Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, Platzverweise und restriktivere Gesetze sind gängige Maßnahmen zur kommunalen Gewaltprävention. Die Erfahrungen mit formellen Eingriffen von Polizei, Städten und Kommunen zur Gewaltprävention und die möglichen Auswirkungen dieser Formalisierung im öffentlichen Raum auf die Betroffenen ist Thema dieser Arbeit.
Zuerst werden die Begrifflichkeiten geklärt, durch die Definitionen eine Abgrenzung vorgenommen und der Fokus deutlich gemacht.
In Kapitel 3 werden für das Thema relevante theoretische Grundlagen beleuchtet.
Im Hauptteil werden zuerst die Erfahrungen der verschiedenen Ansätze zur Gewaltprävention im öffentlichen Raum aufgezeigt. Der Fokus liegt auf den Maßnahmen der öffentlichen Hand. Außerdem werden die für die Gewaltprävention relevanten Erfahrungen der Polizei analysiert. Insbesondere wird eine Analyse der vorherrschenden Delikte, der Schwierigkeiten von privater und öffentlicher Sicherheit und Auswirkungen von Polizeipräsenz auf die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung vorgenommen.
In einem zweiten Teil werden die Erfahrungen in der kommunalen Gewaltprävention beleuchtet und die Veränderungen der Sicherheitslage durch Videoüberwachung, Stadtpolizeieinsätze, gesetzlich verankerte Alkoholverbote und die Vergabe hoheitlicher Aufgaben an private Sicherheitsleute, analysiert.
Es werden Auswirkungen auf die Gewalt im öffentlichen Raum ergründet. Insbesondere, ob es zu Verdrängungseffekte von speziellen Personengruppen oder räumliche Verlagerung der Gewaltdelikte durch initiierte Projekte und Maßnahmen kam.
In einem Exkurs wird eine Auswertung eines Printmediums über einen Zeitraum von 5 Monaten beschrieben und beleuchtet.
Im Abschlusskapitel wird aus den aufgezeigten Erfahrungen eine Zwischenbilanz gezogen und die Notwendigkeit von Anpassungen zukünftiger gewaltpräventiver Maßnahmen und Projekte diskutiert. Kriminalpräventive Maßnahmen werden häufig als Reaktion auf spezifische Problemgruppen oder bei einer Häufung von Deliktarten, installiert. Die Recherchen zeigten, dass die Evaluation der Auswirkungen und strukturellen Folgen von Maßnahmen, nur unzureichend vorgenommen werden.
Die vorhandenen Erfahrungen sollten genutzt werden, um zu prüfen, ob die installierten Präventionsansätze noch aktuell und passend sind oder in wieweit sich Deliktarten bzw. die Nutzung des öffentlichen Raumes, geändert haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärungen
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Psychologische Gewalttheorien
3.1.1 Frustrations-Aggressions-Theorie
3.1.2 Lerntheorie
3.2 Soziologische Gewalttheorien
3.2.1 Anomietheorie
3.2.2 Etikettierungstheorie
3.2.3 Theorie der sozialen Kontrolle
3.2.4 Erfahrungen der Perspektivlosigkeit
3.3 Ungleichheit und Gewalt
3.4 Kommunale Ansätze der Gewaltprävention
3.4.1 CEPTED – Crime Prevention through Environmental Design
3.4.2 ISIS und ISAN - Präventionsmodelle der integrierten Stadtgestaltung
3.4.3 Soziale Stadt
4. Erfahrungen im sozialräumlichen Sicherheits- und Kontrollmanagement
4.1 Gewaltpräventionserfahrungen der Polizei
4.1.1 Forschungsergebnisse der Polizeiprävention
4.1.2 Polizeipräsenz im öffentlichen Raum
4.1.3 Kriminalitätsfurcht und Sicherheit
Exkurs: Gewaltberichterstattung in Printmedien
4.1.4 Gewaltprävention in virtuellen Räumen
4.2 Präventionsansätze der Kommunen
4.2.1 Koordinationsstellen
4.2.2 Städtebauliche Präventionsmaßnahmen
4.2.3 Stärkung sozialer Kontrolle vs. formeller Kontrolle
4.2.4 Sozialarbeit
4.3 Gewaltpräventive Videoüberwachung
4.4 Erfahrungen aus verschiedenen Gewaltpräventionsprojekten
5. Zwischenbilanz
Literatur
Quellen
Tabellen
Abbildungen
Anhang
1. Einleitung
Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, Platzverweise und restriktivere Gesetze sind gängige Maßnahmen zur kommunalen Gewaltprävention. Die Erfahrungen mit formellen Eingriffen von Polizei, Städten und Kommunen zur Gewaltprävention und die möglichen Auswirkungen dieser Formalisierung im öffentlichen Raum auf die Betroffenen, ist Thema dieser Arbeit.
Zuerst werden die Begrifflichkeiten der unterschiedlichen Arten von Gewalt und die Definitionen des öffentlichen Raumes geklärt. Durch die Definitionen wird eine Abgrenzung der verschiedenen Bereiche vorgenommen und der Fokus der Arbeit deutlich gemacht.
Im 3. Kapitel werden für das Thema relevante theoretische Grundlagen beleuchtet. Diese Grundlagen dienen der theoretischen Anbindung an bestehende soziologische, sozialpsychologische und kriminalsoziologische Theorien. Es werden verschiedene Gewalttheorien und integrierte kommunale Präventionsprogramme beleuchtet.
