In einer vernetzen Welt und im Zuge der Globalisierung ist ein besseres Verständnis der Menschheit untereinander unentbehrlich, um den Frieden und ein Fortbestehen der Menschheit zu sichern. Im Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen werden sprachliche Fähigkeiten und Toleranz gebraucht, um internationale Kommunikation und Kooperation zu ermöglichen. Um diese gesellschaftlichen Anforderungen bildungspolitisch umzusetzen, steht die Erziehung in der Schule vor einer Herausforderung, die sich in dem Schlagwort des “Interkulturellen Lernens“ widerspiegelt. Der Englischunterricht hat ebenfalls diese Leitziele zu verfolgen und bekommt durch den Aufstieg des Internets neue Möglichkeiten, den Klassenraum zu erweitern und kulturelle Kontakte zu schaffen. Dies schafft eine neue Lernumgebung, in der Verständnis- und Verständigungsprobleme auftauchen, die nicht nur auf sprachliche Unterschiede zurückzuführen sind, sondern auch auf Mentalitätsstrukturen, die kulturell geprägt sind. Um diese Konflikte beheben zu können, benötigt ein Lerner eine “Interkulturelle Kompetenz“, eine Fülle von unterschiedlichen Fähigkeiten, die näher bestimmt werden müssen.
Um den Anforderungen an den Englischunterricht gerecht zu werden, stellt sich die Frage nach der methodischen und praktischen Umsetzung dieser Leitziele.
Kann die Projektmethode sich als nützlich erweisen, um interkulturelles Lernen zu ermöglichen? Welche Möglichkeiten haben interkulturelle E-mail Projekte? Kann man durch diese authentische Art der Kommunikation Toleranz und Empathie unter den Kulturen bekommen?
Um diese Fragen zu untersuchen, habe ich selber im April 2001 ein Projekt in einer mir fremden Kultur an einer Schule in Indien durchgeführt.
Dabei leitete ich den E-mail Kontakt zwischen den Schülern eines Gandhi-Ashrams in Orissa, Indien und einer schwedischen Klasse aus Lappland im Rahmen des Englischunterrichts. Gerade Indien ist eins von “den Ländern, die im Vergleich mit unserer westlichen Lebensweise als extrem fremd” gilt. Es ist in unserem Bewusstsein mit stereotypen Bildern geprägt und bietet sich für die Ziele des Fremdverstehen und interkulturellen Lernens an. In der Zeitschrift Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch (2/2001) ist dieser regional, divergenten Gesellschaft ein ganzes Heft gewidmet worden, denn “sowohl die Thematik Indien als auch der didaktische Ansatz des interkulturellen Lernens steckt, was die Unterrichtspraxis angeht, wohl noch in Kinderschuhen.“
Einführung
In einer vernetzen Welt und im Zuge der Globalisierung ist ein besseres Verständnis der Menschheit untereinander unentbehrlich, um den Frieden und ein Fortbestehen der Menschheit zu sichern. Im Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen werden sprachliche Fähigkeiten und Toleranz gebraucht, um internationale Kommunikation und Kooperation zu ermöglichen. Um diese gesellschaftlichen Anforderungen bildungspolitisch umzusetzen, steht die Erziehung in der Schule vor einer Herausforderung, die sich in dem Schlagwort des “Interkulturellen Lernens“ widerspiegelt. Der Englischunterricht hat ebenfalls diese Leitziele zu verfolgen und bekommt durch den Aufstieg des Internets neue Möglichkeiten, den Klassenraum zu erweitern und kulturelle Kontakte zu schaffen. Dies schafft eine neue Lernumgebung, in der Verständnis- und Verständigungsprobleme auftauchen, die nicht nur auf sprachliche Unterschiede zurückzuführen sind, sondern auch auf Mentalitätsstrukturen, die kulturell geprägt sind. Um diese Konflikte beheben zu können, benötigt ein Lerner eine “Interkulturelle Kompetenz“, eine Fülle von unterschiedlichen Fähigkeiten, die näher bestimmt werden müssen.
