Dieser Text beschäftigt sich mit der Problematik des Erinnerns und Vergessens in der heutigen Gesellschaft. Hierfür werden Rabinovicis Ansichten und Texte als Beispiel genommen und näher erläutert.
Rabinovici ist ein Autor, der in seinen literarischen wie auch in einigen seiner historischen Werke das Leben nach der Shoa thematisiert. Ein Aspekt, der ihn als Person der sogenannten Zweiten Generation besonders betrifft. Themen wie Identität, die Frage nach historischer Wahrheit oder die Erinnerung durchziehen viele seiner Texte.
Dabei geht es ihm nicht nur um die Beteiligten an einem solchen Ereigniss, sondern um alle Menschen, vor allem heute im Zeitalter einer pluralen Öffentlichkeit. Es darf nicht in Vergessenheit geraten, sondern es soll aus der Vergangenheit gelernt werden. Aber gerade in einer globalisierten Gesellschaft sieht er die Gefahr, dass Vergangenes in Vergessenheit gerät, wodurch die Notwendigkeit von Erinnerung immer mehr in den Vordergrund tritt.
Rabinovici ist ein Autor, der in seinen literarischen wie auch in einigen seiner historischen Werke das Leben nach der Shoa thematisiert. Ein Aspekt, der ihn als Person der sogenannten Zweiten Generation besonders betrifft. Themen wie Identität, die Frage nach historischer Wahrheit oder die Erinnerung durchziehen viele seiner Texte. Dabei misst er Erinnerungen eine besondere Bedeutung zu und ist der Meinung, das „Jenseits von Erinnerung denken zu wollen, [...] in die Verblödung [führt]“.[1]
An den Texten Rabinovicis wird deutlich, dass das Erinnern an die Shoa für ihn eine Notwendigkeit – eine Verpflichtung – geworden ist. Nach so einem Ereignis ist es nicht möglich oder sollte es nicht möglich sein, es zu vergessen. Dabei geht es ihm nicht nur um die Beteiligten eines solchen Ereignisses, sondern um alle Menschen, vor allem heute im Zeitalter einer pluralen Öffentlichkeit. Es darf nicht in Vergessenheit geraten, sondern es soll aus der Vergangenheit gelernt werden. Aber gerade in einer globalisierten Gesellschaft sieht er die Gefahr, dass Vergangenes in Vergessenheit gerät, wodurch die Notwendigkeit von Erinnerung immer mehr in den Vordergrund tritt.[2]
Dennoch sieht Rabinovici einen wichtigen Zusammenhang zwischen Vergessen und Erinnern. Ohne das Vergessen gäbe es seiner Meinung nach das Erinnern nicht. Durch das Vergessen werden die Gedanken geordnet und der Fokus auf das Wesentliche gerichtet. Es bietet also eine Voraussetzung für das Erinnern.
Dieses Erinnern spielt für Juden eine besondere Rolle. Rabinovici verdeutlicht, dass für Juden die Zeit ein wichtiger Identifikationsfaktor ist und sie sich vor allem durch Zeit und damit durch das Erinnern definieren und nicht, wie andere Bevölkerungsgruppen, mit einem Ort. Zudem wird daraus deutlich, dass in der heutigen Gesellschaft, in der örtliche Grenzen leichter überschritten werden, das Erinnern wichtiger wird.
Die Juden im heutigen Wien sind keine direkten Nachfahren von denen, die die Shoa überlebt haben. Dennoch ist es für sie kaum möglich die jüdischen Erinnerungen zu ignorieren, was für Rabinovici auch keine Option wäre. Für ihn gibt es keinen bruchlosen Übergang von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg mit der danach. Es entstand Misstrauen gegenüber der Zivilisation, dem Recht und der Kultur. Das Ereignis der Shoa hat stattgefunden und die Erinnerungen daran werden nicht vergehen.
In seinen Texten benennt Rabinovici verschiedene Instanzen und Begriffe, die für das Erinnern wichtig sind. Es ist nicht möglich an den Erinnerungen vorbei zu leben. So können beispielsweise Orte Erinnerungen wieder auftauchen lassen. Vor allem für Zeitzeugen spielt dieser Aspekt sicherlich eine wichtige Rolle. Beim Anblick oder Betreten eines Ortes kann Verdrängtes oder Vergessenes wieder zum Vorschein kommen. Ebenso wie Orte können auch Ereignisse, Personen oder Dinge Erinnerungen wieder aufkommen lassen. Beispiele dafür, die auch in Rabinovicis Leben eine Rolle spielen, wären rassistische Äußerungen von Politikern, Wahlplakate, Rechtsextremisten oder der Wiener Korporations-Ball, der unter der Kritik steht, dass hochrangige Vertreter rechter und rechtsextremer europäischer Parteien teilnehmen würden. Diese und ähnliche Ereignisse führen dazu, sich an etwas zu erinnern, was einmal geschah und nicht nur bei Leuten, die die Shoa selbst miterlebt haben. Diese Erinnerungen an die Vergangenheit führen die Menschen zu Demonstration, wie beispielsweise die Anti-WRK-Demo, an der auch Rabinovici selbst teilnahm.[3] Dadurch wird deutlich, dass Erinnerungen an bestimmte Dinge geknüpft sein können und in Bezug zu etwas stehen, wie dem jüdischen Glauben oder dem Versuch der Ausrottung während der Shoa.[4]
Ebenso wie Dinge und Ereignisse zum Erinnern führen können, können sie auch dazu verleiten zu vergessen:
Wir schauen auf die Fotos jener, die vertrieben oder ermordet wurden, die umgebracht wurden oder irgendwie irgendwo überleben konnten. Dieser Blick macht uns zuweilen vergessen, dass jene Opfer der Shoa einst ein eigenes und hoffnungsfrohes Leben führten.[5]
Die ermordeten Juden dürfen nach Rabinovici nicht nur als Opfer gesehen werden, sondern als Menschen mit Interessen, als Menschen einer Gemeinschaft, als Individuum. Das Erinnern an jene Juden, die ermordet wurden oder sogar die Shoa überlebt haben, heißt sich daran zu erinnern, dass viele vernichtet wurden. Gleichzeitig bietet die Erinnerung Hoffnung an die Zukunft jüdischer Existenz. Schaut man sich die heutige (österreichisch-) jüdische Gesellschaft an, zeigt diese, dass das Ziel der Nationalsozialisten des Zweiten Weltkrieges nicht erreicht wurde und das die Erinnerung an die Verbrechen die Kraft dazu gegeben haben, ein neues jüdisches Leben aufzubauen.[6] Aus einem anderen Blickwinkel wäre das Ziel vielleicht noch nicht erreicht, aber ein erster Schritt dafür getan.
