„Scheu, Abscheu, Ekel und Hilflosigkeit – wir hatten es mit Menschen zu tun, die sich schlugen, kratzten, bissen, die laut schrien, ungewöhnliche Bewegungen machten, die unangenehm riechen, denen der Speichel aus dem Mund lief, die verkrüppelte Körper hatten. Wir merkten sehr bald, dass wir keine Verhaltensmuster hatten, mit denen wir auf diese Kinder hätten reagieren können“ (Pfeffer 1988; 127)
Am ersten Tag meines Blockpraktikums in einer Schule für Geistigbehinderte erfuhr ich, dass in meiner Praktikumsklasse auch ein schwerstbehindertes Mädchen sein sollte. Da ich unmittelbar noch nie mit Schwerstbehinderten zu tun gehabt hatte, war ich sehr gespannt auf diese Erfahrung. Julia ist ein 15 jähriges Mädchen, das nur den Kopf bewegen kann. Ihr Kopf wirkte im Verhältnis zu ihrem schmächtigen Körper übergroß, ihre Augen rollten hin und her, sie schien weder mich noch irgend jemanden anders anzublicken. Ihr Mund stand offen und sie speichelte. Ich glaube, ich habe in meinen ersten Praktikumstagen zum ersten Mal einen behinderten Menschen, mit dem ich nahe zu tun hatte, nur von außen betrachtet. Julia war die ersten Tage für mich das Bild eines schwerstbehinderten Menschen und ich fühlte mich schlecht, weil ich nicht mehr empfand, weil ich keinen Bezug zu ihr fand, ihr nicht begegnen konnte.
Diese beiden Beispiele für Erstbegegnungen mit schwerstbehinderten Menschen zeigen, wie sich das, was sie von uns unterscheidet, übermächtig in den Vordergrund drängt, so dass ihr Anderssein als Fremdheit empfunden wird, das Unsicherheit und Ablehnung, sogar Ekel hervorruft. Das Verhalten des schwerstbehinderten Menschen entspricht nicht unseren Erfahrungen und Normen, die wir in bezug auf den Mitmenschen haben. Wir finden daher keine Möglichkeit, ihm zu begegnen.
Im Folgenden möchte ich mich mit dieser Fremdheit, die wir empfinden, auseinandersetzen und verdeutlichen, wie unser Umgang mit ihr zu dem führen kann, was Fornefeld als „elementare Beziehungsstörung“ bezeichnet. Daran anschließend werde ich aufzeigen, welche Veränderungen ein Perspektivewechsel in der Betrachtung behinderter Menschen bewirken kann und mit Fornefelds Konzept der „elementaren Beziehung“ eine Möglichkeit beschreiben, zu Menschen mit schwerster Behinderung, insbesondere zu schwerstgeistigbehinderten Schülern im Rahmen eines beziehungsorientierten Unterrichts, einen Zugang zu finden.
Inhalt
1 Einleitung
2.1 Der behinderte Mensch als der Fremde
2.2 Formen des Umgangs mit der Fremdheit des behinderten Menschen
3 Der Begriff der „Beziehung“ und der „elementaren Beziehungsstörung bei Fornefeld
4.1 Perspektivewechsel im Verständnis des behinderten Menschen
4.2 Fornefelds Konzept der „elementaren Beziehung“
4.2.1 Fornefelds phänomenologische Sicht auf den Menschen
4.2.2 Struktur und Wirkung der elementaren Beziehung
5 Schluss
1 Einleitung
„Scheu, Abscheu, Ekel und Hilflosigkeit – wir hatten es mit Menschen zu tun, die sich schlugen, kratzten, bissen, die laut schrien, ungewöhnliche Bewegungen machten, die unangenehm riechen, denen der Speichel aus dem Mund lief, die verkrüppelte Körper hatten. Wir merkten sehr bald, dass wir keine Verhaltensmuster hatten, mit denen wir auf diese Kinder hätten reagieren können“ (Pfeffer 1988; 127)
Am ersten Tag meines Blockpraktikums in einer Schule für Geistigbehinderte erfuhr ich, dass in meiner Praktikumsklasse auch ein schwerstbehindertes Mädchen sein sollte. Da ich unmittelbar noch nie mit Schwerstbehinderten zu tun gehabt hatte, war ich sehr gespannt auf diese Erfahrung. Julia ist ein 15 jähriges Mädchen, das nur den Kopf bewegen kann. Ihr Kopf wirkte im Verhältnis zu ihrem schmächtigen Körper übergroß, ihre Augen rollten hin und her, sie schien weder mich noch irgend jemanden anders anzublicken. Ihr Mund stand offen und sie speichelte. Ich glaube, ich habe in meinen ersten Praktikumstagen zum ersten Mal einen behinderten Menschen, mit dem ich nahe zu tun hatte, nur von außen betrachtet. Julia war die ersten Tage für mich das Bild eines schwerstbehinderten Menschen und ich fühlte mich schlecht, weil ich nicht mehr empfand, weil ich keinen Bezug zu ihr fand, ihr nicht begegnen konnte.