Um den Anforderungen an den Englischunterricht gerecht zu werden, stellt sich die Frage nach der methodischen und praktischen Umsetzung dieser Leitziele.
Kann die Projektmethode sich als nützlich erweisen, um interkulturelles Lernen zu ermöglichen? Welche Möglichkeiten haben interkulturelle E-mail Projekte? Kann man durch diese authentische Art der Kommunikation Toleranz und Empathie unter den Kulturen bekommen?
Um diese Fragen zu untersuchen, habe ich selber im April 2001 ein Projekt in einer mir fremden Kultur an einer Schule in Indien durchgeführt.
Dabei leitete ich den E-mail Kontakt zwischen den Schülern eines Gandhi-Ashrams in Orissa, Indien und einer schwedischen Klasse aus Lappland im Rahmen des Englischunterrichts. Gerade Indien ist eins von “den Ländern, die im Vergleich mit unserer westlichen Lebensweise als extrem fremd”[1] gilt. Es ist in unserem Bewusstsein mit stereotypen Bildern geprägt und bietet sich für die Ziele des Fremdverstehen und interkulturellen Lernens an. In der Zeitschrift Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch (2/2001) ist dieser regional, divergenten Gesellschaft ein ganzes Heft gewidmet worden, denn “sowohl die Thematik Indien als auch der didaktische Ansatz des interkulturellen Lernens steckt, was die Unterrichtspraxis angeht, wohl noch in Kinderschuhen.“[2]
Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf die Gefahr hinweisen, dass interkulturelle Projekte dieser Art exemplarisch sind und zu einer weiteren Entfremdung der Kulturen führen kann. Wie häufig werden rituelle Handlungen, kulturspezifische Eigenarten oder Stammestraditionen aus ihrem geschichtlichen Hintergrund herausgerissen, um damit vermeintliche Kulturwissenschaft zu betreiben? Interkulturelles Lernen findet nicht statt, wenn exemplarisch Rückständigkeit oder Armut beleuchtet wird, ohne koloniale Ursprünge dafür zu kennen. Obwohl ich mir der Gefahren bewusst war, die durch ein Zusammentreffen zweier so unterschiedlicher Kulturen entstehen können, wollte ich durch dieses Projekt überprüfen, ob in Indien die interkulturelle Kompetenz durch Projektarbeit verbessert werden kann.
Besteht die Chance, durch E-mail Projekte direkten Kontakt zwischen Klassenräumen herzustellen, sodass eine interkulturelle Verständigung stattfinden kann? Es muss überprüft werden, ob “Englisch nicht mehr zur Förderung neo-kolonialer Herrschaft - ein Aspekt, den es für einen Inder immer noch hat - sondern als Medium konstruktiver Beziehungen benutzt wird.“[3]
Inwiefern die Klassen dafür eine interkulturelle Kompetenz benötigen, werden die folgenden Ausführungen erläutern.
1. Einleitung:
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den theoretischen Definitionen der interkulturellen Kompetenz in der Fremdsprachenforschungsliteratur.
Zu Beginn dieser Arbeit wird erklärt, was unter dem Begriff der interkulturellen Kompetenz zu verstehen ist und eine Definition vorangestellt. Danach werde ich die Entwicklungen von der linguistischen zur kommunikativen Kompetenz aus der Sicht der Sprachwissenschaft erläutern. Anschließend werden einzelne Aspekte der interkulturellen Kompetenz herausgefiltert und Inhalte wie die kulturelle Identität, Begriffe wie das Fremdverstehen oder Forderungen der Bildungspolitik beschrieben.
Um auf die Gefahren eines interkulturellen Lernprozesses hinzuweisen, erläutere ich dann die Probleme, die dabei entstehen können.
