrmals revidierten Standard S 1 (Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, aktuelle Fassung: IDW S 1 i. d. F. 2008) sowohl das Ertragswertverfahren als auch die einzelnen DCF-Verfahren als gleichgestellte, von Wirtschaftsprüfern zur Unternehmensbewertung heranzuziehende Verfahren an.6
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Das vorrangige Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die nach dem IDW Standard S 1 i. d. F. 2008 zur Durchführung von Unternehmensbewertungen anerkannten Ertragswertverfahren und DCF-Verfahren strukturiert und übersichtlich, zugleich aber auch detailliert zu analysieren und in einem Vergleich auf mögliche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu untersuchen.
Um einen besseren Einstieg in die ihm folgenden Kapitel zu ermöglichen, widmet sich der zweite Abschnitt der Arbeit den Grundlagen der Unternehmensbewertung. Hierbei werden zunächst ihre Aufgaben, Anlässe und Entwicklungsgeschichte dargestellt, bevor im Anschluss daran die im IDW S 1 festgelegten Bewertungsgrundsätze sowie die zur Unternehmensbewertung existenten Methoden aufgezeigt werden. In den nachkommenden Kapiteln drei und vier werden mit dem Ertragswertverfahren sowie den einzelnen DCF-Verfahren die in der Einführung und Zielsetzung bereits thematisierten Unternehmensbewertungsverfahren in all ihren Einzelheiten eingehend durchleuchtet. Das fünfte Kapitel dient dem Vergleich der beiden Verfahren, bevor die Arbeit abschließend durch eine Schlussbemerkung abgerundet wird.
2. Grundlagen der Unternehmensbewertung
2.1 Aufgaben und Anlässe der Unternehmensbewertung
Die maßgebliche Aufgabe der Unternehmensbewertung liegt seit jeher zweifelsohne in der Eruierung konkreter und plausibler Preise für ganze Unternehmen bzw. für bestimmte Unternehmensanteile.7 Dabei lässt sich konstatieren, dass die am Ende ermittelten Werte, nicht zuletzt aufgrund von unterschiedlichen Bewertungsanlässen und –zwecken, bei weitem nicht immer identisch sind und jeweils für sich die absolute und alleinige Richtigkeit beanspruchen können.8 Die Gründe hierfür sollen noch im weiteren Verlauf der Arbeit näher beleuchtet werden. Allerdings sollten heutzutage bei sämtlichen Unternehmensbewertungen stets die vorhandenen Erfolgspotenziale des zu betrachtenden Unternehmens, sowie alle darauf Einfluss nehmenden Aspekte, genau analysiert und bei der finalen Wertermittlung mit einkalkuliert werden. Gleichzeitig sollte eine moderne fachmännische Unternehmensbewertung u. a. folgenden Anforderungen entsprechen:9
– Zukunftsbezogenheit:
Nur zukünftige Erfolgsbeiträge werden von potentiellen Investoren vergütet;
– Nutzenbewertung:
Nicht nur ausschließlich finanzielle, sondern Nutzenbeträge aller Art sollten bei der Bewertung mitberücksichtigt werden;
– Chancen und Risiken:
Annahmen über die spätere Entwicklung des Unternehmens müssen unter Zuhilfenahme von speziellen Prognoseverfahren berücksichtigt werden;
– Investorbezug:
Zuverlässige Ergebnisse können lediglich aus der Betrachtungsweise eines Interessenten und eines Bewertungszweckes erzielt werden.
