Als erstes soll man den Begriff Kultur klären bevor man sich mit interkulturellem Lernen beschäftigt, denn er ist grundlegend dafür. Wie auch problematisch dieser Begriff zu sein scheint, es gibt eine Übereinstimmung darüber, dass der Kulturbegriff in Hinsicht des interkulturellen Lernens breiter gefasst werden muss. Nicht nur die hohe Kultur, wie Literatur, Kunst, Musik, sondern auch und besonders die Alltagskultur, d.h. der Umgang der Menschen mit einander im täglichen Leben muss berücksichtigt werden. „Kultur ist die gesamte Art zu leben, inklusive Werte, Glauben, ästhetische Standards, linguistische Ausdrucksweisen, Gedankenmuster, Verhaltensnormen und Kommunikationsweisen, welche eine Gruppe von Menschen entwickelt hat, um ihr Überleben in einer bestimmten physischen und menschlichen Umwelt zu sichern.“ Die Kultur ist eine Interaktion zwischen ihr und ihre Mitglieder: sie prägt sie, wird aber gleichzeitig von ihren Mitgliedern gestaltet. Sie ist Reaktion und Antwort auf die geltenden und bestimmten Bedürfnisse ihrer Mitglieder. Dieser erweiterte Begriff umfasst auch Teile der Gesellschaft (Subkulturen) mit ihren materiellen und immateriellen ‚Äußerungen’ wie Sitten, Bräuche, Regeln, Gesetze, Religion, Kunst, usw. Beim interkulturellen Lernen gilt das Prinzip der Gleichwertigkeit der Kulturen. Wenn zwei Kulturen verglichen werden, werden sie nicht bewertet, welche ‚besser’ und welche ‚schlechter’ ist, sondern es geht darum anzuerkennen, dass verschiedene Kulturen verschiedene kreative Möglichkeiten (unter vielen) darstellen, die Welt zu strukturieren und zu ordnen.
Die Kultur hat die Funktion eines Orientierungssystems. Nach diesem System werden die Dinge wahrgenommen, es beeinflusst unser Denken, Handeln, Werten. Dadurch wird unsere Zugehörigkeit zur Gesellschaft bestimmt. Jede Kultur ist ein spezifisches Referenzsystem, das sich von anderen unterscheidet und eigene Standards hat. Auf der Grundlage von einem in der gesellschaftlichen Gruppe geteilten Bestand an Wissen über Denk-, Vorstellungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensformen sowie Handlungspraktiken, werden Standards für Handeln und Maßstäbe für Bewertungen gesetzt.
Inhaltsverzeichnis
0 Einführung
1 Definition von Kultur
2 Definition vom interkulturellen Lernen
2.1 Ziele des interkulturellen Lernens
2.2 Prozesse interkulturellen Lernens
2.2.1 Fremdwahrnehmung
2.2.2 Kulturvergleich
2.2.3 Fremdverstehen
2.2.4 Perspektivenübernahme
2.3 Inhalte des interkulturellen Lernens
2.3.1 Bedeutungserwerb der Wörter
2.3.2 Was ist ein Stereotyp?
2.3.2.1 Stereotypen vs. Vorurteile
2.3.2.2 Wie werden Stereotypen im Fremdsprachenunterricht transportiert?
2.3.3 Umgang mit Zeit und Raum und Verhältnis zwischen Privat und Öffentlich
2.3.4 Kommunikative Stile
2.3.5 Interkulturelle Missverständnisse
2.3.6 Literarische Texte
2.4 Das Tandem als Ort interkulturellen Lernens
2.4.1 Fallbeispiel
3 Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
0 Einführung
In dieser Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, was man in Rahmen des Fremdsprachenunterrichts als interkulturelles Lernen bezeichnet, welche Lernziele damit verfolgt werden, welche Prozesse interkulturellen Lernens eine Rolle spielen und an welchen Inhalten man das festmachen kann. Anschließend wird die Möglichkeit interkulturellen Lernens beim Sprachlernen im Tandem anhand eines Transkripts eingeschätzt.
1 Definition von Kultur
Als erstes soll man den Begriff Kultur klären bevor man sich mit interkulturellem Lernen beschäftigt, denn er ist grundlegend dafür. Wie auch problematisch dieser Begriff zu sein scheint, es gibt eine Übereinstimmung darüber, dass der Kulturbegriff in Hinsicht des interkulturellen Lernens breiter gefasst werden muss. Nicht nur die hohe Kultur, wie Literatur, Kunst, Musik, sondern auch und besonders die Alltagskultur, d.h. der Umgang der Menschen mit einander im täglichen Leben muss berücksichtigt werden.
