Im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen die beiden Besuche Mozarts in der Stadt Bologna während seiner ersten Italienreise im Jahre 1770. Wie kam es dazu, dass sich Vater und Sohn Mozart länger in dieser Stadt aufhielten als zum Beispiel in Neapel, Rom oder Florenz?
Nur bei ihrem zweiten Besuch in Mailand, den Mozart zur Erfüllung seines ersten Opernauftrages und danach zu einer Erholungspause beim Mailänder Karneval nutzte, hielten sie sich acht Tage länger auf als in Bologna. Welche Bedeutung hatte der Besuch Bolognas für Wolfgang Amadeus Mozart? Warum war es dem Vater so wichtig, seinen Sohn in dieser Stadt vorzustellen, und welchen Benefit brachte den beiden ihr Besuch in Bologna? Hierzu wird im Folgenden die Bedeutung Bolognas als Musikstadt neben den anderen italienischen Musikmetropolen dargestellt, und es wird auf die Begegnungen mit berühmten Komponistenkollegen verwiesen, an denen sich Mozart orientieren konnte.
Seine Bereitschaft, sich Neues anzueignen und von seinen Vorbildern zu lernen, zeigte sich unmittelbar in den Kompositionen, die er während und zwischen seinen Bologna-Aufenthalten sowie kurz danach schuf. Anhand einiger charakteristischer Notenbeispiele werde ich belegen, wie die musikalische Praxis der in Italien tätigen Künstler bei Mozart einen deutlichen Niederschlag fand, ohne seine Eigenständigkeit aufzuheben.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Einleitung:
Die erste Italienische Reise: Motivation und Ziel
Erster Aufenthalt in Bologna
Musikstadt Bologna
Zweiter Aufenthalt in Bologna
Mozarts Kompositionen unter italienischem Einfluss
Zusammenfassung
Literatur
Abstract
The main topic of this thesis paper is Wolfgang Amadeus Mozart’s stay in Bologna during his first trip to Italy in 1770. What were the reasons for Mozart and his father Leopold Mozart to stay for a longer time in Bologna compared to far more famous opera cities such as Naples, Rome, and Florence? The only exception was Milan, where they spent even more time than in Bologna.
How significant was the visit to Bologna for Wolfgang Amadeus Mozart in regards to his social life and musical development? What was Leopold Mozart’s motivation to introduce his son into society right there? One of the reasons is Bologna’s status at the time, having already been one of the most important musical cities in Europe for centuries. Furthermore, Bologna was home to the highly renowned Philharmonic Academy of Italy. This offered Mozart the opportunity to improve and refine his compositional technique with Padre Martini and to meet the most famous musicians from all over Italy. His father’s aim was to introduce him to the most prestigious opera composers of this time for their musical guidance and inspiration, intendig for his son to acquire fame and fortune by being commissioned to write an opera in Italy.
In fact, Mozart adopted a large scale of ideas and suggestions from Italian artists whom he and his father met. He managed to transfer the ideas to his own compositions nonetheless remaining musically independent. It is especially true for his first opera seria Mitridate, of which the initial parts were first written right there in Bologna.
Einleitung
Im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen die beiden Besuche Mozarts in der Stadt Bologna während seiner ersten Italienreise im Jahre 1770. Wie kam es dazu, dass sich Vater und Sohn Mozart länger in dieser Stadt aufhielten als zum Beispiel in Neapel, Rom oder Florenz? Nur bei ihrem zweiten Besuch in Mailand, den Mozart zur Erfüllung seines ersten Opernauftrages und danach zu einer Erholungspause beim Mailänder Karneval nutzte, hielten sie sich acht Tage länger auf als in Bologna. Welche Bedeutung hatte der Besuch Bolognas für Wolfgang Amadeus Mozart? Warum war es dem Vater so wichtig, seinen Sohn in dieser Stadt vorzustellen, und welchen Benefit brachte den beiden ihr Besuch in Bologna? Hierzu wird im Folgenden die Bedeutung Bolognas als Musikstadt neben den anderen italienischen Musikmetropolen dargestellt, und es wird auf die Begegnungen mit berühmten Komponistenkollegen verwiesen, an denen sich Mozart orientieren konnte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: eigene Tabelle, erstellt nach URLMOZART-KALENDARIUM
Seine Bereitschaft, sich Neues anzueignen und von seinen Vorbildern zu lernen, zeigte sich unmittelbar in den Kompositionen, die er während und zwischen seinen BolognaAufenthalten sowie kurz danach schuf. Anhand einiger charakteristischer Notenbeispiele werde ich belegen, wie die musikalische Praxis der in Italien tätigen Künstler1 bei Mozart einen deutlichen Niederschlag fand, ohne seine Eigenständigkeit aufzuheben.
Die erste Italienische Reise: Motivation und Ziel
Italien galt im achtzehnten Jahrhundert als der beste Ort für eine gründliche musikalische Ausbildung. Die Kirche unterhielt seit dem sechzehnten Jahrhundert in den großen Städten Konservatorien, in denen anfangs Waisenkinder für den kirchlichen Gesangsdienst ausgebildet wurden. Später erlangten diese Ausbildungsstätten höchstes Ansehen, und um 1750 waren die meisten italienischen Musiker Absolventen solcher Konservatorien. Die ältesten Konservatorien standen in Neapel und Venedig, aber auch in Bologna gab es eine berühmte Gesangsschule,2 gegründet zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts von Francesco Antonio Pistocchi und fortgeführt von Antonio Bernacchi, der kurze Zeit auch der Lehrer von Farinelli3 war.
Neben den Konservatorien hatten sich in den großen Zentren, aber auch in vielen kleineren Städten philharmonische Akademien entwickelt, die der höheren Gesellschaft vorbehalten waren, und die im achtzehnten Jahrhundert strenge Auswahlkriterien für eine Aufnahme vorgaben. Unter diesen Ausbildungsstätten der musikalischen Aristokratie hatte die Accademia Filarmonica von Bologna das höchste Ansehen in Italien.4
Die letzte Wunderkind-Reise nach Wien hatte knapp sechzehn Monate gedauert - von September 1767 bis Januar 1768 - und war viel weniger erfolgreich verlaufen als die vorausgegangenen Reisen. Denn Wolfgang Amadeus Mozart und seine Schwester Maria Anna waren dem Wunderkind-Alter entwachsen, und man verlor das Interesse an ihnen. Für Leopold Mozart war es daher klar, dass er seinem Sohn mit einer neuen Strategie zu einem erfolgreichen Übertritt ins Erwachsenenleben verhelfen musste. Mit einer Reise nach Italien sollte Wolfgang die Möglichkeit erhalten, sich einerseits im Mutterland der Oper als Komponist zu präsentieren und einen Opernauftrag zu ergattern, andererseits aber auch durch Kontakte mit den größten italienischen Meistern neue Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben.
Ende 1769 traten Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart ihre erste, vom 13. Dezember 1769 bis 28. März 1771 dauernde Reise nach Italien an. Dies konnte nur geschehen, weil Leopold Mozart es als „Reise- und Konzertmanager“ seines Sohnes sehr gut verstanden hatte, ein Netz von Beziehungen aufzubauen, das ihm mit Hilfe von Empfehlungsschreiben den Zugang zu den Adelskreisen als Träger der Musikpflege eröffnete.5 Wichtigster Schutzpatron auf dieser Reise war Karl Leopold Graf Firmian, der einem alten Tiroler Adelsgeschlecht entstammte und als Generalgouverneur der Lombardei in Mailand residierte. Im Februar 1770 waren die Mozarts mehrmals Gäste in seiner Residenz, und anlässlich einer Soiree des Grafen trat Wolfgang vor 150 Gästen aus dem Hochadel mit vier neuen Sopranarien6 nach Texten von Metastasio auf. Vater und Sohn blieben insgesamt rund fünfzig Tage in Mailand, und während dieser Zeit konnte sich die Aristokratie der Stadt von Wolfgangs Fähigkeiten vollkommen überzeugen. Graf Firmian erteilte ihm am 13. März 1770 den Auftrag zur Komposition einer Oper, deren Uraufführung noch im selben Jahr am 26. Dezember 1770 am Mailänder Teatro Regio Ducale stattfinden sollte. Das Libretto zu dieser so genannten Scrittura wollte man ihm in ein paar Monaten nachschicken.7
Da Mozart für die Proben erst im Herbst zurückerwartet wurde, entschied sich der Vater für eine Rundreise durch Italien bis nach Neapel. Dabei wurde die Route einerseits davon abhängig gemacht, wo man eine freundliche Aufnahme erwarten konnte, und andererseits wollten die Mozarts veschiedene philharmonische Akademien aufsuchen, von denen die Bologneser Accademia Filarmonica das höchste Ansehen hatte. Ihr Repräsentant war der Franziskanerpater Giovanni Battista Martini (1706-84), dessen Ruhm als Musikgelehrter und Kompositionslehrer8 weit über die Grenzen Italiens hinaus reichte, und der in seinem Land als wichtigste Instanz in allen musiktheoretischen Streitfragen galt. Ihm wollte Leopold Mozart unbedingt seinen Sohn vorstellen, da er sich von seinem Urteil einen wichtigen Anstoß zur Verbreitung von Wolfgangs Ruhm erwartete.
