Diese Arbeit wurde aus aktuellem Anlass geschrieben, da Oscar Romero am 23. Mai 2015 von Papst Franziskus selig gesprochen wurde.
Ziel dieser Arbeit ist, das Leben und Handeln von Oscar Romero im Zusammenhang mit der Befreiungstheologie aufzuzeigen und deren Auswirkungen zu erläutern.
Um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen, wird zu Beginn Romeros Leben und der Wandel seiner Denkweise dargestellt um dann die Auswirkungen seines Handels beschreiben zu können. Schließlich werden der Inhalt und die Umsetzung der Befreiungstheologie mit aktuellen Entwicklungen erläutert.
Lateinamerika war und ist ein katholisch geprägtes Gebiet, das eine lange Zeit mit ernsten Konflikten zwischen Staat und Kirche zu kämpfen hatte.
Das II. Vatikanische Konzil, beeinflusste das Leben der Lateinamerikaner nachhaltig.
In Medellín und Puebla wurden vorrangig Entscheidungen zugunsten der Armen und Unterdrückten gefällt.
Aus dieser soziopolitischen Situation heraus, begann sich die Befreiungstheologie zu entwickeln.
Der Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, war eng mit der genannten Theologie verbunden, da er in seinen Predigten den Armen und Unterdrückten eine Stimme gab. Dadurch geriet er bei der Regierung in Verruf.
Gliederung
1. Rolle der Katholischen Kirche in Lateinamerika
2. Biografie Oscar Romero
2.1. Vom Priester zum Erzbischof
2.3 Die Stimmen der Armen
2.3.1 Situation der unterdrückten Bevölkerung
2.3.2 Kritikäußerung gegen Politik
2.3.3 Auswirkungen seines Handelns
2.4 Der Tod Romeros und die Folgen
2.5 Aktuelle Situation
3. Befreiungstheologie
3.1 Inhalt
3.2 Vertreter
3.3 Umsetzung
Fazit
Literaturverzeichnis
1. Rolle der Katholischen Kirche in Lateinamerika
Lateinamerika war und ist ein katholisch geprägtes Gebiet,[1] das eine lange Zeit mit ernsten Konflikten zwischen Staat und Kirche zu kämpfen hatte. Um ein besseres Verständnis zu erhalten, welche Rolle die Kirche innehatte, müssen insbesondere die politischen Strukturen betrachtet werden. Ab ca. 1960 wurde das Leben in Lateinamerika von Guerillakämpfen und Unterdrückungen durch Militärdiktaturen sowie Scheindemokratien beeinflusst.[2] Unter dem formaldemokratischen Militärregime von Präsident Molina sollte 1977 in El Salvador eine Agrarreform stattfinden, bei der 3.750 Hektar Land, im Besitz von 250 Personen, auf 12.000 Bauern umverteilt werden sollten. Doch die Großgrundbesitzer beschwerten sich, dies würde den Kommunismus herbeiführen.[3]
Die darauffolgende Demonstration der Campesinos[4] wurde vom Militär gewaltvoll beendet. Es folgte eine Zeit, die geprägt war durch Widerstand und Gewalt. Selbst Geistliche ergriffen in der verheerenden Situation Partei, um einen Beitrag zur Gerechtigkeit zu leisten. [5]
Das II. Vatikanische Konzil, welches von 1962 bis 1965 in Rom stattfand, beeinflusste das Leben der Lateinamerikaner nachhaltig. Die Kirche nahm sich vor, auf die „Zeichen der Zeit“ (GS 4) zu achten und reformierte sich selbst. Die dort beschlossenen Dokumente waren ausschlaggebend für darauffolgende Generalversammlungen des Lateinamerikanischen Episkopates[6] (CELAM). Insbesondere in Medellín und Puebla wurden vorrangig Entscheidungen zugunsten der Armen und Unterdrückten gefällt.
Aus dieser soziopolitischen Situation heraus, begann sich die Befreiungstheologie zu entwickeln.
Der Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, war eng mit der genannten Theologie verbunden, da er in seinen Predigten den Armen und Unterdrückten eine Stimme gab. Dadurch geriet er bei der Regierung in Verruf.
Diese Arbeit wird aus aktuellem Anlass geschrieben, da Oscar Romero am 23. Mai 2015 von Papst Franziskus I. selig gesprochen wurde.[7] Ziel dieser Arbeit ist, das Leben und Handeln von Oscar Romero im Zusammenhang mit der Befreiungstheologie aufzuzeigen und deren Auswirkungen zu erläutern.
