Die Frage, welche Wohn- und Pflegeform im Alter die richtige ist, kommt auf jeden Menschen zu. Immer mehr alte Menschen wünschen sich, diese Entscheidung selbst zu treffen und an ihrer Pflege- und Betreuungssituation bewusst teilzuhaben. Und auch die gesellschaftliche Forderung nach Teilhabe der Pflegebedürftigen wird immer lauter.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen jedoch häufig auseinander. Grund dafür ist eine zu geringe Kundenorientierung der Akteure, die Einfluss auf die Entscheidungen alter Menschen ausüben. In seiner Bachelorarbeit untersucht Stefan Müller die Faktoren, die sich auf die Wahl einer bestimmten Wohn- und Pflegeform auswirken und erarbeitet Strategien, die zu einer erhöhten Kundenorientierung führen.
Die Kundenorientierung der Pflegedienstleister und Sozialunternehmen ist der zentrale Punkt in Müllers Analyse, denn die Unternehmen sind auf die Mitwirkung der Kunden angewiesen, um eine qualitativ hochwertige Betreuung leisten zu können.
Der Erfolg sozialer Dienstleister hängt maßgeblich von der Kundenzufriedenheit ab. Daher haben Teilhabe und Kundenorientierung für alle Managementbereiche der Anbieter sozialer Dienstleistungen eine hohe Relevanz. Exemplarisch erarbeitet Müller dies am Bereich Marketing. Er zeigt, wie soziales Marketing und eine an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtete Kommunikation dazu beitragen können, deren Teilhabe zu erhöhen und die Pflegequalität insgesamt zu steigern.
Aus dem Inhalt:
- Stakeholder und Lebenslage als Entscheidungskriterium
- Ambulant, Stationär oder neue Wohnform?
- Vor- und Nachteile der verschiedenen Wohnformen
- Kundenorientierung und Managementbereiche
- Marketing sozialer Organisationen
Inhaltsverzeichnis
1 Grundlagen und Ziele der Arbeit ...6
2 Die Wohn - bzw. Pflegeformen ...8
3 Determinanten der Entscheidungsfindung ...9
3.1 Die Stakeholder als Entscheidungskriterium ...9
3.1.1 Der Einfluss der Stakeholder als Entscheidungskriterium ...9
3.1.2 Stakeholder der alten Menschen ...10
3.2 Die Lebenslage als Entscheidungskriterium ...11
3.2.1 Grundlegendes zur Lebenslage ...12
3.2.2 Die Bedeutung der Lebenslage als Entscheidungskriterium ...12
3.3 Der Einfluss der Systeme ...14
3.3.1 Grundlegendes zu Systemen ...14
3.3.2 Der Einfluss des Gesellschaftssystems ...14
3.3.3 Der Einfluss des Systems der sozialen Sicherung ...16
3.3.4 Der Einfluss des politischen Systems, der Sozialpolitik und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern ...20
3.4 Niedrigschwellige Organisationsstrukturen und Prozesse ...22
3.5 Kulturelle Einflüsse ...23
4 Probleme und Aufgaben bei der Umsetzung einer verbesserten Teilhabe – Die Rolle der Beteiligten ...24
5 Auswirkungen der Kundenorientierung auf das Management sozialer Dienstleistungsunternehmen ...27
5.1 Kundenorientierung und Managementbereiche ...28
5.1.1 Marketing sozialer Organisationen ...28
5.1.2 Der Einsatz der Instrumente des (sozialen) Marketings als Hilfsmittel zu einer umfassenden Kundenorientierung ...29
5.1.3 Umsetzung der Kundenorientierung mit den Methoden des Marketings unter Beachtung der Einflusskriterien - Beispiele ...35
5.1.4 Einfluss des Marketings auf andere Managementbereiche (Beispiele) ...41
5.2 Die Prozesse des Marketing-Managements sozialer Organisationen ...42
5.2.1 Die Grundlagen betrieblicher Prozesse ...42
5.2.2 Die Gestaltung betrieblicher Prozesse aus Kundensicht ...44
5.3 Grenzen des Marketings und der Kundenorientierung ...44
6 Die Auswahl: Ambulant, Stationär oder neue Wohnform? ...47
6.1 Wohnformen im Alter – Vor- und Nachteile ...47
6.2 Die Auswahl der Wohnform – Ein Fazit ...52
7 Kundenorientierung, eigene Erfahrungen und Reflexion der Arbeit ...53
7.1 Vorschläge des Autors zu Verbesserung der Teilhabe ...53
7.2 Ein Fazit zur Erstellung der Arbeit ...55
8 Literaturverzeichnis ...56
9 Anlagen ...81
Anlage 1 ...81
Anlage 2 ...82
Anlage 3 ...83
Anlage 4 ...84
Anlage 5 ...85
1 Grundlagen und Ziele der Arbeit
