[...] Es
werden darin konkrete Aussagen zu Themen, Formen und Inhalten der Proteste in den
einzelnen Ländern gemacht. Eine detailliertere Betrachtung dieser gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen und Beweggründe innerhalb der Schweiz auf regionaler und
kantonaler Ebene wird gänzlich weggelassen. Diesem Manko soll die vorliegende
Arbeit Abhilfe schaffen, indem sie die deutsche und französische Schweiz eingehend
untersucht und Vergleiche zwischen den Kantonen anstellt. Ferner wird die vorliegende
Lizentiatsarbeit den Leser zusätzlich in ein in der Schweiz unerforschtes Gebiet
einführen – die Erklärung möglicher Unterschiede sozialer Bewegungen zwischen
West- und Deutschschweiz anhand der Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen.
Ein weiterer Unterschied zwischen dieser und anderen Arbeiten besteht darin, dass wir
uns mit sämtlichen Protestereignissen in der Schweiz seit 1945 befassen, während andere Untersuchungen sich meistens auf einen bestimmten Zeitraum, ein bestimmtes
Thema, eine bestimmte Aktionsform oder bestimmte Konsequenzen beschränkten.
Protestereignisse werden hier also in ihren sämtlichen Facetten betrachtet, um
systematische Unterschiede zwischen der Deutsch- und Westschweiz feststellen zu
können.
Im folgenden werden kurz einige wichtige Definitionen vorgestellt, worauf im nächsten
Kapitel das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit dargelegt wird. Nach einem
Überblick über den Stand der Forschung sowie theoretische Modelle zu sozialen
Bewegungen und Protestaktionen bilden die zentralen Fragestellungen den Abschluss
des theoretischen Teils. Im zweiten Teil der Arbeit werden Datengrundlage und
methodisches Vorgehen besprochen sowie die Resultate der empirischen Analyse der
Protestereignisse vorgestellt. In einem weiteren, empirisch abschliessendem Teil sollen
mögliche Erklärungsansätze der zwischen der Deutsch- und Westschweiz existierenden
Unterschiede bezüglich Protestaktivitäten anhand der Theorie der politischen
Gelegenheitsstrukturen besprochen. Dazu werden die einzelnen Komponenten der
Gelegenheitsstrukturen einer empirischen Analyse unterzogen sowie Unterschiede
zwischen der Deutsch- und Westschweiz aufgezeigt. Dies erlaubt eine erste grobe
Einschätzung, ob sich die Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen zur Erklärung
des unterschiedlichen Protestverhaltens der Deutsch- und Westschweizer eignet. Den
Abschluss der Arbeit bilden eine Zusammenfassung der Resultate sowie Überlegungen
zu weiterführenden Fragestellungen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1. Soziale Bewegungen
2.2. Kurzer deskriptiver Exkurs des Begriffs „soziale Bewegung“
2.3. Neue soziale Bewegungen
2.4. Mobilisierung
2.5. Protestereignisse/Protestaktionen
2.6. Protestthemen
2.7. Aktionsformen
2.8. Identität und Kultur
3. Erkenntnisinteresse
4. Stand der Forschung zu Protestereignissen und Sozialen Bewegungen
4.1. Allgemeiner Überblick
4.2. Analyse von Protestereignissen im Überblick
4.3. Analyse von Protestereignissen in der Schweiz
5. Theorien der Bewegungsforschung
5.1 Historischer Überblick zur Entstehung und Entwicklung der Bewegungsforschung
5.2. Political Opportunity Structure (POS)
5.2.1. Politische Gelegenheitsstrukturen und soziale Bewegungen in der Schweiz
6. Untersuchte Komponenten der politischen Gelegenheitsstrukturen
6.1. Formelle institutionelle Strukturen
6.1.1. Zentralismus
6.1.2. Institutionalisierung direkt-demokratischer Verfahren
6.2. Informelle Strategien der Behörden
6.3. Machtkonstellation im Parteiensystem
7. Forschungsfragen
7.1. Unterschiede von Protestereignissen in den Kantonen
7.2. Kantonale Unterschiede bezüglich politischer Gelegenheitsstrukturen
8. Methodik
8.1. Methodik des ersten Datensatzes 1945-1978
8.2. Verzerrungen des Datenmaterials des ersten Datensatzes 1945-1978
8.3. Methodik des zweiten Datensatzes 1975-1989
8.4. Methodik des Datensatzes von Vatter
9. Befunde zu Protestereignissen und sozialen Bewegungen
9.1. Protesthäufigkeit in absoluten Zahlen
9.2. Protesthäufigkeit nach Deutsch- und Westschweiz
9.3. Protestindex der deutschen und welschen Schweiz
9.4. Aufteilung NSB & alte Protestformen
9.5. Zusammenhang Region und Protestthemen
9.5.1. Arbeiterproteste
9.5.2. Frauenproteste
9.5.3. Bauernproteste
9.5.4. Regionale Proteste
9.6. Neue soziale Bewegungen
9.6.1. Ökologieproteste
9.6.2. Friedensproteste
9.6.3. Solidaritätsproteste
9.6.4. Homosexuellen- und Autonomenproteste
9.7. Protestvolumen
9.8. Zusammenhang Region & Strategien
9.8.1. Konventionelle Strategien
9.8.2. Direkt-demokratische Strategien
9.8.3. Demonstrative Strategien
9.8.4. Konfrontative Strategien
9.9. Gewaltanwendung
9.10. Strategien und Themen
9.10.1. Zusammenhang Strategien und Themen (NSB) 1945-1978
9.10.2. Zusammenhang Strategien und Themen (NSB) 1975-1989
9.10.3. Zusammenhang Strategien und Themen (andere) 1945-1978
10. Überblick und Zusammenfassung der Befunde zu Protestereignissen und sozialen Bewegungen