Nachdem der theoretische Hintergrund und die wissenschaftliche Entwicklung in der Fremdsprachenforschung in Kapitel 1 geklärt ist, geht das zweite Kapitel auf die Projektarbeit ein. Neben den Ursprüngen und den Zielen der Projektarbeit im Allgemeinen wird im zweiten Kapitel das E-mail Projekt mit seinen Chancen und Möglichkeiten für interkulturelle Lernprozesse dargestellt.
Am Anfang des Kapitel 3 wird die Situation an der Schule in Indien näher erläutert, sowie Hintergründe über ihre Einbettung in einen Gandhi-Ashram gegeben. Danach wird eine ausführliche Beschreibung des Projektes folgen, mit den einzelnen Phasen des Projektes, Ausschnitten aus einzelnen Briefen und der Präsentation der Ergebnisse.
Der vierte Teil stellt eine Bewertung der Ergebnisse dar. Hier werden die Chancen des interkulturellen Lernen durch Projektarbeit am Beispiel dieser Schule untersucht und einzelne Aspekte besonders betrachtet.
Im letzten Teil dieser Arbeit werde ich ein Fazit ziehen und einen Ausblick auf zukünftige interkulturelle Projekte geben.
1.1 Interkulturelle Kompetenz: Was ist das eigentlich?
Am Anfang dieser Arbeit ist es wichtig, die Frage zu bestimmen, was unter interkulturellen Kompetenz zu verstehen ist und wie sie sich entwickelt hat. In der Fremdsprachenforschung tauchen unterschiedliche Begriffe wie Fremdverstehen, interkulturelles Lernen oder Kulturkompetenz auf, die eine einhaltliche Definition erschweren.[4] Früher hätte man wohl den Begriff der Völkerverständigung gewählt[5] und wäre damit eindeutiger geblieben.
Zur Begriffserklärung wähle ich am Anfang eine Definition aus den Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg, da sie nach meiner Ansicht sehr eindeutig ist. Interkulturelle Kompetenz ist dort ein angestrebtes Studienziel und wird wie folgt definiert:
“Unter interkultureller Kompetenz wird die Summe aller Fähigkeiten verstanden, die notwendig sind, um mit Angehörigen anderer Kulturkreise einen Zustand der Gemeinsamkeit herzustellen, der nicht von bestimmten kulturspezifischen Eigenheiten und Vorstellungen dominiert wird. Interkulturelle Kompetenz beginnt mit der Einsicht des eigenen Denkens, Handelns und Verhaltens und beinhaltet die Fähigkeit und Bereitschaft zur Übernahme und Analyse fremdkultureller Perspektiven.[..] Interkulturelle Kompetenz kann nur mit Hilfe der Fähigkeit zu interkultureller Kommunikation erreicht werden, welche nicht nur die fremdsprachliche Ausbildung, sondern auch allgemeine kommunikative und interaktive Fähigkeiten beinhaltet.”[6]
In dieser Definition wird deutlich, wie komplex dieser Begriff ist und nicht nur kulturkompetente Einsicht beinhaltet, sondern auch die Bereitschaft, diese fremdkulturellen Perspektiven zu analysieren.