Um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen, wird zu Beginn Romeros Leben und der Wandel seiner Denkweise dargestellt um dann die Auswirkungen seines Handels beschreiben zu können. Schließlich werden der Inhalt und die Umsetzung der Befreiungstheologie mit aktuellen Entwicklungen erläutert.
2. Biografie Oscar Romero
2.1. Vom Priester zum Erzbischof
Oscar Arnulfo Romero wurde am 15. August 1917 in dem abgelegenen Ort Ciudad Barrios in El Salvador geboren. Er wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Nach einer Schreinerlehre trat er in ein Priesterseminar in San Miguel ein und wechselte im Alter von 15 Jahren nach San Salvador. Eineinhalb Jahre später ging er nach Rom und begann dort nochmals sein Theologiestudium. Am 4. April 1942 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Noch bevor er schließlich seine Doktorarbeit beenden konnte, kehrte er, auf Grund des Zweiten Weltkrieges und auf Anraten eines Bischofes, von Rom nach El Salvador zurück[8] und wirkte in der Stadt Anamorós als Pfarrer.[9]
Einige Monate später wurde er zum Sekretär der Diözese San Miguel ernannt.[10] Er unterstützte außerdem tatkräftig seinen Freund Valladares, als dieser Redakteur der Wochenzeitschrift des Bistums Chaparrastique wurde. Später erhielt Romero selbst die Stelle des Redakteurs dieser Zeitung. In den 23 Jahren, die er in San Miguel lebte, verrichtete er mit viel Elan seine priesterlichen Aufgaben. Er kümmerte sich um das allgemeine Wohlbefinden der Einwohner seiner Diözese. So unterstützte er zum Beispiel verschiedene Organisationen, wie das Collegium Mariae, die diözesane Caritas, und die Anonymen Alkoholiker ebenso wie den dritten Orden des Hl. Franziskus und noch viele mehr. Zudem stattete er den Insassen im Gefängnis Besuche ab. Er wurde Rektor des kleinen Seminars der Clarentiner, in dem er sein Theologiestudium begonnen hatte und Beichtvater verschiedener Klosterverbände.[11] Oscar Romero wird zu dieser Zeit als ein „heitere[r] und angenehme[r] Mensch( )“ beschrieben, „der aber auch seinen Unwillen zeigen konnte“[12].
Dem zweiten Vatikanischen Konzil (siehe Punkt 1) folgte Romero mit großer Aufmerksamkeit. Auf diese neue Auslegung der Kirche wird Romero seine späteren Worte und Taten berufen.
Er stand den Entschlüssen interessiert, aber kritisch gegenüber und im Vergleich mit anderen jungen Priestern, die das Zweite Vatikanische Konzil als ersten Schritt zur Veränderung der Kirche und Welt betrachteten, hielt Romero vorerst an traditionellen Werten fest.[13]
Wegen seines unermüdlichen Arbeitseinsatzes erhielt er im April 1967 den Titel Monsignore[14].
Schließlich verließ er San Miguel, da er zum Generalsekretär der Nationalen Bischofskonferenz ernannt wurde und zog wieder in die Hauptstadt San Salvador.[15]
Im Juni 1970 erfolgte seine Ernennung zum Weihbischof. Einige empfanden es in Anbetracht der Armut, die in San Salvador verbreitet war, als unangebracht, die Weihe so prunkvoll zu gestalten, wie es zum damaligen Zeitpunkt geschehen ist. Es waren nicht nur kirchliche, sondern auch viele staatliche Persönlichkeiten anwesend. Zeremonienmeister war Rutilio Grande, ein Freund Romeros, den er aus Studienzeiten kannte.[16] Grande wird im späteren Leben Romeros noch eine entscheidende Rolle spielen.