Diese beiden Beispiele für Erstbegegnungen mit schwerstbehinderten Menschen zeigen, wie sich das, was sie von uns unterscheidet, übermächtig in den Vordergrund drängt, so dass ihr Anderssein als Fremdheit empfunden wird, das Unsicherheit und Ablehnung, sogar Ekel hervorruft. Das Verhalten des schwerstbehinderten Menschen entspricht nicht unseren Erfahrungen und Normen, die wir in bezug auf den Mitmenschen haben. Wir finden daher keine Möglichkeit, ihm zu begegnen.
Im Folgenden möchte ich mich mit dieser Fremdheit, die wir empfinden, auseinandersetzen und verdeutlichen, wie unser Umgang mit ihr zu dem führen kann, was Fornefeld als „elementare Beziehungsstörung“ bezeichnet. Daran anschließend werde ich aufzeigen, welche Veränderungen ein Perspektivewechsel in der Betrachtung behinderter Menschen bewirken kann und mit Fornefelds Konzept der „elementaren Beziehung“ eine Möglichkeit beschreiben, zu Menschen mit schwerster Behinderung, insbesondere zu schwerstgeistigbehinderten Schülern im Rahmen eines beziehungsorientierten Unterrichts, einen Zugang zu finden.
2.1 Der behinderte Mensch als der Fremde
Als fremd erleben und bezeichnen wir etwas, das im Kontrast zu dem uns Vertrauten und Gewohnten steht. Es hebt sich von diesem Eigenen ab und kann dadurch unsere Ordnung und damit das, was wir als Normalität empfinden stören. Wir haben keine Erfahrungen und Normen, die es uns ermöglichen, selbstverständlich mit dem Fremden umzugehen. Das verunsichert uns und kann nach Fornefeld dazu führen, dass „wir uns dem Fremden, das vom Behinderten ausgeht, ausgeliefert“ „fühlen“ (Fornefeld 1999; 6). Waldenfels unterscheidet „einige zentrale Formen der Fremdartigkeit“ (Waldenfels 3. Aufl. 1998; 60):
- Fremdartigkeit auf „gleicher Stufe“ („im Falle ähnlich weit entwickelter Lebensformen oder Kulturen“),
- Fremdartigkeit auf „früherer Stufe“ („individualgeschichtlich als Kindheit gegenüber dem Status des Erwachsenen, kollektivgeschichtlich als sogenannte Primitivität gegenüber dem Status des Zivilisierten, stammesgeschichtlich als Animalität gegenüber dem Status des Menschen“),
- Fremdartigkeit aufgrund von „Anomalien, Heterologien und Pathologien [...] [wie] im Traum, in der Ekstase oder im Wahn und in der Krankheit überhaupt“ (ebd.)
Er folgert daraus: „Das Gravitationsfeld des Fremdartigen gruppiert sich dementsprechend um drei zentrale Figuren: um das Kind, den Wilden und den Irren oder den Narren, dazu tritt in schattenhafter Nähe und Ferne das anthropoide Tier und der Automat“ (ebd).
Fornefeld geht davon aus, dass sich die Fremdartigkeit von Menschen mit schwerer Behinderung durch diese drei Figuren beschreiben lässt, insofern man ihr Anderssein durch „entwicklungs- und erziehungsbezogene[...] Vergleichsdefinitionen“ (Fornefeld 1999; 5) (also ausschließlich nach unseren Möglichkeiten gemessen) bestimmt. Der schwerstbehinderte Mensch unterscheidet sich damit in dreifacher Hinsicht von dem uns Vertrauten, was unsere Verunsicherung vergrößert.
Diese Unsicherheit lässt uns unser schwerstbehindertes Gegenüber als unheimlich empfinden., was zu den anfangs beschriebenen Reaktionen des Ekels und der Abscheu führen kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass „unheimlich“ eine Verneinung des Adjektivs „heimlich“ ist, einer Ableitung des Substantives „Heim“. „Heimlich“ bezeichnet damit etwas bezeichnet, das zum Haus gehörig, also vertraut ist. Das Wort, das wir für unser Empfinden in der Begegnung mit einem Schwerstbehinderten haben, verweist damit darauf, dass die negativen Gefühle in unserer Handlungsunsicherheit gegenüber dem Fremden begründet sind.