Erstmalig 1991 ist in der Zeitschrift Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch der Begriff der interkulturellen Kompetenz aufgetaucht. Es wird darauf hingewiesen, dass linguistische Fehler bei der Kommunikation leichter verziehen werden als Fehler, die z.B. aufgrund von unterschiedlichen Höflichkeits- oder Begrüßungsformen entstehen und eine Kommunikation stören kann. Dies setzt mehr als das herkömmliche landeskundliche Wissen voraus, sondern auch Verständnis der kulturellen und sozialen Werte dieses Landes. In dem einleitenden Artikel wurde darauf hingewiesen, dass man dafür eine “interkulturelle Orientierungskompetenz“[7] benötigt. Diese beinhaltet:
“- sprachliche und außersprachliche Routinen und Rituale
(einschließlich fremdsprachlichem Diskurs)
- Sitten und Gebräuche und Gepflogenheiten (einschließlich des Standards von Höflichkeit und Etikette)
- Werte und Normen, Denk- und Verhaltensweisen der Menschen anderen Nationen.“[8]
1.1.1 Zum Kompetenzbegriff
Ein enzyklopädisches Wörterbuch umschreibt den Begriff der “competence“ als “sufficient for the necessities of life.“[9]
Dies bedeutet, dass eine Kompetenz auf sämtliche Notwendigkeiten im Leben übertragen werden kann, für die Schule jedoch nur bedingt zum Tragen kommt. Das Linger Lexikon ist schon detaillierter und beschreibt den Begriff der Kompetenz dreiteilig. Aus pädagogischer Sicht wird von Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz gesprochen, in der Linguistik von Sprachkompetenz und drittens von Kommunikationskompetenz, welche alles umfasst, was die Kommunikationsfähigkeit beinhaltet.[10] Diese Definition veranschaulicht, dass der Kompetenzbegriff mehrere Komponenten beinhaltet, die ich als nächstes einzeln erläutern werde.
1.1.2 Von der Linguistischen Kompetenz zur Kommunikativen Kompetenz
Die Sprachwissenschaft versucht zu erklären, wie man eine Sprache am besten beschreiben kann. Dabei untersucht sie nicht nur die Struktur durch Syntax, Semantik oder Morphologie der Sprache, sondern auch Funktion, ihre Wirkungsweisen und Konzepte. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Linguistik bringen Veränderungen in den Sprachunterricht und erfordern neue Ansätze.
In den ersten Jahrzehnten nach beiden Weltkriegen wurde von Sprachminima gesprochen und bestimmte Niveaustufen als Ziel des Fremdsprachenerwerbs entworfen. Dabei ging es generell um das Erlernen eines vorher definierten Sprachbestandes mit ihren lexikalischen und grammatikalischen Regeln.[11] Doch dieser Ansatz ist zu reduziert und erfährt in den folgenden Jahren eine Erweiterung durch neue Theorien aus der Linguistik.
Chomsky (1969) hat mit seinen Untersuchungen die Sprache in seiner Syntax und Funktion betrachtet und eine Theorie zur linguistischen Kompetenz entwickelt. Sie geht davon aus, dass ein Muttersprachler seine Sprache perfekt beherrscht. Ein kompetenter Muttersprachler wird als Vorbild für den Spracherwerb genommen.
Hymes (1972) setzte dieser Theorie entgegen, dass sie nur das Wissen und Statische der Sprache betrachten und nicht das Prozesshafte. Somit hat sich das Interesse der Linguistik “von der Struktur der Sprache auf die Funktionen der Sprache verlagert.“[12] Es wurde zum ersten Mal von einer kommunikativen Kompetenz gesprochen. Doch beziehen sich beide Theorien nur auf den perfekten Sprachbestand der Muttersprache und hatten den Fremdsprachenerwerb nicht im Sinn.
Durch die Ausweitung dieser Theorien auf den Fremdsprachenunterricht hat der Begriff der kommunikativen Kompetenz als übergeordnetes Lernziel Einzug in den Englischunterricht erhalten.[13] Nach Piephos (1974) Ansicht reichen Vokabelwissen oder phonetische Kenntnisse der Fremdsprache alleine nicht aus, sondern “er muss vielmehr wissen, wie er in der fremden Sprache handeln und verhandeln kann.”[14] Die neue Anweisung lautet nicht mehr: “Lerne zuerst einen vorher definierten Sprachbestand kennen”, sondern sie heißt nunmehr: ” Verhalte dich als kompetenter Sprecher! Kompetenz hat nicht nur der Muttersprachler, sondern ein jeder hat sie. Er gilt nur, sie zu aktivieren.”[15]
So wurde die kommunikative Kompetenz als oberstes Leitziel im Englischunterricht aufgenommen, aber die eigene Muttersprache und ihre Einbindung in den sozialen und kulturellen Kontext völlig aus dem Fremdsprachenunterricht verbannt. Die Fähigkeit zur Kommunikation in einer Fremdsprache ist aber an bestimmten Punkten auf Probleme gestoßen, weil der Kommunikationsbegriff zu eng gefasst worden ist.