10.1. Absolute Zahlen und Protestindices
10.2. Protestvolumen
10.3. Proteststrategie
10.4. Thema und Strategie
11. Befunde zu den politischen Opportunitätsstrukturen
11.1. Allgemeiner Überblick
11.1.1. Allgemeine Strukturdaten zu den Kantonen
11.1.2. Fünf Typologien kantonaler Demokratien
11.1.3. Demokratiekarte der Schweiz
11.2. Formelle Institutionelle Strukturen
11.2.1. Zentralismus
11.2.2. Institutionalisierung direkt-demokratischer Verfahren
11.3. Exkurs: Demokratieindex der Schweizer Kantone
11.3.1. Konstruktion der Demokratieindices
11.3.2. Befunde zu den Demokratieindices
11.4. Informelle Strategien der Behörden
11.5. Machkonstellationen in den Kantonen
12. Schlussbetrachtung der empirischen Befunde
13. Die Ursachen der politischen Institutionengefüge in den kantonalen Demokratien
14. Ausblick und weiterführende Fragestellung
15. Schlusswort
16. Literaturliste
17. Anhang / Codebuch
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Komponenten der politischen Gelegenheitsstrukturen
(vgl. Kriesi 1995:170)
Abb. 2: Anzahl der Protestereignisse in der Schweiz
in den Jahren 1945-1978 sowie 1975-1989
Abb. 3: Anzahl der Protestereignisse in der Schweiz
in den Jahren 1945-1989 (oben) sowie 1990-1999 (unten)
Abb. 4: Anzahl der Protestereignisse in der Deutsch- und
Westschweiz in den Jahren 1945-1978 (oben) sowie 1975-1989 (unten)
Abb. 5: Formel zur Berechnung des Protestindices
Abb. 6: Protestindex der deutschen und welschen Schweiz
von 1945-1978 (oben) und 1975 -1989 (unten)
Abb. 7: NSB & „alte“ soziale Bewegungen in der
Deutschschweiz von 1945-1978 (oben) & 1975-1989 (unten)
Abb. 8: NSB & „alte“ soziale Bewegungen in der
Westschweiz von 1945-1978 & 1975-1989
Abb. 9: Arbeiterproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 10: Frauenproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 11: Bauernproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 12: Regionale Emanzipationsproteste / Index
1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 13: Ökologieproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 14: Friedensproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 15: Solidaritätsproteste / Index 1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 16: Homosexuellen- und Autonomenproteste / Index
1945-1978 (oben) und 1975-1989 (unten)
Abb. 17: Volumen der untersuchten Protestthemen
1945-1978 (oben) & 1975-1989 (unten)
Abb. 18: Konventionelle Ereignisse 1945-1978 (oben) & 1975-1989 (unten)
Abb. 19: Direkt-Demokratische Ereignisse 1945-1978 & 1975-1989
Abb. 20: Demonstrative Ereignisse 1945-1978 (oben) & 1975-1989 (unten)
Abb. 21: Konfrontative Ereignisse 1945-1978 (oben) & 1975-1989 (unten)
Abb. 22: Thema & Strategie nach Region (NSB) 1945-1978
Abb. 23: Thema & Strategie nach Region (NSB) 1975-1989
Abb. 24: Thema & Strategie nach Region (andere) 1945-1978
Abb. 25: Demokratiekarte der Schweiz (vgl. Vatter 2002: 411)
Abb. 26: Autonomiegrad der Gemeinden nach Kantonen (vgl. Ladner 1994: 81)
Abb. 27: Erforderliche Unterschriften für Initiativen und Referenden
in Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung und
Durchschnittswerte für Deutsch- und Westschweiz
Abb. 28: Index für das Verfassungsinitiativrecht in den Kantonen der
Schweiz. Durchschnitt von 1970-1996. (vgl. Stutzer 1999: 10)
Abb. 29: Index für das Gesetzesinitiativrecht in den Kantonen der Schweiz. Durchschnitt von 1970-1996. (vgl. Stutzer 1999: 10)
Abb. 30: Index für das Gesetzesreferendumsrecht in den Kantonen der Schweiz. Durchschnitt von 1970-1996. (vgl. Stutzer 1999: 11)
Abb. 31: Index für das Finanzreferendumsrecht in den Kantonen der Schweiz. Durchschnitt von 1970-1996. (vgl. Stutzer 1999: 11)
Abb. 32: Arithmetisches Mittel der vier direkt-demokratischen
Grundrechte der Bürger. Durchschnittswerte von
1970-1996. (vg. Stutzer 1999: 9)
Abb. 33: Anteil repressiver polizeilicher Aktionen an
Gesamtzahl Protestereignissen
Abb. 34: Durchschnittswerte der Machtkonstellationen in den
West- und Deutschschweizer Kantonsregierungen von 1982-1989
Abb. 35: Stärke der Linksparteien in den kantonalen Parteiensystemen
Abb. 36: Unterschiede der Politischen Gelegenheitsstrukturen (POS)
zwischen Deutsch- und Westschweiz
Abb. 37: Protestindex und Nutzung der direkt-demokratischen
Volksrechte (oben) bzw. Anzahl direkt-demokratischer
Protestereignisse (unten) in der Deutsch- und Westschweiz
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Übersicht der fünf Paradigmen der Bewegungsforschung
(vgl. Koopmans 1998:226)
Tab. 2: “Chances of success for challengers in weak and strong states”
(Kriesi 1995: 173)
Tab. 3: “The general setting for the approach of members toward challengers”
(Kriesi 1995:177)
Tab. 4: “Situation of the social democratic parties in the countries under study”
(Kriesi 1995: 185)
Tab. 5: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Region und Thema
Tab. 6: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Region & Strategien