Früher oder später stellt sich für die Mehrzahl der alten Menschen die Frage hinsichtlich einer ambulanten oder stationären Pflege und Betreuung (vgl. Westhoff, Westhoff 2013: 11). Das ist oftmals mit tiefgreifenden Einschnitten und Veränderungen in der persönlichen Lebensführung der alten Menschen verbunden (vgl. VMLS o.J.; Nordmann 2013). Die gesellschaftlichen Forderungen nach einer Stärkung der Teilhabe alter Menschen an ihrer Pflege- und Betreuungssituation nehmen stetig zu (vgl. Rüßler, Stiel 2014). Die alten Menschen sollen und wollen zunehmend mitbestimmen dürfen in Fragen, die ihre Pflege betreffen. Teilhabe und Kundenorientierung bedeuten Entscheidungsfreiheit für den alten Menschen (vgl. Schöneberg 2010; Garms-Homalova et al. 2008). Bei der Auswahl, für eine bestimmte Form der Betreuung und Pflege sind sowohl subjektive Aspekte als auch objektive Kriterien ausschlaggebend. Anspruch- und Wirklichkeit klaffen dabei häufig stark auseinander (vgl. Walker 2013). Trotz der verstärkten Bemühungen um eine verbesserte Teilhabe gehören alte Menschen häufig zu den Verlierern der Gesellschaft. Ihre Meinung wird ignoriert (vgl. Heslop, M. et al. 2002). Ein Problem hierbei stellt die oftmals nur als gering anzusehende Kundenorientierung derjenigen Personen, Gruppen und Organisationen - die auf das Leben alter Menschen Einfluss nehmen wollen oder können - dar. Der Kundenbegriff geht sogar noch über den Begriff der Teilhabe hinaus. Denn dieser bedeutet nichts weiter, als dass man sich auf Augenhöhe begegnet, seinen Gegenüber als kundig, als ebenbürtig einstuft (vgl. Maren 2012: 182 ff.; Quernheim 2010). Die Kundenorientierung unterliegt vielerlei Faktoren. Diese begrenzen und steuern die Kundenorientierung (vgl. Wurzer 2013; Korf, Kalkert 2011). Zur Teilhabe gehört auch die Akzeptanz von differenzierten Altersbildern (vgl. Volkssolidarität 2012).
In dieser Arbeit geht es um die Entscheidungen alter Menschen bezüglich ihres weiteren Lebens, dabei insbesondere um ihre Wohnsituation. Ein Ziel der Arbeit besteht darin, über die Einflussfaktoren, die die Wahl einer bestimmten Form der Pflege und Betreuung durch die alten Menschen beeinflussen, aufzuklären. Das zweite Ziel der Arbeit soll aufzeigen, inwieweit die Kundenorientierung in Bezug auf die Wahl einer Pflege- und Betreuungsform von allen Akteuren, die das Leben der alten Menschen mitbestimmen, gesteigert werden kann. Weiterhin soll (als drittes Ziel) aufgezeigt werden, wie soziale Dienstleistungsunternehmen als Einheiten, die operativ mit den Kunden arbeiten, diese Kundenorientierung umsetzen können.
Dabei sind die erwähnten Einflusskriterien von diesen unbedingt bei der Leistungserstellung mit zu berücksichtigen.
Zunächst erfolgt eine kurze Darstellung der grundlegenden Arten der Betreuung und Pflege von pflegebedürftigen alten Menschen. Im Folgenden setzt sich die Arbeit mit besagten Einflusskriterien, welche die Entscheidungen der alten Menschen bezüglich ihrer Pflege und Betreuung betreffen, auseinander. Im nächsten Kapitel werden einige Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Teilhabe aller am Leben der alten Menschen beteiligten Personen oder Gruppen diskutiert. Im Anschluss werden die Auswirkungen der Kundenorientierung auf das Management sozialer Institutionen erläutert. Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang die Managementrelevanz der Einflusskriterien berücksichtigt. Schließlich geht es um die Auswahl einer Form des Wohnens. Hierzu werden einige Vor- und Nachteile der jeweiligen Pflege- und Betreuungsformen aufgezeigt und ein Fazit gezogen. Eigene Gedanken des Autors verbunden und einer Reflexion der Arbeit runden die Arbeit ab.
Unter anderem geht es um die Darlegung der Vielfalt der Einflussfaktoren, welche auf die Entscheidungen alter Menschen bezüglich der Auswahl ihrer Wohnsituation einwirken können. Da diese Arbeit vom Umfang her begrenzt ist, kann es sich nur um eine erste Übersicht über diese Einflussfaktoren handeln. Deshalb muss auf eine ausführliche, tiefere Beschreibung der Eigenschaften der geschilderten Faktoren verzichtet werden. Das gleiche gilt auch für die Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Teilhabe und die Darstellung der Managementrelevanz. Weiterhin wird zur Vereinfachung ausschließlich die männliche Geschlechtsform benutzt. Einige Begriffe werden synonym gebraucht, z.B. Betreuung und Pflege und Wohnsituation. Obwohl der Ausdruck der Kundenorientierung höher zu bewerten ist als die reine Teilhabe, werden beide Begriffe wegen ihrer engen Verwobenheit nicht streng voneinander getrennt. Der synonyme Gebrauch gilt auch für: Institution, Organisation und Unternehmen. Die Erläuterungen beziehen sich auf die Situation in Deutschland. Weiterhin ist zu erwähnen, dass es zwischen allen Aspekten, die in dieser Arbeit geschildert werden sowohl zu internen als auch zu externen Überschneidungen und Wechselwirkungen kommt. Das entspricht auch der Realität bzw. der Praxis. Bei allen Bemühungen in Bezug auf die Kundenorientierung sollte eine integrierte Sichtweise erfolgen. Der Autor verzichtet innerhalb der jeweiligen Kapitel auf gesonderte Hinweise bezogen auf diese Tatsachen.
