In unserer modernen Gesellschaft, in der Individualität und Selbstbestimmung einen hohen Stellenwert haben, frage ich, wo und wie ganz konkret das Sterben alter Menschen einen „rechten“ Platz im sozialen System hat.
Soziologisch fragend nähere ich mich dem Thema.
Erste fragende Hypothese:
Wird mit institutionalisiertem Umgang, das Thema Sterben und Tod alter Menschen
in unserer Gesellschaft um-gangen, verdrängt, eventuell sogar tabuisiert?
Zweite fragende Hypothese:
Wird das Thema Sterben und Tod auf den alten Mensch als Individuum abgeschoben?
und: Wird heute „Recht auf den eigenen Tod“ als das physische Sterben nach bereits
erfolgtem sozialem und psychischem Sterben verstanden?
Ein annäherndes Schreiben dieser Arbeit, die Dokumentation meiner Fragen und gefundenen Antworten, erscheint mir dem Thema angemessen.
Meine persönliche Motivation zu diesem Thema und die gesellschaftliche Relevanz der Fragestellung wird erläutert.
Die demographische Entwicklung und ihre Auswirkungen bezüglich des Sterbens in unserer Gesellschaft wird untersucht, „Altersbilder“ in den Blick genommen und gefragt, ob Stigmatisierung der „Alten“ etwas mit der zweiten Hypothese zu tun hat.
Eine klärende Differenzierung der Begrifflichkeiten zu „Sterben“ ist nötig, da sich verschiedene Be-Deutungen dahinter verbergen.
Gesetzlich Regelungen werden nach den Sterberechts-Formulierungen von David Kessler in den Blick genommen und beleuchtet, wie heute in Deutschland „regelrecht“ gestorben werden kann.
Die ambivalente Diskussion um „Sterbehilfe“ wird kurz aufgegriffen, ebenso das Stichwort Alterssuizid.
Es wird gefragt, wie man in Deutschland heute stirbt und wieso man von verdrängtem Tod spricht.
Ganz konkret werden Systeme, die mit dem Sterben alter Menschen betraut sind, beleuchtet.
Das Gefundene zusammenfassend werden die hypothetischen Fragen beantwortet. Offene weiterführende Fragen werden gesammelt.
Eine Literaturliste gibt Zugang und Einblick in die verwendete Literatur.
Dass das Thema vielleicht niemals erschöpfend bearbeitet werden kann, ist mir bewusst. Es war mir persönlich wichtig, daran zu arbeiten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitende Gedanken
1.1 Wie persönlich betroffen bin ich vom Thema?
1.2 Wieso ist die Fragestellung soziologisch interessant?
2. Sieht unsere Gesellschaft „alt“ aus?
2.1 Demografische Entwicklung in Bezug zum Thema.
2.2 Wie werden „Alte“ gesehen? normative Altersbilder
2.3 Welche Folgen für das Sterben hat die Altersstigmatisierung?
3. Gibt es verschiedene Be-Deutungen von Sterben? Begriffsklärungen
4. „Recht auf den eigenen Tod“?
4.1 „Die Rechte des Sterbenden“[1] von David Kessler
4.2 Vorsorgliche Verfügungen
4.3 Ist Sterbehilfe = Hilfe im Sterben?
5. Wie stirbt man in Deutschland?
5.1 soziologische Untersuchungen
5.2 Der verdrängte Tod
6. Wo sterben alte Menschen heute ?
6.1 Institutionalisiert?
6.1A Im Krankenhaus
6.1B Im Krankenhaus, Palliativstation
6.1C Im Alten- und Pflegeheim
6.2 Daheim leben und . . . sterben?
6.2A Einsam daheim
6.2B Zuhause in der Familie
6.3 mit menschlicher Begleitung..Hospiz?