Tab. 7: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Region & Gewalt 1945-1978
Tab. 8: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Region & Gewalt 1975-1989
Tab. 9: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Strategie & Themen (NSB) 1945-1978
Tab. 10: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Strategie & Themen (NSB) 1975-1989
Tab. 11: Cramer-V Zusammenhangsmass zwischen den Variablen
Strategie & Themen (andere) 1945-1978
Tab. 12: Ausgewählte Strukturdaten der Kantone (vgl. Vatter 2002: 36)
Tab. 13: Die institutionellen Anforderungen an Referenden und
Initiativen in den Kantonen (vgl. Vatter 2002)
1. Einleitung
Die vorliegende Lizentiatsarbeit handelt von sozialen Bewegungen und Protestereignissen sowie deren politischen Gelegenheitsstrukturen in der Schweiz in den Jahren 1945-1989. Der Zweck dieser Arbeit ist, Unterschiede zwischen Deutschschweiz und Romandie (wozu auch das Tessin gezählt wird) bezüglich Form, Inhalt und Aktivierungs- bzw. Mobilisierungsgrad von Protestereignissen und Bewegungen zu untersuchen und zu erklären. Ausgehend vom 1945 beginnenden wirtschaftlichen Entwicklungsprozess und den daraus resultierenden Konflikten wird eine Untersuchung über die verschiedenen Protestaktionen erstellt. Dabei sollen Unterschiede zwischen Deutsch- und Westschweiz herausgearbeitet und anhand der Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen analysiert und erklärt werden.
Ein noch nicht weit zurückliegendes prominentes Beispiel für eine solche Bewegungswelle, die weite Teile Europas und damit auch nahezu die ganze Schweiz erfasste, sind die Friedensdemonstrationen vom Frühling/Sommer 2003 anlässlich der „Befreiungsoffensive“ der USA im Irak. Auch neueste Entwicklungen in Deutschland im Rahmen der Proteste gegen die Reformpläne der Regierungsparteien zeugen davon, dass die Thematik der Protestaktionen und sozialen Bewegungen in der Gegenwart keinesfalls an Bedeutung verliert, sondern im Gegenteil zunehmend an Aktualität zu gewinnen scheint, wobei diese neuesten Entwicklungen aufgrund der Datenlage in der vorliegenden Arbeit leider nicht berücksichtigt werden können.
Viele bestehende Analysen befassen sich nur mit der Schweiz als Einheit wie z.B. die Studie von Kriesi et. al (1995), wo die Autoren vier Länder (Deutschland, Frankreich, Holland und die Schweiz) untereinander bezüglich derselben Kriterien vergleichen. Es werden darin konkrete Aussagen zu Themen, Formen und Inhalten der Proteste in den einzelnen Ländern gemacht. Eine detailliertere Betrachtung dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Beweggründe innerhalb der Schweiz auf regionaler und kantonaler Ebene wird gänzlich weggelassen. Diesem Manko soll die vorliegende Arbeit Abhilfe schaffen, indem sie die deutsche und französische Schweiz eingehend untersucht und Vergleiche zwischen den Kantonen anstellt. Ferner wird die vorliegende Lizentiatsarbeit den Leser zusätzlich in ein in der Schweiz unerforschtes Gebiet einführen – die Erklärung möglicher Unterschiede sozialer Bewegungen zwischen West- und Deutschschweiz anhand der Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen.
Ein weiterer Unterschied zwischen dieser und anderen Arbeiten besteht darin, dass wir uns mit sämtlichen Protestereignissen in der Schweiz seit 1945 befassen, während andere Untersuchungen sich meistens auf einen bestimmten Zeitraum, ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Aktionsform oder bestimmte Konsequenzen beschränkten. Protestereignisse werden hier also in ihren sämtlichen Facetten betrachtet, um systematische Unterschiede zwischen der Deutsch- und Westschweiz feststellen zu können.
Im folgenden werden kurz einige wichtige Definitionen vorgestellt, worauf im nächsten Kapitel das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit dargelegt wird. Nach einem Überblick über den Stand der Forschung sowie theoretische Modelle zu sozialen Bewegungen und Protestaktionen bilden die zentralen Fragestellungen den Abschluss des theoretischen Teils. Im zweiten Teil der Arbeit werden Datengrundlage und methodisches Vorgehen besprochen sowie die Resultate der empirischen Analyse der Protestereignisse vorgestellt. In einem weiteren, empirisch abschliessendem Teil sollen mögliche Erklärungsansätze der zwischen der Deutsch- und Westschweiz existierenden Unterschiede bezüglich Protestaktivitäten anhand der Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen besprochen. Dazu werden die einzelnen Komponenten der Gelegenheitsstrukturen einer empirischen Analyse unterzogen sowie Unterschiede zwischen der Deutsch- und Westschweiz aufgezeigt. Dies erlaubt eine erste grobe Einschätzung, ob sich die Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen zur Erklärung des unterschiedlichen Protestverhaltens der Deutsch- und Westschweizer eignet. Den Abschluss der Arbeit bilden eine Zusammenfassung der Resultate sowie Überlegungen zu weiterführenden Fragestellungen.
