Diese Ausarbeitung wird versuchen die Frage zu beantworten, inwiefern "Unterm Rad" als Kritik am Schul- und Bildungssystem des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu verstehen ist und welche Argumente jener Debatte aufgegriffen werden. Zu diesem Zweck wird umrissen, was genau unter dem Konzept ‚Schule’ anno 1892 zu verstehen ist und inwiefern dieses Konzept infrage gestellt wurde. Im Anschluss wird untersucht, wie der Lehrkörper und das Klosterseminar selbst im Roman dargestellt werden und inwiefern sich der Schulroman (nicht) in den Zeitgeist und das gesellschaftliche Selbstempfinden der Jahrhundertwende einfügt.
Die Zeit um 1900 herum ist eine Epoche, die von tiefgreifenden Veränderungen beherrscht wird – und damit von Unsicherheit, Misstrauen und Konflikten. Die ersten Entwicklungen in der Elektrotechnik wie Telefone, elektrisches Licht und Straßenbahnen wurden begleitet von einem enormen Bevölkerungszuwachs und der Emanzipation der Frauen; Sigmund Freud entdeckte in der Psyche eines jeden von uns Vorgänge, die den Menschen als konsequent selbstbeherrschtes Wesen in Frage stellten (und den Stellenwert der Kindheit für die soziale und psychische Entwicklung neu definierten); die Natur- und Ingenieurswissenschaften verdrängten 2000 Jahre alte Ansichten über den Ursprung der Menschheit. All diese Veränderungen zwischen Tradition und Moderne „erzeug[t]en ebenso viel Modernisierungsangst wie Euphorie.“
Der aufkeimende Generationenkonflikt unter dem Licht der in literarischen Kreisen hochstilisierten Dekadenz entwickelte sich durch Reformpädagogen und Jugendbewegungen um etwa 1880 von einem fachinternen Diskurs zu einer öffentlich diskutierten Kritik am Schulsystem, an der sich schließlich sogar der Kaiser persönlich beteiligte. Zentraler Terminus der Debatte war der Begriff ‚Überbürdung‘. Parallel zu der öffentlichen Diskussion wurden auffallend viele literarische Texte veröffentlicht, die einen jugendlichen Helden am unbarmherzigen Schulsystem scheitern lassen. Einer davon ist Hermann Hesses 1905 erschienene Erzählung „Unterm Rad“.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Rad im Detail - Was bedeutet,Schule' im Jahr 1892?
- Repression und Altphilologie: Alltag in Maulbronn
- Schülerfiguren als Kämpfer der Moderne
- Funktionen des Suizids
- Rings ums Rad - Wie werden Schule und Lehrerschaft dargestellt?
- Lehrerschaft und Erwachsene in Unterm Rad
- Joseph Giebenrath und der Ephorus
- Empathische Ausnahmen - Flaig und Wüterich
- Schuldarstellung in Unterm Rad
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Ausarbeitung befasst sich mit Hermann Hesses Erzählung „Unterm Rad“ und untersucht sie als Kritik am Schul- und Bildungssystem des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sie beleuchtet die Argumente der damaligen Debatte um die Überbürdung von Schülern und analysiert, wie diese im Roman thematisiert werden.
- Der Wandel des Schulsystems und die Bedeutung von „Schule“ im Jahr 1892
- Die Rolle von Repression und Altphilologie im Schulalltag von Maulbronn
- Die Darstellung von Lehrerschaft und Klosterseminar in „Unterm Rad“
- Die Einordnung des Romans in den Zeitgeist der Jahrhundertwende
- Die Kritik an der Autorität und den gesellschaftlichen Normen der Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext von Hesses „Unterm Rad“ dar, indem sie die gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche um 1900 beleuchtet, die zu einer Kritik am Bildungssystem führten. Sie stellt das zentrale Thema der Überbürdung und die Rolle der Jugendbewegung vor.
Kapitel 2, „Das Rad im Detail“, untersucht den Begriff „Schule“ im Jahr 1892 und vertieft den historischen Kontext. Es beleuchtet die militärische Prägung des Schulalltags, die Rolle von Altphilologie und Religion im Lehrplan sowie die Folgen der staatlichen Kontrolle des Schulsystems. Der Abschnitt thematisiert auch die Repression und die Auswirkungen des autoritären Schulsystems auf die Schüler.
Kapitel 3, „Rings ums Rad“, analysiert die Darstellung der Lehrerschaft und des Klosterseminars im Roman. Es untersucht, wie die Erwachsenen im Roman dargestellt werden und welche Rolle sie im Leben des Protagonisten spielen. Es beleuchtet außerdem die Schuldarstellung im Roman.
Schlüsselwörter
Unterm Rad, Hermann Hesse, Schulroman, Überbürdung, Altphilologie, Repression, Generationenkonflikt, Jahrhundertwende, Bildungssystem, Klosterseminar, Lehrerschaft, Staat, Autorität, Jugendbewegung, Kritik.
- Citation du texte
- Steffen Kutzner (Auteur), 2015, Hesses "Unterm Rad" als Kritik am Schulsystem 1892, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317287