„Kultur ist die gesamte Art zu leben, inklusive Werte, Glauben, ästhetische Standards, linguistische Ausdrucksweisen, Gedankenmuster, Verhaltensnormen und Kommunikationsweisen, welche eine Gruppe von Menschen entwickelt hat, um ihr Überleben in einer bestimmten physischen und menschlichen Umwelt zu sichern.“[1]
Die Kultur ist eine Interaktion zwischen ihr und ihre Mitglieder: sie prägt sie, wird aber gleichzeitig von ihren Mitgliedern gestaltet. Sie ist Reaktion und Antwort auf die geltenden und bestimmten Bedürfnisse ihrer Mitglieder.
Dieser erweiterte Begriff umfasst auch Teile der Gesellschaft (Subkulturen) mit ihren materiellen und immateriellen ‚Äußerungen’ wie Sitten, Bräuche, Regeln, Gesetze, Religion, Kunst, usw.
Beim interkulturellen Lernen gilt das Prinzip der Gleichwertigkeit der Kulturen. Wenn zwei Kulturen verglichen werden, werden sie nicht bewertet, welche ‚besser’ und welche ‚schlechter’ ist, sondern es geht darum anzuerkennen, dass verschiedene Kulturen verschiedene kreative Möglichkeiten (unter vielen) darstellen, die Welt zu strukturieren und zu ordnen.
Die Kultur hat die Funktion eines Orientierungssystems. Nach diesem System werden die Dinge wahrgenommen, es beeinflusst unser Denken, Handeln, Werten. Dadurch wird unsere Zugehörigkeit zur Gesellschaft bestimmt.
Jede Kultur ist ein spezifisches Referenzsystem, das sich von anderen unterscheidet und eigene Standards hat. Auf der Grundlage von einem in der gesellschaftlichen Gruppe geteilten Bestand an Wissen über Denk-, Vorstellungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensformen sowie Handlungspraktiken, werden Standards für Handeln und Maßstäbe für Bewertungen gesetzt. Dieser Bestand verfestigt sich zu Präsuppositionen (Selbstverständlichkeiten). Die Standards werden als normal, typisch und verbindlich angesehen und auf deren Grundlage werden eigenes und fremdes Verhalten beurteilt.
Auch für Knapp-Potthoff ist die Kultur ein abstraktes System von zwischen Gesellschaftsmitgliedern geteilten Wissensbeständen, Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns, das in Form kognitiver Schemata organisiert ist und das sich im öffentlichen Vollzug von symbolischen und sprachlichen Handeln manifestiert.[2] Obwohl sich für Knapp-Potthoff Kultur im Wesentlichen mit Nation deckt, ist eine Nation keineswegs eine homogene Kultur. Der (national-)kulturelle Hintergrund, das Alter, Geschlecht, die Religion, die soziale Gruppe usw. spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Subkulturen. In diesem Sinne ist jedes Individuum in gewissem Maße eine Subkultur.
Kulturen unterliegen einem zeitlichen Wandel (z.B. Begrüßungsrituale, Tischsitten, Kleidungskonventionen) und dürfen nicht als statisch aufgefasst werden. Das Wissen über die fremde Kultur muss ständig aktualisiert werden.
Durch zunehmende Migrationsbewegungen werden Individuen von mehreren Kulturen beeinflusst und es entstehen Mischkulturen.
Abschließend läßt sich noch sagen, das Kultur durch Heterogenität, Divergenzen, Widersprüche und Konflikte gekennzeichnet ist
All diese Merkmale der Kultur müssen im Kontext interkulturellen Lernens berücksichtigt werden.
2 Definition von interkulturellem Lernen
Dieser Begriff ist innerhalb der Fremdsprachendidaktik immer noch nicht völlig geklärt und wird für verschiedenste Bereiche gebraucht und sogar trivialisiert, wie manche Autoren behaupten.
Als wichtig erscheint zunächst zu klären wo überhaupt interkulturelles Lernen stattfindet. Dabei gemeint ist der Kontext Fremdsprachenunterricht.
Es werden hauptsächlich drei Vermittlungskontexte herausgefiltert: die direkte Begegnung mit Angehörigen der Kultur, deren Sprache man erlernen möchte, dann indirekte Beschäftigung mit der fremden Kultur sowie innerhalb multikultureller Klassen.