Ein Freund Romeros, Salvador Barazza, bot ihm eines Tages im Jahre 1970 an, dass Romero bei ihm und seiner Familie einziehen könnte. Die Barazzas wurden zu einer Familie für Romero, mit denen er seine Wünsche und Sorgen teilte, bei denen er sich entspannen konnte und mit denen er auch gerne zu scherzen pflegte.[17]
Als der Redakteur von Orientación, die Zeitung der Erzdiözese San Salvador, nach einer Diskussion zu der sozialen Frage El Salvadors begann, einen Guerillapriester zu würdigen, wurde dieser von Erzbischof Chávez entlassen. Statt seiner ist Romero zum neuen Redakteur der Zeitung ernannt worden.[18] Seine damaligen Veröffentlichungen entsprachen seiner konservativen Einstellung. [19]
1972 wurde Oscar Romero zum Rektor des Priesterseminars in San Salvador gewählt, nachdem sein Vorgänger wegen seines moderneren Führungsstils des Seminars auf Abneigung der Bischöfe gestoßen war.[20] Zwei Jahre später wurde Romero zum Bischof von Santiago de María ernannt. In dieser Diözese befand sich sein Geburtsort, Ciudad Barrios.[21] Während der Zeit, die er in Santiago de María verbrachte, wurde ihm der Armutszustand der Bevölkerung, vor allem der Campesinos, bewusst.[22] Die Diözese spiegelte die elende gesellschaftliche Lage von El Salvador wider. Unterdrückung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit zeigte sich vor allem bei der Landverteilung: Es gab die Oligarchie[23], die große Ländereien besaß, und viele Arme, die abhängig von den Plantagenbesitzern waren.[24]
In Santiago de Maria gab Monsignore Romero bald selbst eine Zeitschrift heraus, namens El Apóstol, die sich als Wochenzeitung der Diözese etablierte. In El Apóstol appellierte er unter anderem, der „‘geschaffene Reichtum sollte gerechterweise alle erreichen; so will es die Gerechtigkeit, deren Begleiter die Nächstenliebe ist‘“[25]. Wie schon in San Miguel, war er auch in Santiago um das Wohlbefinden seines Volkes bemüht. So unterstützte er beispielsweise die Erntearbeiter, indem er diese nachts in der Kathedrale schlafen lies und ihnen warmes Abendessen organisierte.[26] Seine mit großem Eifer ausgeführten pastoralen Tätigkeiten führten ihn auch zu Bauern in den entlegensten Orten.[27] „‘Er kümmerte sich immer um das Wohlbefinden der ganzen Person‘“[28].
Im Juli 1975 wurde in San Salvador zum ersten Mal die Kathedrale besetzt. Dies geschah aus Protest gegen militärische Truppen, die eine Demonstration von Studenten massakriert hatten.[29]
Ein Jahr später veröffentlichte Romero in einer Rede seine Denkweise gegen „‘sogenannte neue Christologien‘“. Er griff damit die Befreiungstheologie an, „weil es ihm scheint, sie gefährde die Lehre der Kirche und den Glauben“ [30]. Einer seiner späteren engeren Berater, Jon Sobrino, „empfand Romeros Worte als Angriff auf sein Werk[31] – was sie zweifellos waren“[32]. „Er [Romero] befürchtet, Befreiung würde rein materiell verstanden. Er fordert zur Liebe auf, da er immer noch an den guten Willen aller glaubt“[33]. Die nächste Station in Romeros Leben war seine Ernennung zum Erzbischof von San Salvador.
2.2 Vom Gelehrten zum Befreier der Armen
1977 wurde die arme Bevölkerung, sowie manche Theologen durch das Militärregime und die Oligarchie unterdrückt.[34] Doch weiterhin setzten sich Teile des Klerus, unter anderem Erzbischof Luis Chávez, für die Rechte der Bauern ein. Nach 38 Jahren im Amt ließ sich der Erzbischof in den Ruhestand versetzen.[35]
Als Nachfolger unterstützte der Klerus der Erzdiözese den ausgeglichenen und für neue Reformen aufgeschlossenen Bischof Rivera[36], der Chávez mehr als 18 Jahre lang zur Seite stand.[37] Doch um eine Spaltung zur Regierung zu verhindern, kam nur ein Nachfolger in Frage, den besonders die Oligarchie akzeptieren würde. Also entschied sich Rom für den konservativen Kandidaten, der den Umstürzen im Lande mit Skepsis begegnen und die bischöflichen Aufgaben in traditioneller Weise erledigen würde.
Romero war als Priester bekannt, der an der Lehre und den Traditionen der Kirche festhielt.[38] Neuerungen wie dem Zweiten Vatikanischen Konzil begegnete er zweifelhaft. Doch er wollte den von der Kirche gegebenen Richtlinien folgen und seinem Gewissen treu bleiben.[39] In einem Interview erzählte er: „‘Wir müssen wachsam nach althergebrachter Art die Mitte suchen, aber nach Gerechtigkeit streben‘“[40].