6.3A Beispiel: ambulanter Hospizdienst Weil der Stadt
6.3B Beispiel : Hospiz Stuttgart
7. Abschließende Gedanken, offene Fragen
8. Literaturverzeichnis
1. Einleitende Gedanken
In unserer modernen Gesellschaft, in der Individualität und Selbstbestimmung einen hohen Stellenwert haben, frage ich, wo und wie ganz konkret das Sterben alter Menschen einen „rechten“ Platz in dem sozialen Großsystem hat.
Ganz aktuell war ich in der Sterbe-Begleitung meines Vaters (83 Jahre) mit dieser Frage konfrontiert. Immer wieder wurde gefragt: „Warum bringt ihr ihn nicht ins Krankenhaus, da ist doch der Platz zum versorgten Sterben?“
Als erste Hypothese stelle ich die Frage:
Wird mit institutionalisiertem Umgang, das Thema Sterben und Tod alter Menschen
in unserer Gesellschaft um-gangen, verdrängt, eventuell sogar tabuisiert?
Wie ist es dann aber zu verstehen, dass es in den letzten Jahren immer wieder allgemein verständliche Auseinandersetzungen, Abhandlungen und Vorträge zum Thema Tod aus unterschiedlichster Richtung gibt?
Nicht nur „Fachleute“ wie Theologen, Mediziner, Psychologen, sondern auch Autoren in Magazinen, Zeitschriften, Zeitungs-Reporter und Laien greifen dieses Thema unter verschiedensten Blickwinkeln auf und beschäftigen sich öffentlich damit. Offensichtlich besteht ein gewisses gesellschaftliches Interesse daran.
Es seien einige Beispiele genannt:
„Wie wir mit dem Tod umgehen...“[2], „Vor Bankrotterklärung der Menschlichkeit?“[3] , „Sterben in der differenzierten Gesellschaft.“[4],
„Gesellschaftliche Verantwortung erkennen und übernehmen.“[5],
„Wie stirbt man in Deutschland? “[6], „Der verdrängte Tod“[7] ;
Macht diese öffentliche, ambivalent geführte Diskussion langsam und zögerlich ein Werte- und Normen-Suchen, -Wandel in unserer Gesellschaft deutlich?
Von „Nach-Kriegs-Hoffnung“ (abendländisch christlich geprägt) getragener „Wieder-Aufbau Rationalismus“ über den „Wirtschaftswunder-Glaube“ und „Wiedervereinigungseuphorie“ durch den „Sozialen Krisen Schock“ und die „multikulturelle Verunsicherung“ zum heutigen Fragen nach „Nachhaltigkeit“ und „ökonomischer Leistbarkeit“; - zieht dieser Themen-Wandel einen Wertewandel mit sich, der sich am Thema Sterben alter Menschen heute erkennen lässt?
Selbst die bedeutendste Theorie des Wertewandels (von Ronald Inglehart) steht unter dem positiven Vorzeichen des Durchbruchs postmaterialistischer Werte wie Gleichheit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung mit sozialem Engagement, etc. und steht damit in vielen Teilen in krassem Gegensatz zur öffentlichen Meinung und Haltung, die eher von einem „Werteverfall“ ausgeht.
Ob Werte tatsächlich eine steuernde und fundierende Rolle bei diesen gesellschaftlichen Prozessen spielen, ist offensichtlich sozialwissenschaftlich nicht wirklich geklärt..[8]
Festzustellen ist: Die „Versorgungs-Verdrängungs-Einstellung“ zum Thema Sterben in der Gesellschaft einerseits, ruft andererseits eine Gegenbewegung hervor, die langsam immer stärker und öffentlicher wird.
Der Artikel 2 (2) des Grundgesetzes (1949) ist nach der Zeit der „Tötungs-Heilbehandlung unwerten Lebens“ festgeschrieben worden und sichert heute das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Lange Jahre wurde diese Zeit öffentlich weder aufgearbeitet, noch über den Umgang mit sterbenden, alten „Unproduktiven“ nachgedacht oder diskutiert. Erst in den letzten 15 Jahren, unter dem Aspekt der rasanten medizinischen Fortschritte, der (Un)Finanzierbarkeit, der großen Sehnsucht nach „leid-freiem“ Leben, der sich ausweitenden Expertenzuständigkeit, der wachsenden Auflösung tradierter sozialer Verbände und Zunahme der „Single-Menschen“, und der Abnahme universeller spiritueller Religio, wird wieder eine Diskussion um Euthanasia, den „guten Tod“ öffentlich geführt.