Als wichtigste charakteristischen Merkmale interkulturellen Lernens gelten: Lernerorientierung, kontrastiver Zugang , Sprachbezogenheit, Prozessbetonung und Nicht-Inhaltsfixierung.
Der Lerner, und nicht der Lehrer steht im Mittelpunkt des interkulturellen Lernens. Als erlebendes und verstehendes Subjekt, bezieht der Lerner die eigenen kulturellen und sprachlichen Prägungen und Erfahrungen in den Lernprozess ein. Das wird zum Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der fremden Kultur. Ein lernerorientiert es Vorgehen soll dem Lerner schrittweise Zugänge zur fremden Kultur verschaffen, die an den wichtigsten Lebensbereichen ansetzen. Diese Lernerorientierung unterscheidet das interkulturelle Lernen von bloßer Landeskunde. Es geht hierbei nicht darum, den Lerner völlig unauffällig der Zielkultur anzupassen und die eigenkulturelle Prägung völlig auszublenden, sondern dass er die eigene kulturelle Erfahrung in den Lernprozess einbringt.
Die Orientierung am Leitbild „native speaker“ wird zunehmend mit dem „intercultural speaker“ ersetzt.
Noch ein Unterscheidungsmerkmal von landeskundlichem Unterricht ist der kontrastiv e Zugang zum Fremdsprachenlernen. Dabei werden die eigenen Wirklichkeitserfahrungen mit den fremdkulturellen gleichen Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Dadurch entdeckt der Lerner das Fremde, reflektiert darüber und setzt sich mit dem Eigenen auseinander.
Interkulturelles Lernen ist kein Lernziel für sich und kann nicht isoliert vermittelt werden, sondern immer in Verbindung mit Sprachvermittlung. Sie werden als zwei Teile einer Einheit betrachtet. In diesem Sinne bezeichnet man interkulturelles Lernen als sprachbezogen. Das Fremde wird dem Lerner in der ihm fremden Sprache dargeboten und er muss sich darin verständigen. Der Erwerb einer fremden Sprache ermöglicht ihm einen unmittelbaren Zugang zu einer fremden Wirklichkeit. Sprachenlernen und Kulturlernen gehören zusammen im interkulturellen Ansatz.
Vermittlung von reinem Wissen über die fremde Kultur ist nicht ausreichend. So ein Wissen ist kaum systematisierbar und damit schwer vermittelbar ohne Spracherwerb. Interkulturelles Lernen gilt als nicht-inhaltsfixiert, das heißt der Lerner muss selbst die Inhalte bzw. kulturellen Bedeutungen durch Vergleich aushandeln. Da dies ein Prozess darstellt, charakterisiert man diesen Ansatz als prozessbetont.
2.1 Ziele des interkulturellen Lernens
Toleranz und Verständigung lernen, Aufgeschlossenheit gegenüber Angehörigen anderer Kulturen, Entwickeln von Bewusstheit für Kulturabhängigkeit von Werten und Normen, Gleichberechtigung und friedliches Zusammenleben mit Menschen mit anderem sozio-kulturellen Hintergrund, Entwicklung von Empathie und kritischer Toleranz, Vermeidung von kulturellen Missverständnissen usw. sind einige der Ziele interkulturellen Lernens.
Die oft zitierten Knapp und Knapp-Potthoff haben einen Katalog von sprachlich-interaktiven Fähigkeiten zusammengestellt, die die sogenannte interkulturelle Kompetenz ausmachen:
- Einsicht in die Abhängigkeit menschlichen Denkens, Handelns und Verhaltens und speziell auch des kommunikativen Handelns und Verhaltens von kulturspezifischen kognitiven Schemata;
- Einsicht in die Kulturabhängigkeit des eigenen Denkens, Handelns und Verhaltens und speziell auch des kommunikativen Handelns und Verhaltens (Aufbrechen der Selbstverständlichkeiten der eigenen Kultur);
- Fähigkeit und Bereitschaft zur Übernahme fremdkultureller Perspektiven;
- Kenntnis von Dimensionen, innerhalb derer sich Kulturen unterscheiden können
- Speziell Kenntnis unterschiedlicher kommunikativer Stile und Fähigkeit, solche Stile in der Kommunikation zu identifizieren;
- Fähigkeit zur Erklärung von Phänomenen kommunikativen Handelns und Verhaltens durch tieferliegende kulturelle Determinanten
- Einsicht in die Grundprinzipien der interpersonalen Kommunikation, insbesondere in die Mechanismen er Unsicherheitsreduktion, der Attribution und der Stereotypenbildung;