2 Die Wohn - bzw. Pflegeformen
Die Mehrzahl der alten Menschen wird ambulant zu Hause betreut (häusliche Pflege). In den meisten Fällen erfolgt die Pflege hierbei durch Angehörige, in selteneren Fällen durch andere informelle Pflegepersonen wie Nachbarn, etc. Teilweise wird professionelle Unterstützung von ambulanten Pflegediensten in Anspruch genommen. Daneben gibt es auch alte Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung alleine auf sich gestellt sind und rein ambulante Betreuungsleistungen erhalten. Es gilt der Grundsatz ambulanter vor stationärer Pflege.
Neuerdings werden auch ambulant betreute Wohngemeinschaften zusätzlich gefördert. Pflegebedürftige, die Leistungen für ambulante Pflege erhalten und in einer Wohngruppe leben können zusätzliche Leistungen (Wohngruppenzuschlag) erhalten. Das gilt auch für Menschen in der sogenannten Pflegestufe 0.
Alle Formen der Pflege und Betreuung werden nach der Erfüllung gewisser Anspruchsvoraussetzungen unterschiedlich finanziell gefördert, z.B. durch die Pflegeversicherung, oder den Trägern der Sozialhilfe. (vgl. Sorge 2014).
Ist niemand bereit einen alten Menschen zu pflegen und ist dieser nicht mehr in der Lage selbstständig für sich zu sorgen (auch trotz Unterstützung ambulanter Dienste) bleibt oftmals nur die Wahl eines Pflegeheims. In nur wenigen Fällen erfolgt der Gang in ein Altenheim ohne gesundheitliche Einschränkungen eines alten Menschen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer teilstationären Pflege (Tages- Nachtpflege) oder Kurzzeitpflege. Eine statistische Übersicht über die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen bietet Anlage 1.
Wegen der zwischenzeitlich enormen Vielfalt und Komplexität der Fördermöglichkeiten in Bezug auf die Betreuung und Pflege alter Menschen verweist der Autor auf die Schrift „Soziale Sicherung im Überblick 2015“, die kostenlos beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales erhältlich ist und einen umfassenden Überblick über die geförderten Möglichkeiten der Betreuung und Pflege alter Menschen bietet (vgl. BMAS 2015).
3 Determinanten der Entscheidungsfindung
Für die Entscheidungen alter Menschen wo und wie sie Ihren Lebensabend verbringen möchten spielen folgende Aspekte eine Rolle (vgl. Strube et al. 2014: 185 ff.; Crusius, Salomon: 30f.):
- Stakeholder
- Lebenslagen
- Umgebende Systeme
- Niedrigschwellige Organisationsstrukturen und Prozesse
- Kulturelle und ethnische Kriterien
Die Bedeutung dieser Einflussgrößen auf das Leben alter Menschen wird im nachfolgenden Abschnitt erörtert.
3.1 Die Stakeholder als Entscheidungskriterium
Zunächst werden einige Grundlagen über Stakeholder thematisiert.
Anschließend werden einige relevante Stakeholder der alten Menschen vorgestellt. Mit Hilfe von Beispielen wird der Einfluss dieser auf die Wohnsituation der alten Menschen belegt.
3.1.1 Der Einfluss der Stakeholder als Entscheidungskriterium
Einheitliche Definitionen über Stakeholder - und wer überhaupt ein Stakeholder ist - liegen nicht vor (vgl. Achterkamp, Voss 2008: 749 ff.). Nach einer Sichtung der Literatur kann folgende Zusammenfassung vorgenommen werden:
Der Begriff des Stakeholders ist ein bereits „eingedeutschter“ Begriff, der in vielen Bereichen genutzt wird, z.B. im Sozialwesen oder in der Wirtschaft. Er wird im Sinne von „Anspruchsgruppen“ verwendet. Stakeholder weisen ein berechtigtes Interesse an der Entwicklung und Manifestation von gewissen Sachverhalten auf. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn diese betroffen sind (vgl. Hentze, Thies 2014: 11 ff.; Mitchell et al.: 853 ff.). In unserem Fall geht es um die Anspruchsgruppen, die ein berechtigtes Interesse an der Pflege und Betreuung alter Menschen haben z.B. Angehörige, Pflegekräfte etc. Ursprünglich stammt der Begriff des Stakeholders aus der Betriebswirtschaftslehre (vgl. Freeman 1984). Der Autor ist aber der Ansicht, dass diese Sichtweise nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit widerspiegelt.