Bedingt nicht eine moderne gesamtgesellschaftliche „Alles-ist-machbar!“ Einstellung ein Delegieren des Umgangs mit dem Sterben allein an das Individuum, oder an „Experten“?
Ist das nicht ein Versuch die „Ver-Antwort-ung“, die gesellschaftliche Konfrontation mit „Grenzen des Machbaren, Kontrollierbaren“ möglichst außerhalb der Öffentlichkeit zu halten?
Warum ist das Trauer und Schmerz zeigen in der Öffentlichkeit zur Peinlichkeit geworden, warum werden Sterbende eher gemieden als besucht?
„Das Bemühen, gesellschaftlich vorgegebene Rituale und Formen zu vermeiden, vergrößert die Anforderung an die persönliche Erfindungs- und Ausdruckskraft des Individuums. “[9]
Damit sind aber viele (speziell alte) Menschen heute überfordert und alleine gelassen, gerade weil diese tradierten Verhaltensnormen und Deutungsmuster keine „wirk-liche“ allgemeine Gültigkeit mehr haben.
In der heutigen öffentlichen Auseinandersetzung herrscht die Einstellung vor, dass der Tod ein physiologischer natürlicher Vorgang ist ... und natürliche Vorgänge haben wir in einer hochentwickelten, modernen Gesellschaft ja im Griff, können wir be-handeln.
„Die zweckrationale Verwendung von Leben und Sterben im ökonomischen System der Dienstleistungsgesellschaft verdrängt alle Ansprüche auf universelle Geltung von weltanschaulichen Deutungen des Todes in den Bereich subjektiver, allenfalls intersubjektiver Geltung.“[10]
Ist nicht das Abnehmen von Ritualen, genormten Umgangsformen mit Sterben und Tod in unserer Gesellschaft Ausdruck einer zunehmenden allgemeinen Be-Deutungslosigkeit und gesellschaftliche Vermeidungs-, Verdrängungs-Strategie?
Als zweite Hypothese stelle ich die Frage:
> Wird das Thema Sterben und Tod auf den alten Mensch als Individuum abgeschoben?
und: > Wird heute „Recht auf den eigenen Tod“ als das physische Sterben nach bereits
erfolgtem sozialem und psychischem Sterben verstanden?
Ein fragendes, annäherndes Schreiben dieser Arbeit, d.h. die Dokumentation meiner Fragen und gefundenen Antworten, erscheint mir deshalb in diesem Rahmen dem Thema angemessen.
Am Anfang dieser Arbeit (in Kapitel 1) werde ich meine persönliche Motivation zu diesem Thema und die gesellschaftliche Relevanz der Fragestellung erläutern.
Mich dem Thema nähernd (in Kapitel 2)werde ich die demographische Entwicklung und ihre Auswirkungen bezüglich des Sterbens in unserer Gesellschaft untersuchen, „Altersbilder“ in den Blick nehmen und fragen, ob die Stigmatisierung der „Alten“ etwas mit der zweiten Hypothese zu tun hat.
Eine klärende Differenzierung der Begriffe zu „Sterben“ (in Kapitel 3) ist nötig, da sich verschiedene Be-Deutungen dahinter verbergen.
Gesetzlich mögliche Regelungen (in Kapitel 4) werde ich nach den Sterberechts-Formulierungen von David Kessler in den Blick nehmen und beleuchten, wie heute in Deutschland „regelrecht“ gestorben werden kann.
Die ambivalente Diskussion um „Sterbehilfe“ werde ich hier kurz aufgreifen, ebenso das Stichwort Alterssuizid.