Die negativen Empfindungen können sich in der Gesellschaft in Form einer geringen Integrationsbereitschaft gegenüber behinderten Mitmenschen auswirken, wie Fornefeld es am sogenannten „Kölner Urteil“ (OLG Köln JZ; 1182, 1184) verdeutlicht, in dem „den Äußerungen von Menschen mit Behinderungen die Qualität menschlicher Kommunikation abgesprochen wird“ (Fornefeld 1999; 3). Mit Fornefeld bin ich der Meinung, dass sich hier die „Neigung des Menschen zur Abgrenzung und Ausgrenzung, zur Desintegration und zur Besonderung derer, die nicht so sind wie man selbst“ (ebd.; 4) zeigt und dass „die Ursache hierfür [...] in dem Befremden [liegt], das uns in der Begegnung mit ihnen [den behinderten Menschen (d. Verf)] trifft und uns, wenn auch meist unbewußt tief bewegt“ (ebd.; 5). Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie Schönbergers (1979), auf die Tröster in seiner Untersuchung zu Spannungen in der Interaktion zwischen Körperbehinderten und Nichtbehinderten eingeht (vgl.Tröster 1990). Schöneberger führt die in unserer Gesellschaft unterschiedliche Bewertung und Akzeptanz verschiedener Behinderungsgruppen (am größten ist die soziale Distanz zu Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung, im Mittelbereich liegen Sinnesbehinderte und die geringste soziale Distanz besteht zu Menschen mit Körperbehinderungen und chronischen Krankheiten) auf eine in unserem Kulturkreis allgemein akzeptierte Hierarchie der Werte zurück, in der die Intelligenz an erster Stelle steht. Auf diese folgen die Sprachfähigkeit, die Sinnestüchtigkeit, die Handgeschicklichkeit und die Fortbewegungsfähigkeit.
Aus dem Ergebnis lässt sich folgern, dass die Fremdheit eines behinderten Menschen, die um so größer ist, je mehr dieser in den Augen Nichtbehinderter zentrale Werte der Gesellschaft verletzt, die Ursache für die geringe Akzeptierungsbereitschaft ist, da sie auf die nichtbehinderten Menschen bedrohlich wirkt.
2.2 Formen des Umgangs mit der Fremdheit des behinderten Menschen
Laut Waldenfels „schillert alles Fremde [...] zwischen Befremdendem, Verlockendem, Bedrohlichem“ (Waldenfels 3. Aufl. 1998; 60) und drängt nach Eindämmung und Bewältigung. Waldenfels beschreibt mit der Enteignung und der Aneignung zwei Möglichkeiten, mit der Fremdheit umzugehen, die er „als Formen der Überreaktion und Gegenreaktion“ (ebd.) deutet. Bei dem Versuch der Bewältigung des Fremden durch Enteigung tritt „ das Fremde [...] an die Stelle des Eigenen“ (Waldenfels 3. Aufl. 1998; 63). Auf diese Weise wird versucht, die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Fremden aufzulösen. Das muss aber scheitern, da die Fremdheit des Anderen bestehen bleibt, so dass der Versuch, das Eigene durch das Fremde zu ersetzen, die Kontrastierung des Fremden mit dem Eigenen beinhalten muss. Die Folge ist, dass die Fremdheit des behinderten Menschen heruntergespielt wird oder dass sie überbetont wird und, wie Waldenfels schreibt, als „Exotik“ (ebenda; 63) behandelt wird. Das Leugnen der Grenze zwischen Eigenem und Fremden kann daher nicht dazu führen, den behinderten Menschen in seiner Welt zu erkennen, sondern wir nehmen ihm die Möglichkeit, so wie er ist, verstanden zu werden. Das drückt der Begriff „Enteignung“ aus.
Aneignung sieht Waldenfels als charakteristisch für unsere durch Rationalität bestimmte abendländische Kultur an. Das Fremde wird an dem, was wir als normale Entwicklung oder als normales Leben begreifen (d.h. an unserer Ordnung), gemessen, indem wir versuchen, es in Kategorien unserer Ordnung einzufügen (z.B. durch Entwicklungsmodelle). Auf diese Weise verliert die Welt des Behinderten ihren Wert und die Anpassung an unsere Entwicklungsnormen durch therapeutische Intervention tritt in den Vordergrund, was letztlich dahin führt, dass der behinderte Mensch nicht er selbst sein darf. Wie problematisch es ist, behinderte Menschen an uns selbst zu messen, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass einem 15 jährigen behinderten Jugendlichen aufgrund von Entwicklungsmodellen zum Beispiel der geistige Entwicklungsstand eines 1;6 jährigen Kleinkindes bescheinigt werden kann, ohne seine völlig anderen Lebensbedingungen und seine viel längere Lebenserfahrung zu berücksichtigen.