Zwar konnte nun eine linguistische und kommunikative Kompetenz zusammen gelehrt werden, diese ist aber laut Bredella (1999) “nicht interkulturell ausgerichtet; sie geht vielmehr davon aus, dass sich der Fremdsprachenlerner wie ein “native speaker“ verhalten solle, und lässt damit Strategien für ein interkulturelles Gespräch außer acht.“[16] So fordert Kramer (1999) die Konzeption eines “intercultural speakers“[17], der in der Lage ist, in einer Interaktion sowohl verbale als auch non-verbale Handlungsmuster kulturell zu erkennen und so die Resultate der Kommunikation auszuhandeln.
1.1.3 Von der Kommunikativen Kompetenz zur Interkulturellen Kompetenz
In den 70er Jahren sprach man von der kommunikativen Wende und forderte die Emanzipation des Lernenden. Ziele waren “die Entwicklung der Fähigkeit zur kritischen Hinterfragung sozialer Rollen und bestehender Handlungs- und Kommunikationskonventionen.“[18] Doch dem Unterricht fehlte durch die Reduktion auf bloße Sprechanlässe und durch künstliche initiierte Kommunikationssituationen der Bezug auf die reale Lebenswelt.
Die Grundbasis des Fremdsprachenunterrichts war die Annäherung von Schreib- und Lesefertigkeiten an den Muttersprachler, doch dieses Ziel hat sich im Zuge der Handlungsorientierung ins Besondere beim Sprechen als unerreichbar herausgestellt. Byram (1996) formuliert es so: “The shift of emphasis of performance in the spoken language - with the pressure and constraints of real-time production- made it clear that the native speaker model is an impossible target.“[19] So wurde auch eine soziokulturelle Komponente, die in jeder Interaktion vorhanden ist, mit in den Begriff der Kommunikationsfähigkeit eingebaut.
Anfangs wurde unter Kommunikationsfähigkeit allgemein verstanden, ”dass der Sprecher situationsgerecht und sprachlich adäquat seine Redeabsicht realisieren kann. Informationen soll er erschließen können und Kommunikationsmechanismen und -konventionen durchschauen.”[20]
Doch dieser kommunikative Ansatz ist zu reduziert und vergisst dabei den kulturbedingten Hintergrund des Landes. Knauf (1996) weist darauf hin, was in einem Dialog und Aufbau einer Kommunikation unter interkulturellen Kompetenz zu verstehen ist. Er nennt es ”die Fähigkeit des Zuhörens ohne Vorverurteilung bei Akzeptanz des Unterschiedes, bei Aushalten von Diskrepanzen und bei Abweichungen der Norm des Eigenen.”[21] Hier erkennt man gleich, dass es sich um eine Erweiterung des kommunikativen Begriffes handelt. Er meint damit auch den Prozesscharakter jeder Interaktion und sagt: “Kommunikation ist immer auch Reflexion der Bedingungen von Kommunikation, Aufspüren verborgener Bedeutungen, Bewusstmachen kulturspezifischer Voraussetzungen.”[22] Er hat die landeskundliche Dimension durch den Begriff der Cultural Studies ersetzt und damit einen entscheidenden Schritt in eine neue Richtung getan. So versteht sich der Englischunterricht als Vermittler von Sprachkompetenz und einer Handlungskompetenz in einer Kommunikationssituation, in denen ”ein Bewusstsein über Kulturunterschiede, über verschiedene Wertsysteme, Traditionen, Rituale usw.”[23] entwickelt werden soll. Ziel des Englischunterrichts ist nach seiner Ansicht die “Relativierung eigenkultureller Rollen, Verhaltensweisen und Wertkodices.“[24]
Diese kulturspezifischen Hintergründe wurde durch die neue Konzeption der Landeskunde[25] und die Cultural Studies Konzeption[26] nun auch in der Literatur diskuttiert.