Oscar Arnulfo Romero wurde also am 22. Juli 1977 als Erzbischof von San Salvador eingesetzt, zum Wohlwollen der Oligarchie und den Konservativen, aber zum Missfallen des reformfreudigen Klerus.[41] Unterdessen kam es 1977 wegen Betrugs bei der Regierungswahl zu lang anhaltenden Protesten der Salvadorianer. Die betrügerische Wahl gewann General Romero (nicht mit O. Romero verwandt), welcher bekannt dafür war, die Meinungen der Oligarchie und der Machthaber zu vertreten. Das Militär beendete die Proteste mit einer Schießerei, die mehrere Tote forderte.[42] Romero rief die Priester dazu auf, ihre Pastoralarbeit, trotz der widrigen Umstände, weiterzuführen.[43]
Romeros Freund, Pater Rutilio Grande orientierte sich in seiner Pastoral an den Beschlüssen Medellíns. Er half den Campesinos in Aguilares, zusammen mit den Jesuiten, sich bewusst in Gemeinden zu integrieren und die Botschaft Gottes auf ihr Leben anzuwenden.[44] Grande predigte als Pfarrer von Aguilares oft gegen die Ungerechtigkeit, weswegen die offizielle Presse gegen Jesuiten hetzte. Aus diesen Gründen wurden Rutilio Grande und zwei seiner Begleiter am 12. März 1977 abends, auf dem Weg zu einer Messe in einem entlegenen Dorf, hinterhältig erschossen. Vom Tod seines Freundes erfuhr Romero umgehend.[45] Der vermutlich politisch angeregte Mord an Rutilio Grande, der sich im Namen der Kirche für Gerechtigkeit und Befreiung eingesetzt hatte, war das Ereignis, woraufhin sich Romeros Denkweise zu ändern begann. „‘Wenn sie ihn für das umgebracht haben, was er getan hat, dann muss ich denselben Weg gehen. Rutilio hat mir die Augen geöffnet.‘“[46]
Im Trauergottesdienst am nächsten Morgen, las Romero aus dem Rundschreiben Evangelii nuntiadi, das Papst Paul VI. anlässlich des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Bischofskonferenz in Medellín verfasst hatte: „Die Befreiung, die Grande verkündete, sei eine Befreiung auf dem Nährboden des Glaubens“[47], die oft missverstanden würde.[48]
Romero ließ Präsident Molina wissen, dass die Kirche aufgrund „diese[m] beispiellose[n] Sakrileg“[49] an keinen „offiziellen Veranstaltungen der Regierung“[50] teilnähme, bis diese Morde vollständig aufgeklärt seien und offizielle Berichte vorliegen würden.[51]
Lange Zeit war unbekannt, wer Grande erschossen hatte. Nachdem ein Gerichtsmediziner die Geschosse als Polizeikugeln identifiziert hatte, wurde der Verdacht erweckt, dass das Militärregime schuld an den drei Toten sei. Ausbleibende Ermittlungen des Staates verstärkten diesen Verdacht.[52]
Noch am Tag nach Grandes Beerdigung wurde in der Sitzung des Klerus beschlossen, dass an dem folgenden Sonntag alle Messen in San Salvador abgesagt werden. Es solle nur eine einzige Messe in der Kathedrale stattfinden.[53] 100.000 Menschen nahmen an diesem Gottesdienst teil.[54] Romero reiste nach Rom, um schlechten Neuigkeiten aus San Salvador zuvorzukommen. Er erläuterte Papst Paul VI. die momentane katastrophale Lage seiner Diözese und dass er sein Bestes gäbe, um die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Beschlüsse aus Medellín in den Alltag und besonders im Gottesdienst einzubinden. Papst Paul VI. sprach ihm daraufhin Mut zu und bestärkte ihn.[55]
Zurück in El Salvador veröffentlichte Romero zu Ostern seinen ersten Hirtenbrief. Er schrieb darin. in dem er Medellín zitierte, von der Befreiung: „die Kirche dürfe gegenüber dem ‚stummen Schrei von Millionen, die ihre Hirten um Befreiung anflehen, welche sonst nirgends zu finden ist‘, nicht gleichgültig sein.“[56], von der Hoffnung des Volkes und dass es „christliche Feinfühligkeit für die Nöte der Menschen“[57] bräuchte, um die Sendung der Kirche zu erfüllen.[58]
Im Frühjahr 1977 überschlugen sich weitere Ereignisse. Der Außenminister Borgonovo, ein wohlhabender Bürger, wurde von einer Guerilla-Gruppe entführt und ermordet. Aus Rache erschossen daraufhin Mitglieder einer rechtsgerichteten Gruppe Pfarrer Navarro und einen Jungen.[59] Bei Navarros Beerdigung hielt Romero eine Predigt gegen Gewalt und über eine „Kirche, die für eine gerechtere, menschlichere Welt kämpft“[60].