Erster Aufenthalt in Bologna
Am 24. März 1770 trafen die Reisenden in Bologna ein und fanden Unterkunft im Gasthof Il Pellegrino. Schon am nächsten Tag wurden sie von dem Feldmarschall und Kunstgönner Graf Gian Luca Pallavicini-Centurioni sehr freundlich empfangen und konnten ihm ein Empfeh-lungsschreiben von Graf Firmian überreichen. Darin hatte dieser mit Datum vom 14. März 1770 geschrieben:
„Exzellenz, da sich Herr Leopold Mozart, Kapellmeister im Dienste des Fürsterzbischofes von Salzburg, mit seinem Sohn in die oben erwähnte Stadt begeben wird, nehme ich mir die Freiheit, sie Ihrer Exzellenz wärmstens zu empfehlen. Ich tue dies […] aus der Überlegung heraus, dass Sie es sicher nicht bedauern werden, im jungen Mozart eines jener Musiktalente kennen zu lernen, die die Natur nur selten hervorbringt. In seinem zarten Alter kommt er nicht nur den großen Meistern der Kunst gleich, sondern übertrifft sie vielmehr - nach meinem Dafürhalten - in der Erfindergabe.“9
Am Abend des 26. März 1770 veranstaltete der Feldmarschall Pallavicini in seinem Stadtpalais ein vierstündiges Konzert vor Mitgliedern des hochsten Adels, bei dem Mozart gemeinsam mit zwei Kastraten auftrat und große Bewunderung erntete. Bei diesem Konzert war auch Padre Martini anwesend, der sonst keine Veranstaltungen mehr besuchte. Leopold Mozart berichtete am 27. März begeistert nach Salzburg:
„Was mich sonderheitl: vergnügt, ist, daß wir hier ungemein beliebt sind, und daß der Wolfg: hier noch mehr bewundert wird, als in allen andern Stätten Italiens: weil hier der Sitz und Wohlplatz von vielen Meistern, Künstlern und gelehrten Leuten ist. Hier ist er auch am stärkesten versucht worden, und dieß vergrössert seinen Ruhm durch ganz Italien, weil der P: Martino der Italiäner Abgott ist, und dieser mit solcher Verwunderung von dem Wolfg: spricht, und alle Proben mit ihm gemacht hat. Wir haben den P: Martino 2 mahl besucht: und jedes mahl hat der Wolfg: eine Fuga ausgeführt, …“10
Aus Leopold Mozarts Korrespondenz geht auch hervor, dass es zu einem Zusammentreffen mit dem berühmten Kastraten Farinelli kam, der sich in Bologna zur Ruhe gesetzt hatte. Ob die Mozarts bereits während dieses ersten Aufenthaltes in Bologna auch mit Josef (1737-81) zusammentrafen, ist nicht gesichert. Allerdings war dieser nachweislich in den letzten Märztagen des Jahres 1770 bereits in Bologna, um an seiner Oper La Nitetti zu arbeiten. Jedenfalls hat Leopold Mozart den Namen bereits in seinen Reisenotizen unter dem Datum 24. bis 29. M ä rz 1770 erstmals erwähnt.11
Musikstadt Bologna
Auf den Mauern Bononias, einer Stadt der römischen Kaiserzeit, die aus einer über fünfhundert Jahre alten etruskischen Siedlung hervorgegangen ist, wurde Bologna im fünften nachchristlichen Jahrhundert als Bischofssitz neu gegründet. Im Jahre 1088 entstand hier eine der ältesten Universitäten Europas. Wechselnde Machtverhältnisse zwischen Adelsfamilien und Päpsten wurden 1506 von einer rund dreihundert Jahre andauernden Herrschaft der Kirche abgelöst. In der Folge wurden zahlreiche Kirchen und Klöster und das Archiginnasio, die neue Universität der Stadt, erbaut. Im Jahre 1666 erfolgte die Gründung der Accademia Filarmonica und 90 Jahre später begann der berühmte italienische Theater- Architekt Antonio Galli da Bibiena12 mit dem Bau des Nuovo Teatro Pubblico nach der Zerstörung des alten Theaters durch einen Brand. Am 14. Mai 1763 wurde das neue Theater mit der Uraufführung von Christoph Willibald Glucks Oper Triumph der Clelia eingeweiht.
Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts spielte Bologna eine führende Rolle im Musikleben Italiens. In der musikwissenschaftlichen Literatur wird der bedeutende Einfluss der Bologneser Schule neben der römischen und venezianischen Schule hervorgehoben: Als Begründer der Bologneser Schule gilt Maurizio Cazzati (1616-1678), Kapellmeister an der Basilica San Petronio von 1657 bis 1671, danach bis zum Tod Kapellmeister am Dom von Mantua. Er verlagerte den Schwerpunkt der Kirchenmusik von der Vokal- zur Instrumentalmusik und zum solistischen Konzert hin. Die musikalischen Zentren in Bologna waren bis etwa 1750 die Basilica San Petronio 13 mit den an ihr wirkenden Kapellmeistern und die 1666 gegründete Accademia filarmonica. Immer mehr traten in den damaligen Kompositionen neben die Trompete auch Violine, Oboe und Cello als Solo-Instrumente. Ein bedeutender Vertreter der reinen Instrumentalkomposition und der Geigenmusik war Arcangelo Corelli (1657-1713), der nach seiner musikalischen Ausbildung in Bologna nach Rom ging und dort als „ Il Bolognese “ großen Einfluss auf das römische Musikleben gewann.14
Um die Mitte des 18. Jahrhundert fanden in ganz Italien regelmäßige Aufführungen von Oratorien statt. Sie waren für alle sozialen Schichten zugänglich und stellten die wichtigste italienische Musikgattung neben der Oper dar. Aufführungsorte waren spezielle Kirchenbauten, die ebenso wie die Musikwerke als Oratorien 15 bezeichnet wurden. In allen großen Städten - außer in Bologna auch in Venedig, Florenz und Rom - fanden an allen Sonn- und Feiertagen vom ersten November bis zum Palmsonntag bis zu dreißig Aufführungen statt.16 Der Komponist und Musikschriftsteller Johann Adam Hiller,17 ein Zeitgenosse Mozarts, beschrieb im Jahre 1766 diese Praxis der wöchentlichen Aufführungen mit folgenden Worten:
„In Bologna trifft man die besten Musiker in ganz Italien an. Neben der schönen Kirche la Madonna di Galliera ist eine prächtige Capelle, wo man alle Sonntage im Winter vom Tage Allerheiligen an bis Ostern Oratoria oder geistliche Concerte (concerts spirituels) aufführt, welche wenigstens drey Stunden dauern. Ob diese Oratoria gleich in der Nacht gegeben werden, so herrscht doch alle äußerliche Sittsamkeit und das größte Stillschweigen dabey. Es ist insgemein ein Drama von zween Acten, wozu der Inhalt aus der heiligen Schrift oder Kirchengeschichte genommen ist. Vor dem Stücke geht eine Messe und eine kleine Rede vorher, die ein junger Knabe hält, und dem Oratorium zur Einleitung dient. Zwischen den beiden Theilen oder Acten hält gleichfalls ein Philippiner eine Rede, damit die Musizierenden unterdessen ausruhen können.“18
Eine sehr ausführliche Beschreibung des Bologneser Musiklebens im selben Zeitraum, in dem auch die Mozarts in der Stadt waren, gab der englische Reiseschriftsteller und Musikhistoriker Charles Burney in seinem berühmten musikalischen Reisetagebuch:
„Man macht in Bologna von den Braviorbi oder blinden Geigern viel Wesens; sie waren aber nicht in der Stadt, als ich da war. […] Sie reisen im Sommer herum nach Rom, Neapel und andern Orten: der eine spielt die Geige, und der andere, welcher Spacca Nota oder der Notenklauber genannt wird, das Violoncell.“19
Burneys Motivation für den Besuch Bolognas war sein Interesse an zwei berühmten Männern, die er dort zu treffen gedachte: den Franziskanerpater und bedeutenden Musikgelehrten Giovanni Battista Martini und den damals schon legendären Kastraten Farinelli. Über Padre Martini, der gerade den zweiten Band seiner Geschichte der Musik in den Druck gegeben hatte, schrieb er:
„Außer der erstaunend großen Sammlung von gedruckten Sachen, welche ihm zu tausend Zechinen gekostet hat, ist Pater Martini im Besitz einiger Schätze, die für Geld nicht zu haben sind, nämlich vieler Manuskripte und Kopien der musikalischen Handschriften in der Vatikanischen und Ambrosianischen Bibliothek, imgleichen in der zu Pisa und an anderen Orten, wozu er ausdrückliche Erlaubnis vom Papste und anderen Großen erhalten hat.“20
Burney berichtete schließlich noch über den jährlichen Komponisten-Wettstreit der Accademia Filarmonica in Bologna:
„Auf Anraten des P. Martini blieb ich zwei Tage länger, als ich willens war, zu Bologna, um bei einem Wettstreite derjenigen Komponisten in dieser Stadt gegenwärtig zu sein, die Mitglieder der im Jahre 1666 gestifteten Philharmonischen Gesellschaft sind. Die jährliche öffentliche Probemusik des Morgens und Abends, ist den 13ten August in der Kirche St. Giovanni in Monte.“21