Im Hauptteil werden zuerst die Erfahrungen der verschiedenen Ansätze zur Gewaltprävention im öffentlichen Raum aufgezeigt. Der Fokus liegt auf den Maßnahmen der öffentlichen Hand, also der Kommunalverwaltung und der Polizei. Außerdem werden die für die Gewaltprävention relevanten Erfahrungen der Polizei analysiert. Insbesondere wird eine Analyse der vorherrschenden Delikte, der Schwierigkeiten von privater und öffentlicher Sicherheit und Auswirkungen von Polizeipräsenz auf die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung vorgenommen.
In einem zweiten Teil werden die Erfahrungen in der kommunalen Gewaltprävention beleuchtet und die positiven und negativen Veränderungen der Sicherheitslage durch Videoüberwachung, Stadtpolizeieinsätze, gesetzlich verankerte Alkoholverbote und die Vergabe hoheitlicher Aufgaben an private Sicherheitsleute, analysiert.
Es werden Auswirkungen auf die Gewalt im öffentlichen Raum ergründet. Insbesondere, ob es zu Verdrängungseffekte von speziellen Personengruppen oder räumliche Verlagerung der Gewaltdelikte durch initiierte Projekte und Maßnahmen kam.
In einem Exkurs wird eine Auswertung eines Printmediums über einen Zeitraum von 5 Monaten beschrieben und beleuchtet, wie stark die Berichterstattung von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum im Vergleich zum Vorkommen in den Polizeistatistiken gewichtet wird.
Im Abschlusskapitel wird aus den aufgezeigten Erfahrungen eine Zwischenbilanz für die Gewaltprävention im öffentlichen Raum gezogen und die Notwendigkeit von Anpassungen zukünftiger gewaltpräventiver Maßnahmen und Projekte diskutiert.
Kriminalpräventive Maßnahmen werden häufig als Reaktion auf spezifische Problemgruppen oder bei einer Häufung von Deliktarten, installiert. Die Recherchen zeigten, dass die Evaluation der Auswirkungen und strukturellen Folgen von kriminalpräventiven Maßnahmen und Projekten, nur unzureichend vorgenommen werden. Die vorhandenen Erfahrungen sollten genutzt werden, um zu prüfen, ob die installierten Präventionsansätze noch aktuell und passend sind oder in wieweit sich Deliktarten bzw. die Nutzung des öffentlichen Raumes, geändert haben.
2. Begriffserklärungen
Die Begriffe „Gewalt“ und „Aggression“ werden mittlerweile sowohl in der Wissenschaft als auch in der Umgangssprache parallel verwendet. Die ursprüngliche wissenschaftliche Trennung zwischen Aggression als eine Handlung, die auf die Verletzung eines Menschen zielt und Gewalt als körperliche Verletzung eines Menschen aufgrund von Aggression wird heute nur noch selten unterschieden (vgl. HURRELMANN/ BRÜNDEL, 17f). In der wissenschaftlichen Tradition wurde der Aggressionsbegriff als übergeordneter Begriff betrachtet. Gewalt wurde als eine Teilmenge der Aggression, nämlich als körperliche Aggression betrachtet (vgl. WAHL, 6f).
Der Begriff der Aggression beinhaltet aber nicht nur eine Handlungsebene, sondern ist weiter gefasst:
„Aggression nennen wir ein Ensemble von aus der Naturgeschichte stammenden bio-psychosozialen Mechanismen, die der Selbstbehauptung oder Durchsetzung gegen andere mit schädigenden Mitteln dienen. Form und Stärke der Aggression werden durch die genetische Ausstattung des Individuums, seine Sozialisation und gesellschaftliche Umstände gestaltet, aktiviert oder gehemmt.“ (WAHL, 10).
Gewalt kann nicht nur als eine Teilmenge der Aggression gesehen werden. Die Tatsache, dass es Gewalt gibt, die keine Aggression, also eine negative Intension der schädigenden Handlung beinhaltet, spricht gegen die parallele Verwendung beider Begriffe. Die institutionelle Gewalt der Polizei oder die Gewalt eines operierenden Arztes, wird primär als „frei von Aggression“ betrachtet und auch im Sprachgebrauch zum Teil nicht mit Gewalt in Verbindung gebracht. Ähnlich verhält es sich bei gesellschaftlich akzeptierter Gewalt im Sport oder der Gewaltanwendung bei Notwehr. Die Begriffe Aggression und Gewalt besitzen eine große Schnittmenge, aber auch eigenständige Bereiche. Aufgrund der großen Schnittmenge, werden sie deshalb häufig auch parallel verwendet.
Der Gewaltbegriff unterstreicht stärker die Handlungsebene und führt, mit der damit verbundenen Anschaulichkeit, zu einer fast inflationären Nutzung im allgemeinen Sprachgebrauch und durch die Medien. Auf die dadurch einhergehenden Risiken weisen HEITMEYER/ HAGAN hin. Sie sehen die Gefahr bei der massenmedialen Nutzung eines spektakulären Gewaltvokabulars (Skandalierungsrisiko), der ständigen Gewaltsuche im Alltag (Inflationsrisiko), der Betroffenheitsdiskussionen mit einfachen „Gut- und Böse“-Blickwinkeln (Moralisierungsrisiko) oder durch den Versuch vereinfachte Erklärungen der komplexen Gewalt anzubieten (Reduktionsrisiko) (vgl. ebd., 21).
