Der Tod ist eine anthropologische Tatsache, an der kein Mensch vorbei kommt. Genauer gesagt: Die menschliche Sterblichkeit ist eine anthropologische Tatsache. Der Tod selbst „läßt sich nicht umstandslos als Erkenntnisgegenstand konstituieren“ (Macho 2000: 91), da er nicht reflektierbar ist. Was der Tod ist und wann er eintritt, ist eine Definitionsfrage, deren Antwort je nach Kultur und Zeit verschieden ausfällt. Den Tod an sich gibt es nicht, jedenfalls ist er der soziologischen Beobachtung nicht zugänglich. Was untersucht werden kann, ist der Tod als Ereignis des Lebens, der Umgang der Lebenden mit dem Tod und seine Deutung durch sie.
Nach Berger und Luckmann (1969) stellt der Tod die oberste Grenzsituation im menschlichen Leben dar. Grenzsituationen muss ein Platz innerhalb der Lebenswelt zugewiesen werden. Sie müssen mit Sinn versehen werden, damit der Mensch auch in ihrem Angesicht sein Dasein nicht als sinnlos und die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht als ungesichert und zweifelhaft empfindet. Der Tod muss demzufolge deutend legitimiert werden, um die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht ins Wanken zu bringen.
Im Großteil der Menschheitsgeschichte geschah dies mit Hilfe von Religion, wobei die jeweiligen religiösen Deutungsmuster sowohl in verschiedenen Zeiten als auch von Gesellschaft zu Gesellschaft variierten. Der Zusammenhang von Religion und Tod lässt sich leicht herstellen: Religion als die Beschäftigung mit dem Transzendenten, Nicht-Sinnlichen bietet beste Bedingungen für die Auseinandersetzung mit dem Tod als dem Ende des sinnlich erfahrbaren Lebens. Der Tod wird durch die Religion besonders wirkungsvoll legitimiert, da es aufgrund ihrer Fähigkeit zur Transzendierung durch sie möglich ist, die gesamte Wirklichkeit der Alltagswelt zu überhöhen und in einen kosmischen Bezugsrahmen zu setzen, in dem jedes menschliche Phänomen seinen festen Platz hat (Berger 1973).
Je fester die Plausibilitätsstrukturen einer Religion in der Gesellschaft verankert sind, desto effektiver kann der Tod religiös legitimiert werden. Durch gesellschaftliche Differenzierungsprozesse ist jedoch diese allumfassende religiöse Plausibilitätsstruktur in der modernen Gesellschaft nicht mehr gegeben, da zum einen die funktionale Differenzierung zu einem religiösen Monopolverlust führt und zum anderen viele Handlungs- und Erlebensfelder privatisiert und damit verbindlichen kollektiven Vorgaben entzogen werden. Infolgedessen entsteht eine Pluralität der Weltanschauungen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung, Vorgehensweise und Forschungsstand
1.2 Leistung und Struktur der Arbeit
2 Theoretische Betrachtungen
2.1 Die religiöse Situation in Deutschland
2.1.1 Die Säkularisierungsthese
2.1.2 Die Individualisierungsthese
2.2 Der Religionsbegriff
2.3 Der Tod als unvermeidbare Grenzerfahrung
2.4 Zur Legitimation des Todes
2.5 Der Zusammenhang von Religion und Tod
2.6 Der Tod in der modernen Gesellschaft
2.7 Die Kritik an der Verdrängungsthese
2.8 Zum Beitrag der Religion zur Legitimierung des Todes heute
2.9 Resümee
3 Empirische Untersuchung
3.1 Methodik
3.1.1 Religiöse Besonderheiten im Osten Deutschlands
3.1.2 Eigenpositionierung
3.2 Datenauswertung
3.2.1 Christliche Religiosität
3.2.2 Synkretistisch-esoterische Religiosität
3.2.3 Areligiosität
3.3 Gegenüberstellung der Fallbeispiele
4 Schlussbetrachtungen und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Tod ist eine anthropologische Tatsache, an der kein Mensch vorbei kommt. Genauer gesagt: Die menschliche Sterblichkeit ist eine anthropologische Tatsache. Der Tod selbst „läßt sich nicht umstandslos als Erkenntnisgegenstand konstituieren“ (Macho 2000: 91), da er nicht reflektierbar ist. Was der Tod ist und wann er eintritt, ist eine Definitionsfrage, deren Antwort je nach Kultur und Zeit verschieden ausfällt. Den Tod an sich gibt es nicht, jedenfalls ist er der soziologischen Beobachtung nicht zugänglich. Was untersucht werden kann, ist der Tod als Ereignis des Lebens, der Umgang der Lebenden mit dem Tod und seine Deutung durch sie.
Nach Berger und Luckmann (1969) stellt der Tod die oberste Grenzsituation im menschlichen Leben dar. Grenzsituationen muss ein Platz innerhalb der Lebenswelt zugewiesen werden. Sie müssen mit Sinn versehen werden, damit der Mensch auch in ihrem Angesicht sein Dasein nicht als sinnlos und die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht als ungesichert und zweifelhaft empfindet. Der Tod muss demzufolge deutend legitimiert werden, um die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht ins Wanken zu bringen.
Im Großteil der Menschheitsgeschichte geschah dies mit Hilfe von Religion, wobei die jeweiligen religiösen Deutungsmuster sowohl in verschiedenen Zeiten als auch von Gesellschaft zu Gesellschaft variierten. Der Zusammenhang von Religion und Tod lässt sich leicht herstellen: Religion als die Beschäftigung mit dem Transzendenten, Nicht-Sinnlichen bietet beste Bedingungen für die Auseinandersetzung mit dem Tod als dem Ende des sinnlich erfahrbaren Lebens. Der Tod wird durch die Religion besonders wirkungsvoll legitimiert, da es aufgrund ihrer Fähigkeit zur Transzendierung durch sie möglich ist, die gesamte Wirklichkeit der Alltagswelt zu überhöhen und in einen kosmischen Bezugsrahmen zu setzen, in dem jedes menschliche Phänomen seinen festen Platz hat (Berger 1973).
Je fester die Plausibilitätsstrukturen einer Religion in der Gesellschaft verankert sind, desto effektiver kann der Tod religiös legitimiert werden. Durch gesellschaftliche Differenzierungsprozesse ist jedoch diese allumfassende religiöse Plausibilitätsstruktur in der modernen Gesellschaft nicht mehr gegeben, da zum einen die funktionale Differenzierung zu einem religiösen Monopolverlust führt und zum anderen viele Handlungs- und Erlebensfelder privatisiert und damit verbindlichen kollektiven Vorgaben entzogen werden. Infolgedessen entsteht eine Pluralität der Weltanschauungen. Die zunehmende Verdiesseitigung des Todes und seine Herauslösung aus einem rein religiösen Bezugsrahmen entkräftet die religiöse Legitimierung zusätzlich. Die Folge davon ist, dass es auch bezüglich des Todes keine
kollektiv verbindliche Sinnstiftung mehr gibt und die Kompensation der abnehmenden Plausibilität religiöser Deutungsmuster durch alternative Deutungen fraglich ist. Dies ist einer der Gründe, weshalb für den Tod in der modernen Gesellschaft lange seine so genannte Verdrängung (Ariès 1976) konstatiert wurde. Ein weiterer Grund für diese Beurteilung liegt in den deutlichen Veränderungen im Umgang mit dem Tod im Zuge des gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahrhunderte: der medizinische Fortschritt, die zunehmende durchschnittliche Lebenserwartung oder der Wandel der Familienstrukturen sind einige der zentralen Faktoren. Sie führen insgesamt zu einem Erfahrungsdefizit in Bezug auf den Tod, da der Einzelne persönlich mit dem konkreten Tod weit seltener in Kontakt tritt, als es in früheren Zeiten der Fall war (Feldmann 1997). Hinzu kommt, dass die gesellschaftliche Differenzierung auch vor dem Tod nicht Halt macht, sondern er auf spezifische Weise in jedem gesellschaftlichen Teilssystem problematisiert wird. Als ganzheitliches Phänomen kann der Tod dadurch auf struktureller Ebene nicht mehr wahrgenommen werden (Hahn 2002; Nassehi/Saake 2004). Diese „Unsichtbarkeit“ des Todes in der modernen Gesellschaft bildet den Rahmen für die hier vorliegende Arbeit.
1.1 Fragestellung, Vorgehensweise und Forschungsstand
Die fehlende verbindliche religiöse Sinnstiftung und die zunehmende Verdiesseitigung des Todes auf der einen Seite, sowie die abnehmende Sichtbarkeit des Todes und das diesbezügliche Erfahrungsdefizit auf der anderen Seite führen zu der Frage, wie sich diese strukturellen Veränderungen auf das Bewusstsein des Individuums bezüglich der Sterblichkeitsproblematik und der Deutung des Todes auswirken. Dabei geht es im Rahmen dieser Arbeit nicht nur darum, herauszufinden, wie gerade junge Menschen den Tod wahrnehmen, sondern speziell darum, wie ihre individuelle Anschauung in Bezug auf Religion ihre Vorstellung vom Tod strukturiert und wie mit dem Problem der Sterblichkeit umgegangen wird. Zentral ist dabei die Frage nach der Existenz unterschiedlicher Deutungsmuster und ihrer Funktionsweise: Gibt es eine sinnhafte Pluralität der Deutungsmuster auch bezüglich des Todes und wenn das so ist, wie funktionieren dann die Deutungsmuster im konkreten Einzelfall? Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es dementsprechend, anhand einzelner exemplarischer Interviewanalysen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufzuzeigen und zu vergleichen, wie im Rahmen bestimmter religiöser und areligiöser Anschauungen die Sterblichkeitsproblematik mit dem Rückgriff auf ein Deutungsmuster individuell bearbeitet wird.