Die Beweggründe eine Unternehmenswertermittlung zu veranlassen, können indes äußerst mannigfaltig sein. Besondere Bedeutung wird dieser in der Praxis v. a. im Zusammenhang mit Mergers & Acquisitions (M&A)-Transaktionen, wie bspw. dem Kauf, dem Verkauf sowie der Fusion oder lediglich der Umstrukturierung eines Unternehmens beigemessen.10 Dabei wird die Segmentierung diverser Bewertungsanlässe in der Literatur oftmals recht unterschiedlich gehandhabt. Ein gängiger Ansatz ist es die Bewertungsanlässe in erster Linie dahingehend zu unterscheiden, ob im Rahmen dieser eine potentielle Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse des bewerteten Unternehmens zu erwarten ist, oder nicht.11
Im Falle sog. transaktionsbezogener Bewertungsanlässe, also solcher, die mit einer realen oder mit einer zumindest beabsichtigten Eigentumsverhältnisveränderung am zu bewertenden Objekt einhergehen, handelt es sich um Wertermittlungen welche entweder vor einem möglichen Kauf bzw. Verkauf eines Unternehmens, lediglich bestimmter Unternehmensteile oder auch vor einer geplanten Fusion bzw. Einbringung in eine Firma von handelnden Personen in Auftrag gegeben werden können.12 Transaktionsbezogene Anlässe lassen zusätzlich eine weitere, feinere Differenzierung in dominierte und in nicht dominierte Bewertungsanlässe zu. In der erstgenannten Situation kann eine Partei, vollkommen unabhängig vom Bewertungsergebnis und im Notfall auch ungeachtet einer ablehnenden Haltung hinsichtlich der anvisierten Transaktion seitens der anderen Partei, eine Veränderung der Besitzverhältnisse erzwingen.13 Ein mögliches Beispiel hierzu stellt das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Kündigung aus einer OHG, bei gleichzeitiger Fortführung derselbigen durch die übrigen Gesellschafter, dar. Das hierfür notwendige, einseitig anwendbare Recht muss dabei jedoch vorher vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgegeben sein. In nicht dominierten Situationen hingegen, besteht wie der Ausdruck schon vermuten lässt für keine der beteiligten Parteien die Möglichkeit eine Abänderung der Besitzverhältnisse ohne beidseitige Einwilligung zu erwirken.14
Im Gegensatz zu den soeben erläuterten transaktionsbezogenen werden bei den nicht transaktionsbezogenen Anlässen keine Auswirkungen auf die Eigentumsverhältnisse angepeilt. Vielmehr geht es sich hier primär um Wertermittlungen im Rahmen von Kreditwürdigkeitsprüfungen, Sanierungsmaßnahmen sowie u. a. für die Berechnung steuerlicher Bemessungsgrundlagen.15 Die unten stehende Tabelle veranschaulicht additional eine mögliche Einordnung der Anlässe für Unternehmensbewertungen:
[Dies ist eine Leseprobe. Abbildungen und Tabellen werden nicht abgebildet.]
Tabelle
1: Anlässe der Unternehmensbewertung
(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Behringer, S. (Unternehmensbewertung 2009), S. 61, Künnemann, M. (Objektivierte Unternehmensbewertung 1985),
S. 59 und Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 14.)
2.2 Entwicklungsgeschichte der Unternehmensbewertung
Die Entwicklung der Unternehmensbewertung zeichnete sich nahezu seit ihren Anfängen durch eine ständige Konkurrenz verschiedener Grundkonzeptionen untereinander aus. Im Laufe der Zeit entstanden immer wieder neue Ansätze und dementsprechend auch neue Modelle der Bewertung. Dies führte jedoch nicht zwangsläufig zur der sofortigen Abkehr von bereits vorhandenen Praktiken, im Gegenteil enthielten und enthalten neuere Methoden auch oftmals Ideen bereits vorher angewandter Konzepte, was deren Qualität zusätzlich unterstreicht.16 Nicht zuletzt aufgrund von den sich im Laufe der Jahre einem immensen Wandel ausgesetzten „(…) Auffassungen über das Wesen des betriebswirtschaftlichen Wertes eines Unternehmens (…)“,17 lassen sich innerhalb der Entwicklung der Lehrmeinung zur Unternehmensbewertung im deutschsprachigen Raum drei zentrale Phasen herauskristallisieren, auf welche es nun im Folgenden einzugehen gilt.18
2.2.1 Objektive Unternehmensbewertung