Eine schematische Kategorisierung des Gewaltbegriffes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1 (vgl. HURRELMANN/ BRÜNDEL, 17-21; vgl. WAHL, 11f, eigene Darstellung)
Physische Gewalt ist die Schädigung und Verletzung eines Menschen durch körperliche Kraft oder der Nutzung jeglicher Art von Waffen (vgl. HURRELMANN/ BRÜNDEL 2007, 18f). Eine Unterkategorie ist der Vandalismus, bei dem die physische Gewalt auf materielle Objekte gerichtet ist.
Psychische Gewalt ist die Schädigung und Verletzung eines Anderen, durch Vorenthaltung von Zuwendung und Vertrauen, seelischer Qualen oder emotionales Erpressung. Dies kann auch in Form der verbalen Gewalt geschehen, die eine Schädigung und Verletzung durch beleidigende, erniedrigende und entwürdigende Worte oder nonverbal durch Gesten und Gebärden beinhaltet (vgl. BRÜNDEL/ HURRELMANN 1994, 23).
Sexuelle Gewalt kann als eine Kombinationskategorie von physischer und psychischer Gewalt betrachtet werden und beinhaltet die Schädigung und Verletzung eines Anderen durch erzwungene intime Körperkontakte oder andere sexuelle Handlungen, die nur dem Täter eine Befriedigung eigener Bedürfnisse ermöglichen und das Opfer erniedrigt und entwürdigt (vgl. HURRELMANN/ BRÜNDEL, 19). Die beiden Autoren untergliedern in diesem Zusammenhang noch weiter in „ frauenfeindliche Gewalt und fremdenfeindliche Gewalt“ (vgl. ebd., 19), doch sind dies nur weitere Unterkategorien der vorher genannten Arten von Gewalt mit dem Unterschied, dass sie auf einer Gruppenzugehörigkeit beruhen.
Von diesen individuellen Formen ist die institutionelle Gewalt als eine Ausprägung zu unterscheiden, bei der Vertreter des Staates oder Organisationen, Gewalt (physisch oder psychisch) androhen oder durchführen. Dies wird in der Regel bei Einsätzen der Polizei oder bei Schulregeln, als gerecht angesehen. Im Gegensatz zur institutionellen Gewalt, wird die ungerechtfertigte oder strukturbedingte ungerechte Behandlung von Bürgern oder Organisationsmitgliedern zur Benachteiligung bzw. Unterdrückung, als strukturelle Gewalt bezeichnet (vgl. ebd., 22). Strukturelle Gewalt ist somit die physische, psychische und verbale Form der Verletzung und Schädigung eines Anderen, unter Ausnutzung von Macht, Hierarchie und Abhängigkeit, sowie in Ausübung hoheitsrechtlicher Funktionen (vgl. BRÜNDEL/ HURRELMANN 1994, 24). Strukturelle Gewalt ist häufig die Folge von institutioneller Gewalt.
WAHL findet zum Gewaltbegriff eine weitgefasste Arbeitsdefinition, die noch den Bezug zur Aggression enthält:
„Gewalt nennen wir die Teilmenge von Aggression, die durch Gesellschaft und Staat jeweils sozial- und kulturhistorisch unterschiedlich normierte Formen hat. Oft ist Gewalt in eine Hierarchie eingebettet. Je nach Situation gibt es gebotene, gewünschte, geduldete oder geächtete Formen von Gewalt“ (ebd., 13).
Eine klare Arbeitsdefinition, die im Folgenden verwendet werden soll, wird von der WHO festgelegt:
„Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichen Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklungen oder Deprivation führt“ (WHO zitiert nach MAYER, 5).
Aufgrund der häufigen Verwendung des Aggressionsbegriffes in wissenschaftlichen Arbeiten, werden in der Theorieeinführung beide Begrifflichkeiten genutzt. Wegen der zunehmenden Verbreitung und der damit verbundenen Anschaulichkeit wird im Hauptteil dieser Arbeit ausschließlich der Begriff Gewalt verwendet.