Unter Deutungsmuster soll inhaltlich das verstanden werden, was Alfred Schütz (1991: 112) mit dem Begriff Deutungsschemata benennt. Es handelt sich dabei um individuelle Wissensstrukturen, die dem Subjekt dazu dienen, Erlebnisse sinnhaft zu deuten und einzuordnen. In einem solchen Deutungsprozess werden individuelle Erlebnisse jedoch immer vor dem Hintergrund bereits vorhandener Erfahrungen und bestehendem, objektiviertem Wissen interpretiert und dazu in Beziehung gesetzt, so dass von einer gewissen Intersubjektivität von Deutungsmustern ausgegangen werden muss. Deutungsmuster sind (relativ) konsistent strukturiert und weisen darüber hinaus zwar eine gewisse Stabilität und zeitliche Konstanz auf, sind jedoch grundsätzlich entwicklungsoffen. Sie stehen in einem funktionalen Bezug zu objektiven Handlungsproblemen und sind somit für die Handlungsorientierung von Bedeutung (Meuser/Sackmann 1992: 19). Analysiert werden Deutungsmuster vor allem durch die Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen und Interpretationsmustern, die sich in individuellen Einstellungen, Erwartungen und Glaubensvorstellungen zeigen (vgl. Oevermann 1973). Ziel der Analyse ist es, den inneren Zusammenhang zwischen einzelnen Elementen eines Deutungsmusters herzustellen, weshalb vor allem darauf geachtet werden muss, „welche Konsistenzregeln jeweils gelten, nach denen sich Kompatibilität und Inkompatibilität der Elemente von Deutungsmustern jeweils bemessen“ (a.a.O.: 12).
Um die Fragestellung zu beantworten, wurden halbstandardisierte-leitfadenorientierte Interviews geführt und die Interviewpartner so ausgewählt, dass durch sie ein breites Spektrum an religiösen Vorstellungen abgedeckt werden konnte.[1] Dabei wurden im Vorfeld der Datenerhebung drei idealtypische Ausprägungsmöglichkeiten der unabhängigen Variable Religiosität formuliert: evangelisch-christliche Religiosität, synkretistisch-esoterische Religiosität und Areligiosität. Die Interviews wurden einer Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen, um die Deutungsmuster der Probanden anhand ihrer Äußerungen in ihrer inneren Struktur sichtbar zu machen.
Bezüglich des Forschungsstandes muss konstatiert werden, dass noch immer ein großes Defizit der wissenschaftlichen Bearbeitung des Phänomens Tod besteht. Folgende, aus dem soziologischen und psychologischen Bereich stammende Aussagen einschlägiger Autoren zur Todesthematik verdeutlichen, dass es zwischen den Jahren 1990 und 2002 wenig Veränderungen gab: „Es gibt keine Theorie, die das Erleben und Verhalten von Menschen gegenüber Tod und Sterben zu erklären versucht“ (Wittkowski 1990: 17). „Wir wissen zwar, daß das Todesbewußtsein in modernen Gesellschaften in vielfältigen Formen auftritt, doch detaillierte Kenntnisse haben wir nicht, da kaum Forschungen vorliegen“ (Feldmann 1997: 10). „Die Datengrundlage für Untersuchungen zum Thema Tod ist eher dürftig“ (Nassehi/Weber/Saake 2002: 24).
Bis vor wenigen Jahren waren die thanatologisch Forschenden der Ansicht, der Tod werde in der modernen Gesellschaft verdrängt. Zentral für diese Diagnose sind die Arbeiten von Philippe Ariès (v.a. 1976), dessen Periodisierung der Einstellungen zum Tod in der abendländischen Geschichte grundlegend ist. Ein weiterer zentraler Vertreter der Thanatologie ist Alois Hahn, dessen Arbeiten (1968, 2000, 2002) inhaltlich in Opposition zur gängigen Verdrängungstheorie stehen. Die Kernthese seiner Analyse des Todes in der modernen Gesellschaft bildet nicht die Verdrängung des Todes, sondern seine Differenzierung in Folge sozio-struktureller Veränderungen. Genannt seien auch die Untersuchungen von Ulrich Oevermann (1995, 2001, 2003), der sein universelles Strukturmodell von Religiosität an der „nicht stillstellbaren“ (2003: 5) Problematik der individuellen Bewährung aufgrund der Endlichkeit des menschlichen Lebens festmacht. Ein Überblick über die verschiedenen Ansätze innerhalb der Thanatologie, ihre theoretischen Grundlagen und die momentane Diskussion todesbezogener Probleme findet sich bei Klaus Feldmann (1997).
Zwei empirische Arbeiten, die jedoch beide bisher noch nicht veröffentlicht sind[2], scheinen thematisch der hier bearbeiteten Problematik recht nahe zu stehen. Zum einen wäre das Konstanzer Forschungsprojekt von Christine Matter zu nennen, die Todesvorstellungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ost-West-Sozialisation untersucht. Dabei werden Probandengruppen im Alter von 30 bis 35 und 70 bis 75 Jahren befragt, um herauszufinden, wie sich die Todeseinstellungen als Folge von Sozialisation in Ost- und Westdeutschland unterscheiden.[3]
Das zweite Projekt, „Todesbilder - Strukturen der Endlichkeitserfahrung in der modernen Gesellschaft“[4], wird unter der Leitung von Armin Nassehi durchgeführt. Ziel dieses Projektes „ist es nicht, ein Tableau bekannter Todesbilder im Sinne religiöser oder funktional äquivalenter Sinndeutungen des Todes in der Moderne aufzustellen; Ziel ist vielmehr, typische Formen der Thematisierbarkeit des Todes herauszuarbeiten“ (Nassehi/Saake 2002: 69). Beobachtet werden soll dabei, wie Personen Kontingenz[5] in biographischen Selbstbeschreibungen thematisieren bzw. wie Kontingenzinvisibilisierung vonstatten geht. „Nicht was der Tod bedeuten soll, steht im Fokus der Betrachtung, sondern wie es überhaupt zu Bedeutungen kommt, wie sich Texte mit eigenen Kontexturen ausstatten, innerhalb derer sie Kontingenz einschränken – und zwar ihre Kontingenz, nicht eine abstrakte Kontingenz ‚des’ Todes. Wir trachten also danach, Kontingenz methodisch kontrolliert zu beobachten und die Formen herauszudestillieren, wie sich die Anschlussfähigkeit des Todes in der Kommunikation durch die strukturierende Einschränkung der Kontingenz kommunikativ herstellt“ (Nassehi/Saake 2004: 8f.[6]). Das geschieht durch einen Perspektivenwandel von Was (vorgestellt wird)- auf Wie (die Inhalte thematisiert werden)-Fragen. Nassehi und Saake kommen dabei zu dem Schluss, dass von der Verdrängung des Todes nicht mehr gesprochen werden kann, da der Tod kommunikativ anschlussfähig, also Gegenstand fortlaufender Kommunikation sei. Außerdem haben sie bezüglich der Thematisierbarkeit des Todes drei Typen definiert: zum einen die „Unsterblichen“, in deren biographischer Selbstthematisierung der Tod nicht auftaucht; zum anderen die „Todesexperten“, bei denen der Tod eindeutig definiert wird und die dadurch zur Negation von Kontingenz und zur Ausschaltung des Zweifels gelangen; und zum dritten die „Todesforscher“, die mit der Kontingenz leben (Nassehi/Saake 2004).
1.2 Leistung und Struktur der Arbeit
Der individuelle Umgang mit Kontingenz wird auch in dieser Arbeit zur Sprache kommen. Zentral ist für die vorliegende Untersuchung jedoch folgender Punkt: Nassehi macht darauf aufmerksam, dass in den für seine Untersuchung durchgeführten Interviews alles an Vorstellungen aufgetaucht ist, „was möglich ist. Von der erwartbaren christlichen, konfessionell geprägten Vorstellung über esoterische und eklektizistische Ideen bis zur totalen Ablehnung eines Jenseitsglaubens“ (2001a: 13). Er spricht dabei von den verschiedenen Vorstellungen, als ob unzweifelhaft klar wäre, wie diese strukturiert sind. Zwar kann angenommen werden, dass in der modernen Gesellschaft von einer Pluralität der Todesbilder, also der den Tod betreffenden Deutungsmuster, ausgegangen werden muss, mit deren Hilfe versucht wird, die Problematik des Todes handhabbar zu machen. Wie jedoch diese Deutungsmuster im konkreten Einzelfall tatsächlich funktionieren, ist nach Ansicht der Autorin bisher in entsprechenden Untersuchungen vernachlässigt worden. Was genau das Individuum in seinen Äußerungen in Bezug auf den Tod als entscheidendes Problem darstellt und wie es dieses Problem bearbeitet - dazu soll die hier vorliegende Arbeit einen Erkenntnisbeitrag leisten.