Wie man in Deutschland heute stirbt, (in Kapitel 5) wieso vom verdrängten Tod gesprochen wird, frage ich anschließend.
Darauf aufbauend hinterfrage ich (in Kapitel 6) ganz konkret Systeme, die mit dem Sterben alter Menschen betraut sind, wo alte Menschen sterben.
Abschließend werde ich (in Kapitel 7) das Gefundene zusammenfassend meine hypothetischen Fragen beantworten. Offene Fragen, die weiter zu verfolgen sind werde ich dort sammeln.
Eine Literaturliste (in Kapitel 8) gibt Zugang und Einblick in die verwendete Literatur.
Dass im Zuge des gestellten Rahmens mein gewähltes Thema nicht vollständig erschöpfend bearbeitet werden kann, ist mir bewusst. Es war mir aber persönlich wichtig, daran zu arbeiten.
1.1 Wie persönlich betroffen bin ich vom Thema?
Dieses Thema habe ich gewählt, weil ich mich in einem aktuellen Trauerprozess befinde.
Das ganz bewusste, soziologische Fragen nach dem Sterben und seiner gesellschaftlichen Norm, ist ein Schritt in meiner persönlichen Trauerarbeit.
Am 18. April 2004 ist mein Vater zuhause, in seinem Raum, mit seiner Familie, gestorben.
Ich habe die letzten vier Wochen sein Sterben Tage und Nächte lang begleitet.
Meine Mutter, meine Töchter, meine Schwestern, zwei Ärzte, Diakonieschwestern, ein Pfarrer und viele Freund/Innen gingen mit auf diesem seinem letzten Weg.
Herz-zerreißendes, Grenz-wertiges, Un-fassbares in Schmerz und Freude haben wir als Einzelne und in unseren Beziehungen erlebt und durchlebt. Bei allen Beteiligten hat sich, individuell unterschiedlich, grundlegend das Be-Greifen von Leben entwickelt und verändert während diesem Prozess:
Heute sind wir mit großer Trauer dankbar für diese Zeit.
Diese persönlich gelebte Antwort auf die Bitte meines Vaters, nach einem schmerzfreien eigenen Tod zuhause, hat uns einiges Unverständnis in der Umwelt bis hin zu Ablehnung oder Ausgrenzung erleben lassen. Wenige persönliche Freunde haben uns unterstützt und auch kompetent begleitet.
Durch dieses persönliche Erleben drängten sich mir Fragen auf wie:
- War der Wunsch meines Vaters außergewöhnlich?
- War unser daraus resultierendes Verhalten nicht „normal?
- Wie ist der „normale“ Umgang mit dem Sterben in der Gesellschaft, oder versucht die Gesellschaft den Tod alter Menschen zu umgehen?
- Warum gab es bei „Alten-Hilfs-Diensten“ wenig Infos zum Thema Sterben zuhause?
- Haben alte Menschen bei uns kein Recht mehr auf „eigenes“ Sterben?
Versorgung, Pflege, Sterbebegleitung alter Menschen, soziale Stellung und Achtung sterbender alter Menschen fordern individuelle Antworten, sind aber eine immer wichtiger werdende Aufgabe und Anfrage an die Gesellschaft und dafür braucht es allgemeine Regelungen.
Aus meiner Berufserfahrung als Krankenschwester kenne ich persönlich das Dilemma, wenn „Alte“ zum Sterben auf Station liegen.
Bei der Arbeit in einer Seniorenwohnanlage habe ich erlebt, wie das Thema Sterben von den Mitarbeitern tunlichst vermieden, regelrecht tabuisiert, wird.
Aus meinen Jahren im mobilen Sozialdienst sind mir die Fragen, Ängste und Hilflosigkeit alter Menschen vertraut, die am liebsten „Daheim!“ sterben wollen.
Im Beratungskontext bin ich immer wieder in Berührung gekommen mit Überforderungssituationen pflegender Kinder, Töchter, Angehöriger.