Der tragische Tod, den Romeros Freund Grande erleiden musste, ließ Romero umdenken. Galt er früher als konservativ, so war er nun offen für Gespräche und strukturelle Veränderungen.[61]
Er nahm seine pastoralen Aufgaben nicht mehr nur an, um den Vorstellungen der Kirche zu entsprechen, sondern er wendete sich direkt an die Menschen. Er erkannte, dass es nicht dem Sinn der Kirche und Gottes entsprach, die sozialpolitische Situation El Salvadors stillschweigend hinzunehmen.
Im Sinne eines positiven Wandels ergriff Romero Partei für die Armen und wurde so zur Stimme der unterdrückten salvadorianischen Bevölkerung.[62] „Die Kirche würde ihre Liebe zu Gott und ihre Treue zum Evangelium verraten, wenn sie aufhörte, die Stimme derer zu sein, die keine Stimme haben“[63].
2.3 Die Stimmen der Armen
2.3.1 Situation der unterdrückten Bevölkerung
Viele Bürger wurden gefoltert und getötet oder verschwanden einfach. Ausländische Priester wurden verhaftet oder ausgewiesen. Es herrschte Unterdrückung und große Armut und es bestand keine Aussicht auf eine gesellschaftliche Änderung. Die Oligarchie hatte die Zügel fest in der Hand. Jegliche Opposition wurde brutal verfolgt.[64] Als sicherer Versammlungspunkt blieb den Bürgern nur die Kirche.
Romero rief auf zur Gerechtigkeit: „Es ist unerlässlich, dass wir alle bereit sind, was wir sind und haben miteinander zu teilen und bis an die Grenzen unserer Möglichkeiten an der Schaffung einer politisch-wirtschaftlichen Struktur mitzuarbeiten, die nach Gottes Plan alle Salvadorianer auf faire Weise begünstigen wird.“[65] Schließlich war die weitherrschende Armut und die verbreitete Gewalt eine Folge des Regierungsstils. Die Salvadorianer gingen auf die Straßen, demonstrierten gegen bestehende Machtverhältnisse und gegen die ungleiche Besitzverteilung. Oscar Romero sprach sich für friedliche Versammlungen aus und rief die Bevölkerung dazu auf, sich zu organisieren.
Doch jede Demonstration gegen die Regierung wurde durch das Militär gewaltvoll unterbunden.[66] Eine Aussage Romeros, die sich auf die Worte eines neunjährigen Jungen stützt, beschreibt die Lage von El Salvador in einem Satz: „In diesem Land muss sogar um Freiheit gebettelt werden.“[67]
Um weitere Demonstrationen und Aufruhr zu verhindern, gab die Regierung nur noch ausgewählte, belanglose Nachrichten heraus, die die aufgeheizte Stimmung im Land überspielen sollten.[68]
2.3.2 Kritikäußerung gegen Politik
Regelmäßig betonte Romero die Schuld der Regierung an der elenden Situation El Salvadors. Er kritisierte die ungerechte Lohn- und Besitzverteilung und forderte weiterhin eine Bodenreform. [69] In seinem zweiten Hirtenbrief nahm Romero die Worte aus der CELAM in Medellín auf, und sprach von einer vorherrschenden „struktureller Sünde“ in der die „Mehrheit der Menschen ihre Macht spüren lassen“[70]. Romero bezeichnete Präsident Molina[71] und später auch Präsident Romero als Lügner und stellte die Kirche bewusst auf die Seite der Bevölkerung.[72]
In seinem vierten Hirtenbrief warf er der Politik die immense Gewalt und die Verletzung der Menschenrechte durch das Militär vor, sowie die Bevorzugung der Oligarchie. Er prangerte die anhaltende Ungerechtigkeit und die Korruption der Justiz an.[73]
„Angesichts der neuen politischen Situation in unserem Land beharrt die Kirche auf ihrem Aufruf zur Umkehr, damit jede Tat des Hasses und der Vergeltung erlischt und der Weg der Gerechtigkeit und der Liebe gesucht wird, der als einziger zu echtem Wohlergehen führt.“[74]
Als die USA ankündigte, El Salvador verstärkt militärisch zu unterstützen, unter anderem, um die Menschenmassen der Demonstrationen besser zu kontrollieren, verfasste Romero einen Brief an US-Präsident Jimmy Carter. Romero warnte Carter, dass diese Maßnahmen nur noch mehr Gewalt in das Land bringen würden, die Ungerechtigkeit und Unterdrückung verschärft würde.[75] Er appellierte, weder „militärischen, wirtschaftlichen, diplomatischen oder anderen Druck [auf das Land auszuüben, damit die Bevölkerung] in eigener Verantwortung über den wirtschaftlichen und politischen Kurs [bestimmen könne]“[76].