Dabei werden im Rahmen dieser Arbeit eine systemtheoretisch orientierte Betrachtungsweise im Theorieteil (Kapitel 2) und ein qualitativ-individualistischer Ansatz im empirischen Teil (Kapitel 3) kombiniert. Die Begründung dafür ist folgende: Sowohl der Tod als auch die Religion sind Phänomene, die sowohl auf der gesellschaftlich-strukturellen als auch auf der individuellen Ebene zu beobachten sind. Bei beiden Phänomenen ist es im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen[7] zu einem Wandel auf der strukturellen Ebene gekommen, der sich für die Religion in der Entmonopolisierung der Kirchen und der (christlich-) religiösen Deutungsmuster und im Fall des Todes in seiner Ausdifferenzierung, Säkularisierung und Privatisierung[8] zeigt. Im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit soll auf die Bedingungen dieses Wandels eingegangen und die daraus resultierende Situation sowohl der Religion als auch des Todes in der modernen Gesellschaft dargestellt werden. Außerdem wird der Zusammenhang von Religion und Tod betrachtet. Aus diesen Darstellungen soll dann die der empirischen Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung hergeleitet werden. Der Grundgedanke der Arbeit besteht darin, dass Religion im Großteil der Menschheitsgeschichte die Deutungsbasis für den Tod bzw. die Verortung des Todes gebildet hat. Daraus leitet sich die Kernfrage ab, wie der Tod (genauer: die Sterblichkeitsproblematik) heute im Zuge oben genannter gesellschaftlicher Veränderungen, die eine religiöse Verortung des Todes nicht fraglos aufrechterhalten lassen, vom Individuum gedeutet wird. Deshalb wird anhand des erhobenen Datenmaterials im empirischen Teil der Arbeit untersucht, wie sich das heute nicht mehr eindeutige Verhältnis zwischen Religion und Tod auf der individuellen Ebene zeigt (Kapitel 3.2). Dazu wird ein qualitativ-individualistischer Ansatz verwendet. Auf diese Weise kann verdeutlicht werden, wie die individuellen Vorstellungen vom Tod beschaffen sein können und wie mit dem Wissen um die Sterblichkeit individuell umgegangen wird. Die dabei angewandte Vorgehensweise wird ausführlich im Kapitel 3.1 dargestellt. Eine vergleichende Gegenüberstellung der Fallbeispiele wird abschließend im Kapitel 3.3 vorgenommen.
2 Theoretische Betrachtungen
2.1 Die religiöse Situation in Deutschland
Dass ein Entkirchlichungsprozess, also der Rückgang traditionell institutionalisierter Religion, in Deutschland zu beobachten ist, dürfte generell unbestritten sein. Momentan sind jeweils knapp 30 Prozent der deutschen Bevölkerung der katholischen bzw. evangelischen Kirche zugehörig. 1994 waren es noch 36 bzw. 40 Prozent (Schloz 2000: 22). Eine Minderheit von 2,5 Prozent (ca. 2 Millionen) bekennt sich zu anderen christlichen Gemeinschaften (orthodoxe Kirchen oder evangelische Freikirchen). Ein weiteres Drittel (32 Prozent) der Bevölkerung gehört keiner Glaubensgemeinschaft an.[9] Im Jahr 2000 gab es etwa 3 Millionen Anhänger des Islam (3,75 Prozent der Bevölkerung) und 1999 82.000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde (0,1 Prozent der Bevölkerung). Die katholischen Kirchenaustritte beliefen sich 1999 auf 131.125, konnten jedoch durch den Zuzug ausländischer Katholiken annähernd kompensiert werden, so dass der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung relativ konstant blieb. Den 193.000 Austritten aus der evangelischen Kirche standen 1998 62.000 Eintritte gegenüber (alle Zahlen: Statistisches Bundesamt 2002: 171ff.).
Die rituelle Beteiligung ist in beiden Konfessionen rückläufig. Momentan davon noch ausgenommen ist allein die Beerdigung. Nahezu alle Katholiken und 90 Prozent der Protestanten lassen sich kirchlich beerdigen (Statistisches Bundesamt 2002: 173). Kirchliche Rituale lösen sich jedoch zunehmend von ihren religiösen Inhalten und den ihnen zugrunde liegenden Glaubensvorstellungen ab, so dass von einer Passagereligiosität gesprochen werden kann (Knoblauch 1999: 88).
Den Glauben an Gott geben Zulehner und Denz (1993) mit 63,5 Prozent für West- und 32 Prozent für Ostdeutschland an. Terwey (1998) gibt den Anteil gottgläubiger, ostdeutscher Jugendlicher zwischen 18 und 29 Jahren mit knapp 17 Prozent an. Die Shell-Studie bestätigt den Rückgang religiöser Überzeugungen bei Jugendlichen und kommt zu folgendem Schluss: „die religiöse Grundhaltung im Leben hat bei den deutschen Jugendlichen stark an Boden verloren“ (2000: 180). Die Messung individueller Religiosität ist jedoch problematischer und mehrdeutiger als die quantitative Messung von Kirchgangshäufigkeit und Ritualnutzung, da nicht eindeutig definiert ist, was unter Religiosität zu verstehen ist und, dementsprechend, wie Religiosität erfragt werden kann. Aus diesem Grund gibt es widersprüchliche Ansichten bezüglich der momentanen Rolle von Religion in Deutschland, die nachfolgend dargestellt werden.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war man innerhalb der religionssoziologischen Forschung der einhelligen Meinung, Religion und Moderne ständen in einem unüberbrückbaren Spannungsverhältnis. Die zunehmende funktionale Differenzierung und der abnehmende Einfluss des Religionssystems auf andere Funktionssysteme führten zu der Annahme, dass die gesellschaftliche Relevanz der Religion immer weiter abnähme, bis sie nur noch ein marginales Dasein führe. Diesen Vorgang beschreibt der Begriff der Säkularisierung.
2.1.1 Die Säkularisierungsthese
Ursprünglich aus der Zeit der Religionskriege stammend und „die Entlassung von Land und Eigentum aus kirchlicher Kontrolle“ bzw. „die Rückkehr einer Ordensperson in die ‚Welt’“ (Berger 1973: 102) bezeichnend, versteht Peter L. Berger unter Säkularisierung „einen Prozess, durch den Teile der Gesellschaft und Ausschnitte der Kultur aus der Herrschaft religiöser Institutionen und Symbole entlassen werden“ (a.a.O.: 103). Berger, der die Hauptfunktion der Religion darin sieht, einen allumfassenden, allgemeinverbindlichen Sinnzusammenhang herzustellen, geht davon aus, dass die Religion in der modernen Gesellschaft diese Funktion nicht mehr erfüllen kann.[10] Systemtheoretisch lässt sich dieser Prozess kurz gefasst folgendermaßen beschreiben (vgl. Luhmann 1997: 707ff.): Im Übergang zur modernen Gesellschaft kommt es zu strukturellen Veränderungen, die zu einer Zunahme des gesellschaftlichen Komplexitätsniveaus führen, die im Rahmen der bestehenden Gesellschaftsstruktur (Stratifizierung[11]) nicht mehr bewältigt werden kann. Um diese zu „Koordinationsschwierigkeiten“ (a.a.O.: 709) führende Komplexitätszunahme handhabbar zu machen, entwickeln sich neue Strukturen, die diesem Komplexitätsniveau entsprechen: Es kommt zu Spezialisierung bzw. zur Ausdifferenzierung von Funktionssystemen.[12] Die stratifizierte Gesellschaftsstruktur wird dabei von einer funktionalen Differenzierung der Gesellschaft abgelöst, die Schichteinflüssen das Funktionsprimat gegenüberstellt und erstere damit nach und nach neutralisiert. Autonome Wertsphären mit eigenen Rationalitätsstandards bilden sich heraus. Die Folge dieses Prozesses ist die zunehmende Nichtidentität verschiedener Funktionsbereiche wie Politik, Wirtschaft und Religion.[13] Die Gesellschaft unterteilt sich nun in verschiedene gesellschaftliche Teilsysteme, die aufgrund ihrer Autopoiesis[14] mehr oder weniger unabhängig voneinander agieren.[15] Der entscheidende Punkt der funktionalen Differenzierung ist damit, dass es für die nach verschiedenen Logiken arbeitenden Teilsysteme keine für alle Teilssysteme verbindliche übergeordnete „Gesamtlogik“, kein einheitliches Deutungsschema, keine zentrale Sinngebung mehr gibt.[16] Es bedarf keiner allumfassenden Legitimation alles Seienden mehr, da sich die einzelnen Funktionssysteme strukturell selbst legitimieren.
Funktionale Differenzierung geht deshalb insofern mit Säkularisierung einher, als Religion „nur“ ein Teilsystem unter anderen ist, was einer Relativierung bzw. Negierung des religiösen Universalitätsanspruches gleichkommt. Der religiöse Universalitätsanspruch ist durch die Funktion der Religion begründet, die darin besteht, „die unbestimmbare, weil nach außen (Umwelt) und nach innen (System) hin unabschließbare Welt in eine bestimmbare zu transformieren, in der System und Umwelt in Beziehungen stehen können, die auf beiden Seiten Beliebigkeit der Veränderungen ausschließen“ (Luhmann 1977: 26). Die Umwelt des Religionssystems erscheint diesem deswegen säkularisiert, weil religionsspezifische Fragen außerhalb des Religionssystems keine Relevanz haben und die anderen Teilsysteme ihm deswegen in relativer Indifferenz gegenüberstehen. Ein gesamtgesellschaftliches Ganzes zu generieren, wird aufgrund zunehmender Differenzierung unmöglich und ist aus Sicht der anderen Teilsysteme (außer der Religion natürlich) auch nicht notwendig, da außer dem Religionssystem kein System die Unbestimmtheit der Welt thematisiert. „Säkularisierung läßt sich daher als Folgeproblem eines vom Religionssystem nicht begehrten Umbaus der stratifizierten in eine funktional differenzierte Gesellschaftsordnung definieren, auf den das Religionssystem sich seinerseits einstellen muß“ (Pollack 1984: 83). Diesem Anpassungsprozess sind jedoch Grenzen gesetzt, da das Religionssystem seinen eigenen Universalitätsanspruch, also den Anspruch der unnegierbaren (weil aus der Transzendenz hergeleiteten) Bestimmbarkeit der Welt, nicht aufgeben kann. Dies (die Fixierung des eigenen Komplexitätsniveaus, während die Umwelthorizonte sich kontinuierlich erweitern) führt jedoch dazu, dass sich das Religionssystem nur begrenzt effektiv mit einer sich wandelnden Umwelt arrangieren kann und es dadurch an Adäquatheit verliert (Pollack 1984: 67).