Den Wunsch nach Selbsttötung oder aktiver Sterbehilfe von verzweifelten „übrigen“ alten Menschen habe ich kennen gelernt bei der Arbeit im Besuchsdienst der christlichen Gemeinde.
Die jeweiligen Situationen haben mir immer wieder ein Überdenken meiner professionellen Rolle, meiner persönlichen Haltung, ein Hinterfragen meines Menschenbildes abverlangt. Orientierungssuchend forsche ich nach Handlungs-„Regelungen“. Auf die Frage: Warum handeln? finde ich im Sinngebungssystem, Religion, eine persönliche Antwort, auf meine aktuelle Frage:
Wie wird allgemein akzeptabel gehandelt und warum? werde ich unsere heutige Gesellschaft näher in den Blick nehmen.
1.2 Wieso ist dieses Thema soziologisch interessant?
Der Tod, das Sterben, sind universelle Ereignisse, die alle Menschen in jeder Gesellschaft betreffen. Obwohl der Tod, wie die Geburt, individuellstes, intimstes, Ereignis im einzelnen Menschenleben ist, ist es doch eingebettet in einen sozialen Kontext, die entsprechende soziale Gruppe, die jeweilige Gesellschaft.
„Geburt und Tod bilden Schnittstellen zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft “[11].
Wie Tod und Sterben vom Einzelnen also konkret „gelebt“ werden können, steht damit in einem dynamischen Wechselspiel mit den kollektiven Erfahrungen, Wertvorstellungen, Normen und Gesetzen der entsprechenden Gesellschaft.
In dem Satz: > die Würde des Menschen ist unantastbar (auch im Sterben)< aus Artikel 1 des Grundgesetzes, ist ein Wert als allgemeingültige Norm unserer Gesellschaft festgeschrieben.
Wie wird diese allgemeine Norm unterschiedlich gedeutet und gelebt, wenn es um Sterbende geht?
These: Die allgemeine Norm, wird relativiert unter dem Vorzeichen der industrialisierten Ausdehnung des Gesundheitswesens.
Haben also die Strukturen der modernen Gesellschaft eine Verdrängung des Todes und des Sterbens zur Folge?
Hier ist eindeutig Soziologie gefragt, als Wissenschaft, die formale und inhaltliche Zusammenhänge in Systemen betrachtet.
Mein Suchen nach Literatur hat mir gezeigt, dass trotz zunehmender Brisanz des Themas unter rein soziologischem Aspekt wenig Aktuelles zu finden war.
2. Sieht unsere Gesellschaft „alt“ aus?
Die Betrachtung der altersmäßigen Zusammensetzung der Bevölkerung in unserer Gesellschaft kann die Relevanz des Themas verdeutlichen.
Wir leben in einer deutlich „alternden“ Gesellschaft.
„Alternde“ Gesellschaft bedeutet auch, dass es massiv wirksame Altersbilder, Stereotype, gibt, die wiederum die Selbst-Wahrnehmung und -Einschätzung alter Menschen beeinflussen und somit ihr Agieren.
Im Kontext „Sterben“ ist die defizitäre Einstellung „Alten“ gegenüber natürlicherweise vorrangig.
Aus Altersbildern ergeben sich gesellschaftliche Erwartungen und Rollenzuschreibungen,
- Alter als Stigma -.[12]
Die Stigmatisierung älterer Menschen schreibt ihnen bestimmte Verhaltensweisen als Etikettierung zu, so auch im Sterbeverhalten.
2.1. Demografische Entwicklung in Bezug zum Thema
„In der Bundesrepublik Deutschland leben heute ca. 82 Millionen Menschen, von denen 18,5 Millionen Menschen (22,5 Prozent) 60 Jahre und älter sind“[13].Die Entwicklung seit 1900,
„7,8 Prozent älter als 60 Jahre bei einer Gesamtbevölkerung von 56 Millionen Menschen“[14] in Richtung „alte“ Gesellschaft ist rasant.