[...]
[1] Vgl. ENCYCLOPÄDIA BRITANNICA: Religionen in Lateinamerika.
[2] Vgl. Martina KALLER-DIETRICH: Geschichte Lateinamerikas, 1.
[3] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 27.
[4] Campesinos = Landlose.
[5] Vgl. Peter PEETZ: El Salvador, 1.
[6] Episkopat = Bischofskonferenz.
[7] Vgl. CHRISTLICHE INITIATIVE ROMERO e. V: Märtyrer, 4.
[8] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 83.
[9] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 84.
[10] Vgl. Gerhard M. BAUER: Hintergrund, 2.
[11] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 84f.
[12] James R. BROCKMAN: Romero, 87.
[13] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 87f.
[14] Monsignore ist die Anrede für einen römisch-katholischen Priester, dem ein päpstlicher Ehrentitel verliehen wurde.
[15] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 88.
[16] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 91.
[17] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 95f.
[18] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 97.
[19] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 29.
[20] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 103.
[21] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 105.
[22] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 114f.
[23] Eine kleine Gruppe reicher Familien mit großem wirtschaftlichem und, im Falle El Salvadors, hauptsächlich rechtem politischem Einfluss, sowie mit großem Einfluss auf öffentliche Medien.
[24] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 34f.
[25] (GS 69). Zit. In.: James R. BROCKMAN: Romero, 109.
[26] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 34f.
[27] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 114.
[28] James R. BROCKMAN: Romero, 85.
[29] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 115.
[30] James R. BROCKMAN: Romero, 117.
[31] Jon Sobrino veröffentlichte zuvor ein Buch über Christologien.
[32] James R. BROCKMAN: Romero, 117.
[33] James R. BROCKMAN: Romero, 117.
[34] Vgl. ROMEROHAUSBONN: O. Romero, 2.
[35] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 29.
[36] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 29.
[37] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 37.
[38] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 29f.
[39] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 93.
[40] LA PRENSA GRÀFICA, Interview.
[41] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 31.
[42] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 32f.
[43] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 36.
[44] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 40.
[45] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 38.
[46] Martin MAIER: Oscar Romero, 42f.
[47] James R. BROCKMAN: Romero, 39f.
[48] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 40.
[49] Brief Romeros an Molina, 14. März. 1977.
[50] Brief Romeros an Molina, 14. März. 1977.
[51] Vgl. Brief Romeros an Molina, 14. März 1977.
[52] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 41f.
[53] Vgl. Protokoll der CEDES, 15. März 1977.
[54] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 50.
[55] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 55.
[56] Iglesia de La Pascua, 17. April 1977.
[57] Ebd.
[58] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 59-61.
[59] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 62 & 67.
[60] Ignacio MARTÌN-BARÒ: Predigt Romeros, 201-205.
[61] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 47f.
[62] Vgl. ROMEROHAUSBONN: O. Romero, 2f.
[63] CHRISTLICHE INITIATIVE ROMERO e.V.: Märtyrer, 3.
[64] Vgl. Peter PEETZ: El Salvador, 2.
[65] Ignacio MARTÌN-BARÒ: Predigt Romeros, 20. Januar 1980, 241-242.
[66] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 306.
[67] Predigt vom 14. Oktober 1979
[68] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 259.
[69] Vgl. Martin MAIER: Oscar Romero, 120.
[70] Martin MAIER: Oscar Romero, 123.
[71] James R. BROCKMAN: Romero, 66.
[72] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 260.
[73] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 305-308.
[74] Oscar A. ROMERO: Nicht Schweigen, 57.
[75] Vgl. James R. BROCKMAN: Romero, 365f.
[76] James R. BROCKMAN: Romero, 366.
- Arbeit zitieren
- Julia Grübl (Autor:in), 2015, Die Biographie Oscar Romeros und die Grundlagen der Befreiungstheologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319478
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