Durch den Wegfall der allgemeinverbindlichen Plausibilitätsstruktur der Religion, ihrer Marginalisierung und Entmonopolisierung verliert sie nach Berger (1973) ihre gesellschaftliche Relevanz außerhalb der Privatsphäre und gerät in eine Glaubwürdigkeitskrise. Zur Privatsache geworden kann sich jeder seine Religion frei wählen. Durch die Entmonopolisierung der Religion entsteht eine religiös-pluralistische Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Anhängerschaft nicht mehr garantiert ist. Das heißt, dass die Religionen um ihre Anhänger „kämpfen“ müssen und sich damit in einer Marktsituation wiederfinden. Religion muss „verkauft“ werden, „und zwar an einen Kundenkreis, der zu ‚kaufen’ nicht genötigt ist“ (a.a.O.: 132).
Säkularisierung findet nach Berger dabei auf zwei Ebenen statt: Zum einen entstehen auf der strukturellen Ebene im Zuge gesellschaftlicher Differenzierung grundsätzlich nicht-religiöse Teilsysteme, wobei religiöse Inhalte aus nicht-religiösen Bereichen verschwinden. Zum anderen findet Säkularisierung auch auf einer subjektiven Ebene statt. Berger nennt dies die „Säkularisierung des Bewußtseins“ (a.a.O.: 103f.), die dazu führt, dass sich immer mehr Menschen „die Welt und ihr eigenes Dasein auch ohne religiösen Segen erklären können“ (a.a.O.: 104) und es zur Herauslösung der individuellen Lebensführung aus religiösen Deutungs- und Interpretationsmustern kommt. Dabei setzt sich eine naturwissenschaftlich geprägte, säkulare Weltsicht durch.
In den letzten Jahrzehnten geriet die Säkularisierungsthese allerdings in die Kritik, vor allem aufgrund ihrer Behauptung, der religiöse Bedeutungsverlust würde sich nicht allein auf der strukturell-institutionellen, sondern ebenso auf der subjektiven Ebene abspielen.
2.1.2 Die Individualisierungsthese
Der für die deutsche Situation wichtigste säkularisierungskritische Ansatz ist die Individualisierungsthese.[17] Ihre Grundannahme, aufbauend auf einer strikten Trennung von Religion und Kirche, besteht darin, dass im Zuge der Modernisierung zwar von einem institutionellen Bedeutungsrückgang der Religion ausgegangen werden kann, ein subjektiver Bedeutungsverlust von Religion dabei allerdings ausgeschlossen wird. Auf die Frage, ob Religion in der modernen Gesellschaft einen generellen Bedeutungsverlust erleide, antworten die Vertreter der Individualisierungsthese mit einem klaren Nein. De-Institutionalisierung und Individualisierung[18] führen nicht zu einer zunehmenden Säkularisierung des Individuums. Die Befürworter der Individualisierungsthese führen als Argument für ihre Einschätzung der Situation eine vermehrte außerkirchliche Religiosität, das Erstarken charismatisch- fundamentalistischer Bewegungen und die Vielzahl neuer religiöser Phänomene und Gruppierungen an. Durch den Zuwachs solch individueller Religionsformen wird laut Individualisierungsthese der Verlust kirchlich-institutionalisierter Religiosität ausgeglichen. Man spricht dann von einer „Wiederverzauberung der Moderne“, die jedoch im Grunde genommen nie entzaubert war, da Säkularisierung selbst zum Mythos erklärt wird (Knoblauch 1989: 504).[19] Einer der Hauptvertreter dieser Theorie ist Thomas Luckmann, der ebenso wie Berger davon ausgeht, dass moderne Religion privatisierte Religion ist, im Gegensatz zu Berger aber damit nicht auf einen allgemeinen Bedeutungsverlust der Religion schließt (Luckmann 1972). Egal wie sehr die Religion in den Privatbereich gedrängt wird und wie gering damit ihre Transzendenzspannweite auch sein mag – religiöse Sinnintegration findet auch in modernen Gesellschaften noch statt. Möglich macht ihm diese Ansicht sein weit gefasster Religionsbegriff. Für Luckmann ist Religion die Transzendierung des rein biologischen Daseins und damit „das, was den Menschen zum Menschen werden läßt“ (Luckmann 1972: 5) und dementsprechend eine anthropologische Konstante. „In meinen Augen verdienen es diejenigen Vorgänge, als wesentlich religiös angesehen zu werden, in denen ein Organismus ein historisches Wesen mit einer eigenen persönlichen Identität wird“ (Luckmann 2002: 285). Wenn Religion jedoch das ist, was den Menschen erst zum Menschen werden lässt, ist damit die Möglichkeit eines religiösen Bedeutungsverlustes von vornherein ausgeschlossen. Zwar sieht auch Luckmann den gesellschaftlichen Monopolverlust der Religion, jedoch sollte man diese „Schwächung ihrer Vorherrschaft“ (2002: 289) nicht als Säkularisierung, sondern als Auftreten einer neuen, privatisierten Form von Religion ansehen (ebd.). Anstelle eines allgemeinen Bedeutungsrückgangs der Religion steht bei Luckmann dann auch ihr Bedeutungswandel und eine damit entstehende neue Sozialform der Religion: die unsichtbare, weil ent-institutionalisierte und entspezialisierte, Religion.[20] Da „moderne Religiosität [...] weder spezifisch institutionalisiert noch als Ganzes gesellschaftlich vorgeformt“ (Luckmann 1970: 127) ist, ist sie radikal privatisiert. Jeder Sinnzusammenhang muss individuell „zusammengebastelt“ werden. Da der Einzelne im Zuge der Individualisierung und der Pluralisierung des religiösen Marktes praktisch gezwungen ist, sich seinen eigenen Sinnzusammenhang aus den unterschiedlichen Angeboten zusammenzusetzen, wird es dies auch tun. Das heißt, die abnehmende institutionell gebundene Religiosität wird durch andere, neue, nicht traditionell institutionalisierte Religionsformen kompensiert.
Diese Behauptung verdient es, überprüft zu werden. Es könnte durchaus sein, dass das Individuum zwar die Möglichkeit zur Wahl seiner eigenen Religiosität hat, dass es diese Wahlmöglichkeit aber gar nicht in Anspruch nimmt, da es (wie von der Säkularisierungstheorie behauptet) der Religiosität in der modernen Gesellschaft zunehmend indifferent gegenübersteht.[21] Der Frage, inwieweit außerkirchliche, individuelle Religionsformen wirklich genutzt bzw. geglaubt werden, sind Detlef Pollack und Gert Pickel nachgegangen (1999). Ihr Fazit: Die Zunahme der Individualisierung sowie die Abnahme christlich-institutionalisierter Religiosität lassen sich empirisch nachweisen. Allerdings lässt sich die Aussage der Individualisierungstheorie, der Bedeutungsrückgang institutioneller Religion würde durch eine Zunahme der Nutzung alternativer religiöser Angebote kompensiert werden, empirisch nicht bestätigen. „Der Rückgang der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion ist somit in allen Dimensionen festzustellen und es besteht keine grundlegende Differenzierung zwischen der institutionell geprägten Dimension und [der] individuellen Überzeugungsdimension. Einzig in die Kirche Hochintegrierte individualisieren sich etwas. Von einer Differenzierung zwischen individualisierter und institutionalisierter Religiosität kann nach diesen Belegen nicht gesprochen werden“ (Pickel 2000: 78). Das heißt, „De-Institutionalisierungsprozesse auf dem religiösen Feld [...] müssen durchaus nicht zwangsläufig Prozesse der religiösen Individualisierung nach sich ziehen. Es kann ebenso sein, dass die De-Institutionalisierung des Religiösen Haltungen religiöser Indifferenz oder der Ablehnung von Religion zur Folge hat“ (Pollack/Pickel 2000: 247). Alternative religiöse Angebote werden häufig gerade von der Kirche nahestehenden Personen genutzt. Menschen, die sich gänzlich von der Kirche abwenden, scheinen in geringerem Ausmaß auf alternative religiöse Angebote zurückzugreifen. Ebertz (2000: 99) merkt an, dass „solche privaten ‚Synkretismen’ [...] vorzugsweise unter kirchennahen Katholiken ausgemacht worden“ sind und „daß sich die Mitglieder und Sympathisanten okkulter und esoterischer Gruppen zu etwa einem Drittel aus Kirchgängerinnen und Kirchgängern rekrutieren“. Die Shell-Jugendstudie 2000 stellt fest, dass die am häufigsten angewandten spirituell-okkulten Praktiken (hier: Meditieren und Horoskope) vor allem von den katholischen Jugendlichen, am wenigsten von den Jugendlichen ohne Religionszugehörigkeit genutzt werden. Zwischen dem persönlichen Gebet und der Ausübung von spirituell-okkulten Praktiken besteht laut Shell-Studie ebenfalls eine positive Korrelation (2000: 175). Auch Pollack (1997: 219, 2000a: 25f.) konnte eine hochsignifikante Korrelation zwischen Religiosität und Kirchlichkeit nachweisen. Das heißt, dass die Abkehr von traditionell christlicher Religiosität vielfach einhergeht mit der völligen Abkehr von Religion und nicht durch die Zuwendung zu alternativen Religionsformen kompensiert wird.[22]
Weitere zentrale Kritikpunkte an der Individualisierungsthese sind die Weite des verwendeten Religionsbegriffes und der von den Vertretern dieser These konstatierte „religiöse Boom“[23] außerkirchlicher Religiosität. Diesbezüglich wird eingewendet, dass entsprechende Prozesse überschätzt werden und nicht in der Lage sind, die Verluste der traditionellen Religionsformen zu kompensieren (vgl. Pollack 2000a: 22ff.). Die Shell-Jugendstudie von 2000 gelangt beispielsweise in der Frage, inwieweit spirituell-okkulte Praktiken[24] von Jugendlichen genutzt werden, zusammenfassend zu folgender Ansicht: „Bei allen Vorgaben des Bereichs der spirituell-okkulten bzw. abergläubischen Praktiken gibt nur ein kleiner Teil der Befragten an, daß er sie ausübt. Aus diesem Grunde fassen wir die Antwortkategorien ‚sehr oft’, ‚oft’ und ‚selten’ zusammen, um sie der großen Mehrheit derer gegenüberzustellen, die sie nie ausüben. [...] Nur ein sehr kleiner Teil der Jugendlichen befaßt sich mit mehreren dieser Praktiken mindestens hin und wieder; ein einschlägiges Milieu ist also, wenn es denn existiert, sehr klein“ (Shell 2000: 174).[25] Barz stellt in seiner Untersuchung ebenfalls eine große Unkenntnis und fehlendes Interesse in Bezug auf esoterisch-okkulte Vorstellungen und Praktiken, vor allem bei den Jugendlichen in den neuen Bundesländern, fest (1993: 178ff.).
