In der vorliegenden Hausarbeit werde ich zunächst eine aktuell angemessene Definition von Bildung herausarbeiten, um anschließend Volker Steenblocks Analyse zum Umgang mit heterogenen Klassen darzulegen.
Faktenwissen, auch das jeweilige Wertsystem, wird für ein gemeinsames Leben gelehrt. Eine große Diskussion über dieses Thema kann allerdings nicht nebenbei, zum Beispiel im Deutschunterricht angebrochen werden. Mit dem relativ jungen Fach der praktischen Philosophie hat sich hier ein Raum eröffnet, der eine solche Auseinandersetzung mit Kultur, Normen und Lebensweise geradezu anzieht. Aber ist es überhaupt möglich in einer multikulturell zusammengesetzten Klasse über Werte und Normen zu debattieren, wo wir doch selbst so vorgeprägt sind durch die europäische Aufklärungskultur? Und wie steht es mit der Bildung in diesem Zusammenhang? Soll die Institution Schule überhaupt weiterhin einen so großen Einfluss auf das Leben unserer Kinder haben, oder sollte sie sich doch lieber auf ein vermitteln von Fakten spezialisieren?
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Begriff der Bildung
Philosophie in der Gesellschaft
Kulturelle Heterogenität im Klassenzimmer
Vielfalt bringt Nutzen
Philosophieren als kulturelle Teilhabe
3. Schlussbetrachtung
Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Wir wissen: Die Globalisierung bietet große Chancen, Chancen für Wachstum, für Beschäftigung, für Wohlstand und für Freiheit, und zwar für alle Länder.“1
Wir leben in einer globalisierten Welt. Man wundert sich nicht mehr, wenn Leute um einen herum englisch, türkisch, arabisch oder chinesisch sprechen, ebenso wenig über am Boden bettende Menschen mitten in der Innenstadt. Und wenn wir gen Zukunft schauen, so sehen wir keine monokulturelle Gesellschaft dort vor uns, sondern eine, in der solche Merkmale keine Bedeutung mehr spielen. Das führt uns allerdings zu der Frage, wie und welche Werte und Normen, religiöse Vorstellungen und Weltanschauungen dort herrschen. Momentan sind wir noch stark christlich- europäisch geprägt, doch mitnichten können wir diese als Ideal anderen Kulturen aufdrängen wollen. Doch wo ist überhaupt ein Raum für eine Auseinandersetzung mit dieser spannungsgeladenen Thematik?
Seit Jahrtausenden wird in der Schule neben dem Faktenwissen, auch das jeweilige Wertsystem für ein gemeinsames Leben gelehrt. Eine große Diskussion über dieses Thema kann allerdings nicht nebenbei, zum Beispiel im Deutschunterricht angebrochen werden. Mit dem relativ jungen Fach der praktischen Philosophie hat sich hier ein Raum eröffnet, der eine solche Auseinandersetzung mit Kultur, Normen und Lebensweise geradezu anzieht. Aber ist es überhaupt möglich in einer multikulturell zusammengesetzten Klasse über Werte und Normen zu debattieren, wo wir doch selbst so vorgeprägt sind durch die europäische Aufklärungskultur? Und wie steht es mit der Bildung in diesem Zusammenhang? Soll die Institution Schule überhaupt weiterhin einen so großen Einfluss auf das Leben unserer Kinder haben, oder sollte sie sich doch lieber auf ein vermitteln von Fakten spezialisieren?
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich zunächst eine aktuell angemessene Definition von Bildung herausarbeiten, um anschließend Volker Steenblocks Analyse zum Umgang mit heterogenen Klassen darzulegen.
2. Der Begriff der Bildung
Unser heutiger Begriff von Bildung wurde zu einem großen Teil von Wilhelm von Humboldt (1767- 1835) geprägt. Ihn beschäftigte nach der Französischen Revolution 1789 die Frage, wie wir eine gesellschaftliche Ordnung in Zukunft aufrechterhalten können. Seine Lösung setzt auf das je einzelne Individuum. Geprägt wurde Humboldt hierbei einerseits vom Gedanken Immanuel Kants, den Menschen stets als Endzweck verstehen zu wollen, und andererseits Jean-Jacques Rousseaus
Anspruch, dass jeder Mensch frei geboren wird und aus eigenem Antrieb heraus einen Sozialkontrakt mit der Gesellschaft schließt.2 So folgert Humboldt letztendlich, dass nur gebildete Menschen eventuelle Unsicherheiten überhaupt ertragen können. Somit wäre eine umfangreiche Allgemeinbildung das Fundament für jede Gesellschaft.3
Doch hiermit ist der so vielseitig verwendete Begriff von Bildung nur einseitig betrachtet. Historisch betrachtet ist das Wort bereits von Sokrates mit einem Praxisbezug versehen worden. So galt nicht das bloße Anhäufen von Fakten als Bildung, sondern das auf eigener Erkenntnis beruhende und vor allem verstandene Wissen.
Hier ist bereits angedeutet, dass man Wissen nicht bloß kennen muss, sondern es auch angewendet werden will. Es verlangt nach der Befähigung des Umgangs mit eben diesem. Hier kommt erstmals die besondere Rolle des Lehrers hervor. Er muss darauf achten, dass nicht einfach nur seine Werte und seine Fakten kopiert werden. Er muss die Schüler in die Lage versetzen, von sich aus eine begründete Wertung vorzunehmen, um zur selbstverantwortlichen Mündigkeit zu führen. Diese Auffassung des Begriffs der Bildung hat den großen Vorteil, dass sie ein hohes Maß an Unabhängigkeit besitzt. Unabhängig von der aktuellen Regierung und dem momentan dominierenden Wertesystems. Deshalb darf der Schulunterricht nicht nur eine Position vorstellen, sondern muss stets bemüht sein, Gegenpositionen zu betrachten und ein für und wider zu besprechen. Insbesondere bei sich widersprechenden Theorien müssen die Schüler konkret argumentieren, abwägen und eine eigene Stellungnahme artikulieren.