Er beschrieb jede einzelne Komposition sehr ausführlich und befand, dass ihn die Musik sehr gut unterhalten habe. Die Mitglieder der Philharmonischen Gesellschaft hätten ihrer Akademie und auch ihrer Stadt große Ehre gemacht. Zugleich erwähnte Burney auch seine Begegnung mit den Mozarts während der Konzerte:
„Ich muss meinen musikalischen Lesern nicht verschweigen, dass ich bei diesen Musiken Herrn Mozart und seinen Sohn, den kleinen Deutschen vorgefunden habe, dessen frühzeitige und stets übernatürliche Talente uns vor einigen Jahren zu London in Erstaunen setzten, als er kaum über seine Kinderjahre hinaus war. Seit seiner Ankunft in Italien ist er zu Rom und Neapel sehr bewundert worden. Seine Päpstliche Heiligkeit hat ihn mit dem Speroned'oro oder goldenen Sporn beehret, und man trug ihm zu Mailand auf, die Oper für das nächste Karneval zu komponieren.“22
Obwohl über Opernaufführungen in Bologna nicht allzu viele Zeugnisse zu finden sind, so belegt doch die Tatsache des Theaterbaus durch einen berühmten Architekten und die Eröffnung mit einer Gluck-Oper die große Bedeutung Bolognas für die Opernmusik. Bei Schlichtegroll findet sich ein klarer Hinweis darauf, dass Mozart auch einen Opernauftrag für Bologna sofort ohne Zögern angenommen hätte:
„Wenn der Sohn nicht schon die Scrittura zu der ersten Carneval Opera 1771 nach Mailand gehabt hätte, so würde er solche zu Bologna, Rom oder zu Neapel bekommen haben.“23
hatte, und den man hier mit dem Beinamen Il divino Boemo verehrte, schrieb gerade seine Oper La Nitetti für Bologna, als die Mozarts sich mit ihm anfreundeten. La Nitetti war allerdings seine einzige Uraufführung in Bologna. Auch von Gluck wurde nach der Eröffnungs-Oper kein weiteres Werk uraufgeführt. Dagegen sind mehrere Uraufführungen von Opern Niccolò Jommellis in den 1740er und 1750er Jahren belegt, zum Beispiel Ezio (1941), Eumene (1744) und Don Falcone (1854).24
Die scheinbar geringe Anzahl von Opern-Uraufführungen am Bologneser Theater hat etwas mit dem bis heute in Italien üblichen Stagione-System zu tun. Im 18. Jahrhundert gab es kein Repertoire-System und auch keine Wiederaufnahmen. Vielmehr nahmen die Häuser pro Saison nur eine begrenzte Zahl von neuinszenierten Opern in ihre Spielpläne auf. Während der Proben blieb das Theater geschlossen. Die Aufführungen fanden unmittelbar nach den Proben in längeren Serien von zehn oder mehr Abenden25 statt und wurden danach wieder abgesetzt.
Zweiter Aufenthalt in Bologna
Am 20. Juli 1770 kamen die Mozarts zum zweiten Mal in Bologna an. Diesmal wohnten sie in den ersten drei Wochen im Gasthaus San Marco, wo der Vater zunächst sein Bein schonen musste, da es bei einem Unfall mit der Pferdekutsche eine offene Verletzung erlitten hatte. Einige Tage später, am 27. Juli, erhielt Mozart das Libretto und die Besetzungsliste für seine Mailänder Oper und erfuhr auch erst jetzt den Titel: Mitridate, Re di Ponto. Er und sein Vater waren eigentlich davon ausgegangen, dass sie Metastasios Libretto La Nitetti bekommen sollten, aber dieses wurde zur gleichen Zeit von Josef für die Oper in Bologna bearbeitet.
Am 10. August durften die Mozarts in das Landhaus des Feldmarschalls Graf Pallavicini, Alla Croce del Biaccho in der Nähe von Bologna, ziehen, und bald ging es Leopold mit seinem Bein deutlich besser. Hier wurde ihnen jeglicher Luxus geboten, und es stand ihnen eine eigene Dienerschaft zur Verfügung. Sie wurde mit besten Speisen verwöhnt und hatten einen engen privaten Umgang mit den adeligen Gastgebern. Der Sohn war im gleichen Alter wie Wolfgang und verstand sich mit ihm sehr gut.
Am 30. August nahm Pallavicini die Mozarts mit zu dem oben erwähnten Komponisten- Wettstreit der Bologneser Accademia Filarmonica, über den Charles Burney später ausführlich berichtete. Leopold und Wolfgang blieben noch den ganzen September über auf dem Gut des Feldmarschalls, wo sie sich auf die Arbeit für die Mailänder Oper vorbereiteten und gelegentlich für die Gräfin musizierten.26 Am 29. September fing Mozart mit der Arbeit an den Rezitativen zu Mitradate an. Die Arien konnten üblicherweise erst in Abstimmung mit den Sängerinnen und Sängern komponiert werden, wenn diese zu den Proben eingetroffen waren.
Am ersten Oktober zogen die Mozarts vom Landgut der Pallavicinis wieder in die Stadt Bologna zurück. Dort nahmen sie am 4. Oktober an einem großen Fest zu Ehren des heiligen Petronius in der Basilica San Petronio teil. Leopold berichtete nach Salzburg, dass alle wichtigen Musiker Bolognas dabei gewesen seien. Er deutete außerdem an, dass etwas Bestimmtes ihn und Wolfgang veranlasse, einige Tage länger als geplant in Bologna zu bleiben:
„Ein Etwas, welches, wenn es zustande kommen soll, dem Wolfgangerl eine außerordentliche große Ehre machet.“27
In diesem Brief vom sechsten Oktober teilte Wolfgang in der angefügten Nachschrift seiner Schwester mit, dass er noch am selben Tage auf einer Orgel in der Kirche San Domenico spielen werde.
Am neunten Oktober 1770 durfte sich der vierzehnjährige Mozart der schwierigen Aufnahmeprüfung für die Accademia Filarmonica di Bologna unterziehen, obwohl diese sonst von den Bewerbern ein Mindestalter von zwanzig Jahren forderte. Innerhalb von drei Stunden sollte er eine Antiphon mit einem gegebenen Bass nach den strengen Kontrapunktregeln vierstimmig setzen.28
Er benötigte dafür nach dem Bericht der Akademie weniger als eine Stunde. Der stolze Vater meldete nach Salzburg, Wolfgang sei nach „einer starken halben Stunde fertig“29 gewesen.
Von Mozarts Arbeit ist eine von Martini korrigierte Fassung erhalten, die Mozart kopiert hat. Sein Original war nicht ganz fehlerfrei gewesen, aber dem Prüfungskollegium könnte die von Martini verbesserte Komposition vorgelegen haben. Doch dies „wird sich kaum jemals eindeutig klären lassen.“30
Unterrichtsstunden bei Padre Martini wurden zwar nirgends erwähnt, aber es ist ein Übungsstück Mozarts erhalten, Abb. 2: Urkunde über die Aufnahme Mozarts in die Accademia das angeblich unter der Aufsicht Martinis entstanden sein soll: Cibavit Filarmonica di Bologna vom 10. Oktober 1770 (Bildnachweis: Salzburg, Mozart Museum, Inv.Nr. 90/42) eos in adipe KV 44.31 Dies ist jedoch keine eigene Komposition Mozarts, wie Ernst Hintermaier32 nachgewiesen hat, sondern ein Werk des bayerischen Komponisten Johann Stadlmayr (um 1575-1648), der in Salzburg und Innsbruck als Hofkomponist wirkte. Tatsächlich dürfte Mozart diese Übungskopie schon 1769 angefertigt haben.33
Abb. 2: Urkunde über die Aufnahme Mozarts in die Accademia Filarmonica di Bologna vom 10. Oktober 1770 (Bildnachweis: Salzburg, Mozart Museum, Inv.Nr. 90/42)
Ebenso soll Mozart das Miserere KV 85 unter dem Einfluss Martinis im Juli oder August 1770 in Bologna geschrieben haben. Ein entsprechendes Autograph trägt Mozarts eigenhändige Überschrift Miserere a tre del Sig[no]re Caval[iere] W[wolfgang] A[madeus ] Mozart. In seinem 2011 veröffentlichten Internet-Projekt Mozart, Italian Opera kommt der italienische Musikwissenschaftler Luca Bianchini jedoch zu dem Schluss, dass es sich auch hier nicht um eine eigene Komposition Mozarts handeln dürfte: KV 85 sei nie in irgendeinem Brief erwähnt und auch nie aufgeführt worden.34
Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Mozarts und Padre Martini gestalteten sich ganz wie von Leopold erhofft. In seinem Brief vom sechsten Oktober 1770 berichtete er, dass sie täglich bei Herrn Martini gewesen seien und lange Diskussionen über die Geschichte der Musik geführt hätten.35 Er schenkte Martini eine Ausgabe seiner Violinschule und bekam von diesem die ersten zwei Bände seiner Storia della musica. Am 13. Oktober 1770 nahmen die Mozarts Abschied von Bologna, um nach Mailand zu reisen.