Die Bedeutungsaushandlung wurde von Buttjes (1991) als “negotiating of meaning across cultures“[27] bezeichnet und ist ein wichtiges Element in jeder interkulturellen Interaktion. Sie kann sich auf die Inhalts-, Sprach- oder Verhaltensebene beziehen.
Dennoch sollte man das eigentliche Ziel der Verständigung und den Zweck diesen Austausches nicht beiseite schieben, und den Menschen selbst nicht vergessen. So schreibt Christ (1991): “Es geht ja beim Fremdsprachenlernen nicht um die Sprache bzw. die Sprachen (als System, als Korpus, als Zeichenbestand)[..], sondern es geht um das Lernen von Interaktion, Kommunikation, Verhalten in dieser Sprache.”[28] Hier bezieht er sich auf die Kommunikationskompetenz und versucht sie mit der handlungsorientierten Forderung des Spracherwerbs zu verbinden. Er hält den Situationsbezug bei der Fremdsprachenbenutzung für sehr wichtig und fordert, dass der Lerner “hörend-verstehend, lesend-verstehend, sprechend und schreibend so agieren kann, dass er Äußerungen von anderen verstehen und von ihnen, sich selbst äußernd, verstanden werden kann.”[29]
So kommt es zu einer Integration von Sprach- und Handlungskompetenz und der Erweiterung mit dem Lernziel Kulturkompetenz.[30] Buttjes (1996) macht den Versuch, die Kulturkompetenz zu definieren, indem er sie als “Einstellungen zur Sprache (Inhalt vor Sprache), zum Text (Thema vor Inhalt) und zur Kultur selbst (Bedeutung von Kultur)“[31] beschreibt.
Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Rahmenrichtlinien einzelner Länder wieder. Das Lernziel “Interkulturelle Handlungskompetenz“[32] ist z.B. in NRW für das Fach Englisch in diese aufgenommen worden. Der Kompetenzbegriff ist erweitert worden und so fordert Kramer (1999) , dass “die interkulturelle Kompetenz nicht die linguistische und kommunikative ersetzen darf, sondern dass sie die beiden letzteren durchdringen, selektieren und kombinieren müsse.”[33]
1.2 Aspekte der Interkulturellen Kompetenz
“The acquisition of a foreign language includes foreign cultural knowledge, the ability to imagine and share the ideas and feelings of foreign people in their cultural world and the learner´s own life and cultural experience.“[34]
Der Fremdsprachenunterricht hat in seiner jetzigen Konzeption nicht nur den Spracherwerb und landeskundlichen Wissenserwerb im Sinn, er muss den Lerner auch mit einem Bewusstsein ausstatten, dieses Wissen reflektieren zu können und in sein Weltbild einzuordnen. Damit tauchen Probleme auf, die mit der eigener Identität und dem Verstehen des Fremden zusammenhängen. Die nächsten Abschnitte sollen diese Aspekte des interkulturellen Kompetenz näher erläutern.
1.2.1 Kulturelle Identität
“Language actually shapes the way in which we perceive, think and therefore act.“[35]
In diesem Abschnitt möchte ich auf die unterschiedlichen Ansichten der Fremdsprachendidaktiker eingehen und die Frage untersuchen, welchen Einfluss die soziokulturellen Werte einer Gesellschaft auf die eigene Identität hat. In einer Kommunikation zwischen Kulturen benötigt ein Fremdsprachler ein Bewusstsein über die eigenen und fremden Denk- und Verhaltensmuster und muss in der Lage sein, diese in einem Verständigungsprozess zu berücksichtigen.