Ein weiteres drastisches Beispiel gibt der Film „Der Pannwitzblick“ von Didi Danquart: Ein Mädchen, das ohne Arme geboren wurde, wird, obwohl sie so in ihrem Alltag sehr gut zurecht kommt, gezwungen, Armprothesen zu tragen. Da diese Arme nie in ihrem Körperbild vorhanden waren, sind die Prothesen für sie überflüssig. Sie beschreibt ihre Situation für den nichtbehinderten Interviewpartner, indem sie ihn auffordert, sich vorzustellen, einen dritten Arm angeheftet zu bekommen. Von medizinischer Seite dagegen wird sie wie viele andere contergangeschädigte Kinder als ein „Reparaturfall“ gesehen, an dem nachgewiesen werden kann, was inzwischen alles machbar ist.
Ich möchte mit diesem Beispiel nicht therapeutische Maßnahmen an sich kritisieren, die oftmals die Lebensqualität eines behinderten Menschen entscheidend verbessern können. Meine Kritik zielt auf den Umgang mit diesen, also darauf, warum, mit welchem Ziel und wie sie hier angewandt werden.
Das Mädchen im Film bekommt die Prothesen verordnet, damit sie „normal“ im Sinne von „unserer Norm entsprechend“ leben kann. Ziel ist es, dass sie die Prothesen so gebrauchen kann, wie ein Nichtbehinderter seine Hände. Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass sie normalerweise ihre Füße als Handlungsinstrumente gebraucht und damit gut zurechtkommt. Es wird ihr sogar verboten, Handlungen mit den Füßen auszuführen. Hier wird das vollzogen, was Waldenfels als Aneignung bezeichnet. Die Welt des behinderten Mädchens verliert ihren Wert, wird negiert, und es wird gezwungen, sich unseren Normen anzupassen. Die therapeutischen Mittel werden genutzt, um in den Alltag des Mädchens von außen einzugreifen, ohne danach zu fragen, wie das Mädchen in der Welt steht. Fornefeld schreibt: „In unserem fortwährenden Bemühen um Kompensation von vermeintlichen Defiziten und Anpassung an Entwicklungsnormen verpassen wir den Anderen, erfassen wir ihn nicht als Menschen“ (Fornefeld 1999; 6).
Das entgegengesetzte Extrem wäre die völlige Ablehnung therapeutischer Maßnahmen. Dies bedeutete eine Überbetonung des Fremden und wäre eine Form der von Waldenfels beschriebenen „Enteignung“ : Da man davon ausgeht, dass man die Welt des behinderten Menschen nicht verstehen kann, verweigert man es überhaupt, ihm eine Antwort auf seine Situation zu geben, setzt sich also auch nicht damit auseinander, wie ihm sein Leben erleichtert werden könnte. Die Folge einer solchen Haltung wäre letztlich die Unmöglichkeit, mit dem behinderten Menschen in eine Beziehung zu treten.
3 Der Begriff der „Beziehung“ und der „elementaren Beziehungsstörung bei Fornefeld
Fornefeld spricht hier anschließend, aber auch in Abgrenzung zu Bodenheimer von der „elementaren Beziehungsstörung“ „und versucht die besonders schwierige Situation [...]mit seinem Terminus der ‚Verblüffung’ zu charakterisieren“ (Fornefeld, 2. Aufl. 1991; 197). Im Folgenden werde ich darstellen, was sie als „elementare Beziehungsstörung“ beschreibt und welche Chancen sie in ihrem Konzept der „elementaren Beziehung“ sieht, diese zu überwinden.
Zunächst muss allerdings gefragt werden, was sie mit dem Begriff „Beziehung“ meint.