Mozarts Kompositionen unter italienischem Einfluss
„Italienische“ Sinfonien
In seinem Anhang zu Leopolds Brief vom 4. August 1770 schrieb Mozart an seine Schwester, dass er in Italien schon vier Symphonien, fünf oder sechs Arien und eine Motette geschrieben habe.36 Vielleicht hing diese Produktivität damit zusammen, dass er sich hier in Italien nicht immer wohl fühlte. Jedenfalls geht dies aus dem letzten Satz seines Briefes hervor:
„ Addio, lebe wohl. Meine einzige Lustbarkeit besteht dermalen in englischen Schritten und Kapriolen und Spagat machen. Italien ist ein Schlafland! Es schläfert einen immer. Addio, leb wohl.“
Die vier von Mozart im Brief erwähnten Symphonien sind nicht als Autographen erhalten, so dass es strittig ist, welche Werke Mozart gemeint hat. Stanley Sadie vermutet in seiner Mozart-Biographie,37 dass zwei der Werke bereits vor der Abreise in Salzburg entstanden sein könnten. Das eine wäre die Cassation KV 100, ein viersätziges symphonisches Stück mit einem ersten Allegro-Satz und drei Final-Sätzen. Das andere Werk könnte die Symphonie C-Dur KV 73 gewesen sein, die schwierig zu datieren sei. Sie sei zwischen 1769 und 1772 auf Salzburger Papier geschrieben. Nach der Handschrift zu urteilen, sei sie aber wohl nicht später als 1770 entstanden. Auf dem Autograph ist zwar das Datum 1769 eingetragen, doch ist unklar, ob von Leopolds oder von späterer Hand. Der beste Indikator für die Datierung von Mozarts Jugendwerken war seine Handschrift, die sich damals rasch veränderte. Deshalb ist das Werk wohl am ehesten auf den Anfang der Reise oder kurz davor zu datieren.
Nach Sadie ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Mozarts bei ihrer Abreise nach Italien keine Symphonien mitgenommen hätten. Denn üblicherweise wurden Symphonien stets zu Beginn eines Konzertes aufgeführt und oft auch zum Schluss.
Mozart hatte auch in Rom zwei Symphonien erwähnt, davon hatte er eine fast fertig. Auch diese könnte er mit „italienische Symphonie“ gemeint haben: “…finirò una sinfonia mia, che cominciai…“38
Unklar ist, was Mozart unter „italienische Symphonien” verstand: In Italien komponiert? In teilweise italienischem Stil? Dreisätzige Symphonien? Für eindeutig italienisch hält Sadie die G-Dur-Symphonie KV 74, die in der Form einer italienischen Ouvertüre mit drei Sätzen geschrieben sei. Mozart hat hier italienisches Papier verwendet, auf dem er ansonsten nur noch die Arie Se ardire in Rom geschrieben hat. Dies könnte die von ihm im Brief erwähnte fast fertige Symphonie sein.
Es gibt aber noch vier weitere Symphonien, die Mozart in seinem Brief vom vierten August aus Bologna gemeint haben könnte: KV 81, KV 84, KV 95 und KV 97, alle in D-Dur und 1770 entstanden. Die Autographen sind jedoch nicht erhalten. Verschiedene Überschriften ließen die Urheberschaft fraglich erscheinen, so dass KV 81 neben Wolfgang Mozart auch seinem Vater zugeschrieben wurde. Für KV 84 wurde neben Vater und Sohn Mozart auch noch Carl Ditters von Dittersdorf (1739-99) als Urheber in Betracht gezogen. Sadie aber konstatiert gerade für diese vier Symphonien deutliche stilistische Gemeinsamkeiten mit Mozarts Ouvertüren zu Mitridate und Ascanio in Alba, weshalb er vermutet, dass sie zur gleichen Zeit entstanden sein könnten. Am besten lässt sich nach Sadies Meinung die Symphonie KV 84 datieren. Sie könnte Anfang 1770 in Mailand begonnen und im Juli 1770 in Bologna beendet worden sein.
Im Gegensatz zu den „italienischen Symphonien“ lassen sich Mozarts weitere Werke des Jahres 1770 gut datieren. Es sind dies sein erstes Streichquartett KV 80, das er in Lodi geschrieben hat, ein Kontretanz KV 123 aus Rom und das Menuett KV 122 aus Bologna.
Es ist unbestreitbar, dass Mozart sich oft eingehend mit den Kompositionen befreundeter und verehrter Berufskollegen beschäftigte, und dass er sich immer wieder von den darin enthaltenen Ideen und Strukturen anregen ließ. Was mich persönlich aber bei meinen Recherchen anfangs irritierte und nach und nach immer mehr amüsierte, ist der Umstand, dass anscheinend von den verschiedenen Autorinnenen und Autoren, die im Werk Mozarts nach Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen mit möglichen Vorbildern suchten, jeweils ein anderer bestimmter Name als derjenige „erwählt“ worden war, von dem Mozart am stärksten beeinflusst worden sein sollte.
In Hermann Aberts vor fünfundneunzig Jahren verfassten Mozart-Biographie wird für das Jahr 1770 immer wieder der Name Niccoló Piccinni (1728-1800) genannt, dem Mozart erkennbar nachgeeifert habe. Neunzig Jahre nach Abert und im Gegensatz zu ihm ist Daniel Freeman der Meinung, dass Mozart bei den in Italien entstandenen Jugendwerken vor allem von dem tschechischen Komponisten Josef (1737-81) beeinflusst worden sei.
Für den Mitridate-Herausgeber Tagliavini39, die DME-Mitarbeiterin Adriana De Feo40 und die amerikanische Händel-Forscherin Ellen T. Harris41 scheint dagegen nur Quirino Gasparini (1721-78), der Turiner Mitridate -Komponist von 1767, als Vorbild gedient zu haben. In gewisser Weise ist das für diese drei Autoren auch berechtigt, da sie sich nur auf die Oper Mitridate, Re di Ponto beziehen. Und es bestehen auch tatsächlich viele Gemeinsamkeiten bis hin zu der Möglichkeit, dass der Darsteller des Mitridate anstelle einer Arie Mozarts den entsprechenden Text in der Vertonung Gasparinis gesungen haben könnte. Dies soll auch bei anderen Komponisten kein ganz unübliches Verfahren gewesen sein.
Aber trotz aller Übereinstimmungen zwischen ihm und seinen verschiedenen Wegbereitern war Mozart in erster Linie eine eigenständige Persönlichkeit, die mit sicherem Gespür aus den unterschiedlichsten Quellen schöpfen und zugleich Neues erschaffen konnte. Er übernahm manche stilistische Eigenheit gleichsam im Vorübergehen und konnte sie auch wieder verwerfen. Die Mozarts kauften auch Musikliteratur, wie aus dem Brief Leopolds vom 28. August 177042 hervorgeht, aber sie besuchten 1770 auf ihrem Weg durch Italien nur zwei mal eine Oper, in Mailand die Oper „Cesare in Egitto“ von Niccoló Piccinni und in Neapel „Armida abbandonata” von Niccoló Jommelli im Teatro San Carlo. Davon konnte wohl nur „Cesare“ den jungen Mozart beeindrucken. Dass er manches daraus für sich angenommen hat und in seine eigene Arbeit einfließen ließ, zeigte sich erstmals schon kurze Zeit später, als Wolfgang - nur knapp drei Monate nach der Abreise von Salzburg - für den Grafen Firmian in Mailand eine Arie komponierte (Misero pargoletto, KV 77),43 die deutlich von Niccoló Piccinnis Oper beeinflusst war. Hierzu konstatiert Hermann Abert, dass Mozart in dieser Arie erstmals einen von Piccinni übernommenen Rhythmus verwendet habe: auffallend sei der „synkopierte Rhythmus auf gebrochenen Dreiklängen im Bass“ gewesen.44
Aber Mozart beschränkte sich während seiner ersten italienischen Reise nicht auf Piccinni als alleiniges Vorbild, wie man nach der Lektüre Hermann Aberts glauben könnte. Denn schon bei seiner ersten Opera seria nahm Mozart viele Einflüsse auf, die aus verschiedenen Richtungen zusammenwirkten, wie das nächste Kapitel zeigt.