Die Vertreter der Individualisierungstheorie reagieren auf diese Einwände, indem sie den z.B. von Pollack und Pickel verwendeten Religionsbegriff dahingehend kritisieren, dass dieser nicht geeignet sei, moderne Formen von Religiosität zu erfassen. Beispielhaft findet sich diese Kritik am „viel zu engen Religionsbegriff (und einem viel zu unsensiblen methodischen Apparat)“ bei Knoblauch (2002: 296) sowie bei Wohlrab-Sahr und Krüggeler (2000). Dort heißt es: „Man kann am Ansatz Luckmanns zwar kritisieren, dass ein solch weiter Religionsbegriff problematisch, weil nicht mehr trennscharf und überdies empirisch kaum überprüfbar sei. Man kann aber nicht eine Theorie, die auf einem weiten Religionsbegriff basiert, mit einer engen Operationalisierung widerlegen“ (2000: 241). Das ist sicherlich richtig, wobei wohl jeder alternative Religionsbegriff im Vergleich zu Luckmanns den Vorwurf „zu eng gefasst“ aushalten muss. Problematisch ist jedoch, dass die Luckmannsche Religionstheorie damit grundsätzlich nicht widerlegbar ist. „Es ist eine Blindstelle der Individualisierungsthese, dass sie die Möglichkeit zur Einnahme areligiöser oder religiös gleichgültiger Orientierungen nicht erlaubt“ (Pollack/Pickel 2000: 247).
Die Diskussion um den Religionsbegriff bestimmt damit den zentralen Punkt in der Debatte um den momentanen Stand der Religion in Deutschland (bzw. Europa).[26] Falls eine der beiden theoretischen Perspektiven auf Religion die tatsächliche momentane Situation in Deutschland adäquater beschreibt als die andere, soll an dieser Stelle nicht darüber geurteilt werden, welche der beiden das ist. Stattdessen wird vermutet, dass die unterschiedlichen Ansichten über die Rolle der Religion sich vor allem auf die Verwendung verschiedener Religionsdefinitionen auf beiden Seiten zurückführen lassen. Wenn nicht eindeutig geklärt ist, was unter Religion zu verstehen ist und was als religiöses Phänomen betrachtet werden muss, kann es keine adäquate Beschreibung der religiösen Situation in westlichen Gesellschaften geben. Im Folgenden soll diese Problematik noch einmal kurz aufgegriffen und danach der hier verwendete Religionsbegriff vorgestellt werden.
2.2 Der Religionsbegriff
Eine allgemein akzeptierte Definition von Religion gibt es nicht. Das Phänomen Religion zu definieren ist kein einfaches Unterfangen, wie die große Anzahl verschiedener Religionsdefinitionen zeigt.[27] Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Definitionsansätze unterscheiden: funktionale und substantiale. Bei der Verwendung ersterer wird nach dem Problemlösungspotential bzw. der Leistung von Religion gefragt. Leistungen können dabei beispielsweise Kontingenzbewältigung, Legitimation (durch letztgültige, nicht hinterfragbare und deshalb kontingenzabweisende Glaubenssätze), Integration (über gemeinsame Vorstellungen oder gemeinsamen Sinn) oder Kompensation (Bewältigung von Krisensituationen, Angst, Ungerechtigkeit) sein. Substantiale Definitionen betrachten dagegen die inhaltlichen Charakteristika von Religion (Knoblauch 1999: 114ff.). Erstere erschweren durch die Möglichkeit der Existenz funktionaler Äquivalente die Abgrenzung von nicht-religiösen Phänomenen, wogegen Letztere Gefahr laufen, Religion zu eng zu fassen und so bestimmte Phänomene von vornherein von der wissenschaftlichen Untersuchung von Religion ausschließen. Es ist noch immer strittig, anhand welcher Merkmale Religion zu identifizieren und damit von anderen Untersuchungsbereichen abzugrenzen ist. Das Problem besteht darin, nicht zu viel und nicht zu wenig unter dem Begriff Religion zusammenzufassen. „An einen zu entwickelnden Religionsbegriff wäre dann also die Forderung zu richten, dass er auf der einen Seite so weit ist, dass nichts aus seinem Definitionsbereich herausfällt, und auf der anderen Seite so eng, dass er nichts Wesensfremdes in seinen Gegenstandsbereich aufnimmt. Das heißt, bei der Definition von Religion kommt es darauf an, Universalität und Konkretheit bzw. Allgemeinheit und Bestimmtheit auf eine solche Weise miteinander zu verbinden, dass keines auf Kosten des anderen geht“ (Pollack 2000: 61, Hervorhebungen im Original).
Die soziologische Betrachtung von Religion war lange Zeit auf das jüdisch-christliche Verständnis und kirchliche Institutionen beschränkt. Um das zu vermeiden, war eine Ausweitung des Religionsbegriffes notwendig. Luckmanns Religionsbegriff stellt eine solche Ausweitung dar. Moderne, „unsichtbare“, also nicht-institutionalisierte Religiosität kann dann auch über originär nicht-religiöse Strukturen transportiert werden. So umfasst Luckmanns Konzept der Religion „auch weitaus weltlicher erscheinende Formen von Weltanschauungen, Praktiken und Erfahrungen: Die Verehrung von Idolen, wie etwa Elvis Presley, könnte hier genannt werden, die kollektiven Rituale von Fußballfans oder der Glaube an UFOs“ (Knoblauch 2003: 45). Mit seiner vehementen Kritik an einem auf das jüdisch-christliche Verständnis und kirchliche Institutionen beschränkten Religionsbegriff hat Luckmann den Weg bereitet für eine neue, vielfältigere Sichtweise auf Religion und vor allem auf religiöse Phänomene, die außerhalb traditioneller Formen bestehen. Die Innovation und Relevanz dieses Perspektivenwechsels ist nicht zu bestreiten. Im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit wird daher davon ausgegangen, dass die Luckmannsche Ausgangsüberlegung, nicht nur traditionell institutionalisierte Religion sei Religion, heute weitgehend akzeptiert ist. Deswegen könnte es für den Moment möglicherweise fruchtbar sein, zu einem etwas konkreteren Religionsbegriff zurückzukommen, bei dem Religion nicht als anthropologische Konstante betrachtet wird.
Wie wird nun Religion im Rahmen dieser Arbeit definiert? Folgende Punkte sind für die hier zugrunde liegende Anwendung des Religionsbegriffes entscheidend: der Fokus auf die kognitive Komponente von Religiosität, die Ablehnung eines anthropologischen Religionsbegriffes sowie die Einschränkung des Transzendenzbegriffes.