Nicht nur Unternehmen haben „Stakeholder“. Diese hat jeder von uns und jeder Mensch ist auch – während seiner gesamten Lebenszeit – ein Stakeholder. Stetig versuchen einzelne Personen, diverse Gruppen und Organisationen jeglicher Art unser aller Leben mit zu bestimmen. Das gilt auch für die umgekehrte Richtung, sowohl bewusst, als auch unbewusst.
Alle Menschen versuchen Einfluss zu gewinnen und Macht auszuüben (vgl. Knothe et al. 2009: 215 ff.). Die Wichtigkeit der Stakeholder kann demnach vorgenommen werden, inwieweit diese die Entscheidungen alter Menschen bezüglich ihrer Teilhabe beeinträchtigen. Die Skala reicht von geringer Einflussnahme auf die Selbstbestimmung des alten Menschen – bis hin zur völligen Aufgabe seiner Teilhabe (vgl. Völpel 2011). Des Weiteren sind die Einflussmöglichkeiten bzw. die Einflussnahme der Stakeholder abhängig von deren eigener- und der Persönlichkeitsstruktur der alten Menschen (vgl. Theuvsen 2009: 31 ff.; Masson 2015). Eine Übersicht über die Einflusskriterien auf das Leben alter Menschen liefert Anlage 2.
3.1.2 Stakeholder der alten Menschen
Wichtige Stakeholder der alten Menschen sind:
- Angehörige
- Medien
- Kostenträger
- Leistungsträger (medizinische und pflegerische Dienstleistungen)
- Politik / Gesetzgebung
- Verbände
Die Motive von Angehörigen zur Pflege sind z.B. emotionaler Natur, Steigerung von Selbstwertgefühlen, Sinnvermittlung, Gewissensgründe (Pflichterfüllung), Angst vor Kontrollverlusten wie Befürchtungen eines Vermögensabbaus (vgl. AG Caritas Sozialarbeit 2011; Gensluckner, Holz 2005).
Die Medien nehmen über ihre Berichterstattung über die Lebenslagen der alten Menschen Einfluss. Hierdurch entstehen oftmals Ängste der alten Menschen, vor allem bezüglich der stationären Altenpflege. Sie konstruieren gewisse Pflegebilder mit und verbreiten diese (vgl. Steindorf 2006: 46 ff.; Köpke, Meyer 2008: 556).
Der Einfluss der Kostenträger beruht auf gesetzlichen Grundlagen. Beispiele sind die Erteilung von Pflegestufen nach SGB XI (vgl. BMG 2015) oder die Off-Label Verordnung von Medikamenten, die besonders für chronisch kranke (alte) Menschen wichtig sein kann (vgl. VfA 2013).
Der Einfluss der Leistungsanbieter auf die Wohnsituation alter Menschen beinhaltet ein umfangreiches Spektrum. Die Ärzte bestimmen über das Wohlbefinden und somit auch über die Entscheidungsfähigkeit und Willensausübung der alten Menschen durch ihre Verordnungen bzw. Therapien (z.B. Medikamentenverordnungen, häusliche Krankenpflege nach SGB V) entscheidend mit (vgl. Nikolaus 1999: 307 ff.). Das gleiche trifft beispielsweise auch bei der Arbeit von ambulanten sozialen Diensten zu. Die Pflegequalität eines ambulanten Dienstes entscheidet mit, ob - und wie lange - ein alter Mensch in seiner gewohnten Umgebung verbleiben kann, bzw. ob stationäre Pflege erforderlich ist (vgl. Wiesli 2011: 187 ff.; Heusinger, Klünder 2005: 181). Der Einfluss stationärer Einrichtungen als erste Wahl für die Art ihrer Pflege und Betreuung dürfte für die Mehrzahl der alten Menschen bei Beginn der Pflegebedürftigkeit eher als gering anzusehen sein, da viele alte Menschen die ambulante bzw. häusliche Pflege nach wie vor (zunächst) bevorzugen (vgl. Toelzer 2012: 4; Saup 1999: 44). Die Angst vor dem Leben in einem Heim ist bei vielen alten Menschen immer noch als sehr ausgeprägt anzusehen (vgl. Wandt 2009; Hinkel 2012).
Die Politik bestimmt vor allem durch die Gesetzgebung das Leben der alten Menschen mit, z.B. durch Verabschiedung von Gesetzen, die die Gesundheits- und Sozialpolitik betreffen. Diese fördert momentan vor allem die ambulante Pflege um Kosten zu sparen (vgl. Igl et al. 2007: 20). Dementsprechend wird auch die Meinung vieler alter Menschen, deren Angehörige und der breiten Öffentlichkeit, gelenkt (vgl. Kron 2014).
Schließlich versuchen auch diverse Interessensgruppen (wie z.B. Fach-, Sozialverbände) die Meinung alter Menschen in die gewünschte Richtung zu lenken, z.B. durch Lobbyarbeit oder Marketing-Aktivitäten (vgl. Neumann 2014; Kruse 2002).