Nach Fornefeld ist Bodenheimer der Auffassung, dass es nicht möglich sei, „Beziehung in ihrer Ganzheit zu erkennen“, deshalb gehe er auf die Elemente, die die Beziehung als Ganzes ausmachten, zurück, um ihr Wesen zu erfassen. Dieses Ganze lasse sich allerdings nicht durch eine Addition der einzelnen Elemente sondern nur durch die Spannung, die zwischen den Elementen und dem Ganzen bestehe, beschreiben. Als Elemente der Beziehung stellt Bodenheimer nach Fornefeld die einzelnen Sinnesbereiche dar, er betone aber, dass „die Sinne lediglich als Ort, auf den sich die Beziehenden beziehen, erscheine[...], die Beziehung an sich damit aber unvollständig beschrieben wäre“ (Ebenda; 187). Zu den Elementen der Beziehung gehöre ebenso das, was den Sinnen zugänglich sei. Die Sinne übernähmen lediglich die Vermittlung und könnten erst mit dem, was sich ihnen mitteilt, also mit dem, was ihnen zugetragen werde, ein Beziehungselement formen und damit die Beziehung vollziehen. Um das Wesen der elementaren Beziehung zu erfassen, ist es nach Fornefeld wichtig zu fragen, warum eine Verbindung zwischen den Sinnen und dem, was diesen zugänglich ist, besteht. Sie zieht dazu die Phänomenologie (s. S. 13) Merleau-Pontys heran. Fornefeld gibt Maier wieder, der schreibt (vgl. Maier 1963; 43 f. nach Fornefeld 2. Aufl. 1991; 135), Merleau-Ponty gehe davon aus, dass der Bezug des Menschen zur Welt weder ein reines „Für-sich-sein“, noch ein reines „In-sich-sein“ sei, sondern dass dieser immer schon in der Welt verankert sei, weil er aus der Natur hervorgegangen und ein Teil von dieser geblieben sei. Nach Maier bezeichnet Merleau-Ponty diese Weise des Daseins als den jedem Menschen eigenen Leib. Dieser ist nach Maiers Auffassung dann vorhanden, wenn Wahrnehmbares und Wahrnehmendes zueinander in Bezug treten und aufeinander bezogen bleiben, bis die Verbindung zerstört wird.Der Austausch führt dazu, das der Leib nach Fornefeld „weder als Objekt noch als Subjekt verstanden werden [kann], da er Subjekt und Objekt zugleich ist, und das macht es eigentlich unmöglich, ihn zu erfassen“ (Fornefeld 2. Aufl. 1991; 136). Man kann den Leib sehen, gleichzeitig ist dieser aber auch sehend, so dass man seinen Leib niemals nur als Objekt betrachten kann, denn in dem Moment, in dem man sich seines Leibes bewusst wird, wird der Leib selbst tätig, ist also betrachtendes Subjekt. Damit ist es uns nicht möglich, eine Sache an sich zu beschreiben, wir können nur sagen „ wie für uns etwas an sich zu sein vermag“ (Merleau-Ponty 1966; 96 nach Fornefeld 2. Aufl. 1991; 136). Fornefeld gibt Lippitz wieder, der erklärt, dass unser Bewusstsein nicht „den Dingen wie ein wissenschaftlicher Beobachter im Vollbesitz seiner methodischen Möglichkeiten distanziert gegenübertritt“ (Lippitz 1980; 35 nach Fornefeld 2. Aufl. 1991; 136), sondern dass jeder durch den Leib immer schon in einer bestimmten Weise präreflexiv auf die Dinge gerichtet ist. Für Pfeffer „enthüllt sich [daher]der Leib im intentionalen Leben“ (Pfeffer 1986; 21 nach Fornefeld 2. Aufl. 1991; 137). Nach Fornefeld versteht Pfeffer „in Analogie zu Merleau-Ponty, Leib-sein als die Weise des Zur-Welt-Seins des Menschen“ (Fornefeld 2. Aufl. 1991; 137). Die Position, die der Einzelne der Welt gegenüber präreflexiv einnimmt, entsteht aus der dialektischen Beziehung zwischen Mensch und Welt: Der Einzelne richtet sich in einer Weise auf die Welt, die sowohl durch ihn selbst (nach Maier durch den „Geist“, der seinen Körper bewohnt und dadurch die innere Struktur der Existenz dieses Menschen verwandelt), als auch durch die Bedeutung der Dinge bedingt ist. Fornefeld schreibt: „Mittels des Leibes, in dem die ‚Welt-an-sich’ zur ‚Welt-für-mich’ wird, stiftet der Mensch Welt. Es gibt nicht hier das für sich sein und dort eine Welt“ (ebd.; 138) und damit kann es auch nicht einerseits die Sinne und andererseits das, was ihnen zugänglich ist geben, sondern beides ist dialektisch miteinander verbunden.
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- Citation du texte
- Christiane Böckelmann (Auteur), 2003, Fornefelds Konzept der 'elementaren Beziehung' im Rahmen eines Perspektivewechsels im Verständnis des schwerstbehinderten Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31956
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