2. Definitionen
Die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe werden in der Literatur unterschiedlich gehandhabt. Während z.B. die einen unter dem allgemeinen Bewegungsbegriff alle Protestformen und sämtliche Mobilisierungspotenziale zusammenfassen, teilen andere Autoren die unterschiedlichen Formen und Inhalte von Protesten in unterschiedliche Arten von Bewegungen auf. Erläutert werden sollen im folgenden somit Begriffe wie „soziale Bewegung“ sowie dessen Nachfolger neueren Ursprungs, die „neuen sozialen Bewegungen“. Ferner werden in den nächsten Kapiteln die Begriffe Protestereignisse bzw. Protestaktionen, Mobilisierung, Aktionsformen und Protestthemen, sowie Identität und Kultur erläutert.
2.1. Soziale Bewegungen
Nach Levy kann in der heutigen Zeit grundsätzlich alles eine soziale Bewegung sein. Eine politische Partei, eine philosophische Strömung, eine Einzelperson oder ein Grüppchen von Leuten, die sich einer Sache, einer Idee oder einer Ideologie verschrieben haben. Er ist der Auffassung, dass es sich dabei um Bewegungen, bzw. Strömungen handelt, die wenig Konstanz und wenig Dauerhaftigkeit haben. Insofern, so Levy, sind sie gesellschaftlich kaum relevant, da sie für die einen zwar Auslöser von sozialen Veränderungen sind, für die anderen aber nur Phänomene am Rande der Gesellschaft darstellen, für die es sich kaum lohnt, kostbare Zeit zu verschwenden (vgl. Levy 1992: 925). Dieser Umstand erklärt auch den wahrnehmbaren Unterschied zwischen innen und aussen. Für die Macher der sozialen Bewegungen sind sie verständlicherweise absolutes Zentrum des Interesses, für Aussenstehende oft fremdartig, irrational, gar bedrohlich, naiv und ab und zu nicht Ernst zu nehmen. Dieses Verhalten von Aussenstehenden rührt jedoch nach Levy nicht grundsätzlich daher, dass einfach zu wenig Interesse für gesellschaftliche Anliegen vorhanden ist, sondern kommt daher, dass man nicht genau weiss, was aus einer – anfänglich schmalen, später unter Umständen vielleicht grossen – Bewegung hervorgeht und welche Konsequenzen dies haben kann. Richtig kalt lassen soziale Bewegungen – oder Strömungen, um die etwas herablassende Terminologie von Levy zu verwenden – somit nur wenige Zeitgenossen, da sie in einer modernen Gesellschaft offenbar doch besondere, oft provozierende Herausforderungen darstellen (vgl. Levy 1992: 925).
Der Begriff der sozialen Bewegungen taucht nach Heberle (1969) zum ersten Mal zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Damals meinte „die soziale Bewegung“ noch die neu entstandene Bewegung der industriellen Arbeiterschaft mit all ihren politischen Schattierungen. Diese Art der Bewegung und ihre Gleichsetzung mit diesem einen Thema bleibt in etwa bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten. Seither haben sich unzählige weitere Gruppen und Bewegungen mit verschiedenen Meinungen, Neigungen und hehren Zielen dazugesellt und Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Verschiedene Jugendbewegungen, die frühen Frauenbewegungen, die rechtsextremen politischen Bewegungen des Nationalsozialismus und des Faschismus, aber auch religiöse und soziale Reformbewegungen sind im 20. Jahrhundert entstanden, teilweise in vollen Zügen ausgelebt worden und wieder untergegangen. Das Spektrum der Bewegungen hat sich bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts dermassen ausgeweitet, dass keine Bewegung mehr als archetypisch bezeichnet werden kann.
Was sind denn nun, angesichts der grossen Vielfalt sozialer Bewegungen, charakteristische Merkmale dieser? Viele Autoren sehen eine gemeinsame Zielorientierung der Bewegungen und stellen diese in den Vordergrund. Während Blumer (1964 (in Levy 1992: 925)) sie schlicht als kollektives Unternehmen mit dem Ziel, eine neue Lebensordnung zu errichten, definiert, sind Broom und Selznick ausführlicher: Für sie sind soziale Bewegungen „vereintes und länger dauerndes kollektives Handeln, das durch eine klar erkennbare Sichtweise und Ideologie, ein starkes Solidaritätsgefühl und eine deutliche Aktionsorientierung gekennzeichnet ist“ (Broom / Selznick 1973: 262). Andere Autoren legen mehr Wert auf die morphologischen Besonderheiten der sozialen Bewegungen. So betrachtet Heberle (1969) sie zum Beispiel als Kollektivgebilde, die einen festeren und dauerhafteren Zusammenhang haben als pure Massen, jedoch als Ganzes trotzdem weniger stark organisiert sind als Parteien, Vereine, Ämter oder Unternehmen. Gleichwohl besitzen sie die Fähigkeit, soziale Körperschaften in sich zu schliessen.
Wiederum ein anderes Merkmal stellt Rammstedt in den Vordergrund. Er beschreibt die Bewegungsdynamik von sozialen Bewegungen als Hauptmerkmal. Der Prozess der Bewegung ist für ihn ein Protest gegen bestehende soziale Verhältnisse, ein Prozess, der bewusst getragen wird von einer an Mitgliedern gewachsenen Gruppierung, die aber nicht formal organisiert zu sein braucht (vgl. Rammstedt 1978: 12). So sieht auch Tilly (1984) das Hauptgewicht einer sozialen Bewegung in der konfliktiven Interaktion zwischen Herausforderern und Autoritäten (vgl. Tilly 1984: 299).
Während für Rammstedt (1978) nur progressive Bewegungen als wirkliche Bewegungen gelten, sehen andere die politische Ausrichtung nur als Typen und benutzen sie nicht als Abgrenzungskriterium und Definitionsmerkmal. So unterscheidet Spencer revolutionäre, reformorientierte, reaktionäre, konservative, utopische, religiöse und ethnisch-nationalistische Bewegungen (vgl. Spencer 1976: 20).