3.2 Die Lebenslage als Entscheidungskriterium
Zuerst erfolgt eine Definition des Begriffs der Lebenslage und dessen Reichweite. Anschließend wird auf die Bedeutung der Lebenslage als Entscheidungskriterium eingegangen.
3.2.1 Grundlegendes zur Lebenslage
Die Lebenslage eines Menschen wird durch externe Einflüsse und den vorhandenen eigenen Ressourcen definiert. Beide Aspekte legen dessen Handlungsspielräume fest. Die Lebenssituation ist eng mit dem Lebensstil eines Individuums verknüpft (vgl. Engels 2008: 643 ff.; Rehbein 2011).
3.2.2 Die Bedeutung der Lebenslage als Entscheidungskriterium
Die Lebenslage kann als entscheidendes Teilhabekriterium für das Leben der alten Menschen gelten. Von der Lebenslage hängt die Lebensqualität der alten Menschen ab (vgl. Rohrmann 2012: 469 ff.; Motel-Klingebiel 2001: 187 ff.). Sie ist gekennzeichnet durch folgende Faktoren (vgl. Backes, Clemens 2000: 8; Joas 2007).
- Angehörige
- Einkommen und staatliche Hilfeleistungen
- vorhandene körperliche-, geistige-, seelische Ressourcen
- Werte, Normen, Spiritualität, Zufriedenheit
- Bildung, Selbstbestimmung, kulturelle Teilhabe
- Wohnen, Umfeld, Angebote von sozialen Dienstleistungen
Bei den Angehörigen spielt deren eigene Lage und Bereitschaft zur Übernahme der Pflege eine große Rolle (vgl. Hoffmann 2006: 27). Ein wichtiges Kriterium ist ferner, ob die Angehörigen mit den alten Menschen unter einem Dach bzw. in einem Haushalt leben. Wobei hier die Gefahr besteht, dass die alten Menschen gänzlich bevormundet werden bzw. das Leben der alten Menschen komplett von außen gemanagt wird (vgl. Herold et al. 2002: 195).
Zwischen Einkommen und Entscheidungsfreiheit im Alter besteht ein enges Verhältnis. Eine vergleichsweise gute Einkommenssituation wie z.B. durch eine höhere Rente hat Auswirkungen auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität (vgl. Lampert, Kroll 2005). Das betrifft z.B. die Wahl eines besser ausgestatten Pflegeheims mit zusätzlichem Wohnkomfort oder einem Verbleiben in der gewohnten Umgebung durch eine komfortablere, altersgerechte Gestaltung der Wohnung. Ist man hingegen auf ergänzende- oder vollständige Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) angewiesen, sind die Träger der Sozialhilfe in der Lage den alten Menschen Beschränkungen auf die Wohnsituation aufzuerlegen z.B. beim Verbleib in der gewohnten Umgebung, oder bei der Wahl eines Pflegeheims. Einzelfallentscheidungen und das Subsidiaritätsprinzip spielen eine größere Rolle als das bei den Leistungen der Sozialversicherungen der Fall ist (vgl. Klie 2013: 290 ff.).
Die Entscheidungsfähigkeit der alten Menschen wird ebenso von den noch vorhandenen geistigen, seelischen und körperlicher Ressourcen bestimmt. Je weniger davon zur Verfügung stehen, bzw. aktiviert werden können, desto abhängiger und entscheidungsärmer werden alte Menschen. Stattdessen bestimmen verschiedene Stakeholder deren Leben im Zeitverlauf immer stärker mit (Böhme, Martin 2001; Kulmey, Tesch-Römer 2013).
Die Entscheidungen der alten Menschen entsprechend ihrer Pflege und Betreuung werden auch durch vorhandene Werte, Normen, Zufriedenheit und Spiritualität bestimmt. Hierbei geht es u.a. darum, inwieweit man dazu neigt sich so lange als nur irgendwie möglich selbst zu helfen, oder frühzeitig fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen (vgl. Schäfers 2010: 23 ff.; Kutschera 1973). In den meisten Fällen wünschen sie sich, dass ihre Pflege ausschließlich von Angehörigen übernommen wird. Weitaus weniger alte Menschen möchten zu Beginn ihrer Pflege in ein Heim (vgl. Bender 1994: 224; Schmidt 2014). Mit fortschreitendem Lebensalter nimmt die Pflegebedürftigkeit meist auf allen Ebenen des menschlichen Lebens zu. Einige der älteren Mitmenschen wollen ab diesem Zeitpunkt die „Last der Pflege“ den Angehörigen nicht -oder nicht mehr- komplett alleine zumuten (vgl. Tagesanzeiger 2015). Sie nehmen deshalb zusätzlich zur Angehörigenpflege ambulante Dienste in Anspruch oder wechseln doch in ein Heim (vgl. Thiele et al. 2002: 556 ff.). Spirituell beeinflusste Menschen akzeptieren ihre Situation eher und sind generell zufriedener mit Ihrem Leben als Menschen ohne Glauben (vgl. Grom 2011: 259 ff.). Oftmals besteht auch eine gewisse Scham staatliche Leistungen einzufordern. Man möchte vom Staat nichts haben, dessen Leistungen nicht in Anspruch nehmen (vgl. Podgornik 2012). Auch der Autor hat in seinem engeren Bekanntenkreis solche Aussagen mitbekommen.