Der Begriff des öffentlichen Raumes wird häufig über die Kriterien der Nutzbarkeit und über die Zugänglichkeit definiert. Sehr eng gefasst würde dies bedeuten, dass ein öffentlicher Raum ohne Einschränkung, also ohne eine vorausgesetzte notwendige Handlung, für jeden Menschen nutzbar sein sollte (vgl. FELDKELLER, 88f; vgl. BERDING, online). Auch HABERMAS betont die Zugänglichkeit für alle, als ein Kennzeichen des öffentlichen Raumes (vgl. ebd., 54). Näher betrachtet war der öffentliche Raum zu keiner Zeit wirklich frei zugänglich. Schon im Mittelalter waren Plätze oder Straßen, wie heute, mehr oder minder kontrolliert und deren Nutzung definiert durch die jeweilige Ordnungsmacht. Segregation bestimmter Personen oder Gruppen war zu allen Zeiten dem öffentlichen Raum inkludiert. Die Definition, welche Gebiete oder auch virtuelle Räume dem öffentlichen Raum zugehörig sind, ist sehr vielfältig und davon abhängig, in welchem Teilsystem der funktional differenzierten Gesellschaft die Definition vorgenommen wird (vgl. SCHIMANK/ VOLKMANN, 133-141). Die „ Wertesphäre “ (ebd., 127) bestimmt die Definition der Juristen, der Stadtplaner und Architekten, der Soziologen, der Politiker oder der Medien und verursacht die uneinheitlichen existierenden Definitionen des öffentlichen Raumes. Die folgende Tabelle zeigt die Polarität von öffentlichem und privatem Raum anhand von vier Dimensionen auf:
Dimensionen von öffentlichem und privatem Raum
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2 (vgl. SIEBEL/ WEHRHEIM, 4; eigene Darstellung)
Die Zuordnung zu privatem oder öffentlichem Raum ist nicht fest zementiert, sondern unterliegt einem zeitlichen Wandel. Innerhalb dieses Wandels können sich Nutzungs- und Verfügungsrechte des öffentlichen Raumes verändern und dadurch eine Privatisierung von öffentlichem Raum erfolgen. Geschäfte nutzen Straßen als Stellfläche für Konsumgüter, Bäckereien und Restaurants stellen Tische auf Straßen und Plätze. Der öffentliche Raum wird zum halböffentlichen Raum und die Nutzung mit einem Konsumzwang verbunden (vgl. SIEBEL/WEHRHEIM, 4). Finanzierungsschwierigkeiten der Städte und Kommunen führen zu einer Privatisierung von Parkflächen oder Tiefgarargen, die von privaten Betreibern geführt werden. Gleichzeitig ist aber auch die gegenteilige Tendenz sichtbar. Ehemaliges privates Industriegelände, wie im Ruhrgebiet oder nicht öffentliches Militärgelände, werden zur öffentlichen Nutzung als Museumsparks oder Naherholungsgebiete umgestaltet und für alle zugänglich gemacht (vgl. ebd., 5). Ebenso gewinnen mehr und mehr private Einkaufszentren, die besonderen Wert auf öffentliche Zugänglichkeit legen, an Bedeutung als „öffentlicher“ Raum. Sie entwickeln sich mit ihrer massenhaften Nutzung als soziale Treffpunkte ohne Konsumabsicht, zu den neuen kommunikativen Marktplätzen der Städte und schaffen einen Ausgleich zur Privatisierung der öffentlichen Räume (vgl. ebd.). Sie sind aber aufgrund der Besitzverhältnisse, privatrechtlicher vorgegebenen Hausordnungen und Besitzervorgaben, die in der Regel auf den störungsfreien Konsum ausgerichtet sind, nur scheinbar öffentlich und können maximal als halböffentliche Räume klassifiziert werden. Waren früher Bahnhöfe klassische öffentliche Räume, wandelten sie sich durch Privatisierung zu halbprivaten Shoppingbereiche mit Überwachung durch die Bundespolizei, Videokameras und private Sicherheitsdienste (vgl. KLOSE, online). Dieser Wandel ist auch am Verhalten der Akteure in der Öffentlichkeit zu beobachten. Heute werden durch die Mobiltelefonie selbstverständlich private Geschäfts- und Familienangelegenheiten in den öffentlichen Raum getragen und dadurch die Trennung von öffentlichem und privatem Raum aufgeweicht (vgl. SIEBEL/WEHRHEIM, 5).
Eine neue Form des öffentlichen Raumes sind soziale Netzwerke im Internet. Laut JIM-Studie 2014 lag der Anteil von Mobiltelefonen und PC/Laptops in den deutschen Haushalten bei 100%. Der Besitz von Mobiltelefonen bei Jugendlichen zwischen 12-und 19 Jahren bei annähernd 100% und die Internetverfügbarkeit bei Jugendlichen mind. bei 92% (vgl. JIM-STUDIE, online). Durch diese weitverbreitete Verfügbarkeit ist das Kriterium, der Zugänglichkeit für alle, für den virtuellen Raum erfüllt. Als Folge können virtuelle Räume, die frei und ohne Handlungsgebundenheit erreichbar sind, zu Recht als öffentliche Räume bezeichnet werden. Diese neue Art, eines gleichzeitig privaten- und öffentlichen Raumes, hat zunehmend an Bedeutung gewonnen.
In dieser Arbeit soll der öffentliche Raum alle frei zugängliche Räume beinhalten, wie Straßen, Parks, Plätze, Fußgängerzonen oder Wege, die einer Stadt oder Kommune unterstehen und die ohne Einschränkung zugänglich sind. Behördengebäude oder Schulen sollen als halböffentlich definiert werden, da der Zugang in die Schule oder in eine Behörde an eine Handlungsnotwendigkeit gebunden ist. Eine Ausnahme bilden Bahnhöfe, die zwar dem Sinn nach zweckgebunden einzustufen sind, doch für Teile der Gesellschaft als Treffpunkt und Aufenthaltsort angesehen werden. Der Fokus liegt auf dem Gewaltgeschehen im öffentlichen Raum, daher wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf der physischen, also materiellen Gewalt, wie Körperverletzung und Sachbeschädigung, sowie Vandalismus oder Diebstahl liegen. Aber auch psychische Gewalt wie Beleidigung, Bedrohung und Nötigung werden berücksichtigt. Gerade die psychische Gewalt durch Auftreten und Präsenz einer Person oder Gruppe, sollte nicht unterschätzt werden und ist der Kategorie, Gewalt gegen Personen, zuzuordnen. Diese Art von Gewalt führt im öffentlichen Raum häufig zu Unsicherheit und Angst. Die Folge sind räumliche Vermeidungsstrategien mit dem Ergebnis das Angsträume entstehen, die von Bevölkerungsteilen gemieden werden.
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Psychologische Gewalttheorien
3.1.1 Frustrations-Aggressions-Theorie
An der Yale Universität formulierten Wissenschaftler um John Dollard 1939 ihre Hauptthesen zur Frustrations-Aggressions-Theorie, die besagt:
1. Aggression ist immer eine Folge von Frustration
2. Frustration führt immer zu einer Form von Aggression
Frustration wurde als Störung einer zielgerichteten Aktivität definiert, die ein verletzendes Verhalten, also Aggression zur Folge hat.