Mitridate, Re di Ponto
Mozarts erste Opera seria kann geradezu als Prototyp einer neuen Richtung innerhalb der neapolitanischen Opernschule gelten. Die ehemals berühmtesten Vertreter des Genres, Johann Adolph Hasse (1699-1783) und Niccoló Jommelli (1714-1774), wurden immer mehr durch junge erfolgreichere Komponisten45 von den Opernbühnen verdrängt.46 Hermann Abert schreibt, dass es für Leopold Mozarts ein einziges Ziel gab, nämlich:
„seinem Sohn durch möglichst große und nachhaltige italienische Bühnenerfolge rasch zu Ruhm und Ansehen zu verhelfen, und das konnte nach seinen bekannten Grundsätzen nur erreicht werden, wenn Wolfgang sich rückhaltlos der Partei anschloss, die damals das Heft in der Hand hatte, den Neuneapolitanern.“47 Wolfgang […] wusste es von Anfang an nicht anders, als dass es seine Aufgabe sei, den damals modernsten, zugkräftigsten Operngrößen nachzustreben und sie womöglich zu überbieten.“48
Erst Ende Juli 1770 erfuhren die Mozarts, welches Opernlibretto Wolfgang für die kommende Karnevals-Saison 1770/71 in Mailand vertonen sollte:
„gestern haben wir das opera Büchl und die Nämen der Recitierenden erhalten. die opera heist. Mitridate Re di Ponto. solche ist von einem Poeten aus Turino Sig: Vittorio Amedeo Cigna-Santi. und ist alda anno 1767 aufgeführt worden.“49
Auch das Sänger-Ensemble wurde ihnen bekannt gegeben: die Prima Donna Antonia Bernasconi, der Primo Uomo und Sopran-Kastrat Pietro Benedetti (genannt Sartorino), der Alt-Kastrat Giuseppe Cicognani,50 die Seconda Donna Anna Francesca Varese und der Tenor Gulielmo D’Ettore.51 Er hatte auch schon 1767 die Titelrolle in der Mitridate -Version von Quirino Gasparini (1721-78) gesungen. Mit einigen Sängern waren die Mozarts auch bereits gut bekannt und befreundet:
„die Bernasconi kennen wir ohnedem. der Sgr: Sartorini hat uns in Rom gesungen. der Cicognani ist hier, und unser guter freund. der Ettore ist auch dermahl hier.“ (BAUER-DEUTSCH, I, S. 342.)
Das Libretto für die neue Oper stammte von Vittorio Amadeo Cigna Santi (um 1730 bis nach 1795), der über dreißig Jahre lang (1754-1785) als Hauptlibrettist am Theater in Turin fungierte. Seine literarische Vorlage war das französische Drama Mithridate von Jean BaptisteRacine (1639-99) in einer italienischen Übersetzung Giuseppe Parini (1729-99)52
Cigna-Santi schrieb das Libretto ursprünglich für eine Aufführung am Turiner Theater im Jahre 1767. Damals stammte die Musik von Quirino Gasparini, einem Schüler Padre Martinis und Mitglied der Accademia Filarmonica von Bologna seit 1751. Gasparini war seit 1760 Kapellmeister bei der Kathedrale von Turin und blieb es bis zu seinem Tod im Jahre 1778. Mit ihm trafen die Mozarts kurz nach der erfolgreichen Uraufführung - und nach rund zwanzig Wiederholungen - in Turin zusammen. Auch Gasparinis Mitridate war sehr erfolgreich gewesen und hatte es nach der Uraufführung (Karneval 1767) auf 28 Wiederholungen gebracht. Mozarts Libretto für die Karneval-Saison 1770/71 im Theater Regio Ducal in Mailand stimmte weitgehend mit dem Text von Cigna-Santi überein und hatte nur einige Abänderungen, die von einem unbekannten Autor stammten.53
Obwohl Mozart die meisten seiner Sänger bereits gut kannte und mit einigen sogar schon befreundet war, war es für den Vierzehnjährigen nicht leicht, mit der Partitur des Mitridate voranzukommen. Etliche Arien musste er nach den Wünschen der Sänger mehrmals überarbeiten. Aber am Ende waren alle mit den Ergebnissen sehr zufrieden.54 Nach der Uraufführung berichtete Leopold dem Padre Martini über die Versuche von gewissen Leuten, die die Frechheit besa ß en („uno ha avuto l’habilità“), den Sängern die Arien von Gasparini unterzuschieben.55
Hermann Abert erwähnt in einer Fußnote Otto Jahn (1813-69), den ersten musikwissen- schaftlich orientierten Mozart-Biografen, und sagt über ihn, dass er Mozart mit seiner Opera seria gegenüber den Italienern für überlegen gehalten habe. Er selbst, Abert, glaube dagegen mit den Autoren Friedrich Chrysander ( in: Allgemeine Musikalische Zeitung, 1881 und 1882) und Hermann Kretzschmar (in: Geschichte der Oper, 1919), dass Mozart hier überschätzt worden sei:
„…nicht allein in dramatischer, auch in rein musikalischer Beziehung bleibt Mozart in diesen Jugendopern oft hinter den Italienern zurück. Zwar ahmt er ihre beiden modernsten Arienformen56 […] mit Glück und Geschick nach, aber […]. Das Hauptgeheimnis der italienischen Kunst, die bei aller Breite und Ausführlichkeit doch stets organische Geschlossenheit ihrer Melodik, ist ihm offenbar noch nicht aufgegangen.“57
An anderer Stelle beurteilt Abert den jugendlichen Komponisten noch negativer. Zwar sei das Libretto keine hohe Kunst, aber:
„Es ist geschickt angelegt und konnte dem Komponisten Gelegenheit zu echt dramatischen Wirkungen geben, wenn dieser Komponist eben nicht ein 14jähriger deutscher Knabe gewesen wäre. Abermals stand Mozart vor einer Aufgabe, der er seelisch noch nicht gewachsen war. […] Unter diesen Umständen […] kann natürlich von einer durchgeführten dramatischen Charakteristik keine Rede sein. Die finstere Hoheit des orientalischen Herrschers war dem Knaben ebenso ein Buch mit sieben Siegeln wie der heroische Liebesschmerz Aspasias und Sifares. Er behilft sich dabei mit dem allgemeinen, frostigen Theaterpathos der Neuneapolitaner, dessen Merkmale er sich mit der ihm eigenen merkwürdigen Anpassungsfähigkeit zu eigen gemacht hat.“58
Heute wird das wohl wieder anders gesehen. Die Musikwissenschaft des 21. Jahrhundert hat sich einerseits von diversen Legendenbildungen verabschiedet, und andererseits ist die Beurteilung Mozarts nicht mehr von der Vorstellung beeinflusst, dass ein knapp Fünfzehnjähriger kein genügendes dramatischesVerständnis für das Theater haben könne.59 So verteidigte kürzlich Elena Garcia-Fernandez, Dramaturgin am Nationaltheater Mannheim, in ihrem Artikel „Auf die Probe gestellt“ Mozarts Mitridate gegenüber dem alten Vorwurf einer schematisierten Handlung und eines formelhaften Wechsels von Rezitativ und da capo -Arie:
„Oberflächlich betrachtet erfüllt Mitridate die typischen Anforderungen der Seria. Die nähere Untersuchung zeigt jedoch, dass Mozart das starre Regelwerk der Seria mit seiner Leidenschaft, Figuren zu charakterisieren, aufbricht. […] …die zahlreichen Accompagnato-Rezitative, die sich mit den darauffolgenden Arien zu großen Szenen verbinden, lassen Mozarts Bestreben nach dramatischer Konzentration erkennen.“60
In einem Punkt hatte Hermann Abert vor fast hundert Jahren sicher Recht: Mozart beschäftigte sich stets gerne mit den Werken großer Vorbilder und zeigte die höchste Bereitschaft, von den anerkannten Größen des italienischen Musiklebens zu lernen und sich von ihnen inspirieren zu lassen. Dies lässt sich an dem unmittelbaren Niederschlag feststellen, den der italienische Stil in den während der Reise entstandenen Kompositionen fand. Doch im Widerspruch zu Abert betont auch Tagliavini in der Einleitung zu seiner Mitridate -Edition, dass Mozart eben kein bloßer Nachahmer sein wollte, sondern den „lebendigen Ausdruck der Leidenschaften“ suchte:
„Wenn es also scheint, als ob Mozart bei der Komposition seiner ersten Oper für ein italienisches Theater jene Form und Gestaltung des gleichnamigen, vier Jahre zuvor entstandenen Werkes seines älteren italienischen Kollegen vor Augen hatte, so schöpfte er aus Gasparinis Oper jedoch - vielleicht abgesehen vom Allegro-Teil des Duetts und von einigen Recitativi accompagnati - keine tieferen musikalischen und dramatischen Anregungen. Ein Vergleich beider Opern fällt in dieser Hinsicht zweifellos ganz zu Gunsten des jüngeren Komponisten aus. Den ‚lebendigen Ausdruck der Leidenschaften‘, den schon Giuseppe Parini in einigen Arien der Aspasia fand […] würde man vergeblich bei Gasparini suchen.“61
Dass es viele Übereinstimmungen zwischen Gasparini und Mozart gab, darauf weist auch Adriana De Feo in ihrem 2014 erschienenen Aufsatz „ Mitridate nell’opera in musica e il più immediato antecedente del Mitridate, re di Ponto di Cigna-Santi/Mozart“ hin:
“In gran parte dell’opera mozartiana è evidente l’influenza di Gasparini. Ad un confronto delle partiture, la secondaedefinitiva versione dell’aria d’ Aspasia con la stessa aria di Gasparini.”62
Als Beispiel führt sie die Auftrittsarie der Aspasia an (Nr. 1, "Al destin, che la minaccia"), die bei beiden Komponisten in C-Dur und im Viervierteltakt geschrieben ist und auch in den Gesangslinien weitgehend parallel verläuft. Diese Übereinstimmungen sind nicht verwunderlich, hat doch Mozart sicherlich alle Arien, wenn nicht die gesamte Partitur Gasparinis gekannt.63
Ein großes Problem bei der 1966 fertiggestellten Edition der Gesamtpartitur des Mitridate war für Tagliavini das Fehlen eines vollständigen Autographs. Das so genannte Pariser Autograph bestand nur aus einzelnen Blättern mit frühen Entwürfen, während daneben die Pariser Partiturabschrift vorlag, eine frühe fast vollständige Abschrift der Oper.64 So konnte es geschehen, dass Rita Peiretti65 1991 in der Turiner Accademia Filarmonica das Autograph von Gasparinis Version zur Arie des Mitridate “Vado incontro al fato estremo”(3. Akt, Nr. 20, S. 213) fand, zu einer Arie, die Tagliavini noch fälschlich Mozart zugeschrieben und in seine Partitur aufgenommen hatte. Mozarts ursprüngliche Fassung findet sich im Anhang der Edition auf Seite 337.