Rucht definiert eine soziale Bewegung ähnlich, da er in den sozialen Bewegungen „ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mit Mitteln des Protests – notfalls bis hin zur Gewaltanwendung – herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen“ (Rucht 1994: 77) sieht. In diesem Zusammenhang bedeutet sozialer Wandel also eine grundlegende Veränderung gesellschaftlicher Ordnung und somit eine Einwirkung auf das, was Tourraine (1973) als Historizität bezeichnet. Nach Rucht bezieht sich soziale Bewegung in „letzter Konsequenz – jedoch nicht notwendig in ihren konkreten Ansatzpunkten – auf Grundstrukturen ökonomischer Regulierung, politischer Herrschaft und soziokultureller Normierung“ (Rucht 1994: 77).
Trotz dieser Häufung an Meinungen unter den Wissenschaftlern, kann man grundsätzlich drei sich überschneidende, massgebende Eigenschaften von – auch neuen[1] - sozialen Bewegungen herauskristallisieren (vgl. Levy 1992: 926):
1. Alle sozialen Bewegungen haben einen zwar schwachen, jedoch trotzdem minimal vorhandenen Organisationsgrad und besitzen eine gemeinsame Wertorientierung und Ideologie sowie ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl, zu dem auch die übereinstimmende Lokalisierung und Bestimmung eines „Gegners“ gehört. Ferner haben soziale Bewegungen eine Aktionsorientierung, die über reinen Aktionismus herausgeht. Sie ist Ausdruck eines gemeinsamen Willens, einen teils enger, teils weiter umschriebenen Teil der herrschenden sozialen Ordnung zu beeinflussen.
2. Die Entstehung und der Verlauf sozialer Bewegungen müssen in deren Wechselwirkungen mit der sozialen Umwelt gesehen werden.
3. Was in der üblichen soziologischen Definition fehlt, jedoch wesentlich zur Dynamik von Bewegungen beiträgt, ist das emotionale Engagement, das einen Grossteil der Mitglieder einer Bewegung auszeichnet. Dies verleiht der Mitgliedschaft einen besonderen, individuell speziellen Sinn.
Dieser sehr treffenden und kompletten definitorischen Übersicht schliessen wir uns an.
2.2. Kurzer deskriptiver Exkurs des Begriffs „soziale Bewegung“
Der Begriff „soziale Bewegung“ wird in sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Oftmals hat er eine rein deskriptive Bedeutung und bezeichnet lediglich verschiedene Arten von Prozessen (vgl. Boudon / Bourricard 2001: 462). In diesem Fall beschreibt er allgemeine – vor allem historische[2] – Quellen der Unzufriedenheit mit allen möglichen Inhalten, wie die Emanzipation der Frauen, die Gegner der Sklaverei oder die Verfechter der Prohibition (vgl. ebd. 2001: 462). In einer anderen Definition beschreibt er eigenständige, dem kreativ-dynamischen Aspekt des sozialen Lebens entsprungene Unzufriedenheiten mit den damit verbundenen Mobilisierungsvermögen. Die Definition von Boudon und Bourricard einer sozialen Bewegung hat somit zweierlei Ausrichtung: 1. eine oft mit Gewaltanwendung assoziierte Form der kollektiven Kraft und 2. eine individualistische Tendenz als die Summe „von Handlungen, Gefühlen oder individuellen Strategien“ (Boudon / Bourricard 2001: 462).
Soziale Bewegungen können sich um vielerlei Interessen herum bilden. Mit Interessen ist nicht nur ein Streben nach höherem Lohn, kürzeren Arbeitszeiten oder mehr Ferien gemeint. Interessen können auch mit Feindseligkeiten verbunden sein, denen Personen direkt unterliegen.
Doch ebenso wichtig wie der unangenehme Gegenstand überhaupt ist das Ausmass der Betroffenheit, welches dafür massgeblich ist, in welcher Form und in welcher Stärke ein Protest auf Grund einer Diskriminierung oder ähnlichem überhaupt herbeigeführt wird. Als vielleicht anmutendes, jedoch treffendes Beispiel soll hier eine kurze Freudsche Erzählung (vgl. Boudon / Bourricard 2001: 463) zitiert werden. Freud schreibt:
„ein Antisemit habe seinem Vater eines Tages die Mütze vom Kopf geschlagen, so dass sie in den Rinnstein fiele, und dabei gerufen: ‚Jud, herunter vom Trottoir!’ Als der Sohn seinen Vater fragte, was er daraufhin getan habe, antwortete dieser: ‚Ich bin auf den Fahrweg gegangen und habe die Mütze aufgehoben.’“ (Boudon / Bourricard 2001: 463).
Das erwähnte Beispiel zeigt auf bestechende Weise, dass man zwar unzufrieden sein, beleidigt oder gar diskriminiert werden kann, dies jedoch nicht automatisch einen Aufstand oder Protest, sprich eine soziale Bewegung herbeiführen muss. Weder war Freuds Vater dazu bestimmt, ein Anführer einer sozialen Bewegung für die Rechte der Juden zu werden, noch haben sich die Massen auf dieses – und weitere – Ereignisse hin mobilisiert. Oftmals geschieht dies nach Meinung von Boudon und Bourricard (2001) aufgrund der Unschlüssigkeit, wie man anderen oder sich selbst helfen kann.