Die Thesen wurden nach kurzer Zeit in ihrer Absolutheit revidiert, da empirische Beobachtungen und Versuche ergaben, dass Frustration nicht immer zu Aggressionen führt und auch nicht jede Aggression auf Frustration zurückzuführen war. Auf Frustration folgten auch Ängste oder Rückzug (vgl. DOLLARD et al., 13-28 und NOLTING, 39ff). Es gibt drei Typen von Frustration:
1. Störung einer zielgerichteten Aktivität (Hindernisfrustration)
2. Mangelzustände (Entbehrung)
3. Schädigende Reize (Angriffe, Schmerz)
Der sicherste Weg Aggression auszulösen ist, die Frustration in Form von schädigenden Reizen auszuüben. Dies geschah durch Versuche mit Tieren, denen Schmerz zugefügt wurde und Versuche mit Menschen, die durch Anrempeln auf der Straße oder verbale Attacken, gereizt wurden (vgl. NOLTING, 40f). Bei diesen „erfolgreichen“ Reizen handelte es sich eindeutig um physische oder psychische Gewalt, auf die mit Aggression bzw. Gegengewalt reagiert wurde. Auch bei der Hindernisfrustration kommt es häufig zu Aggressionen. Dagegen führt Entbehrung oder Mangel nicht automatisch zu Aggression. Doch ist die Reizbarkeit, also die Auslösbarkeitsschwelle von Aggression deutlich niedriger (vgl. ebd., 40f.).
Die Entstehung von Aggression ist von der Wahrnehmung des Betroffenen abhängig. Wird Frustration als störend, bedrohlich oder aversiv bewertet, kommt es zu Wut, Zorn und letztendlich zu Aggression. Demnach ist es ausschlaggebend, ob eine Person etwas als echte Behinderung wahrnimmt oder nicht (vgl. HAHN et al., 150).
In der Frustrations-Aggressions-Theorie sind Ansätze der Lernmodelltheorie vorhanden, denn Dauerfrustrationen und die dadurch entstehenden aggressiven Gewohnheiten sind nicht ohne Lernbedingungen zu erklären:
1. Viele Formen von Frustrationsereignissen bieten zugleich aggressive Modelle.
2. Frustrationen können kompensierende Lernprozesse in Gang setzten, z.B. kompensiert aggressives Verhalten ein Mangel an Beachtung oder Durchsetzungsvermögen.
3. Abweisend frustrierendes Erziehungsverhalten ist ungünstig für die Gewissensbildung und damit auch für die Entwicklung von stabilen Aggressionshemmern.
4. Häufige Frustrationserfahrungen führen zu einer dauerhaften Frustrationserwartungshaltung. Situationen werden häufiger bedrohlicher interpretiert als sie in Wirklichkeit sind und als Folge unverhältnismäßige Aggression ausgelöst (vgl. NOLTING, 55f).
Aus der Frustrations-Aggressions-Theorie ergeben sich Handlungsansätze für gewaltpräventive Projekte und Maßnahmen. Die Entwicklung von Frustrationstoleranz und Affektkontrolle ist dabei vordergründig zu nennen. Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist dies am wirksamsten bei Kindern und Jugendlichen, doch sind soziale Trainingskurse zur Erweiterung eingeübter Interpretationsysteme der eigenen Wahrnehmung sinnvoll (vgl. MAYER, 8 und SCHUBARTH, 16).
3.1.2 Lerntheorie
Nicht die Frage der Herkunft, sondern die Gründe warum Aggression auftritt, stehen bei dieser Theorie im Vordergrund.
Aggression tritt auch ohne vorangegangene Frustration und die Motivation auf Schädigung einer Person oder Sache auf. Die Lerntheorie geht aufgrund der unterschiedlichen Motivatoren von drei Arten der Aggression aus:
1. „Ärger-Aggression“: Diese reaktive, primär von Affekten bestimmte Aggression (auch expressive Aggression), wird durch vorangegangene Frustration ausgelöst. Die Ausprägungen dieser Aggression reichen von ziellosen Unmutsäußerungen bis hin zu gezielter Vergeltung.
2. „Instrumentelle Aggression“: Diese vorausschauende Aggression wird hauptsächlich von den zu erwarteten Effekten bestimmt und zielt nicht primär auf Schädigung ab. Sie ist vor allem ein Mittel zur Durchsetzung von Zielen und ein Streben nach Gewinn, ein Mittel zur Abwehr und zum Schutz oder um Beachtung und Anerkennung zu erhalten.
3. „Eigenständig-spontane Aggression“: Dabei handelt es sich um eine gesuchte Aggression aus der Neigung zur Schädigung und Schmerzzufügung, die von verbalen Auseinandersetzungen bis hin zu gewalttätigen Grausamkeiten geht und zur Bestätigung von Macht und Stärke dient.
Alle drei Arten von Aggression können zu einem Gefühl des positiven oder erhöhten Selbstwerts beitragen, was auch ein Lernen am Erfolg ist. Die Belohnung, also der Erfolg, ist das gute Gefühl, welches der Aggression folgt (vgl. HAHN et al., 171ff).