In seinem Essay Wie es war und wie es gewesen sein wird verdeutlicht Rabinovici, dass die politische Anschauung die historische Sichtweise, die Beschäftigung mit der Vergangenheit bestimmt. Demnach auch das Erinnern an die Vergangenheit. Als Beispiel führt er eine Diskussion an, bei der es darum ging, „ob die Erinnerung an den Massenmord den israelischen Soldaten im Kampf gegen die zweite Intifada nütze oder schade.“[7] Dabei waren sich die verschiedenen politischen Lager nicht einig. Gleichzeitig kritisiert er, dass immer gefordert oder davon ausgegangen wird, dass Forschung ohne den Forscher, also ohne dessen Meinung, dessen Einstellung oder dessen Vergangenheit, möglich ist. Rabinovici weist darauf hin, dass wissenschaftlicher Wandel den gesellschaftlichen wiederspiegelt und somit auch den politischen. So ändert sich die Weltsicht, die ebenfalls Einfluss auf das Erinnern hat.[8] Demnach würde sich also auch das Erinnern ändern und hängt somit auch von der Meinung, Einstellung oder Vergangenheit des einzelnen Individuums ab.
Schon sein Eingangszitat „Es war einmal“[9], ein typischer Einstieg für ein Märchen, suggeriert das Erinnern. Rabinovici verbindet wissenschaftliche beziehungsweise historische Arbeit und Erinnern miteinander, wodurch seine Überlegungen zur historischen Forschung auch für das Erinnern übernommen werden können. Ein passendes Beispiel hierfür ist der Schriftsteller und Historiker Jaques Presser, der untergetaucht dem Massenmord entrann:
Was an Presser unter anderem besticht, ist die Redlichkeit, mit der er seiner Arbeit nachging. Er spiegelte niemanden vor, seine Untersuchung mit ebensolcher Geisteskälte angehen zu können, wie manch Entomologe der Erforschung von Ungeziefer, und das war ehrlicher als die Bekundungen, es ließe sich die Vernichtung kühl betrachten, ohne durch dieses Paradigma bereits Stellung bezogen zu haben.[10]
Rabinovici zweifelt an, dass die Geschichtsschreibung etwas genau so darstellen kann, wie es wirklich gewesen ist und wenn sie es könnte, ob damit wirklich alles geleistet ist. Dadurch teilt er der Erinnerung die Aufgabe zu, den Leuten etwas Geschehenes verständlich zu machen. Es darf nicht nur benannt werden, was geschehen ist, sondern auch was hätte geschehen können, welche Hoffnungen und Ängste es gab. Doch kann dies die wissenschaftliche Arbeit nicht leisten. Es wird deutlich, dass es Rabinovici wichtig ist, Vergangenes zu reflektieren. Ein wichtiger Schritt ist für ihn dabei das Schreiben. Durch seine Texte – vor allem durch seine fiktiven Texte – soll aufgezeigt werden, was passiert, wenn Erinnerungen ausgeblendet oder verfälscht werden. Der Schriftsteller kann sagen, wie es gewesen sein wird, wie die Gefühle waren und wie es dadurch vielleicht erlebt wurde. Es kann aus einer subjektiven Sicht eines Opfers geschrieben werden, anstatt mit dem systematischen Blick des Täters, um ein Ereignis zu erläutern. In seinen Texten möchte er zeigen, dass die Vergangenheit noch bis in die Gegenwart reicht, wodurch der Vorgang des Erinnerns zu einem wichtigen Thema in seinen Werken wurde.
[...]
[1] Interview mit Doron Rabinovici. Geführt von Kristina Pfoser. http://oe1.orf.at/artikel/255151. 01.03.2012.
[2] Vgl. Zu Hause aber nicht daheim. Interview mit Doron Rabinovici. Geführt von Gerald Heidegger. http://news.orf.at/stories/2024879/2024743/. 01.03.2012.
[3] Vgl. derStandart: 6.000 Teilnehmer bei Anti-WRK-Demo. http://derstandard.at/1326503977812/Burschenschafterball-6000-Teilnehmer-bei-Anti-WKR Demo. 01.03.2012.
[4] Vgl. Rabinovici, Doron: Im Zwielicht der Zeiten. Die Bedeutung der Vergangenheit im jüdischen Wien. http://www.centropa.org/nov09/?nID=45&lang=1. 01.03.2012.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Ebd.
[7] Rabinovici, Doron: Wie es war und wie es gewesen sein wird. Eine Fortschreibung von Geschichte und Literatur nach der Shoa. http://www.rabinovici.at/texte_wieeswar.html. 01.03.2012.
[8] Ebd.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Birgit Goldbecker (Autor:in), 2012, Erinnerung bei Doron Rabinovici. Über die Notwendigkeit der Erinnerung für die Folgegenerationen der Shoa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324206
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