Im Schrifttum genoss die objektive Unternehmensbewertung bis ca. 1960 eine besonders herausragende Position. Der Grundgedanke dieses Konzeptes beruht auf der Annahme von der Existenz eines objektiven Unternehmenswertes, welcher gleichzeitig als allgemeingültig und zu einem gegebenen Datum exakt bestimmbar definiert wird. Das dabei kennzeichnende Attribut des objektiven Unternehmenswertes ist die Tatsache, dass das Erfolgspotenzial eines Unternehmens für jedermann19 „(…) in Form der vorliegenden Unternehmenssubstanz (…) ermittelt werden kann, ohne [Anm. d. Verf.: hierfür] die zukünftigen Absichten, Fähigkeiten oder Beziehungen eines potentiellen Käufers (…) berücksichtigen [Anm. d. Verf.: zu müssen].“ 20 Somit können bei dieser Art der Bewertung „nur Tatsachen, die in dem zu bewertenden Unternehmen selbst liegen (…) berücksichtigt werden.“21 Letztendlich lässt sich feststellen, dass bei der objektiven Unternehmensbewertung v. a. Daten der Vergangenheit und der Gegenwart und keine mögliche Zukunftsentwicklungen in hohem Maße entscheidungsrelevant sind, wodurch hierbei dem Substanzwert22 eine sehr gewichtige Rolle zugesprochen werden kann.23
Seit dem Ende der 1950er Jahre häufte sich zusehends die Kritik an dieser Methode. Zum einen wurde von den beteiligten Parteien immer häufiger unterstellt, dass sich der objektive Unternehmenswert nur wenig als Verhandlungsbasis eignen würde, da er durch seine Objektivität den speziellen Situationen, Interessen und Eigenschaften der einzelnen Parteien nicht genügend Rechnung tragen würde. Zum anderen wurde ebenfalls zunehmend bezweifelt, ob die Berechnung eines allgemeingültigen Wertes an sich überhaupt realisierbar ist, da der Unternehmenswert eigentlich im Wesentlichen von subjektiven Erwartungen und Risikobeurteilungen der einzelnen Interessensgruppen bestimmt wird. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die objektive Unternehmensbewertung in der Lehrmeinung relativ zügig durch die subjektive Unternehmensbewertung abgelöst wurde.24
2.2.2 Subjektive Unternehmensbewertung
Um die oben genannten Nachteile der objektiven Unternehmensbewertung abzuwenden, entstand Mitte der 1960er Jahre folgerichtig die Doktrin der subjektiven Unternehmensbewertung, welche sich dann im Anschluss auch als die dominierende Lehre erweisen sollte.25 Subjektive Unternehmensbewertung unterstellt, dass die Höhe des Wertes des sog. Bewertungsobjektes, also eines zu bewertenden Unternehmens, in erster Linie durch den jeweiligen Käufer bzw. Verkäufer, auch Bewertungssubjekt genannt, bedingt wird. Im Detail betrachtet wirken bei diesem Ansatz v. a. alle subjektiven Ziele, Möglichkeiten, Potentiale und Erwartungen des einzelnen Bewertungssubjektes entscheidend auf die Wertermittlung ein.26 Der auf diese Art und Weise bestimmbare subjektive Unternehmenswert entspricht der Grenze der Konzessionsbereitschaft der jeweiligen Bewertungssubjekte, bis zur welcher für diese eine Durchführung des anvisierten Kaufs bzw. Verkaufs gerade noch wirtschaftlich sinnhaltig ist. So bestimmt er z. B. für einen möglichen Käufer den maximal akzeptierbaren Kaufpreis, bzw. für einen möglichen Verkäufer den niedrigsten zu erzielenden Verkaufspreis für das Unternehmen. Demzufolge dient der bei der subjektiven Unternehmensbewertung ermittelte Wert dem Bewertungssubjekt lediglich als ein internes Orientierungsfundament, welches sich letzten Endes in nur sehr seltenen Fällen als deckungsgleich mit dem final verhandelten Preis erweist.27
Das besondere Unterscheidungsmerkmal der subjektiven Unternehmensbewertung ist ihre auf die Zukunft bezogene Betrachtungsweise des Bewertungsobjektes. Im Gegensatz zur objektiven wird bei der subjektiven Unternehmensbewertung die zeitpunktbezogene Betrachtung, bei welcher ausschließlich die in der Vergangenheit generierte Substanz einkalkuliert wird, vollkommen außer Acht gelassen. Stattdessen wird hier der Unternehmenswert anhand von geplanten zukünftigen Erfolgen berechnet, was gleichzeitig eine Abkehr von dem bei der objektiven Konzeption noch eminent wichtigen Substanzwert hin zum Ertragswert, der im Rahmen der Darstellung des Ertragswertverfahrens in dieser Arbeit noch genauer erläutert wird, bedeutet.28 Demnach entspricht der subjektive Unternehmenswert dem Ertragswert des Unternehmens, welcher als die Summe der zum Bewertungsstichtag diskontierten, als Zahlungsströme erfassten, zukünftigen Unternehmenserträge definiert werden kann.29
Jedoch blieb auch die subjektive Unternehmensbewertung nicht immer ganz frei von Kritik. Im Zentrum dieser stand v. a. die Einseitigkeit des subjektiven Ansatzes. Da hierbei die Unternehmensbewertung lediglich aus der Perspektive einer einzigen Verhandlungspartei erfolgt und somit nichts dazu beiträgt zwischen allen Beteiligten, samt ihren oftmals gänzlich unterschiedlichen Ansichten und Einschätzungen, einen gerechten Interessenausgleich bezüglich des Bewertungsobjektes zu induzieren.30
2.2.3 Funktionale Unternehmensbewertung