Ein aggressives Verhalten hängt aber auch von alternativen Verhaltensmöglichkeiten und -gewohnheiten der Person ab. Die soziale Umwelt prägt jedes Verhalten. Lernen am Modell (Vorbilder, Familie, Schule, Gesellschaft) und Lernen am Erfolg (Verstärkung durch Zielereichung oder soziale Reaktionen wie Zustimmung und Tadel) spielen dabei die wichtigsten Rollen. Andere Faktoren sind ein mehr oder weniger entwickeltes Hemmverhalten (Normen und Werte, Verbote, Strafe) einer Person und die vorliegenden situativen Bedingungen (Vorhanden sein aggressiver Symbole, Signale oder Waffen) (vgl. SCHEITHAUER/ HAYER, 22f).
Als Handlungsansatz ergibt sich daraus, die differenzielle Verstärkung von erwünschtem Verhalten bzw. der adäquaten pädagogischen Reaktion auf unerwünschtem Verhalten und dem Vermitteln von alternativen prosozialen Verhaltensweisen (vgl. SCHUBARTH, 17f und vgl. MAYER, 8).
3.2 Soziologische Gewalttheorien
Die folgenden Theorien sind soziologische Zugänge, die Aggression nicht in den biologisch-genetischen Anlagen oder in den Charaktereigenschaften der Person suchen, sondern sie in den größeren Rahmen der gesellschaftlichen Einflussfaktoren stellen. Allen soziologischen Erklärungen ist gemeinsam, dass menschliche Handlungen nicht von sich aus als aggressiv angesehen werden, sondern dass sie abhängig von der Definition jeweiliger Regeln und den Abweichung davon sind. Aggressives Verhalten wird also nicht als Qualität der Handlung, sondern als Konsequenz der Existenz und Anwendung von Regeln angesehen (vgl. HURELLMANN/ BRÜNDEL 2007, 42).
3.2.1 Anomietheorie
Nach dieser Theorie kann Aggression schon im Kindesalter entstehen, wenn Lebensumstände keine Chance zur sozialen Integration und zum sozialen Erfolg geben. Anomie bedeutet Regellosigkeit. Die Aggression entsteht, weil eine Person erkennt, dass sie vorherrschende Ziele der Gesellschaft nicht erreichen kann. Ständig anhaltende Misserfolge z.B. im Bildungssystem, durch schlechte Leistungen, die daraus resultierenden Klassen- und Schulwechsel, das nicht erreichen eines Schulabschlusses und Ausbildungsplatzes, können zu dem subjektiven Gefühl von Minderwertigkeit führen. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieser Zustand mit Aggression bzw. Gewalt kompensiert wird (vgl. BRÜNDEL/ HURRELMANN 1994, 265f). Als Handlungskonsequenz für die Präventionsarbeit ergibt sich daraus die Notwendigkeit zu einer Verbesserung der Lebensumstände und dem Abbau der sozialen Ungleichheit, außerdem einer transparenten und gerechten Chancenstruktur, inklusiv der Fördermaßnahmen für Benachteiligte (vgl. SCHUBARTH, 27f und MAYER, 9).
3.2.2 Etikettierungstheorie
Die Etikettierungstheorie ergänzt die Anomietheorie. Die Ergänzung erfolgt durch die Erwartungshaltung in der Wahrnehmung des sozialen Umfeldes, durch welches eine einmal aggressiv aufgefallene Person stigmatisiert wird und zukünftig in der Regel subjektiv als aggressiver wahrgenommen wird. Die sozialen Erwartungshaltungen der sozialen Umgebung, führen als eine „Selbsterfüllende Prophezeiung“ (MERTON) zum erwartenden Rollenverhalten als Aggressor und häufig zur Marginalisierung der Person. Ein stigmatisierter Aggressor kann ohne fremde Hilfe nicht aus seiner festgeschriebenen Verhaltensrolle ausbrechen. Dies kann durchbrochen werden, indem die Aufmerksamkeit des sozialen Umfeldes auf positive Kompetenzen und Verhaltensformen der Person gelenkt wird. Die veränderte Sichtweise der Umwelt ermöglicht ein Ausbrechen aus der zugeschriebenen Rolle und damit eine Verhaltensänderung (vgl. BRÜNDEL/ HURRELMANN 1994, 269f). Unterstützt wird dies durch präventives Vermeiden von Stigmatisierung und der Hervorhebung von Stärken und Ressourcen von Betroffenen (vgl. SCHUBARTH, 33f).
3.2.3 Theorie der sozialen Kontrolle
Die Theorie der sozialen Kontrolle nimmt die Folgen der Stigmatisierung durch die Umgebung auf und setzt diesen Ansatz fort. Eine als aggressiv stigmatisierte Person erfährt nach einer gewissen Zeit heftige Reaktionen der sozialen Bestrafung, um das aggressive Verhalten zu unterbinden bzw. eine Verhaltensänderung zu bewirken. Bei dieser einsetzenden sozialen Kontrolle besteht die Gefahr, dass Strafen nicht als gerecht empfunden werden und das aggressive Verhalten, anstatt sich zu verändern, noch verstärkt wird. Dies erklärt die hohe Zahl von Gewaltdelikte bei Jugendlichen in Gruppen. Der Zusammenschluss Gleichgesinnter, die gegen die „Ungerechtigkeit“ ankämpfen und Gewalt positiv bewerten, erzeugt und stärkt eine Gruppenidentität. Damit dient Aggression und Gewalt als gruppenverbindender Mörtel, der die Identität des Einzelnen stabilisiert. (vgl. BRÜNDEL/ HURRELMANN 1994, 271f).