Von zentralem Interesse ist erstens die kognitive Komponente von Religiosität, also die explizite religiöse Weltdeutung, da herausgefunden werden soll, wie diese sich auf die individuelle Vorstellung vom Tod auswirkt.[28] Allerdings wird dabei nicht in erster Linie auf die subjektive religiöse Selbstzuschreibung (also ob sich eine befragte Person selbst als religiös bezeichnet oder nicht) der einzelnen Interviewpartner zurückgegriffen, da diese auf einer ganz eigenen Definition beruhen kann.[29] Zweitens wird eine Anlehnung an Definitionen, die einen sehr weiten Religionsbegriff verwenden und dabei Religion als anthropologische Konstante betrachten, hier abgelehnt. Grundsätzlich soll theoretisch die Möglichkeit von Areligiosität bzw. religiöser Indifferenz (und damit auch die Frage nach einer möglichen nicht religiösen Form der Auseinandersetzung mit dem Tod) offen gehalten werden. Aus diesem Grund wird in der Arbeit auf die Konzeption von Religiosität von Pollack (2000) zurückgegriffen, der eine Synthese von funktionaler und substantialer Betrachtungsweise vorschlägt. Im Anschluss an die Systemtheorie sieht Pollack in der Kontingenz das spezifische Bezugsproblem der Religion. „Wenn die Frage auftaucht, warum etwas so ist, wie es ist, wenn die Frage nach dem Grund und Sinn des Geschehens gestellt wird, dann handelt es sich natürlich nicht ausschließlich um eine religiöse, sondern partiell auch um eine wissenschaftliche, philosophische und existenzielle Frage. Die Sinnfrage bietet Anschlüsse nach vielen Seiten. Für die Religion ist sie insofern relevant, als sie die prinzipiell unaufhebbare Ungesichertheit des Daseins thematisiert“ (Pollack 2000: 73f.). Da es somit funktionale Äquivalente zur religiösen Möglichkeit der Kontingenzbewältigung gibt[30], reicht ein rein funktionaler Religionsbegriff jedoch nicht aus, da dieser dann auch diese funktionalen Äquivalente in die Definition der Religion einbeziehen müsste und dabei das spezifisch Religiöse verloren ginge. Demnach ist es nötig, auch inhaltliche Kriterien in die Betrachtung von Religion mit einzubeziehen. Der alleinige Bezug auf die bloße Unterscheidung Immanenz/Transzendenz erscheint dabei wenig hilfreich. Stattdessen müsste der Transzendenzbegriff spezifiziert werden. Um dies zu verdeutlichen, soll Luckmanns Zusammenhang von Religion und Transzendenz noch einmal herangezogen werden:
„Religion ist keine vorübergehende Phase in der Evolution der Menschheit. Sie ist ein universales Merkmal der Conditio humana; sie verarbeitet Transzendenz. In der alltäglichen Erfahrung begegnen wir zwei Ebenen der Transzendenz: den fortlaufenden kleinen Transzendenzen, die durch die Grenzen von Raum und Zeit auferlegt werden, und den mittleren Transzendenzen, die sich aus der Andersheit unserer Mitmenschen ergeben. In Träumen, Ekstasen, Meditationen, extremen Schmerzen und im Angesicht des Todes stoßen wir hingegen an die Grenzen des Alltagslebens selbst und machen Erfahrungen der großen Transzendenzen. Die Ausbreitung der Säkularisierung markiert das Auftreten einer historisch besonderen Form der Religion - ihrer privatisierten sozialen Form. Religion wurde zum Glauben, Moral zum Gewissen, beides sozial definierte subjektive Wirklichkeiten. Die ‚Inhalte’ der privatisierten Sozialform der Religion werden über das Fernsehen, eine breite ‚devotionale’ Literatur sowie populärwissenschaftliche Bücher verbreitet. Sie zeichnen sich durch eine Verlagerung der Transzendenzen aus, die sie bewältigen - von den großen zu den mittleren und vor allem den kleinen“ (Luckmann 2002: 285). Übrig bleibt dabei eine Religion, „die wenig mehr verehrt als das zügellose, quasi-autonome Selbst“ (Luckmann 2002: 292).
Das Problem in den religionsbestimmenden Transzendenzen bei Luckmann scheint zu sein, dass man bei der Frage, was hier eigentlich in den einzelnen Transzendenzspannweiten jeweils transzendiert wird, immer auf das Subjekt kommt. In dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Transzendenzbegriff soll jedoch die diesseitige Welt als Ganzes transzendiert werden, um das Phänomen Religion von einem unvermeidbaren Prozess wie dem der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit[31] abzugrenzen. Von zentraler Relevanz für die Definition von Religion bleibt dementsprechend zwar einerseits die Unterscheidung Immanenz/Transzendenz. Andererseits soll jedoch nicht jede Form von Transzendenz als religiös gelten. Entscheidend ist deswegen drittens, dass nicht das einzelne Individuum transzendiert wird, sondern die Welt als Ganzes im Sinne Bergers „sacred canopy“.[32] Im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft ist eine Vielzahl verschiedener „sacred canopies“ dabei unvermeidlich. Das heißt, dass Bergers Komponente der gesamtgesellschaftlich allgemeingültigen Akzeptanz hier nicht zutreffen kann. Eines sollten die verschiedenen „sacred canopies“ jedoch gemeinsam haben: Für den Einzelnen (und einen mehr oder weniger großen Kreis an Gleichgesinnten, die bestätigend wirken) muss das die Immanenz transzendierende Prinzip universell gültig sein. Je nach Grad der Konkretheit eines speziellen religiösen Deutungsmusters und der jeweiligen Fähigkeit, mit Kontingenz umzugehen, kann die universelle Gültigkeit mit der Pluralität (zumindest bis zu einem bestimmten Grad) vereinbart werden. Viertens soll die Unterscheidung Immanenz/Transzendenz nur dann als religiös gelten, wenn die Transzendenz explizit relevant für die Immanenz ist.[33] Sie muss der Immanenz „zugänglich, erfahrbar, kommunikabel“ (Pollack 2000a: 19) gemacht und dadurch in diese zurückgeholt werden. Wie dies im Einzelnen sowohl inhaltlich als auch praktisch geschieht, kann ebenfalls variieren. Religion soll damit davor bewahrt werden, als unbewusster und unvermeidbarer Prozess, dem das Subjekt mehr oder weniger uneingeschränkt ausgeliefert ist, angesehen zu werden. Dass Religion sozialisatorisch übernommen werden kann, ohne hinterfragt zu werden, wird damit nicht bestritten.
2.3 Der Tod als unvermeidbare Grenzerfahrung
Da alle Lebewesen früher oder später sterben müssen, gilt Sterblichkeit als biologische Tatsache. Das menschliche Bewusstsein dieser Sterblichkeit führt unter anderem dazu, dass der Einzelne sich mit der Tatsache der Vergänglichkeit und der Endlichkeit des Lebens, wie wir es kennen, auf die eine oder andere Art auseinander setzen muss, da die Konfrontation mit dem Tod unausweichlich ist. „Universal ist nicht nur die Tatsache des Todes, sondern auch der Zwang zu seiner Deutung und Bewältigung“ (Hahn, zitiert nach Breuer 1989: 1). Der Gewissheit des Todes, die sich aus der Erfahrung des Todes des jeweils Anderen generiert bzw. der sozialen Überlieferung dieser Erfahrung, steht eine absolute Ungewissheit gegenüber, da der Tod selbst nicht erlebt und reflektiert werden kann. „Der Tod ist kein Ereignis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht“ (Wittgenstein, zitiert nach Baumann 1995: 11).[34] Aber gerade diese Nicht-Zugänglichkeit ist es, die eine Auseinandersetzung mit dem Tod erforderlich macht, weil der Mensch versucht, das für ihn Unbestimmbare bestimmbar zu machen (Nassehi 2001a: 2). Der Tod ist also nur diskursiv bzw. in der Beobachtung erfahrbar, somit jedoch auch der wissenschaftlichen Analyse zugänglich. Es muss dabei die Unterscheidung gemacht werden zwischen dem Tod als biologischem Fakt und dem Tod als psychisch zu bearbeitendem Phänomen. Untersucht werden kann nur der Tod als Ereignis des Lebens, der Umgang der Lebenden mit dem Tod und seine Deutung durch sie.
Nach Berger und Luckmann (1969: 103ff., 167) stellt der Tod die wichtigste Grenzsituation im menschlichen Leben dar. Grenzsituationen sind „Situationen jenseits der Wirklichkeit des Alltagslebens in der Gesellschaft“ (a.a.O.: 103) und stellen damit die größte Bedrohung der als unhinterfragt bestehenden und als selbstverständlich vorausgesetzten Alltagswelt dar. Die zweifelsfreie Wirklichkeit der Alltagswelt schützt den Menschen vor Anomie und Chaos, sie gibt uns die Sicherheit einer intersubjektiv geteilten, objektiven Wirklichkeit. Das Eintreten von Grenzsituationen kann diese oberste Wirklichkeit ins Wanken bringen. Da am Tod die prinzipielle Kontingenz und der konstruktive Charakter der Wirklichkeit offensichtlich werden und er damit die größte Bedrohung für die Gewissheit der Alltagswelt ist, ist „die Integration des Todes in die oberste Wirklichkeit des gesellschaftlichen Daseins [...] für jede institutionale Ordnung von größter Wichtigkeit“ (a.a.O.: 108). Berger und Luckmann sehen im Tod ein soziales Problem, wenn es nicht gelingt, dem Offenbarwerden der Kontingenz durch eine integrative Legitimation des Todes entgegenzuwirken und auf diese Weise die sichere Gewissheit der Wirklichkeit zu bewahren. Mit Hilfe symbolischer Sinnwelten, „die verschiedene Sinnprovinzen integrieren und die institutionale Ordnung als symbolische Totalität überhöhen“ (a.a.O.: 102), wird den Grenzsituationen ein Platz innerhalb unseres Bezugssystems zugewiesen. Sie werden mit Sinn versehen, damit der Mensch auch im Angesicht von Grenzsituationen sein Dasein nicht als sinnlos und damit die Wirklichkeit der Alltagswelt nicht als ungesichert und zweifelhaft empfindet.
Je fester bzw. objektivierter ein gemeinsames Bedeutungssystem ist, in dem auch der Tod seinen festen Platz hat, desto weniger problematisch ist sein Auftreten, desto geringer sein Potential, die Wirklichkeit der Alltagswelt zu gefährden.
2.4 Zur Legitimation des Todes
Die integrative Legitimation des Todes enthält dabei zwei Aspekte. Zum einen handelt es sich um eine kognitive, weltanschauliche und zum anderen um eine praktische Dimension. Letztere zeigt sich in den Riten, die eine Gesellschaft bezüglich des Todes entwickelt. Riten sind Ausdruck der Einbettung des Individuums in ein soziales Gefüge, welches über den Einzelnen hinausgeht (Hylland Eriksen 2000: 67; Hendry 1999: 66f.). Durch ihren regelhaften, verhaltensvorschreibenden Charakter dienen sie der Integration und dem möglichst reibungslosen Funktionieren der Gesellschaft. Für das Individuum stellt ein durch Riten strukturiertes, verbindliches Verhaltenssystem Orientierung und Komplexitätsreduktion dar, was vor allem in Krisensituationen sehr hilfreich sein kann. Die Krisensituationen begleitenden Emotionen können mit Hilfe von Riten kanalisiert und damit in ihrer potentiellen Gefahr für das Kollektiv abgeschwächt werden.