Wie die Geschichte des Begriffs zeigt, wird er schon seit langem verwendet und die von Boudon und Bourricard gelieferte Definition verliert sich ein wenig in historischen Begebenheiten und Beschreibungen.[3]
2.3. Neue soziale Bewegungen
Nach dieser eingehenden allgemeinen Betrachtung und Definition der sozialen Bewegungen wenden wir uns nun den neuen sozialen Bewegungen (NSB) zu.[4] Wie in vielen der hochindustrialisierten Länder erwacht auch in der Schweiz in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die Bewegungsszene zu „unerwartetem, eruptivem und vielfältigem Leben“ (Levy 1992: 930). Das Phänomen, welches diese neuen Bewegungen auszeichnet, ist, dass sich die Inhalte und Ziele der jeweiligen Aktionen und Proteste diametral gegenüber stehen. So gibt es auf der einen Seite die vielgenannte und allseits bekannte Studentenbewegung, welche sich aus amerikanischem Vorbild ab dem Jahr 1968 rasant entwickelt. Daraus ergeben sich im Zuge der Jahre verschiedenartigste Bewegungen wie die Frauen-, Ökologie-, Quartier-, Friedens-, Drittwelt-, Alternativ- und Kommunenbewegung. Etwas später gesellt sich noch die Anti-Atomkraftbewegung zu den oben aufgeführten hinzu. Diese bilden somit einen progressiven, vorwiegend politisch linksorientierten Teil der neuen sozialen Bewegungen (vgl. Levy 1992: 931).Vergessen– da viel weniger bekannt – darf man an diesem Punkt jedoch nicht den rechtsorientierten Teil der Bewegungen. Levy meint, dass diese Art der Bewegungen zwar nicht zu den klassischen neuen sozialen Bewegungen gehört, jedoch sehr oft Bewegungscharakter wie ihre linken Pendants hat.[5] Zu diesen eher rechtsgerichteten Strömungen gehört, als vielleicht populärstes Beispiel, jene der Überfremdung, die seit den 60er Jahren aktiv ist. Zu diesen Pionieren der nachkriegszeitlichen Fremdenfeindlichkeit gesellt sich heute ein radikaler, militanter, chauvinistisch und rassistisch orientierter rechtsextremer Flügel, dessen Gruppen und Formationen zum Teil offen aggressiv sind und direkte Beziehungen zu Restgruppierungen aus der Frontenzeit unterhalten (vgl. Levy 1992: 931).
Die linken und rechten Bewegungsformen können relativ gut unterschieden werden. Allerdings ergeben sich bei bestimmten Inhalten, wie zum Beispiel jenem der Ökologie, gewisse Überschneidungen und Zwischenformen zwischen den Verhaltensweisen der Gruppierungen. Trotz dieser Verknüpfungen und gleitenden Übergängen schliessen auch wir uns dem gängigen Sprachgebrauch an und rechnen nur jene Protestaktionen und Bewegungen zu den neuen sozialen Bewegungen, die tatsächlich eine linksgerichtete Orientierung (Umwelt-, Solidaritäts-, Friedens-, Autonomen- und Homosexuellenproteste) besitzen.
2.4. Mobilisierung
Der Begriff der Mobilisierung sei an dieser Stelle nur kurz und der Vollständigkeit halber angesprochen. Es soll, wieder anhand der vorzüglichen Beschreibungen und Definitionen von Levy (1992), ein kurzer Überblick dessen gegeben werden, was die Unterschiede zwischen puren Mobilisierungsereignissen und Bewegungen sind.
Einen interessanten Ansatz zur Definition von Mobilisierung liefert nach Levy Hirschmann (1970), indem er die Beziehungen zwischen Institutionen und Individuen unter dem Gesichtspunkt analysiert, dass im Falle der Unzufriedenheit mit dem institutionellen Betrieb zwei Alternativen zur Verfügung stehen: aus der Beziehung zur Institution herauszutreten und eine andere zu suchen, die mehr Befriedigung verspricht (Hirschmann nennt diese Variante „exit“), oder zu protestieren und damit versuchen, eine Besserung der Austauschbeziehungen zwischen Institution und Individuum zu erzielen (Hirschmann spricht hier von „voice“). Welche der beiden Alternativen vorgezogen wird, hängt nach Hirschmann in erster Linie von der dritten Variable „loyalty“ ab, die gegenüber der in Frage stehenden Institution besteht (vgl. Hirschmann in Levy 1992: 935).
Die zweite Überlegung, die sich mit Mobilisierung befasst, hat mit dem „Lebenslauf von Protestbewegungen“ (Levy 1992: 935) zu tun. In dem Masse, wie eine Protestbewegung von ihrem Adressaten ernst genommen und auch dementsprechend behandelt wird, verlagert sich die Bewegungsaktivität weg von den Mitteln der Mobilisierung im Sinne von reinen Demonstrationen und mitunter gewalttätigen Ausschreitungen und Protestaktionen hin zu etablierteren – meistens politischen – Vorgehensweisen wie Verhandlungen, Teilnahme an Wahlen, Ausarbeiten von Vorschlägen, Experten- und Öffentlichkeitsarbeit, Initiativen und Referenden. Das heisst, hat die Bewegung mit ihrer Mobilisierung und dem Protest Erfolg, so bewegt sie sich weg von der Mobilisierungsarena und räumt institutionelleren Ereignissen mehr Raum ein (vgl. Levy 1992: 936).
2.5. Protestereignisse/Protestaktionen
Protestereignisse zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass „gewöhnliche Bürger“ politisch aktiv werden. Die nachfolgende Definition stützt sich auf die Arbeit von Kriesi et al (1981: 16ff), wonach mindestens sechs Kriterien erfüllt sein müssen, damit von politischer Aktivierung gesprochen werden kann.