In Anlehnung an die Anomietheorie geht diese Theorie davon aus, dass durch den Verlust der kollektiven Deutungsmuster in der von traditionellen regulativen Verhaltensmustern befreiten modernen Gesellschaft, zwangsläufig eine mangelnde Integrationsleistung in die Teilsysteme erfolgt. Für eine Vermeidung dieser sozialen Desintegration, sind die Förderung der gerechten Teilhabechancen und die Sicherung der persönlichen Identität in allen funktionalen Teilsystemen der Gesellschaft, nötig (vgl. HURELMANN/ BRÜNDEL 2007, 49).
3.2.4 Erfahrungen der Perspektivlosigkeit
Neuere Theorien sehen die Aggression als Folge der Erfahrung von Perspektivlosigkeit. Innerhalb des Individualisationsprozesses entsteht eine Desintegration, die durch Gewalt kompensiert wird. Die Verständigung über gemeinsame Werte und Normvorstellungen ist erschwert. Die Verunsicherung führt zu drei Arten von Gewalt:
1. Expressive Gewalt: Verlangen nach Aufmerksamkeit und Wille zur Einzigartigkeit.
2. Instrumentelle Gewalt: Als Mittel zur Problemlösung (geplante Gewalt)
3. Regressive Gewalt: Bewusste Gewalt, um berufliche, soziale oder politische Desintegration aufzuheben (vgl. HURRELMANN/ BRÜNDEL 2007, 49).
WAHL kritisiert, dass die Desintegrationstheorien zwar einen Teil der gewalttätigen Jugendkriminalität erklären können, dies aber nur durch die Integration anderer Faktoren. Als Beispiel ist der geschichtete Arbeitsmärkt ohne Aufstiegschancen anzuführen, der die Wahrscheinlichkeit zur Gewalttätigkeit erhöht (vgl. ebd., 157).
3.3 Ungleichheit und Gewalt
Das Ergebnis einer Studie von 2006 ist, dass ein Zusammenhang zwischen sozialer Schichtzugehörigkeit, dem damit einhergehenden Bildungsunterschied und Gewalt besteht. An Hauptschulen wurden dreimal mehr Körperverletzungen begangen als an Gymnasien. Mechanismen wie sich das Bildungsniveau, Armut und Arbeitslosigkeit jeweils auf die Entstehung vermehrter Gewalt auswirken, sind aber noch nicht eindeutig erforscht. Eindeutig ist nur, dass diese Faktoren, auch im Zusammenhang mit weiteren, zu einem erhöhen Gewaltrisiko beitragen (vgl. WAHL, 156).
Studien in den USA belegen mehrere Zusammenhänge zwischen der Einwanderungsrate verschiedener Ethnien und Gewalt. Dabei spielte Armut und die weitere soziale Umwelt als Risikofaktoren von Gewalt, eine beträchtliche Rolle (vgl. ebd., 157).
In Deutschland ist Diebstahl eine der bestimmenden Deliktarten. Rechnet man andere Bereicherungsdelikte wie Betrug, Raub, Unterschlagung, Drogen und Waffenhandel hinzu, würde die Bereicherungskriminalität über dreiviertel der Gesamtkriminalität ausmachen (vgl. JÄGER, 65). Bereicherungskriminalität kann als der Wunsch des Einzelnen zum materiellen Ausgleich innerhalb einer Gesellschaft angesehen werden. Somit wäre diese Kriminalitätsart als Indikator für bestehende Ungleichheit zu sehen und hätte einen direkten Bezug zu der entstehenden Gewalt im Umfeld dieser Deliktart.
Die soziologischen Theorien und die genannten Studien zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Gewalt. Der soziologische Ansatz, soziale Umweltfaktoren einzubeziehen, zu dem auch die verschiedensten Arten der Ungleichheit gehören, ist als Prozess zur Verstärkung der Systemintegration zu sehen und ein wichtiger Faktor in der präventiven Arbeit gegen Gewalt (vgl. HURELMANN/BRÜNDEL 2007, 49).
3.4 Kommunale Ansätze der Gewaltprävention
3.4.1 CPTED - Crime Prevention through Environmental Design
CPTED und die europäische Form DOC (designing out crime) sind eine Weiterentwicklung der kriminalpräventiven Siedlungsgestaltung in Anlehnung an die Forderungen der Defensible Space Theorie. Diese kriminalpräventive Siedlungsgestaltung beruht auf vier Hauptelemente:
1. Überwachung
- durch die Schaffung von Möglichkeiten, verdächtige Personen und Handlungen beobachten zu können (vgl. ROYAL CANADIAN MOUNTAIN POLICE 2011, online; eigene Übersetzung).
2. Zugangsbeschränkungen
- durch physikalische Barrieren, Sicherheitsvorrichtungen und einbruchshemmende Materialen (vgl. ebd.).
3. verstärkte Territorialität
- durch die Ermutigung der Bewohner, die öffentlichen Räume zu nutzen
- durch die Förderung der Interaktion unter Nachbarn, um damit die Wachsamkeit und Kontrolle der Nachbarschaft zu verstärken
- durch das Trennen des privaten und öffentlichen Raumes, mittels symbolischer oder realer Hindernisse, um so eine Eigentümeridentifikation zu erzeugen (vgl. ebd.).
4. Aufrechterhaltung der Umwelt
- durch das Sauberhalten und Pflegen eines Gebäudes oder des Umfeldes.
- durch örtliche architektonische Entscheidungen und dem Einbeziehen der Gegebenheiten der Umgebung, um die Raumnutzung von konfliktträchtigen Gruppen zu reduzieren (vgl. ebd.).