Eine gute Bildung beeinflusst die Lebenslage und die Entscheidungen bezüglich der Wohnsituation insoweit, da gebildete Menschen sich häufig gesünder ernähren, aktiver sind und mehr Gesundheitsvorsorge betreiben (vgl. Knesebeck, Voneilich 2009: 259 ff.).
In der Regel stehen gebildete Menschen neuen Wohnformen wie z.B. Altenwohngemeinschaften offener gegenüber. Sie zeigen auch ein vermehrtes Interesse an kultureller Teilhabe und leben selbstbestimmter (vgl. Gierse, Wagner 2012: 68).
Das Quartier und das eigene Wohnen sind dann von Bedeutung für die Wohnsituation der alten Bevölkerung, wenn sich dieses stark verändert, z.B. bei Segregationstendenzen, Sanierungsmaßnahmen oder wenn alte nachbarschaftliche Strukturen- und bisher vorhandene Dienstleistungen wegbrechen (vgl. Vaskovics 1990; Niermann et al. 2014: 11 ff.). Meist bleibt in solchen Fällen als Wahl nur der Weg ins Pflegeheim (vgl. Radio Trausnitz 2015). Die Verfügbarkeit bzw. der Erhalt von sozialen, gesundheitlichen, kulturellen Angeboten und sonstigen Dienstleistungen im Viertel gelten als Grundvoraussetzung für die Möglichkeit eines Verbleibs alter Menschen in ihrem gewohnten Umfeld (vgl. Kooperationsverbund o.J.).
3.3 Der Einfluss der Systeme
Bevor der Einfluss der Systeme näher skizziert wird werden einige grundlegende Hinweise zu diesen aufgeführt.
3.3.1 Grundlegendes zu Systemen
Alle Phänomene, die auch nur annähernd eine eigene, spezifische Struktur aufweisen und sich dadurch bedingt von ihrer Umwelt unterscheiden können als Systeme deklariert werden. Systeme operieren zwar weitgehend unabhängig und eigenverantwortlich in ihrem Innenverhältnis, sie sind aber auf andere Systeme angewiesen und von ihnen abhängig. Es kommt zu Austauschprozessen und Wechselwirkungen zwischen den Systemen. Wichtige Bestandteile von Systemen sind Kommunikation und Handlungen (vgl. Schroeter 2009: 19 ff.). Einige für alte Menschen wichtige Systeme sind:
(vgl. Hillebrandt 1999; Hammerschmidt, Tennstedt 2010: 235 ff.).
- Das Gesellschaftssystem
- Das System der sozialen Sicherung
- Das politische System / Sozialpolitik
Beispielhaft wird ausführlich der Einfluss des Gesellschaftssystems auf die Entscheidungen alter Menschen beschrieben. Anschließend erfolgt dies´ für das System der sozialen Sicherung und das politische System.
3.3.2 Der Einfluss des Gesellschaftssystems
Das Gesellschaftssystem gilt als das System, das alle anderen Systeme innerhalb einer Gesellschaft umfasst. Letztendlich bestimmen die Strukturen des Gesellschaftssystems die Ordnungskriterien aller anderen Systeme mit. Die anderen Systeme sind Teilmengen des Gesellschaftssystems. Dabei ist dieses den anderen Systemen keinesfalls hierarchisch übergeordnet. Es umfasst nur alle anderen Systeme (vgl. Luhmann 1987).
Unsere Gesellschaft funktioniert seit der Industrialisierung verstärkt nach funktionsbezogenen, arbeitsteiligen Mustern. Sie differenziert - und professionalisiert sich immer weiter aus (vgl. Schroeter 2009: 23 f.). Diese Tendenz wurde im Zuge der in den letzten Jahrzehnten einsetzenden Globalisierung zusätzlich verstärkt (vgl. Vester 2009: 41; Knop 2013). Daraus leiten sich folgende, weitreichende Veränderungen für das Leben alter Menschen ab:
Vor allem von den Arbeitnehmern wird eine immer größere Flexibilität in Bezug auf deren Wohn- und Arbeitssituation verlangt. Ein Effekt aus diesem Blickwinkel heraus besteht darin, dass die Angehörigen und die alten Menschen häufig räumlich voneinander getrennt sind (vgl. Schneider et al. 2002; Dallinger 1997). Gleichzeitig lösen sich gewohnte familiäre Strukturen innerhalb unserer Gesellschaft zunehmend auf (vgl. Link 2011). Heute bestimmen immer öfters neue Formen des Zusammenlebens unsere gesellschaftliche Strukturen, z.B. eingetragene Lebenspartnerschaften, Patchwork-Familien, Fernbeziehungen usw. (vgl. Schuldermandl 2015: 165; Schäfers, Hradil: 1995: 119 ff). Die Politik versucht diesen Zerfall familiärer Strukturen aufzuhalten (vgl. Erler 1996: 11).