Gründe für diese massive Alterungszunahme sind der drastische Rückgang der Geburtenrate einerseits und die sprunghaft steigende Lebenserwartung andererseits.
„Modellrechnungen für die Zukunft zeigen . . , dass die deutsche Bevölkerung ohne Zuwanderung in den nächsten Jahrzehnten drastisch zurückgehen und wegen der starken Zunahme Älterer, die nicht mehr positiv zur Geburtenrate beitragen (können), langfristig vom Aussterben bedroht ist. “[15] Die Gesellschaft sieht also tatsächlich recht alt aus, worin ein Erklärungsansatz liegt, warum das Sterben auf die „Alten“ abgeschoben wird.
Nur jeder sechste Mensch stirbt vor Erreichen des 60. Lebensjahres, ein weiteres Sechstel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr, gut zwei Drittel sterben erst nach Erreichen des 70. Lebensjahres[16].
Statistisch kann man zu Recht den Tod jahrzehntelang verdrängen, dann aber tritt das Sterben massiv auf, verbunden mit großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen.
Die Statistiken zeigen uns auch, dass alte Männer überwiegend als Ehemänner sterben, alte Frauen vorwiegend als Witwen, wegen der höheren Lebenserwartung von Frauen.
Dies bedeutet, dass die Pflege und Betreuung bei Männern häufig von (Ehe-)Frauen übernommen werden kann, alte Frauen von Kindern oder anderen Angehörigen zu versorgen sind und daher auch die Hauptbewohnerrinnen von Alten- und Pflegeheimen sind.[17]
„Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Art und Weise, wie der demografische Wandel bewertet wird, auch Altersbilder zum Ausdruck kommen.“[18]
[...]
[1] Vgl. Kessler, David, In Würde, die Rechte des Sterbenden, Zürich 2003, S. 7f.
[2] Tügel, Hanne, in Abschied und Neubeginn, Titelthema in GEO 12/2003
[3] Ev. Gemeindeblatt, 25.04.04, S.8.
[4]. Schmied, Gerhard Sterben und Trauern in der differenzierten Gesellschaft, Impulsreferat süddeutsche Hospiztage 2001 in Bad Boll.
[5] Dr. Stefan Pohlmann, Das Altern als globale Herausforderung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2001.
[6]. Faller, Heike, Wie man in Deutschland stirbt, DIE ZEIT 16/2004.
[7] H.-W.Prahl/K. R. Schroeter, Soziologie des Alterns, Paderborn, 1996, S.214.
[8] Vgl. Oesterdiekhoff, G.W. in Werte und Wertewandel in westlichen Gesellschaften, Opladen 2001, S.42ff. und S.194ff.
[9] Heller, Birgit: Aller Einkehr ist der Tod, Freiburg, 2003, S. 18
[10] Schmidt-Rost: Sterben, Tod, Trauer, Vom Umgang mit der Grenze des Lebens in der modernen Gesellschaft, in EZW-Texte, Stuttgart, VII/1995, S.28.
[11] Heller, Birgit: Aller Einkehr ist der Tod, Freiburg, 2003, S. 11
[12] Vgl. Voges, Wolfgang: Soziologie des höheren Lebensalters, Augsburg 1995, S.39ff.
[13] Dr. Stefan Pohlmann, Das Altern als globale Herausforderung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2001, S.27
[14] ebd.
[15] H.-W.Prahl/K. R. Schroeter, Soziologie des Alterns, Paderborn, 1996, S.98.
[16] Vgl. H.-W.Prahl/K. R. Schroeter, Soziologie des Alterns, Paderborn, 1996, S.205f.
[17] Vgl. Lehrbuch der psycholog. und sozialen Alterswissenschaft, Hrsg. Jürgen Howe, Heidelberg 1992, S.46
[18] Dr. Stefan Pohlmann, Das Altern der Gesellschaft als globale Herausforderung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2001, S.32
- Citar trabajo
- Gisela Jung (Autor), 2004, Das Sterben alter Menschen in der modernen Gesellschaft, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31476
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