Nach Adriana De Feo ist hier am ehesten anzunehmen, dass der Sänger, unzufrieden mit der ihm vorgelegten Arie des jungen Komponisten, diesem die Version von Gasparini vorschlug, die er gut kannte. Das entsprach auch durchaus der üblichen Praxis in der Oper des achtzehnten Jahrhunderts: ein berühmter Sänger konnte es sich erlauben, eine so genannte „aria di baule“ (= Arie aus dem Koffer: die Arie eines anderen Komponisten) im eigenen Gepäck mitzubringen und zum Beispiel als Bravourstück vorzutragen.66
Adriana De Feo beschreibt in ihrem Artikel noch einen anderen Einfluss auf Mozarts Mitridate. Dabei geht es ihr aber mehr um den Aufbau, die „Ossatura“ (= Knochengerüst, Struktur) der Oper als um die Musik. Sie ist davon überzeugt, dass die unmittelbarste Vorgänger-Version von Cigna-Santis Libretto diejenige von Benedetto Pasqualigo mit der Musik von Giovanni Capelli (1723) sei: Mitridate re di Ponto vincitor di s è stesso. Sie weise die größte Nähe zu Mozarts Oper auf, weil beide dieselbe Struktur hätten.67
Ein Autor, der sich mit einem ganz anderen Komponisten beschäftigte und dabei auf viele Übereinstimmungen mit Mozart stieß, ist Daniel Freeman, der 2009 ein Buch über den tschechischen Komponisten Josef Mysl (1737-81) vorgelgt hat. Darin beschrieb er sehr schlüssig dessen großen Einfluß auf den jugendlichen Mozart.68 Dies ist nicht verwunderlich, da ja auch der Beginn ihrer Freundschaft zeitlich fast genau mit dem Erhalt des Mitridate- ! " # selbst blieb mehrere Monate im Sommer 1770 in Bologna, wo er für das folgende Frühjahr Metastasios Libretto zu La Nitetti vertonen sollte. Es ist offensichtlich, dass Mozart auch Einblick in die Arbeit von davon inspirieren ließ. Eine genaue Aussage darüber, in welchem Verhältnis sich Mozart gleichzeitig an Gasparini und Myslivecek orientiert hat, musste erst noch in eincr eigenen Studie erarbeitet werden.
Zumindest ein sehr deutlicher Einfluss Mysliveceks zeigt sich im Mitridate durch ein plötzlich stark vermehrtes Auftreten von synkopierten Rhythmen, die für den Tschechen charakteristisch sind, bei Mozart bis dahin aber nur selten vorkamen.69
Schon in der Ouvertüre zeigt sich eine weitere signifikante Ähnlichkeit zwischen La Nitetti und Mitridate. Mozart orientierte sich hier nicht an der Mitridate -Ouvertüre von Gasparini, sondern an der Einleitung zu La Nitetti Wie Myslivecek wahlt er die Sonatenform mit einer exakt gleichen Phrasenstruktur. Sein zweites Thema im ersten Satz entspricht dem zweiten Thema im dritten Satz der La Nitetti -Ouvertüre.70
Auch die Auftrittsarie der Aspasia in Mitridate ist exakt dem Auftritt der Sammete in La Nitetti nachempfunden. Die Ähnlichkeit beider Notenbilder ist nicht zu übersehen:
Abb.3: Auftrittsarie der Sammete in La Nitetti (Takt 23-30)71
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Auftrittsarie der Aspasia in Mitridate, Re di Ponto (Takt 19-26)72
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Freeman beschreibt die Auftrittsarie der Prima donna, sowohl bei My als auch bei Mozart als eine grundsätzlich neue Arienform, die der junge Komponist bei seiner ersten Opera seria direkt von dem erfahrenen älteren Freund übernimmt. Es soll nicht mehr die „altmodische“da capo -Arie der Metastasianischen Schule sein, sondern die Oper besteht jetzt hauptsächlich aus einem Wechsel von Rezitativen und dal segno -Arien, die immer mit einem instrumentalen Teil, dem Rondell beginnen, und die außerdem eine zunehmende Verschmelzung mit der Sonatenform aufweisen.73
Mozart mag gelegentlich den Anschein bloßer Nachahmung vermittelt haben, doch er hat eine neue Richtung entdeckt, die er selber weitergeführt hat. Anstelle der dal segno -Arie setzte er schon in seiner nächsten Oper Ascanio in Alba (1771) nur noch Arien in der Sonatenhauptsatzform ein74, (" oft die dal segno -Arie heranzog.
Auch der Arzt Aloys Greither, der sich außerdem als Musik- und Kunsthistoriker betätigte, hat bereits 1962 in seiner Mozart-Biographie den Komponisten gegen den Vorwurf der Nachahmung verteidigt:
„Das Problem der musikalischen Einflüsse auf Mozart ist im einzelnen kaum entwirrbar. Wyzewa und Saint-Foix haben sich die Mühe gemacht, von jedem Werk nicht nur die genaue Entstehungszeit, sondern auch die Einflüsse und Abhängigkeiten sorgfältig zu bestimmen. Das ist ein zwar verdienstvolles, aber nur bedingt aufschlussreiches Beginnen. Mozart hat Einflüsse entweder - als wesensfremd - völlig abgestoßen oder sie - als wesensverwandt - so vollständig, nämlich schöpferisch, assimiliert, dass sie den Anlass oder das ‚Original‘ weit hinter sich lassen.“75
Zusammenfassung
Insgesamt war die erste Italienreise ein triumphaler Erfolg für Wolfgang Amadeus Mozart. Die Strategie seines Vaters Leopold, ein Netzwerk aus Kontakten zum Adel, zur Kirche und zu Geschäftsleuten auf- und auszubauen, war die Grundlage dafür, dass sie überall offene Türen vorfanden, und dass sie zum Beispiel in Rom zwanzig Empfehlungsschreiben weiterreichen konnten. Am wichtigsten war dem Vater aber der Kontakt zu den Größen des italienischen Musiklebens. Mit ihnen trafen sie in Konzertveranstaltungen zusammen, schlossen Freundschaften und vereinbarten Auftritte für Wolfgang.
Neben den adeligen Gönnern und großzügigen Kaufleuten, die den Reisenden oft Unterkunft und Verpflegung kostenlos zur Verfügung stellten, war die wichtigste Persönlichkeit der ganzen Reise der berühmte Musikgelehrte Padre Martini in Bologna. Mit ihm hatte Leopold ins Gespräch kommen und auf Augenhöhe diskutieren wollen. Und so hatten sie im März 1770, als sie erstmals nur für kurze Zeit in die Stadt Bologna kamen, schon am dritten Tag ihre erste Begegnung mit Martini, der entgegen seiner Gewohnheit aus Neugier zur Soiree des Feldmarschalls Pallavicini gekommen war. Unmittelbar danach hatten sie sehr schnell Freundschaft mit ihm geschlossen. Und Padre Martini wurde den Mozarts tatsächlich zu einer großen Hilfe bei ihren Bemühungen um Wolfgangs Anerkennung als italienischer Opernkomponist. Auf seine Veranlassung hin kam es am 9. Oktober 1770 zur Aufnahme Mozarts in die Accademia Filarmonica von Bologna, wohin Vater und Sohn nach ihrer Italien-Rundreise am 20. Juli zurückgekehrt waren, um auf das angekündigte Libretto zu warten und mit den Vorbereitungen für die Oper zu beginnen. In Bologna war es auch, dass Leopold und Wolfgang den hoch angesehenen Komponisten mit dem sie noch über Jahre eine enge Freundschaft verband.