Ein weiterer Grund für die Auflösung der gewohnten Strukturen ist sicherlich der Trend zur Individualisierung und Selbstverwirklichung. Aus diesen Gründen finden jüngere Familienmitglieder oftmals nicht mehr die Zeit sich um die Belange von Angehörigen zu kümmern. Nicht alle wollen mit der nicht immer einfachen Pflege alter Menschen, konfrontiert werden (vgl. Münch 2004). Zur Selbstverwirklichung gehört auf der anderen Seite auch die Forderungen nach Selbstbestimmung bzw. angemessener Teilhabe der alten Mitbürger an sich, durch die Fach- und Laienwelt. Sie sollen, sofern das noch möglich ist, selbst darüber bestimmen dürfen, wie und wo sie ihr Leben verbringen wollen (vgl. Pörtner 2010; Zippel, Kraus 2003: 13 f.). Das kann positive, als auch negative Folgen hervorrufen. Der Staat kann sich aus der Verantwortung stehlen (vgl. Aner et al. 2007: 13 ff.; Galuske 2008: 14).
Andererseits kann der alte Mensch mehr Verantwortung übernehmen und in seinem Sinne Entscheidungen treffen, z.B. ob er ambulante oder stationäre Pflege bevorzugt (vgl. Kohli, Kühnemund 2001: 117 ff.). Schwierig wird das Unterfangen der Selbstbestimmung, wenn der alte Mensch nicht mehr in der Lage ist, alleine (für ihn vernünftige) Entscheidungen zu treffen (Plewa, Plewa 2011). Hierzu passend ist auch eine Änderung des Rollenverständnisses. Pflegten früher fast ausschließlich Frauen ihre Angehörigen, sind diese immer weniger bereit, ihre Ziele aufzugeben und sich selbst für Andere komplett aufzuopfern (vgl. Krüger, Born 2000: 203ff.).
3.3.3 Der Einfluss des Systems der sozialen Sicherung
Nach dem Grundgesetz ist Deutschland ein sozialer Bundesstaat (vgl. Hesse 1999: 120). Während seiner Biografie ist jeder Mensch persönlichen- und sozialen Risiken ausgesetzt. Die Vermeidung solcher Risiken soll durch präventive Maßnahmen vermieden werden. Die Folgen von eingetretenen Schädigungen sollen durch die Gemeinschaft abgemildert- bzw. behoben werden um soziale Ungleichheiten zu vermeiden (vgl. Schechler 2012). Darüber hinaus soll dieses System auch für eine angemessene Teilhabe von benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen im Zuge der gesellschaftlichen Forderungen nach Inklusion und Vermeidung von sozialen Benachteiligungen sorgen. Diese Forderungen schließen die Gruppe der alten Menschen mit ein (vgl. Welti 2005). Ebenso von Belang für diese Gruppe sind die Gesetzespassagen in SGB I, die den Gesetzgeber dazu auffordern, für alle Bürger ein menschenwürdiges Dasein und gleiche Voraussetzungen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen (vgl. dejure.org 2015). Das soziale Sicherungssystem umfasst drei Grundprinzipien: Das Versicherungsprinzip, das Versorgungs- und das Fürsorgeprinzip (vgl. Mack, Lampert 2010). Die vorgenannten Prinzipien haben einen unterschiedlich großen Einfluss auf das Leben der alten Menschen bzw. auf deren Entscheidungsfreiheit in Bezug auf ihre persönliche Teilhabe. Das resultiert daraus, dass die jeweils gewährten Leistungen an systemspezifische (gesetzliche) oder satzungsrechtliche Anspruchsvoraussetzungen geknüpft sind (vgl. Schwind et al. 2013).
Um Leistungen von den gesetzlichen Sozialversicherungen beanspruchen zu können, muss man in diesen pflichtversichert sein bzw. Beiträge zahlen. Im Großen und Ganzen werden (bis auf die Unfallversicherung und zu einem kleineren Teil die Pflegeversicherung betreffend) die Beiträge paritätisch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgeteilt.