Diese drei Aspekte der Bildung, also das Aneignen von Fakten, der selbstständige Wissenserwerb und die begründete Bewertung, finden sich innerhalb der Bewegung der Aufklärung. Dieser Versuch die Lehre zu revolutionieren hat sich Kants Ausspruch Sapere aude! bedient, der häufig mit Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! übersetzt wird. Auch Kant hat bei Bildung stets den Zukunftshorizont vor Augen, so hielt er fest: „Eltern erziehen ihre Kinder nur so, dass sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand dadurch hervorgebracht werde“4. In seiner Abhandlung über die Pädagogik geht Kant sogar so weit, dass er behauptet, erst durch die Erziehung werde der Mensch zum Menschen, „er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“5 Er hat für die Praxis vier Bereiche ausgemacht, die gefördert werden sollten. Einmal die Disziplinierung, die Kultivierung, die Zivilisierung und die Moralisierung.6
Doch trotz dieser sehr modern erscheinenden Forderungen von Kant, Rousseau und weiteren
Vertretern der Aufklärung ist die Bildung in unserem Land eher als Statussymbol verstanden worden, statt als Werkzeug zur selbstständigen und begründeten Moralisierung. So sind die heutigen Forderungen nicht sehr verschieden von denen damals. Die jungen Menschen sollen erzogen werden, damit sie in der Lage sind ihre eigenen Entscheidungen im Leben zu treffen, Gebote und Regeln mithilfe von Verstand, Logik sowie Moral zu überprüfen und universale Werte wie Respekt und Toleranz zu leben. Dementsprechend heißt es im Kernlehrplan für das Bundesland Nordrhein Westfalen:
„Das Fach fördert die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu sozialer Verantwortung, zur
Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Orientierung an Grundwerten, zur kulturellen Mitgestaltung sowie zu verantwortlicher Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt.“7
Und noch deutlicher zeigt es diese Textstelle:
„Zentrales Anliegen des Faches ist es, zur Entwicklung von Kompetenzen bei Schülerinnen und
Schülern beizutragen, die sie befähigen, sich systematisch mit Sinn- und Wertfragen auseinander zu setzen, sie bei der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz anzuwenden und in einer demokratischen Gesellschaft selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und tolerant zu leben.“8
Deswegen muss das oberste Ziel der Schulbildung auch die Vermittlung von Bildung sein. Und gerade das Fach Philosophie, bzw. „Praktische Philosophie“, eignet sich durch seine Gewichtung auf der Handlungsorientierung, also auf die Praxisbezogenheit sehr gut hierfür. Aufgrund der intensiven Arbeit mit divergierenden, themenbezogenen Texten, deren ausgeprägter Diskussion, der argumentativen Stellungnahme zu auch heiklen Inhalten, sind geisteswissenschaftliche Fächer, für viele der geforderten Bildungsziele besser geeignet als naturwissenschaftliche oder sprachliche Fächer.
Philosophie in der Gesellschaft
Noch vor wenigen Jahren stand unsere Gesellschaft der Philosophie, und demzufolge auch dem Unterrichtsfach praktische Philosophie, skeptisch gegenüber. Sie galt als eine sprachverliebte Disziplin, die ausschließlich in Expertenkreisen stattfindet.9
Doch auch dank der intensiven Weiterentwicklung der Philosophie-Didaktik hat sich diese Ansicht geändert. Populär philosophische Themen haben den Einzug in den Alltag der Menschen geschafft, wie unter anderem der Erfolg des Romans „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder über die Geschichte der Philosophie, und der mediale Aufstieg von Richard David Precht, zeigen. Diese Wandlung lässt sich nach Volker Steenblock „auf gesellschaftliche Entwicklungen in unserer sich verändernden Gegenwart zurückführen“10 Doch was hat sich geändert? In fast allen Bereichen, wie dem familiären, dem kulturellen und dem religiösen, können wir uns nicht mehr mit unseren nahen Vorfahren identifizieren. Und gerade der säkularen Haltung ist es zu verdanken, dass die Philosophie als neuer Orientierungspunkt entdeckt wurde.11 Nun soll sie, anstelle der Religion, dem Menschen eine „praktische Lebens- und Handlungsorientierung“12 aufzeigen.
Doch gerade diesen Anspruch an die Philosophie als Unterrichtsfach stehen gravierende Probleme im Weg. Wie kann ein Fach Orientierung bieten, wenn die Schülerschaft immer heterogener zusammengesetzt ist.
[...]
1 Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
2 Rousseau, Jean-Jacques: Emil oder Über die Erziehung. UTB, Schöningh 1998, Vgl. S. 100.
3 Kirstens Meyer „Bildung“ Vgl. S. 13
4 Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX, S. 447.
5 Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX, S. 443.
6 Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX., S. 449 f.
7 Kernlehrplan der Sek. 1 für das Land NRW vom 31.August 2007 Seite 5
8 Ebd. S.5
9 Vgl. Steenblock S.34
10 Ebd. S.34
11 Ebd. Vgl. S.39
12 Ebd. S.37
- Arbeit zitieren
- Christoph Höveler (Autor:in), 2014, Vielfalt als Chance im Philosophie-Unterricht. Der Umgang mit heterogenen Klassen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324094
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