Entscheidend für den positiven Ausgang der ersten Italienreise war aber vor allem anderen Mozarts Fähigkeit, Anregungen und Ideen seiner italienischen Kollegen aufzunehmen und auf eigene Weise fortzuführen.
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Bildnachweis
Abbildung 1 (Seite 3): Eigene Tabelle, erstellt nach URL MOZART-KALENDARIUM: Mozart Tag für Tag - 1770. In: Stiftung Mozarteum Salzburg. Online verfügbar unter: www.mozarteum.at/mensch-mozart/mozart-kalendarium.html?suche=&jahr=1770, zuletzt geprüft am 26.02.2014.
Abbildung 2 (Seite 12): Urkunde über die Aufnahme Mozarts in die Accademia Filarmonica di Bologna vom 10.10.1770. Salzburg, Mozart Museum. Inv. Nr.: 90/42. Online verfügbar unter: www.mozarteum.at/?id=189& seite=27, zuletzt geprüft am 04.05.2014; des Weiteren verfügbar unter: www.mozarteum.at/img/db/0931.jpg, zuletzt geprüft am 04.05.2014.
Abbildungen 3 und 4 (Seite 23): entnommen aus FREEMAN 2009, S. 231 f.
[...]
1 Neben den berühmtesten zeitgenössischen Italienern - zum Beispiel die Opernkomponisten Niccoló Piccinni (1728-1800), Giovanni Paisiello (1740-1816) und andere - betätigten sich auch Nichtitaliener als hochangesehene Komponisten in Italien: Johann Adolph Hasse (1699-1783) wurde in den Zwanziger- und Dreißiger-Jahren des 18. Jahrhunderts zum führenden Vertreter der italienischen Opera seria, was ihm den Beinamen il divino Sasso eintrug. Johann Christian Bach (1735-85) lebte von 1755 bis 1762 in Italien und betätigte sich dort erfolgreich als Kirchenmusiker und dann auch als Opernkomponist. Den ebenfalls in Italien hochangesehenene tschechischen Komponisten Josef Myslive ek (1737-81) lernten die Mozarts während ihres ersten Bologna-Aufenthaltes kennen und schlossen mit ihm eine enge Freundschaft. Auf ihn und seine Vorbildfunktion für Mozart soll später besonders eingegangen werden (ab S. 22).
2 „Die angesehensten Gesangschulen waren zu Bologna die des Francesco Antonio Pistocchi (um 1700), dessen Methode noch bis heute die Grundlage für allen guten Gesang ist, ferner die seines Schülers Antonio Bernacchi, …“ (KÖCHEL, S. 28.)
3 Carlo Broschi (1705-1782), genannt Farinelli, war zu seiner Zeit der berühmteste Kastrat Europas. Er sang in allen großen Städten Italiens, aber auch in Wien, München, London, Paris und Madrid. Mehr als zwei Jahrzehnte verbrachte er am spanischen Königshof. 1757 kehrte er nach Italien zurück und ließ sich in Bologna nieder, wo er bis an sein Lebensende blieb. Dort trafen ihn die Mozarts während ihrer ersten Italienreise.
4 ABERT,S.142.
5 M ,S.64
6 KV 77, Misero pargoletto, eine große Arie mit einem begleiteten Rezitativ aus Demofoonte, KV 78, Per piet à bei idol aus Artaserse, KV 79, Per quel paternoamplesso aus Artaserse, KV 88, Fra cento affanni aus Artaserse. (ABERT, S. 149 f.)
7 Er erhielt das Libretto am 27. Juli 1770 in Bologna und erfuhr zugleich den Titel der Oper: Mitridate Re di Ponto.
8 Viele berühmte Komponisten waren Schüler von Padre Martini, darunter auch Johann Christian Bach. Nach seinem Kontrapunkt-Studium konvertierte dieser zum Katholizismus, um eine Anstellung als Kirchenmusiker beim Mailänder Dom zu erhalten.
9 Übersetzung aus dem Italienischen: URLGRAF FIRMIAN.
10 Leopold Mozart an seine Frau, 27.03.1770 (BAUER-DEUTSCH, I, S. 327 f.).
11 BAUER-DEUTSCH, I, S. 330.
12 Antonio Galli da Bibiena wirkte wie sein Vater und seine beiden Brüder überall in Italien, in Deutschland und auch in Wien als Theater-Bauer (URL ARTISTI ITALIANI,http://www.uibk.ac.at/aia/galli- bibiena_antonio.htm)
13 Basilica San Petronio: noch heute eine der größten Kirchen der Welt
14 ROEDER, S. 33.
15 Orotorio = Bethaus.
16 MEIEROTT-WÖRNER, S. 316.
17 Gründer der ersten deutschen Musikzeitschrift „Der musikalische Zeitvertreib“ (ab 1759) und Thomaskantor (1789-1801)
18 HILLER, S. 47.
19 BURNEY, S. 126 f.
20 BURNEY, S. 114 f.
21 BURNEY, S. 127.
22 BURNEY, S. 130 f.
23 Zitat Maria Anna Mozart nach CLARKE, S. 55.
24 URLJOMMELLI
25 Mozarts Oper Mitridate, Re di Ponto war in Mailand so erfolgreich, dass sie mehr als zwanzigmal wiederholt wurde.
26 „…die 6 Menuett von Hayden gefallen mir besser als die ersten 12, wir haben sie der gräfin oft machen müssen,…“ (Wolfgang an seine Schwester, Bologna, 22.09.1770. BAUER-DEUTSCH, I, 392.)
27 Leopold Mozart an seine Frau, Bologna, 06.10.1770 (BAUER-DEUTSCH, I, S. 394.)
28 Quaerite primum regnum Dei KV 86 (SADIE, S. 211.)
29 Leopold Mozart an seine Frau, Mailand, 20.10.1770 (BAUER-DEUTSCH, I, S. 396.)
30 BAUER-DEUTSCH, V, S. 282.
31 ABERT, S. 161.
32 „In fact the first to have finally realised Mozart had copied the Cipavit from the music of another composer was Ernst Hintermaier in a critical essay of 1991…” (URLBIANCHINI-Cibavit, S. 8).
33 Ebenda, S. 8.
34 „There is however no actual evidence in contemporary documents from 1770 which testify to a performance of any Miserere by W.A.Mozart, nor any letters mentioning the work in question, the Miserere KV 85.“ (URLBIANCHINI-Miserere, S. 3.)
35 „Das Buch hat H: P: Martino schon erhalten. wir sind die besten Freunde zusammen; itzt ist der Zweyte Theil seines Werkes fertig. ich bringe beyde Theile mit. wir sind täglich bey ihm und halten musikal: historische Unterredungen. (Leopold Mozart an seine Frau, Bologna, 06.10.1770, BAUER-DEUTSCH, I, S. 394.)
36 „Unterdessen habe ich schon 4 itallienische Sinfonien componirt, außer den Arien, deren ich gewiß 5-6 schon gemacht habe, auch eine Motetten.“ (Mozart an seine Schwester, Bologna, 04.08.1770, BAUERDEUTSCH, I, S. 377.)
37 SADIE, S. 202 ff.
38 Mozart an seine Schwester, Rom, 25.04.1770 (BAUER-DEUTSCH, I, S. 342).
39 Luigi Ferdinando Tagliavini, Herausgeber der Mitridate-Partitur von 1966 im Rahmen der Neuen Mozart- Ausgabe (s. NMA-MITRIDATE).
40 Aufsatz über Mozarts Mitridate im Mozart-Jahrbuch 2012, veröffentlicht 2014 (s. DE FEO).
41 Sie fungierte im Jahre 2001 als musikwissenschaftliche Beraterin für eine Mitridate -Inszenierung am Opernhaus in Santa Fe. Es ging dabei um authentische Verzierungen und Kadenzen. Darüber schrieb sie 2004 einen Aufsatz in Historical musicology (s. HARRIS).
42 „Ich denke hin und her ein Mittl auszufinden meine bagage leichter zu machen, indem solche immer grösser wird, […] sonderheit: machen die Bücher und Musikalien, die immer merk: anwachsen mir viel Ungelegenheit.“ (Leopold Mozart an seine Frau, Bologna 25.08.1770, BAUER-DEUTSCH, I, 384).