Das ist eine der grundlegenden Anspruchsvoraussetzungen um Leistungen der Sozialversicherungen (im Versicherungsfall) zu erhalten und trifft für den Großteil der Bevölkerung (über 90%) zu. Das Sozialversicherungssystem stellt somit den bedeutendsten Bestandteil des Systems der sozialen Sicherung dar (vgl. Deutsche Sozialversicherung o.J.). Rentner müssen nur noch Beiträge für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung zahlen (vgl. AOK BV 2012). Die Leistungen werden vorwiegend als für alle Versicherten gleiche Sachleistungen (Solidaritätsprinzip) oder Geldleistungen wie z.B. Beispiel Rentenzahlungen, Pflegegeld erbracht (vgl. Haufe o.J.). Zu den Aufgaben der Sozialversicherungen gehören neben den Versicherungsleistungen im engeren Sinn auch Prävention und Rehabilitation. Weiterhin sind auch Leistungen zur Teilhabe zu erbringen. Das Sozialversicherungsprinzip besteht aus folgenden Säulen (vgl. service - bw o.J.):
- Gesetzliche Krankenversicherung
- Soziale Pflegeversicherung
- Gesetzliche Rentenversicherung
- Gesetzliche Unfallversicherung
- Gesetzliche Arbeitslosenversicherung
Zu den oben genannten allgemeinen Anspruchsvoraussetzung der Beitragszahlungen kommen noch die versicherungsspezifischen Anspruchsvoraussetzungen z.B. Pflegebedürftigkeit, Krankheit oder das Erreichen des Rentenalters hinzu (vgl. Behrendt, Tschirner 2014). Dabei besitzt die soziale Pflegeversicherung, gefolgt von der gesetzlichen Krankenversicherung und - Rentenversicherung sicherlich die größte Priorität für die alten Menschen. Die Aufgabe der sozialen Pflegeversicherung ist die Absicherung bei Pflegebedürftigkeit. Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erfolgen ausschließlich auf Antrag und nach der Einordnung in eine Pflegestufe (ab 2016 Pflegegrade genannt) durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Diese Einstufung ist entscheidend dafür, wieviel Geld- und / oder Sachleistungen der jeweilige Bedürftige von seiner Pflegekasse erhält.
Die gesetzliche Krankenversicherung hat für die meisten alten Menschen die größte Bedeutung im Krankheitsfall und innerhalb der medizinischen Rehabilitation. Alle Versicherten haben grundsätzlich den gleichen Leistungsanspruch.
Wie bei der Pflegeversicherung müssen die gewährten Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Das ist wichtig, z.B. bei der Verordnung von Hilfsmitteln oder Arzneimitteln. Einige besonders wichtige Leistungen sind z.B.: Leistungen bei Krankheit (ärztliche Diagnostik und Krankenbehandlung (z.B. Verordnungen von Arzneimitteln, therapeutische Leistungen, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Krankenhausbehandlungen. Familienmitglieder, die nicht- oder nur einen geringen Zeitraum erwerbstätig waren (z.B. Ehepartner) sind unter gewissen Umständen beitragsfrei Familienmitversichert. Das ist bedeutsam für das Leben der heutigen Generation von älteren Frauen. Denn früher waren viele Frauen hierzulande nicht erwerbstätig (außer in der ehemaligen DDR).
Die Wichtigkeit der Rentenversicherung zeigt sich am ehesten bei den Alters- und Hinterbliebenenrenten. Zum Bezug von gesetzlichen Renten sind wiederum Anträge notwendig. Je nach Rentenhöhe sind die alten Menschen in der Lage ihre Teilhabe zu verbessern und damit ihr Leben selbst zu gestalten. Mit einer höheren Rente sind sie in der Lage mehr Ausgaben für zusätzliche soziale- und gesundheitliche Zwecke zu tätigen (z.B. für bessere Hörgeräte, -Brillen, Zahnersatz). Ähnlich wie bei der Familienmitversicherung der Krankenkassen ist hier der Aspekt der Witwenrente vor allem für ältere Frauen, die oft keine oder nur geringe Erwerbsbiografien aufweisen, sehr wichtig.
Die Unfallversicherung (SGB VII) zahlt vor allem Entschädigungen infolge arbeitsbedingter Unfälle und dadurch erworbene Verletzungen. Sie sichert aber auch ehrenamtlich tätige (alte) Menschen ab. Bei Eintritt des Versicherungsfalls wiederum werden Sach- und Geldleistungen wie z.B. Hinterbliebenenrenten, Sterbegeld, Pflegegeld etc. gewährt. Dazu kommen auch Leistungen zur Teilhabe.
Die Arbeitslosenversicherung kann für die Höhe der Rente ausschlaggebend sein. Das ist dann der Fall, wenn ein alter Mensch Leistungen der Arbeitslosenversicherung während seiner Erwerbsbiografie in Anspruch genommen hat.
Im Gegensatz zur Versicherung setzt Versorgung keine Eigenleistung in Form von Beitragszahlungen voraus, sondern ist im weitesten Sinne Folge einer gesetzlich geregelten staatlichen Fürsorgepflicht für diejenigen, die in einem öffentlichen Dienstverhältnis stehen oder einen besonderen sozialrelevanten Status haben. Die Versorgungsregelungen (Beihilfe) sind nach drei Gruppen untergliedert. Die erste Gruppe betrifft vor allem Beschäftigte des öffentlichen Bereiches, z.B. Beamte, Richter und Berufssoldaten.
Dies umfasst die Kostenübernahme bei Krankheit und Altersversorgung, Hinterbliebenenversorgung, Versorgung nach Dienstunfällen etc.
Die zweite Gruppe besteht aus sogenannten Sonderopfern, dabei handelt es sich z.B. um Kriegswitwen, Wehrdienstbeschädigungen, Opfer von Straftaten.
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- Quote paper
- Stefan Müller (Author), 2015, Wohnen im Alter. Entscheidungskriterien, Kundenzufriedenheit und Managementrelevanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315515
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