CEPTED zielt zwar weitgehend auf bauliche Veränderungen ab, doch zusätzlich auch auf eine Aktivierung von Akteuren in den Wohngebieten, sowie auf die Zusammenarbeit von gewählten offiziellen Vertretern, die CEPTED in öffentliche Planungen und Entwicklungsverordnungen integrieren können. Außerdem wurde die Polizei ausgebildet, um das Programm in interessierten Nachbarschaften anzuregen und neue Entwicklungen zu beurteilen (vgl. ROYAL CANADIAN MOUNTAIN POLICE 2011, online; eigene Übersetzung).
Die sogenannten „Gated Communitys“ entspringen dem Wunsch nach Sicherheit durch Kontrolle und die Hoffnung auf einen perfekten Schutzraum. Dabei handelt es sich um, an bestimmte Personengruppen angepasste Wohnsiedlungen, die, durch Tore kontrollierte Zugangsbeschränkungen und intensive Überwachung, als gesicherte Wohngebiete mit geminderter Kriminalitätsrate gelten.
Als ein frühes Beispiel der Gated Community gilt Five Oaks, dessen bauliche Veränderungen auf den Grundlagen der Defensible Space erfolgten. Eine der Veränderungen war, die Abgrenzung durch Tore und damit der Ausschluss von Durchgangsverkehr (vgl. COESTER et al., 100f). Als neueres Beispiel ist Palm Dessert, mit meist im Wohnumfeld integriertem Golfplatz und gesicherten und kontrollierten Zugängen, zu nennen.
Dies ist ein restriktiver Lösungsansatz zur präventiven Gewaltbekämpfung im öffentlichen Raum. Der öffentliche Raum, inklusive Straßen und Parks, wird privatisiert und als Insel in der Stadt abgeschottet. Die Kontrollen der Security an den Zufahrten garantieren ein hohes Maß an Schutz und Sicherheitsgefühl, sperren aber im Gegenzug das öffentliche Leben aus diesen „Schutzräumen“ aus.
3.4.2 ISIS und ISAN – Präventionsmodelle der integrierten Stadtgestaltung
In Deutschland wurden Handlungsansätze auf verschiedenen Ebenen in ISIS (I ntegrationsmaßnahmen, S ozialmanagement, i ntermediäre Kooperation, s tädtebauliche Gestaltung) integriert, da sich die Inklusion verschiedener Maßnahmen auf unterschiedlichen Handlungsebenen zur Vermeidung von Kriminalität, als am Wirksamsten herauskristallisierte. Mit diesen Maßnahmen wird versucht, auf allen sozialen Ebenen zu intervenieren.
Als I ntegrationsmaßnahme auf der individuellen Ebene, in dem versucht wird, durch sozialpädagogische Präventionsmaßnahmen gefährdete Personen bzw. Gruppen zu aktivieren und dadurch zu integrieren.
Im S ozialmanagement der kommunalen Wohnbaugesellschaften, in dem die Bevölkerung beteiligt wird, die Nachbarschaft belebt wird und dadurch eine informelle soziale Kontrolle der Nachbarschaft die Sicherheit stabilisiert wird (vgl. SCHUBERT et al. 2007, online).
I ntermediäre Kooperationsebenen schaffen eine präventive Atmosphäre und stärken durch sicheres, koordiniertes Handeln der kooperativen Netzwerkakteure das Sicherheitsgefühl im Wirkungsbereich. Dies geschieht durch Netzwerke zwischen Polizei und Stadtplanung, aber auch durch die Arbeit von kommunalen Präventionsräten (vgl. ebd., online).
S tädtebauliche Gestaltung hat das Ziel, den städtischen Raum so zu gestalten, dass Tatgelegenheiten minimiert und Angst erzeugende Bereiche planerisch ausgeschlossen werden. Die bauliche Umsetzung erfolgt zur Belebung der sozialen Kontrolle durch
- moderate Belebung des Wohnumfeldes
- Sichtachsen zur Blickbeziehung
- Transparenz/ Übersichtlichkeit der Nahräume
- Zonierung und Grenzziehung zur Markierung sozialer Ansprüche
- gute Beleuchtung des öffentlichen Raumes (vgl. ebd., online) und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls durch
- Benutzung von Material, das Wert symbolisiert
- Imagefördernde Gestaltung
- Gewährleistung von Ordnung und Sauberkeit
- Signale der Identifikation (vgl. ebd., online)
Das ISAN-Präventionsmodell wurde als Strukturierungsrahmen entwickelt. Es soll dazu dienen, dass sicherheitsdienende Maßnahmen in Sozialräumen passend konzipiert und bewertet werden können. Es ist dem vorangegangenen ISIS-Modell ähnlich und kann als dessen Weiterentwicklung angesehen werden (vgl. SCHUBERT/ VEIL 2012, online).
Vier Handlungsebenen stehen im Blickpunkt:
Die I nfrastruktur und die soziale Integration stehen, wie bei ISIS, im Vordergrund. Auch hier als (sozial)- pädagogischer Präventionsansatz zur Förderung von sozialen Schutzfaktoren und damit zur Minderung von Risikofaktoren. Zusätzlich wird versucht, durch Verbesserung von Infrastrukturen die Lebensqualität zu erhöhen und relativer Deprivation zu begegnen (vgl. ebd., online).
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- Gerhard S. Müller (Author), 2015, Erfahrungen mit Gewaltprävention im öffentlichen Raum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315494
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