43 Eigentlich Rezitativ und Arie, obwohl Leopold Mozart (im unten genannten Brief) beide zusammen nur als „Rezitativ“ bezeichnet. Der Text entstammte dem Libretto zum oft vertonten Demofoonte des damals berühmtesten italienischen Librettisten, Pietro Metastasio (1698-1782). Das Konzert fand am 12. März 1770 „in dem graf: Firmianschen Hause“ statt (Leopold Mozart an seine Frau, Mailand, 13.03.1770, BAUER- DEUTSCH, I, 358).
44 ABERT, Bd.1, S.148 f.
45 Die größten Erfolge hatten jetzt die so genannten „Neuneapolitaner“ mit ihren seria- und buffa-Opern: Niccoló Piccinni (1728-1800), Giovanni Paisiello (1740-1816), Antonio Sacchini (1730-1786), Pietro A. Guglielmi (1728-1804) und Giuseppe Sarti (1729-1802), aber auch die Nichtitaliener Johann Gottlieb Naumann, Haydn und Mozart. (MEIEROTT-WÖRNER, S. 297.)
46 Bezeichnend ist die Kritik Mozarts an Jommelli nach dem Opernbesuch: „Die opera dahier ist von Jomelli, sie ist schön, aber viel zu gescheid, und zu altvätterisch fürs theatro…“(Beilage Mozarts an seine Schwester in: Leopold Mozart an seine Frau, Neapel, 05.06.1770, BAUER-DEUTSCH, I, 358.)
47 Neapolitanische Opernschule und Neuneapolitaner: Die italienische Opera seria entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert in Neapel unter ihrem ersten führenden Vertreter Alessandro Scarlatti. Charakteristische Formen waren die da capo -Arie und das recitativo accompagnato. Im 18. Jahrhundert prägte der Librettist Pietro Metastasio den Metastasianischen Operntyp, an dem sich Mozart mit seinem Mitridate, Re di Ponto noch weitgehend orientierte. Man wählte klassische Stoffe, und die Zahl der Personen beschränkte sich auf sechs Darsteller. Regelmäßig umfasste die Oper drei Akte und gliederte sich in Rezitative, die die Handlung weiterführten, und in da capo -Arien, die als Ruhepunkte der Handlung dem Ausdruck von Affekten dienten und zugleich die Gesangsvirtuosität der Prima Donna und des Primo Uomo präsentierten. (Nach MEIEROTT-WÖRNER, S. 289-91.)
48 ABERT, S. 216.
49 Leopold Mozart an seine Frau, Bologna, 28. Juli 1770 (BAUER-DEUTSCH, I, S. 342).
50 Cicognanis ursprünglicher Name war Aldobrandi (SENIGL, S. 195-8).
51 SENIGL,S.187-9.
52 Der Dichter Giuseppe Parini wurde im Jahr 1771 der Librettist für Mozarts Oper Ascanio in Alba, eine Auftragsarbeit des österreichischen Hofes zur Hochzeit von Erzherzog Ferdinand mit Beatrice von Este. Als Redakteur der Zeitung Gazzetta di Milano berichtete er über die Uraufführung des Mitridate und lobte vor allem den leidenschaftlichen Ausdruck in den Arien der Prima Donna: “Alcune Arie cantate dalla Signora Antonia Bernasconi esprimono vivamente le passioni, e toccano il cuore. Il giovine Maestro di Cappella, che non oltrepassa l'età d'anni quindici, studia il bello della natura, e ce lo rappresenta adorno delle piùrare grazie Musicali.” (NMA-MITRIDATE, S. X, Einleitung Tagliavini).
53 Diese Textänderungen betrafen folgende Stü>-1 Die Arie des Sifare; sie hat bei Gasparini den Titel “Tuoni adirato il vento“, bei Mozart dagegen “Parto, nel gran cimento“ (Nr. 5, S.63). -2 Die bei Gasparini noch vorhandene Arie des Arbate “D’un padre l’affetto” (2. Akt, Szene 6) fehlt im musikalischen Text von Mozart. -3 Aspasia singt bei Gasparini “Fra’ dubbi affetti miei“ (2. Akt, Szene 8), und bei Mozart “Nel grave tormento” (Nr. 14, S. 151). -4 Neu aufgenommen ist bei Mozart die Arie des Farnace “Son reo, l’error confesso” (Nr. 16, S. 174). -5 Von der Arie der Aspasia “Secondi il ciel pietoso“ (3. Akt, Szene 5) ist bei Mozart nichts erhalten, obwohl der Text im gedruckten Libretto vorhanden ist. -6 Schließlich heißt es im Schlusschor bei Gasparini “Gran monarca, al tuo perdono“, und bei Mozart lautet der entsprechende Text “Non si ceda al Campidoglio” (Nr. 25, S. 259). (DE FEO, S. 187-8, Nummern der Arien und Seitenzahlen nach NMA-MITRIDATE.)
54 „die Sängerinen und Sänger sind sehr zufrieden und völlig vergnügt: absonderlich ist die Prima Dona und der Primo uomo wegen dem Duetto voll der freude, und der Primo uomo sagte, daß wenn dieses Duetto nicht gefalle, er sich noch einmal wolle beschnatzeln lassen.“beschnatzeln = kastrieren. (Leopold Mozart an seine Frau, Mailand, 15.12.1770, BAUER-DEUTSCH, I, S.408.)
55 Leopold Mozart an Padre Martini, Mailand, 02.01.1771 (BAUER-DEUTSCH, I, S.412).
56 verkürzte da capo-Arie und Kavatine (ABERT, S. 218).
57 ABERT, S. 218.
58 ABERT, S. 217.
59 Leopold Mozart berichtet am 15. Dezember 1770 nach Salzburg, dass manche Skeptiker behauptet hätten, sein Sohn würde als Deutscher und in seinem jungen Alter unmöglich eine italienische Oper schreiben können, und er könne „…das zum theater nötige Chiaro ed oscuro ohnmöglich genug verstehen und einsehen…“ (Leopold Mozart an seine Frau, Mailand, 15.12.1770, BAUER-DEUTSCH, I, 408).
60 URLGARCIA-FERNANDEZ
61 NMA-Mitridate, S. XI.
62 DE FEO, S. 188.
63 Schon Tagliavini hat in seiner Mitridate-Edition auf die Übereinstimmungen zwischen Mozart und Gasparini hingewiesen, wenn er auch noch nicht wissen konnte, dass er fälschlich eine Arie aus Gasparinis Feder in seine Edition aufgenommen hatte: „Die Arien der Aspasia und auch das Duett, mit denen die Mailänder ,lntriganten‘ die Mozartschen ersetzen wollten, hat der junge Komponist sicherlich gekannt und wohl genau geprüft und studiert, um diese gefährliche ‚Konkurrenz‘ bestehen zu können. Einflüsse von Gasparini sind unseres Erachtens in der Gestaltung des Recitativo accompagnato e Cavatina (No. 21) und der ersten Version des Duetts zu bemerken. Besonders in dieser scheint Mozart dem Vorbild Gasparinis getreu gefolgt zu sein, urn sich dann bei der endgültigen Fassung - worüber, wie Leopold berichtet, die Prima Donna und der Primo Uomo „ voll der freude" waren - von diesem Muster wieder zu entfernen.“ (NMA-Mitridate, S. XI.)
64 Pariser Autograph und PariserPartiturabschrift in der Biblioth è que nationale Paris, daneben gibt es noch zwei frühe Partiturabschriften in Lissabon und in London (NMA-MITRIDATE, S. XI).
65 Rita Peiretti: Pianistin, Dirigentin, Musikwissenschaftlerin in Turin.
66 DE FEO, S. 188 f.:“L’ipotesi più probabile è che sia stato il cantante, insoddisfatto delle ariepropostegli dal giovane compositore (di cui restano due abbozzi), ad imporre la versione di Gasparini, ch’egli ben conosceva. Si tratterebbe quindi di un ’ aria di baule, prassi piuttosto consueta nell’opera del Settecento.”
67 DE FEO, S. 213-225.
68 FREEMAN 2009 !
69 “Mozart’s Mitridate could certainly be described as a Myslive kian work. Although Mozart’s use of musical motives from the 1767 Mitridate of Myslive ek’s friend Quirino Gasparini should not discounted, (9) there is no mistaking the orientation of Mozart’s opera towards Myslive ek’s compositional procedures. […] The sudden prominence of syncopation so typical of Myslive ekis also noteworthy.” (FREEMAN 2009, S. 229 f.)
70 FREEMAN 2009, S. 230.
71 Abb.3 entnommen aus Freeman 2009, S. 231.
72 Abb.4 entnommen aus Freeman 2009, S. 232.
73 FREEMAN 2009,S. 230.
74 FREEMAN 2009,S. 231.
75 GREITHER, S. 82 f.
- Citar trabajo
- Ilona Pichler (Autor), 2014, Mozart in Bologna. Motivation und Ziel der ersten Italienreise, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320593
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