Das vorliegende Referat befasst sich mit dem Thema oral history, im Besonderen mit der Zeitzeugenbefragung in einem schulischen Kontext.
Aus dem Inhalt:
- Informationen zu "oral history"
- Durchführung eines Interviews
- Problemfelder
- Zeitzeugenbefragung in der Schule
Gliederung:
1.Erste Informationen zu ,,oral history“:
2.Durchführung eines Interviews:
3.Problemfelder:
4.Zeitzeugenbefragung in der Schule:
5.Arbeitsauftrag für Kommilitonen/ - innen:
6.Literaturverzeichnis
1. Erste Informationen zu ,,oral history“:
- oral history entstand in den USA der vierziger Jahre - in Deutschland in den 1970er Jahren
- "Geschichte von unten", d.h. oral history intendiert Angehörigen sozialer Schichten eine Stimme zu verleihen, die in der Geschichtsschreibung bis dahin vernachlässigt wurden
- der Versuch, mündliche Überlieferung von Geschichte für die historische Forschung zu erschließen
- die Dokumentation von Aussagen und persönlichen Erfahrungen von Zeitzeugen (àauf Tonband, Film oder Video aufgezeichnete Interviews) dienen als Quelle
- diese Methode strebt danach, Lücken schriftlicher Quellen zu schließen
- Interviews sind keine bloße Darstellung des Themengebiets, sondern führen auch zu
neuen Fragestellungenà kritischer Vergleich mit anderen Quellen notwendig
- In der Forschung ist Oral history auf ergänzende historische Quellen angewiesen, denn die Repräsentativität für größere Bevölkerungsgruppen kann kaum gewährleistet werden.
- die Interviews können viele Probleme in der Methodik aufweisen
2. Durchführung eines Interviews:
- Bei der Erstellung des Fragenkatalogs sind Zeitungs-und Archivrecherchen nötig
- Offene Fragen stellen, keine Suggestivfragen
- Wichtig: Thema, klare Zielsetzung, lokales Umfeld, Personenkreis, Vorgespräch mit dem Interviewten
- Thematisches Biografisches Interview
- Fragenkatalog ist entweder chronologisch (Beginn: Kindheit) aufgebaut, führt vom Allgemeinen zum Speziellen oder ist thematisch geordnet
- Wo findet man Zeitzeugen? à Archivare, an die Kommune (Stadt, Gemeinde, Landkreis) wenden, Heimat- oder Sportvereinen, Kontakt zur lokalen Presse, bekannte Personen vermitteln weitere
- Möglicher Ablauf:
1. Lebensgeschichte wird ohne zeitliche Angabe und ohne Unterbrechung erzählt (besser: max. 90 Minuten)
2.Interviewer dürfen zu einzelnen Abschnitten Fragen stellen. Interviewter erläutert verkürzte Passagen/ Unverständliches
3. Ausgelassenes & Probleme werden besprochen
- Ort der Befragung ist wichtig, weil sich Menschen natürlicher, authentischer verhalten, wenn sie an gemütlichen Orten interviewt werden
- Rechte bei der Veröffentlichung des Interviews besprechen
- Notizen zu nonverbalem Verhalten ( Mimik, Gestik) & Emotionen (Ärger, Wut, Traurigkeit) führen
- Transkript zum Interview: wortgenaue Abschriften (inklusive Pausen, Versprecher, …), sprachliche Verbesserungen (ohne Sinnverfremdung) möglich
- Auswertung des Interviews (optimaler Vergleichàmehrere Gespräche führen) / Selbstreflexion von Vorteil
- Abgleich, ob Fragen beantwortet werden konntenà ansonsten neuer Gesprächstermin
3. Problemfelder:
- Risiken bei der Auswahl der Interviewten oder Interviewpartner
- subjektive Wahrnehmungen der Befragten müssen in einen Kontext gestellt werden
- Das Erzählte spiegelt nicht immer das Erlebte wider! à die Bewertung des Erlebten
verändert sich im Laufe der Zeit
- die Bewertung des Erlebten wird bei neuen Denkweisen/Normen der Gesellschaft verändert
- Interviewte halten sich häufig an gesellschaftlich akzeptierten Deutungen fest
- emotional belastende Ereignisse werden beim Erzählen verdrängt/ ausgelassen àInterviewer muss häufig nachfragen
- ungeübte Zeitzeugen weinen, verstummen oder können sich nicht gut genug ausdrücken
- beim Erzählen der Lebensgeschichte liegt eine veränderte Version der Ereignisse vor (beeinflusst durch Alter, Geschlecht, Umfeld, Gruppen…)
- die Richtigkeit/ Zuverlässigkeit des Erzählten ist nicht garantiert, da Erinnerungen verschwiegen oder verdeckt werden können
- Realitätsgehalt des Erzählten (Daten/Fakten) müssen ggf. überprüft werden à denn genauste Rekonstruktion der Ereignisse ist durch oral history nicht möglich (Verarbeitung der Erfahrung & gesellschaftliche Umdeutung wird ersichtlich)
- Themengebiete sind meist auf Alltagsgeschichte beschränkt (politisch engagierte Zeitzeugen schwieriger zu finden)
4. Zeitzeugenbefragung in der Schule:
- Vorteile:
- authentische Vermittlung von Geschichte
- unmittelbarer Transport von Ereignissen (reale persönliche Lebenswege und Lebensabschnitte werden vorgelegt)
- Eigeninitiative der Schüler wird angeregt àhandlungsorientierter Unterricht
- Kommunikation zwischen den Generationen findet statt
- außerschulisches Leben wird in den Geschichtsunterricht einbezogen (Erfahrungen durch Großeltern, Bekannte, Verwandte etc.)
- Mögliche Aufgabenfelder für SuS:
- Zeitzeugen suchen und auswählen
- stichwortartiges Mitschreiben
- sich eigene Fragen überlegen
- Erzähltes ordnen, zusammenfassen, systematisieren
- Vergleich mit anderen Interviews/ anderen Quellen oder Darstellungen
- gemeinsames Gespräch(sachlich & zielgerichtet) mit älteren Personen führen
- Gespräche analysieren und kritisch reflektieren …
- Nachteile:
- SuS müssen über Sachwissen verfügen, um Fragen stellen zu können
- intensive Vor- und Nachbereitung sowohl durch Lehrkraft als auch durch Schüler
nötig à zeitlicher Aufwand
- Kompetenzen, wie z.B. die Fähigkeit, sich für die jeweilige Lebenssituation des Gesprächspartners zu interessieren und die Erfahrungen in einen Kontext einzubetten wird ohne weiteres von den SuS verlangt àschwierig
- weiterführende oder zu vertiefende Ansatzpunkte werden durch Schülerinnen und Schüler häufig nicht erkannt.
- SuS halten die Aussagen des Zeitzeugen für glaubwürdiger als die Aussagen in den Schulbücher, Historikeraussagen oder die Aussagen der Lehrer
- unkritische Übernahme von Ansichten und Bewertungen des Zeitzeugen durch SuS
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- Citation du texte
- Merve Kosmaz (Auteur), 2016, Oral history in der Schule. Zeitzeugenbefragung im Geschichtsunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322196