Meyer (1992) hat eine Definition für Interkulturelle Kompetenz formuliert:
”Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit, sich adäquat und flexibel gegenüber den Erwartungen der Kommunikationspartner aus anderen Kulturen zu verhalten, sich der kulturellen Differenzen und Interferenzen zwischen eigener und fremder Kultur und Lebensform bewusst zu werden und in der Vermittlung zwischen den Kulturen mit sich und seiner kulturellen Herkunft identisch zu bleiben.”[36]
In dieser Definition wird zwischen eigener und fremder Kultur unterschieden und als Zielsetzung die Beibehaltung der eigenen Identität gefordert.
Auch Knauf (1996) sagt, ”dass interkulturelle Kompetenz immer zuerst die Kompetenz in der eigenen Kultur ist, welche selbige ja erst ermöglicht, in kritischer Distanz und bei klarem Verstand mit seiner kulturellen Herkunft identisch zu bleiben.”[37]
So soll der Englischunterricht nach dem interkulturellen Ansatz den Lernenden dazu befähigen, seine eigene kulturelle Identität wahrzunehmen, aber im Gegenzug auch Toleranz und Offenheit gegenüber der Fremdheit anderer Kulturen bekommen. Um diesen Respekt vor anderen Identitäten und Meinungen zu bekommen, fordert Flo-Hansen (2001) die eigenen Werte aller Lernenden zu hinterfragen, “selbst wenn sie nur eine Minderheit darstellen.“[38] Interkulturelles Lernen ist also schon in einem Klassenraum mit unterschiedlichen Perspektiven und Einstellungen möglich, wenn der Lerner mittels fremdsprachlicher Literatur Zugang zu fremdkulturellen Wertvorstellungen bekommt. Um jedoch den Lerner vor Unsicherheiten oder Ängsten bei der Konfrontation mit fremden Identitäten zu schützen, will sie berechtigterweise ein stabiles Selbstkonzept als Ausgangspunkt für interkulturelles Lernen nehmen. Erst dann kann der Lerner seine Weltsicht besser relativieren, sowie erkennen, ”dass Welt verschieden erfahren und interpretiert werden kann und dass fremde Perspektiven durchaus gleichberechtigt nebeneinander stehen können.”[39]
[...]
[1] Cornelia Berthold, “Indien im Englischunterricht: ein Zugang durch Literatur,“Didaktik des Fremdverstehens, ed. Thomas Bredella & Herbert Christ (Tübingen: Narr, 1995) 145.
[2] Joybrato Mukherjee; “Interkulturelle Erstbegegnung mit der Bezugskultur Indien,“Praxis 48 (2001): 44.
[3] Christoph Edelhoff, “Kommunikative Grundlagen des Englischunterrichts,“Fremde Texte verstehen, Festschrift für Bredella zum 60. Geburtstag, ed. Herbert Christ & Michael K. Legutke
(Tübingen: Narr, 1996) 44.
[4] Das Gießener Graduierten-Kolleg“Didaktik des Fremdverstehens“ hat sich mit zahlreichen Veröffentlichungen interdisziplinär mit dem Thema und auch der Begriffsbestimmung beschäftigt. Cf. Arbeiten von Bredella & Christ (1993, 1995, 1996), Bredella, Christ & Legutke (1997), Christ & Legutke (1996), Bredella & Delanoy (1999) sowie Bredella, Meißner, Nünning & Rösler (2000).
[5] Cf. Manfred Erdmenger; Landeskunde im Fremdsprachenunterricht (Ismaning: Hueber, 1996) 49-52.
[6] Andreas Bollmann et. Alii., “Interkulturelle Kompetenz als Lernziel,“Duisburger Arbeitspapiere Ostasienwissenschaft 17 (1998) 2-3.
[7] Ute Rampillon & Helmut Reisener (ed.),“Zu diesem Heft,“
Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 1 (1991): 1.
[8] Rampillon,“Zu diesem Heft,“ 1.
[9] Webster´s New Encyclopedic Dictionary, (New York: BD & L, 1993) 201.
[10] Cf. Das Grosse Linger Universal Lexikon Bd. 9 (Köln: Linger, 1993) 2583.