Arnold van Genneps Modell der Übergangsriten (vgl. Hendry 1999: 68ff.) beispielsweise bezeichnet den Übergang eines Individuums von einer sozialen Welt bzw. Kategorie in eine andere und besteht aus drei Phasen. Die erste Phase kennzeichnet die Abtrennung des Individuums von seinem bisherigen Status, vom Alltag und von der Gruppe. In der zweiten, der Übergangs- bzw. Transitionsphase findet der eigentliche Wechsel von einem Zustand in den anderen statt. Die dritte Phase besteht aus der Wiedereingliederung des Individuums, welches nun einen völlig neuen Status mit entsprechenden Rechten und Pflichten innehat, in die Gruppe (bzw. im Todesfall in eine neue Gruppe). Symbolisch betrachtet wird in den Übergangsriten das Werden und Vergehen dargestellt. Jeder Ritus ist ein soziales Sterben und die Wiederauferstehung in einem neuen Status. Dadurch kann sich die Gesellschaft reproduzieren - während die einzelnen Mitglieder im Laufe ihres Lebens wechselnde Statuspositionen einnehmen, bleiben die gesellschaftlichen Strukturen weitgehend unverändert bestehen. Gleichzeitig wird in diesen Riten bzw. durch deren öffentlichen Charakter die Gesellschaft in das Bewusstsein des Einzelnen geholt (Hylland Eriksen 2000: 146).
Der Tod selbst wird ebenfalls als Übergang in einen anderen Zustand betrachtet, der rituell geregelt werden muss, um in den Lebenslauf eingeordnet werden zu können. Todesriten dienen der „Wiederherstellung der durch den Tod gestörten Ordnung“ (Assmann 2002: 22) und basieren aufgrund ihrer Phasenhaftigkeit auf einer Temporalisierung des Todes und der Trauer.
Auf der kognitiv-weltanschaulichen Ebene wurde nach Berger die Integration, die Sinngebung des Todes im Großteil der Menschheitsgeschichte mit Hilfe der Religion vollzogen und der Tod dadurch legitimiert. „Religion legitimiert Wirklichkeit besonders wirkungsvoll, weil sie die ungesicherten Wirklichkeitsstrukturen ‚wirklicher’ Gesellschaften mit einer äußersten und obersten Wirklichkeit verknüpft“ (1973: 32).
2.5 Der Zusammenhang von Religion und Tod
Nach Berger (1973) ist es der Religion aufgrund ihrer Fähigkeit zur Transzendierung möglich, die gesamte Wirklichkeit der Alltagswelt zu überhöhen und in einen kosmischen Bezugsrahmen zu setzen. Religion ist damit die oberste Sinnwelt und alle menschlichen Phänomene erlangen durch sie ihren Platz in diesem kosmischen, „unsterblichen“ Bezugssystem. Dabei wird immer auch das menschliche Einzeldasein in einen allumfassend transzendierenden und durch seinen ultimativen, unnegierbaren Charakter der Ordnung der Dinge kontingenzabweisenden Kontext gestellt und ihm damit trotz seiner eigenen Sterblichkeit ein, in der Gesamtheit fortbestehender, sinnvoller Platz gegeben.
Auch andere Autoren sehen einen relevanten Zusammenhang zwischen Religiosität und Tod. Malinowski, als Begründer der funktionalistischen Perspektive, geht davon aus, dass alles soziale Verhalten als Antwort auf verschiedene menschliche Bedürfnisse betrachtet werden kann (Hendry 1999: 123). Religion entsteht demnach „aus den wirklichen Tragödien des menschlichen Lebens. Die Quelle religiöser Glaubensvorstellungen besteht in der Tatsache des Todes und den schweren Lebenskrisen“ (Knoblauch 1999: 74). Nach Malinowski führt jede (sowohl reale als auch antizipierte) Konfrontation mit dem Tod zu einer hohen emotionalen Belastung, für deren Handhabung und Abbau rituelle Lösungen entwickelt werden müssen. Dabei wirkt die Religion „den zentrifugalen Kräften der Angst, des Schreckens, der Demoralisation entgegen und liefert die wirkungsvollsten Mittel zur Reintegration der erschütterten Solidarität der Gruppe“ (Malinowski, zitiert nach Feldmann 1997: 18).
[...]
[1] Eine ausführliche Beschreibung der Methodik befindet sich im Kapitel 3.1.
[2] Berücksichtigt werden können hier von daher nur die bisher im Internet zugänglichen Informationen über die Arbeitsstände.
[3] Vgl. Märkische Oderzeitung vom 7.7.2003: 15. Auf persönliche Anfrage wurde durch Frau Matter bestätigt, dass schriftliche Ergebnisse noch nicht vorliegen.
[4] DFG-Projekt Na 307/2-2; Informationszentrum Sozialwissenschaften Bonn, Datenbank FORIS, Erfassungsnummer: 20013175; vgl. http://www.lrz-muenchen.de/~ls_nassehi; Das Folgeprojekt „Todesbilder - Eine quantitative Untersuchung von Kontexturen der Kontingenzerfahrung“ läuft (laut DFG-Forschungsantrag) seit Januar 2003.
[5] Kontingenz bedeutet, „dass etwas so ist, wie es ist, und doch anders sein könnte, dass etwas zwar möglich, aber nicht notwendig ist“ (Pollack 2000: 73). Dahinter steht die Vorstellung, dass die Welt, „ein unermeßliches Potential für Überraschungen“ (Luhmann 1997: 46), grundsätzlich aufgrund einer Überfülle an Komplexität unabschließbar ist (Potentialität). Damit etwas wie „Welt“ überhaupt konstruiert werden kann, müssen Unterscheidungen getroffen und Bezeichnungen vorgenommen werden (Aktualität), die prinzipiell auch anders hätten getroffen werden können und damit kontingent sind.
[6] Dieses demnächst zu veröffentlichende Manuskript wurde der Autorin von Hubert Knoblauch zur Verfügung gestellt.
[7] Gemeint sind bestimmte, nicht von der Hand zu weisende Faktoren wie zunehmende gesellschaftliche Differenzierung und Mobilisierung, Industrialisierung, Urbanisierung, Pluralisierung, Bildungsexplosion, gesteigerter Wohlstand, der Übergang von der Groß- zur Kernfamilie u.a.. Das Theorem der funktionalen Differenzierung ist dabei von entscheidender Bedeutung. Zur funktionalen Differenzierung vgl. v.a. Luhmann (1997).
[8] Dazu ausführlicher Kapitel 2.6 bis 2.8.
[9] Die Höhe des Bevölkerungsanteils, der keiner Glaubensgemeinschaft angehört, lässt sich zu einem großen Teil auf die weit verbreitete Nicht-Kirchlichkeit in den neuen Bundesländern zurückführen. Rückläufige Kirchenmitgliedschaftszahlen in Deutschland müssen deswegen immer auch als statistischer Effekt im Zuge der Wiedervereinigung betrachtet und nach Ost- und Westdeutschland differenziert werden. Die Konfessionslosigkeit nimmt jedoch auch in Westdeutschland zu. Zwischen 1970 und 1994 stieg der Anteil der Konfessionslosen im Westen Deutschlands von 3,9 auf 11,7 Prozent (Schloz 2000: 23). In Ostdeutschland stieg die Zahl der Konfessionslosen zwischen 1991 und 1994 von 64,7 auf 68,3 Prozent (ebd.).
[10] „Wie ‚wirklich’ private Religiosität auch für den einzelnen sein mag, die klassische Aufgabe der Religion, eine gemeinsame Welt zu errichten, die dem ganzen gesellschaftlichen Leben seinen letzten und für jedermann verbindlichen Sinn gibt, kann sie nicht mehr erfüllen“ (Berger 1973: 128).
[11] Damit wird eine Gesellschaftsstruktur bezeichnet, die auf einer vertikalen Schichtung der Gesellschaft (z.B. die mittelalterliche Ständegesellschaft) basiert.
[12] Wodurch einerseits aufgrund von Redundanzverzicht Komplexität reduziert, gesamtgesellschaftlich betrachtet die Komplexität allerdings weiter zunimmt und auch innerhalb eines Funktionssystems eben aufgrund von Redundanzverzicht die Möglichkeit zur weiteren Komplexitätssteigerung besteht, da sich die Teilssysteme auf ein bestimmtes Bezugsproblem und dessen Lösung konzentrieren können. Durch interne Differenzierung im Teilssystem wird danach getrachtet, das Bezugsproblem auf immer effizientere Weise zu bearbeiten.
[13] Diese „Entzauberung der Welt“ wird beispielhaft bei Max Weber (1920) beschrieben. Weber macht dabei darauf aufmerksam, dass Religion nicht nur abhängige Variable des gesellschaftlichen Wandels ist, sondern erst einmal (bei Weber v.a. durch die Reformation und den Calvinismus) zur gesellschaftlichen Rationalisierung beiträgt. Mit zunehmender Rationalisierung wird die Religion dann jedoch Opfer derselben.
[14] Autopoiesis bedeutet, „daß alles, was in einem System als Einheit fungiert - Element, Operation, Struktur, Grenze - sich den eigenen Produktionsprozessen des Systems verdankt und daß auf dieser Ebene der Produktion der systemkonstitutiven Einheiten kein Import von Fremdmaterial möglich ist und insofern das System als ein (operativ und strukturell) geschlossenes zu verstehen ist“ (Stichweh 1999: 216).