Als erstes und zentrales Kriterium führen Kriesi et al. das Basiskriterium an. Damit wird die Aktivierung „gewöhnlicher Bürger“ von Aktivitäten politischer oder anderer Eliten abgegrenzt. Protestereignisse müssen somit durch gewöhnliche Bürger konstituiert, jedoch nicht unbedingt von der Basis initiiert werden. Probleme ergeben sich laut Kriesi et al. dadurch, dass die Grenze zwischen Basis und Elite im allgemeinen und besonders in der Forschungspraxis nur diffus zu ziehen ist.[6] Dies hat insofern keine direkten Auswirkungen auf die vorliegende Arbeit, da sie auf bereits vorhandenen Datensätzen aufbaut und die Auswahl der Protestereignisse durch andere Forschungsteams vorgenommen wurden. Mit dem Engagement-Kriterium wird ein Mindestmass an Intensität des Einsatzes auf Seiten der Bürger gefordert. Andere politische Ausdrucksformen wie zum Beispiel Wahlen, Abstimmungen oder Gemeindeversammlungen genügen dieser Anforderung nicht, da in diesen Fällen noch nicht von einem aussergewöhnlichen Engagement seitens der Bürger gesprochen werden kann. Die Definition von Kriesi et al. umfasst des weiteren das Öffentlichkeitskriterium, wobei vor allem die Medienöffentlichkeit im Zentrum steht. Proteste müssen einen öffentlichen Charakter haben, um als Protestereignisse in unserem Sinne gelten zu können, wodurch sich Aktionen wie geheime Zusammenschlüsse und informelles Kontaktieren abgrenzen lassen. Dieses Kriterium gewährleistet einerseits, dass die Protestaktionen eine minimale Bedeutungsschwelle überschritten haben, seine Notwendigkeit besteht aber auch aus forschungstechnischen Gründen, da nur Ereignisse identifiziert werden können, die auch öffentlich bekannt geworden sind. Als nächstes wird das Kriterium der problemspezifischen Artikulation aufgeführt, wonach sich die Protestaktionen auf konkrete gesellschaftliche Probleme beziehen müssen. Wahlen und historische Feste erfüllen diese Bedingung nicht, da gesellschaftliche Probleme nur indirekt thematisiert werden. Durch das Kriterium der Gemeinsamkeit gilt die Artikulation rein individueller Probleme nicht als politische Aktivität. Ausgeschlossen sind damit Aktivitäten, die aus rein ökonomischen Eigeninteressen unternommen werden sowie Aktivitäten, wo ein Bürger für sich allein zu seinem Recht kommen will. Dieses Kriterium schliesst allerdings nicht aus, dass auch ein Einzelner oder nur wenige Personen ein Protestereignis konstituieren können, wenn dabei ein allgemeines Problem artikuliert wird. Schliesslich sollen Protestaktionen gemäss dem Einmaligkeitskriterium auch keinen Routine-Charakter haben. Jährlich wiederkehrende politische Veranstaltungen wie z.B. der 1. Mai werden somit nicht erfasst.
Nur wenn all diese Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sind, kann im Sinne Kriesi et al.s (1981) von einem Protestereignis oder einer Protestaktion gesprochen werden.
2.6. Protestthemen
Die in dieser Forschungsarbeit untersuchten Protestthemen sind:
„Alte“ soziale Bewegungen: Neue soziale Bewegungen:
- Arbeiterproteste - Umweltproteste
- Frauenproteste - Solidaritätsproteste
- Bauernproteste - Friedensproteste
- Regionale Proteste - Autonomenproteste
- Homosexuellenproteste
Die obigen neun Protestthemen stellen nur einen Teil der möglichen Themeninhalte von Protesten dar, da es grundsätzlich natürlich Proteste für oder gegen mehr oder weniger alles gibt. Da die Datengrundlage sich jedoch so darstellt, dass die Kodierer schon während des Erstellens des Datensatzes einzelne Ereignisse weitgehend einer dieser Kategorien zugeordnet haben, haben wir uns dazu entschieden, jene Protestthemen zu untersuchen und in unserer Forschungsarbeit zu berücksichtigen, welche a) für die Schweiz von grosser Wichtigkeit sind und b) die meisten Häufigkeiten besitzen.[7]
2.7. Aktionsformen
In der Literatur wird übereinstimmend zwischen konventionellen und unkonventionellen Aktionsformen unterschieden. Obwohl sich (neue) soziale Bewegungen gerade durch den Gebrauch von unkonventionellen Strategien auszeichnen, werden in der vorliegenden Arbeit auch die institutionalisierten, also konventionellen Strategien berücksichtigt, da diese in den direkt-demokratischen Verhältnissen der Schweiz von grosser Bedeutung sind.[8]
Folgende Einteilung stammt von Kriesi et al. (1995):
Konventionelle Aktionsformen
- juristisch: Gerichtliche Klagen
- politisch: Lobbying, Teilnahme an Verhandlungen und Konsultationen
- mediengerichtet: Pressekonferenzen, Flugblattaktionen
- direkt-demokratisch: Initiativen und Referenden
Unkonventionelle Aktionsformen
- demonstrativ: Protestmarsch, Unterschriftensammlung, Petitionen, öffentliche -Versammlungen, politische Feste, symbolische Aktionen..
- konfrontativ-legal: Boykott, Hungerstreik..
- konfrontativ-illegal: illegale Demonstration, Besetzung, Blockaden, Sit-ins..
- konfrontativ-illegal und gewalttätig: Gewalt gegen Sachen und Personen, Brandstiftung, Einbruch..