[11] Cf. Herbert Christ; Fremdsprachenunterricht für das Jahr 2000. Sprachenpolitische Betrachtungen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen (Tübingen: Narr, 1991) 88.
[12] Hans-Eberhard Piepho, Kommunikative Didaktik des Englischunterrichts Sekundarstufe I (Limburg: Frankonius, 1979) 52.
[13] Cf. Hans-Eberhard Piepho; Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht
(Frankfurt am Main: Diesterweg, 1974) 7-12.
[14] Christ, Fremdsprachenunterricht, 89.
[15] Christ, Fremdsprachenunterricht, 89.
[16] Lothar Bredella, “Zielsetzungen interkulturellen Fremdsprachenunterricht,“Interkultureller Fremdsprachenunterricht, ed. Lothar Bredella & Werner Delanoy (Tübingen: Narr, 1999) 89.
[17] Jürgen Kramer, “Welche Bedeutung kommt der Anglistischen Kulturwissenschaft für das Englischlehren und -lernen zu? Eine Positionsbestimmung,“Interkultureller Fremdsprachenunterricht, ed. Lothar Bredella & Werner Delanoy (Tübingen: Narr, 1999) 60.
[18] Gerhard Neuner, “Fünfzehn Jahre Diskussion um die kommunikative Fremdsprachendidaktik- Rückblick und Ausblick“, Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 2 (1987): 75.
[19] Michael Byram, “Cultural Learning and Mobility: The educational challenge for foreign language teaching,“Interkulturelle Dimension der Fremdsprachenkompetenz, ed. Erwin Ambos (Bochum: AKS, 1996) 59.
[20] Diethelm Knauf, Cultural Studies im Englischunterricht
(Bremen: Edition Temmen, 1996) 155.
[21] Knauf, Cultural Studies, 55.
[22] Knauf, Cultural Studies, 45.
[23] Knauf, Cultural Studies, 25.
[24] Knauf, Cultural Studies, 34.
[25] Cf. Peter Doye; “Neuere Konzepte landeskundlichen Lernens“, Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 3 (1992): 4-7.
[26] Cf. Dieter Buttjes & Michael Byram; Mediating languages and cultures, (Clevedon: Mulitlingual Matters,1991) 3-17.
[27] Buttjes, Mediating languages, 9.
[28] Christ, Fremdsprachenunterricht, 86.
[29] Christ, Fremdsprachenunterricht, 86.
[30] Cf. Dieter Buttjes; “Lernziel Kulturkompetenz,“Englischunterricht, ed. Gerhard Bach & Johannes-Peter Timm (Tübingen: Franke, 1996) 84.
[31] Buttjes, “Lernziel Kulturkompetenz,“ 87.
[32] Cf. Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung der Landes Nordrhein-Westfalen (ed.) Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II - Gymnasium/Gesamtschule - in Nordrhein-Westfalen. Englisch. (Frechen: Ritterbach, 1999) 7.
[33] Kramer, “Welche Bedeutung,“ 60.
[34] Wilfried Gienow, “Verständiger werden im Englischunterricht,“Interkulturelle Kommunikation und prozessorientierte Medienpraxis im Fremdsprachenunterricht. Grundlagen, Realisierung, Wirksamkeit, ed. Wilfried Gienow & Karlheinz Hellwig (Seelze: Friedrich, 1994) 77.
[35] John C. Condon, An introduction to intercultural communication (New York: Bobbs Merrill, 1975) 171.
[36] Meinert Meyer, “Negotiating of Meaning,“Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch 3 (1992): 16.
[37] Knauf, Cultural Studies, 44.
[38] Inez de Flo-Hansen, “Zur Entwicklung interkultureller Sensibilität in einem autonomiefördernden Fremdsprachenunterricht,“PRAXIS 48 (2001): 161.
[39] Berthold, “Indien im Englischunterricht,“ 144.
- Quote paper
- Nils Krämer (Author), 2001, Interkulturelle Kompetenz durch Projektarbeit im Englischunterricht am Beispiele einer Schule in Indien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32317
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