- Beherrschung von Strategien der Kommunikation mit beschränkten sprachlichen Mitteln;[3]
- Beherrschung von Strategien zur Identifikation und Analyse von Missverständnissen in der Kommunikation auf der Basis von Kenntnissen über:
- Kulturunterschiede und ihre Auswirkungen auf kommunikatives Handeln und Verhalten,
- lingua-franca-Gebrauch,
- lernersprachliches Verhalten
- die speziellen Bedingungen der Kommunikation mithilfe von Sprachmittlern;
- Beherrschung von Strategien zur Vermeidung und Reparatur von Missverständnissen in der Kommunikation.[4]
Die Zielvorstellung des interkulturellen Lernens geht über den ‚native speaker’ hinaus und orientiert sich vielmehr an einem ‚intercultural speaker’. Die Eigenschaften eines intercultural speaker umfassen: Empathie (Bereitschaft und Fähigkeit sich in die Rolle des Anderen hineinzuversetzen), Rollendistanz (Fähigkeit sich vom Eigenen zu distanzieren und es kritisch zu betrachten – dadurch soll man für die Andersartigkeit der fremden Kultur sensibilisiert werden), Fähigkeit zur Identitätsdarstellung (Bereitschaft, die Differenz zwischen Fremdem und Eigenem zu erkennen und zwischen den zu vermitteln) und Ambiguitätstoleranz oder die Fähigkeit das Andere und die Abweichung von der eigenen Art zu leben zu akzeptieren, sich damit abzufinden, ohne dafür das eigene Lebenskonzept zu vernachlässigen.
2.2 Prozesse interkulturellen Lernens
Unter Prozesse interkulturellen Lernens versteht man kognitive und emphatische Operationen, wie Fremdwahrnehmung, Kulturvergleich und Perspektivenübernahme.
2.2.1 Fremdwahrnehmung
Generell gilt für die menschliche Wahrnehmung, dass sie selektiv ist; das heißt aus den vielen Reizen von der Umgebung wird nur eine begrenzte Menge wahrgenommen. Sobald wir was wahrnehmen, interpretieren wir aktiv. Das Wahrgenommene wird sofort in existierende Bedeutungsmuster und Kategorien eingeordnet, die wir im Laufe der Sozialisation in unserer Kultur als Vorerfahrungen herausgebildet haben.
Das Fremde wird immer mit der eigenkulturellen Brille wahrgenommen, mit dem Eigenkulturellem unvermeidlich verglichen und bewertet. Wahrnehmung ist also kulturell geprägt. Es besteht eine Art Automatismus zwischen Wahrnehmung, Interpretation und Wertung.
Für den Bereich der Wahrnehmung beim interkulturellen Lernen geht es um Bewusstmachung des Lerners, dass die Wahrnehmungsmuster durch die eigene Kultur geprägt sind. Um möglichst objektiv dem Fremden zu begegnen, soll man lernen das Unbekannte im Detail zu beschreiben und versuchen dabei nicht zu interpretieren und nicht zu werten, d.h. den Automatismus zu durchbrechen.
2.2.2 Kulturvergleich
Der Kulturvergleich gehört zu den wichtigsten kognitiven Akten, die beim interkulturellen Lernen vollzogen werden. Durch diese kognitive Operation gewinnt man Erkenntnisse. Das Neue, bzw. das Fremde wird mit dem Erfahrenen verglichen und erst dann integriert. Dieser Prozess wird permanent bewusst oder unbewusst durchgeführt. Er ist aber problematisch, denn man vergleicht oft falsch in dem man die Vergleichsebenen vermischt oder Erscheinungen aus dem Kontext reißt.
[...]
[1] Hoopes & Pusch 1981, zitiert nach Bechtel 2001
[2] Vgl. Knapp-Potthoff, Annelie: Interkulturelle Kommunikation als Lernziel. In: Knapp-Potthoff, A., Liedke, M. (Hrsg.) , Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit, München: Iudicum, 1997, S. 181-205
[3] Vgl. Knapp-Potthoff, Annelie: Strategien interkultureller Kommunikation. In: J. Albrecht, , H. W. Drescher, H. Göring, N. Salnikow (Hrsg.): Translation und interkulturelle Kommunikation. Frankfurt am Main 1987, S.423-437
[4] Vgl. Knapp, Karlfried/Knapp-Potthoff, Annelie: Interkulturelle Kommunikation. In: Zeitschrift für Fremsprachenforschung 1, 1990, S. 62-93
- Quote paper
- Vesna Petruseva (Author), 2004, Interkulturelles Lernen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32400
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