[15] Dass ein Teilsystem nicht vollständig unabhängig von den restlichen gesellschaftlichen Teilsystemen agiert, ist auf die strukturellen Kopplungen zwischen den einzelnen Teilssystemen zurückzuführen, da Teilssysteme auf Leistungen anderer Teilsysteme angewiesen sind. Das heißt, dass Vorgänge im Teilsystem X als Irritationen im Teilsystem Y wahrgenommen werden und zu einer Reaktion von Teilssystem Y führen können. Dies garantiert einen gewissen Grad an gesellschaftlicher Integration (Luhmann 1997: 776ff.).
[16] Luhmann nennt dies eine Gesellschaft ohne Zentrum und ohne Spitze (1997: 768).
[17] Ein weiterer säkularisierungskritischer Ansatz kommt aus den USA und geht von der Vereinbarkeit von Moderne und Religion aus (vgl. Stark/Iannaccone (1994), Warner (1993)). Da die amerikanischen Verhältnisse jedoch zum einen mit den europäischen nicht vergleichbar sind (Oevermann 2003: 1; Luckmann 1991: 66) und zum anderen für diese Arbeit keine entscheidende Rolle spielen, wird hier nicht näher auf das amerikanische Marktmodell eingegangen.
[18] Individualisierung lässt sich als zunehmende Selbstbestimmung bei gleichzeitig abnehmender Fremdbestimmung des Individuums beschreiben (Pollack/Pickel 1999: 467). Individualisierung nach Ulrich Beck bedeutet, „dass die Biografie der Menschen aus vorgegebenen Fixierungen herausgelöst, offen, entscheidungsabhängig und als Aufgabe in das individuelle Handeln jedes Einzelnen gelegt wird. Die Anteile der prinzipiell entscheidungsverschlossenen Lebensmöglichkeiten nehmen ab, und die Anteile der entscheidungsoffenen, selbst herzustellenden Biografie nehmen zu“ (Beck, zitiert nach Pollack/Pickel 2000: 245). Jedoch sind die Auffassungen dazu, was der Individualisierungsbegriff eigentlich beschreibt, nicht einheitlich. Zur Problematik der Operationalisierung von Individualisierung siehe auch Jagodzinski/Klein (1998).
[19] An dieser Stelle soll bereits kurz angemerkt werden, dass eine solche Einschätzung der spezifischen Religionsdefinition zugeschrieben werden muss. Säkularisierung zum Mythos zu erklären, lässt sich nach Ansicht der Autorin nicht vereinbaren mit einer Religionsauffassung, in der das Theorem der funktionalen Differenzierung von zentraler Relevanz ist (vgl. Fußnote 26).
[20] „Unsichtbare Religion“ bezeichnet „einen zunehmenden Synkretismus, die Pluralität und die Marktorientierung der religiösen Institutionen einerseits, die Privatisierung, ‚Bricolage’ und ‚Subjektivierung’ religiöser Glaubensformen andererseits“ (Knoblauch 1989: 505).
[21] Vgl. Daiber (1995: 41f.); Der Autor überprüft die Wichtigkeit verschiedener Lebensbereiche (für Deutschland) und stellt fest, dass die Relevanz des Bereiches „Religion und Kirche“ weit hinter Bereichen wie „Familie und Kinder“ oder „Arbeit und Beruf“ zurückliegt.
[22] „Nur eine Minderheit von etwa 10% der Konfessionslosen behauptet von sich, um einer anderen religiösen Überzeugung willen aus der Kirche ausgetreten zu sein [...]. Weitaus mehr geben an, daß sie aus der Kirche ausgetreten seien, da sie in ihrem Leben keine Religion brauchen oder da sie mit dem Glauben nichts mehr anfangen können“ (Pollack 2000a: 26).
[23] Vgl. Krech (1998: 435); Die „Beobachtung einer religiösen Resakralisierung“ macht auch Knoblauch (20002: 295), der von einer „wundersame[n] Wiederbelebung des religiösen Lebens“ (2003: 17) spricht und die These der Entdifferenzierung von Kultur und Religion aufstellt.
[24] Als Praktiken waren vorgegeben: Meditieren, Horoskop stellen, Horoskop stellen lassen, I Ging/ Karten legen pendeln, Warzen besprechen, Geisterbeschwörung/ Séance sowie Beschwörungs-/ Zauberhandlungen.
[25] Von den vorgegebenen Praktiken führten 76 Prozent der befragten Jugendlichen keine aus, 14 Prozent führten eine, 5 Prozent zwei, 2 Prozent drei und 1 Prozent vier Praktiken aus.
[26] Auch Pollacks Einwand, es sei verwunderlich, dass die Vertreter des individualisierungstheoretischen Ansatzes der funktionalen Differenzierung zustimmen, „denn das Theorem der funktionalen Differenzierung ist der Kern der Säkularisierungsthese, und die behauptete Kompatibilität von Religion und Moderne verträgt sich mit der Bejahung dieses Theorems nur schlecht“ (Pollack 2000a: 21), lässt sich auf die Verwendung unterschiedlicher Religionsbegriffe zurückführen.
[27] Pollack (2000: 55) spricht von Hunderten Definitionsversuchen. Ebenso Knoblauch (1999: 8).
[28] Andere Dimensionen von Religiosität, speziell auf ritueller und praktischer Ebene, können im Rahmen einer auf Interviews beruhenden Erhebung nur schlecht abgebildet werden. Vgl. zur Multidimensionalität von Religion Glock (1954).
[29] So verneinte beispielsweise eine christliche Interviewpartnerin (die im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgestellt wird) die Frage, ob sie sich als religiös bezeichnen würde. Sie begründete dies damit, dass Religion für sie die Suche der Menschen nach Gott sei, sie selbst Gott jedoch nicht gesucht, sondern Gott sie gefunden hätte.
[30] „Die Kontingenz- oder Sinnproblematik lässt sich auf ganz unterschiedliche Weise bewältigen: durch die Übernahme philosophischer Welt- und Selbstdeutungen, durch Anwendung psychotherapeutischer Methoden, durch sublimierende Verdrängung in der Arbeit, durch Änderung der Erwartungshaltung, durch rationale Erklärung des Aufkommens von Kontingenz“ (Pollack 2000: 75).
[31] Vgl. Berger/Luckmann (1969).
[32] Vgl. zum Begriff sacred canopy bzw. Heiliger Kosmos Berger (1973: 26). Religion ist nach Berger „das Unterfangen der Menschen, einen heiligen Kosmos zu errichten. Anders ausgedrückt: Religion ist Kosmisierung auf heilige Weise“ (ebd.). Kosmos bezeichnet dabei eine allgemeinverbindlich akzeptierte Sinnstiftung. Dass die Welt als Ganzes transzendiert wird, impliziert dann auch, dass sich Religion immer auf das jeweils gänzlich Unzugängliche bezieht, etwas, das nur geglaubt, nicht bewiesen werden kann. Gläubigkeit soll dabei mit den Worten Umberto Ecos wie folgt definiert werden: „Von zwei Sachen, die nicht zusammenpassen, alle beide zu glauben, mit der Idee im Kopf, es gebe irgendwo noch eine dritte, die sie vereine - das ist Gläubigkeit“ (1989: 66).
[33] Ein Ausschnitt aus einem in dieser Arbeit nicht vorgestellten Interview soll die Nicht-Relevanz aufgrund von Nicht-Zugänglichkeit verdeutlichen:
F: Spielt das [Religion] ne Rolle in deinem Leben?
A: Ph, nein, mittlerweile nicht mehr so. Also es hat mal ne Weile ne Rolle gespielt, weil ich mich ne Weile lang mit, ja, mehr esoterischen Themen auseinander gesetzt hab. Aber ich hab einfach bei der Beschäftigung mit solchen Themen festgestellt, dass man dadurch weder glücklicher noch unglücklicher wird. Also es verändert sich einfach nichts. Und deswegen hat sich die..., das Interesse daran hat sich einfach erschöpft. Weil man nicht wirklich zu irgend ner Erkenntnis kommt. [...] Und deswegen glaub ich auch, dass die Beschäftigung damit meiner Meinung nach mittlerweile einfach auch ne Zeitverschwendung ist. (Zeile 24ff.) [...] irgendwann hab ich angefangen daran zu zweifeln, ob meine Wahrnehmung mir a) wirklich die Sachen so rüberbringt, wie’s wirklich ist oder ob’s einfach ... nur ich diese Dinge sehe oder glaube zu sehen oder zu erfahren, weil ich es sehen und erfahren will, weil ich wirklich danach suche. Und je mehr man sich ... so zweifelt und sich die Frage stellt „Ist es jetzt nur, weil ich an Geister glaube, dass ich denke, ich hätte n Geist gesehen? Hört es auf in dem Moment, wo ich nicht mehr dran glaube?“ Und je mehr man, ja, so zweifelt, desto mehr hab ich es als Belastung empfunden, mich mit solchen Sachen zu beschäftigen (Zeile 70ff.).
[34] Oder: „Was schon von der Liebe galt, gilt vom Tod erst recht: Im schwachen Feuer glüht, wer sagen kann, wie sehr er brennt“ (Hahn 2000: 154). Und systemtheoretisch: „Systeme operieren oder operieren nicht. Auch Sinnsysteme bilden da keine Ausnahme. Wenn es aus ist mit ihnen, ist es aus, und zwar so definitiv, daß sie dann nicht einmal darüber noch etwas vermelden können“ (a.a.O.: 155). Aber: „Die Autopoiesis der Sinn-Systeme kann (und muß!) das Ende vom Zeitpunkt, wo es wirklich eintritt, ablösen und als permanente Möglichkeit, die aber irgendwann unvermeidlich wirklich wird, durch Selbstthematisierung perpetuieren, um es zu aktualisieren“ (a.a.O.: 159f.).
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