In den 1970er Jahren konnte der langwierige Konflikt zwischen dem objektiven und subjektiven Ansatz, durch die vorwiegend auf die „Kölner Schule“ zurückgehende Konzeption der funktionalen Unternehmensbewertung, endgültig überwunden werden.31 Ähnlich wie die subjektive Bewertung, verneint auch die sog. Kölner Funktionenlehre die Existenz eines für alle geltenden objektiven Unternehmenswertes. Stattdessen wird hierbei unterstellt, dass jegliche Unternehmensbewertungen jeweils einem ganz speziellen, initial dezidierten Zweck dienen. Infolge orientiert sich die Auswahl eines geeigneten Bewertungsverfahrens, welches am Ende das finale Ergebnis der Bewertung ausschlaggebend beeinflusst, vorwiegend am ursprünglichen Bewertungszweck.32 Somit kann die Zweckabhängigkeit des Unternehmenswertes als der signifikante Grundsatz der funktionalen Bewertungslehre angesehen werden.33 Tatsächlich erscheint diese „(…) Zweckabhängigkeit (…) durchaus sinnvoll, da die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer beispielsweise völlig andere Ziele verfolgt als die Ermittlung eines Grenzpreises für einen potentiellen Käufer. In beiden Fällen ist das Bewertungssubjekt aber identisch.“34
Des Weiteren unterscheidet das Konzept der funktionalen Unternehmensbewertung, je nach Bewertungszweck und -aufgabe, zwischen mehreren Haupt- und Nebenfunktionen. Diese Unterscheidung erfolgt dahingehend, dass die drei Hauptfunktionen, welche in den nächsten Abschnitten noch additional vorgestellt werden, sich vorwiegend auf Konfliktsituationen beziehen an deren Ende eine Veränderung der Besitzverhältnisse am Bewertungsobjekt herbeigeführt werden soll. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Wertermittlungen ohne eine geplante Änderung der Besitzverhältnisse zwischen den verschiedenen Parteien um Nebenfunktionen.35 Zu diesen gehören u. a.:36
– die Kommunikationsfunktion - „Ermittlung des bilanziellen Eigenkapitals“,37
– die Steuerbemessungsfunktion - „Feststellung von Steuerbemessungsgrundlagen“,38
– die Vertragsgestaltungsfunktion - „Formulierung eines Vertragstextes, in welcher Form ggf. die Bewertung beim Ausscheiden eines Gesellschafters zu
erfolgen hat.“39
2.2.3.1 Beratungsfunktion
Im Vordergrund der Beratungsfunktion steht die Eruierung eines sog. Entscheidungswertes für das jeweilige Bewertungssubjekt. Bei diesem Wert handelt es sich um einen situationsabhängigen subjektiven Grenzwert. Ferner soll mit dem Entscheidungswert entweder für den potentiellen Käufer die absolute Preisobergrenze, welche dieser bereit wäre zu entrichten, oder auch für den möglichen Verkäufer die Preisuntergrenze, welche dieser mindestens zu erzielen hätte, bestimmt werden. Dieser Entscheidungswert, welcher also die Grenzwerte der Verhandlungsbereitschaft einzelner Bewertungssubjekte festlegt bis zu welchen gerade noch keine ökonomischen Verluste erlitten werden sollten, darf um die Stärke der eigenen Verhandlungsposition zu wahren unter keinen Umstanden an die konkurrierende Partei vermittelt werden.40 Die Beratungsfunktion kann dabei nicht nur bei Käufen bzw. Verkäufen von Unternehmen und Unternehmensteilen, sondern auch bei bspw. Fusionen, Spaltungen sowie Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen zum Einsatz kommen. Auch setzt sie nicht zwangsläufig das Engagement eines externen Beraters voraus, vielmehr kann diese Funktion problemlos auch unternehmensintern durchgeführt werden.41
2.2.3.2 Vermittlungsfunktion
Die Absicht hinter der Unternehmensbewertung liegt bei der Vermittlungsfunktion in der Bestimmung eines von allen beteiligten Akteuren anerkannten Arbitriumwertes. Der Arbitriumwert, in der Literatur auch Vermittlungswert oder Einigungswert genannt, ist ein nach Ansicht des Gutachters fairer Einigungspreis.42 Als Voraussetzung für die Ermittlung dieses Preises, gilt es die jeweiligen Interessen der einzelnen Verhandlungsparteien zu berücksichtigen. Dazu ist für den Gutachter u. a. die Kenntnis der spezifischen Entscheidungswerte, ergo der Grenzwerte welche den möglichen Kompromissrahmen bei der Vermittlungsfunktion definieren, unabdingbar. Da das substanzielle Ziel der Vermittlungsfunktion vorgibt, durch die Ermittlung eines gerechten Arbitriumwertes einen fairen und adäquaten Interessensausgleich zwischen allen Verhandlungsparteien zu generieren sowie eine entsprechende Verbesserung ihrer wirtschaftlicher Lage zu bewirken, ist es erforderlich den Preis so zu bestimmen, dass dieser unterhalb des Entscheidungswertes des potentiellen Interessenten sowie zugleich über dem Entscheidungswert des potentiellen Verkäufers zu finden ist. 43
1 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 5, zur Literatur vgl. z. B. Literaturverzeichnis S. XI.
2 Behringer, S. (Unternehmensbewertung 2009), S. 25.
3 Vgl. Behringer, S. (Unternehmensbewertung 2009), S. 25.
4 Vgl. Schacht, U., Fackler, M. (Vorwort 2005) in Schacht, U., Fackler, M. (Praxishandbuch Unternehmensbewertung 2005), S. 7.
5 Vgl. Baetge, J., et al. (Darstellung der Discounted Cashflow-Verfahren 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 342 und Nestler, A., Kupke, T. (Die Bewertung von Unternehmen 2003), S. 163, Internetquelle.
6 Vgl. Nestler, A., Kupke, T. (Die Bewertung von Unternehmen 2003), S. 163, Internetquelle.
7 Vgl. Peemöller, V. H. (Wert und Werttheorien 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 3.
8 Vgl. Moxter, A. (Unternehmensbewertung 1983), S. 6.
9 Vgl. Peemöller, V. H. (Wert und Werttheorien 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 3.
10 Vgl. Nölle, J.-U. (Grundlagen der Unternehmensbewertung 2005) in Schacht, U., Fackler, M. (Praxishandbuch Unternehmensbewertung 2005), S. 16.
11 Vgl. Kup, A. (Methoden der Unternehmensbewertung 2007), S. 137.
12 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 13.
13 Vgl. Behringer, S. (Unternehmensbewertung 2009), S. 60.
14 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 13-14.
15 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 13.
16 Vgl. Hanselmann, K. (Geschichte der Unternehmensbewertung 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 93.
17 Behringer, S. (Unternehmensbewertung 2009), S. 56.
18 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 6.
19 Vgl. Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 149.
20 Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 149.
21 Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 6.
22 Unter Substanzwert oder auch Reproduktionswert bzw. Sachwert wird im Allgemeinen „(…) die Summe der in der Handelsbilanz ausgewiesenen, jedoch zu Wiederbeschaffungskosten des Bewertungsstichtages umgewerteten Aktiva [Anm. d. Verf.: verstanden]. Zieht man das Fremdkapital davon ab, spricht man von Nettosubstanzwert, andernfalls von Bruttosubstanzwert.“ Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 11.
23 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 7.
24 Ebd.
25 Vgl. Matschke, M. J., Brösel, G. (Funktionale Unternehmensbewertung 2014), S. 6.
26 Vgl. Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 150.
27 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 7-8.
28 Vgl. Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 150.
29 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 8.
30 Ebd.
31 Vgl. Mandl, G., Rabel, K. (Unternehmensbewertung 1997), S. 9.
32 Vgl. Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 150.
33 Vgl. Matschke, M. J., Brösel, G. (Unternehmensbewertung 2005), S. 22.
34 Obermeier, T., Gasper, R. (Investitionsrechnung 2008), S. 150.
35 Vgl. Matschke, M. J., Brösel, G. (Funktionale Unternehmensbewertung 2014), S. 7, zit. nach Matschke, M. J., Brösel, G. (Unternehmensbewertung 2013), S. 66-80.
36 Vgl. Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 24.
37 Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 24.
38 Ebd.
39 Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 24.
40 Vgl. Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 22.
41 Vgl. Peemöller, V. H. (Wert und Werttheorien 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 9.
42 Vgl. Born, K. (Unternehmensanalyse 2003), S. 23.
43 Vgl. Peemöller, V. H. (Wert und Werttheorien 2009) in Peemöller, V. H. (Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 2009), S. 9.
- Citar trabajo
- Kirill Lochbaum (Autor), 2016, Das Ertragswertverfahren und das Discounted Cashflow-Verfahren. Darstellung, Analyse und Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324213
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