2.8. Identität und Kultur
Die Definition von Identität und Kultur erweist sich als schwierig, werden doch eine Vielzahl von Begriffen als Synonyme und eine Menge Theorien – alle unterschiedlicher Ansicht – in der Literatur verwendet.
Nach Kerber und Schmieder geht die Unterscheidung von Kultur und Natur bis auf die Antike zurück und diente dazu, „gesellschaftliche Zusammenhänge der Arbeit und der Praxis von solchen abzuheben, die nicht durch menschliche Tätigkeit verursacht sind“ (Kerber / Schmieder 1991: 319). Auf diese Art der Trennung verweist auch die Etymologie des Wortes: Kultur ist zunächst Agrikultur, also von Menschenhand bearbeitete im Unterschied zu unbearbeiteter Natur (vgl. Kerber / Schmieder 1991: 319). Daraus resultiert auch der Unterschied zwischen "cultura" – Ackerbau und "cultus" als sakrale Spezifizierung des profanen Ackerbaus zum religiösen Kult „und somit ein erster Ansatz zur internen Differenzierung in ‚höhere’ und ‚niedere’ Kultur“ (Kerber / Schmieder 1991: 319). Die mit Kultur verbundene ideologische Wucht im heutigen Sinne – jene der Trennung von Kultur und Zivilisation –, konnte sich erst im Kontext des Bildungsbürgertums voll entfalten, auch wenn mit der Trennung von "cultura" und "cultus" bereits in der Antike eine zentrale innere Differenzierung des Begriffs geschaffen wurde. Mit dem Einzug des Bildungsbürgertums beginnt man somit, eine klare Differenzierung zwischen Kultur und Zivilisation einzuführen (vgl. Kerber / Schmieder 1991: 320). Kerber und Schmieder sind der Ansicht, dass Kultur als Zusammenhang sozialer Tatsachen angesehen werden muss und berufen sich auf die in der angelsächsischen Tradition immer noch geltende Definition von Tylor, dass „Kultur oder Zivilisation [..] jenes komplexe Ganze [ist/D.B./C.R.], dass das Wissen, den Glauben, die Kunst, die Moralauffassung, die Gesetze, die Sitten und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die sich der Mensch als Mitglied der Gesellschaft aneignet“ (Tylor 1871 zit. nach Kerber / Schmiede 1991: 321). Diese Definition ist vorzüglich formuliert und bringt die beiden Begriffe auf den Punkt. Allerdings fügen die beiden Autoren noch an, dass schon „jeder Versuch, alltägliche Institutionen zu explizieren, [...] die Alltagsgewissheiten in hypothetische, erfahrungsabhängige und argumentativ bestreitbare Aussagen [verwandelt/D.B./C.R.]“ (Kerber / Schmieder 1991: 319).
3. Erkenntnisinteresse
Mit nahezu atemberaubender Geschwindigkeit hat sich die Schweiz nach dem zweiten Weltkrieg zu einem modernen, hochindustrialisierten Land entwickelt. Davon kann man sich jedenfalls überzeugen, betrachtet man zum Beispiel das Pro-Kopf Einkommen, welches in weltweiten Vergleichsstatistiken als eines der höchsten aller erfassten Länder erscheint. In der Statistik erscheint die gesamte Schweiz einheitlich. 1848 wurde die Schweiz politisch vereinheitlicht und die zerstückelten und unabhängigen Kantone dem Parlament unterstellt. Wie die politische Landschaft, so wurden auch die institutionellen Rahmenbedingungen auf ein ähnliches Niveau gebracht. Nach und nach wurden freie Wahlen, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs-, Presse- und Demonstrationsfreiheit flächendeckend, juristisch und politisch geschützt, in allen Kantonen eingeführt.
Dass jedoch zwischen den Kantonen – obwohl die Schweizerische Eidgenossenschaft nun seit 1848 als politisch vereint gilt - in den verschiedensten Belangen auch zum Teil grosse Unterschiede bestehen, ist eine Tatsache – man betrachte hierzu die unzähligen verschiedenen Schulsysteme oder die unterschiedlichen Steuerregelungen der einzelnen Kantone als einfaches und geläufiges Beispiel. Exemplarisch für die Schweiz ist somit, dass viele Bereiche nur auf Kantonsebene und nicht einheitlich auf Bundesebene geregelt sind. Zum einen ist dies natürlich gut, Stichwort Föderalismus und Autonomie, zum anderen tragen diese Unterschiede unter anderem zu einem unübersichtlichen Dickicht von Regelungen und Gesetzen bei, die der Einheit eines Landes nicht immer dienlich sind. Die Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen bezieht sich auf einige ausgewählte Komponenten dieser kantonalen Eigenschaften. Dazu gehören vor allem die unterschiedlichen formellen institutionellen Strukturen der Kantone, die informellen Strategien der Behörden sowie die Machkonstellationen in den kantonalen Regierungen und Parlamenten. Wichtig ist dabei, diese Unterschiede auf regionaler Ebene zu erfassen und anhand von Vergleichen und Datenanalyse aufzuzeigen, um gewisse Unterschiede sozialer Bewegungen in der Schweiz erklären zu können.
Es ist nun interessant zu beobachten, wie sich politisches Handeln der Bevölkerung nach der formellen grundsätzlichen Vereinheitlichung der Institutionen im Vergleich zwischen West- und Deutschschweiz in den Nachkriegsjahren entwickelt hat, denn offensichtlich verhalten sich Romands und Deutschschweizer in vielen Bereichen unterschiedlich. Die Meinungen über dieses Thema und die Vorurteile der Menschen sind unzählig. Aber, wie anders sind sie denn wirklich? Wie manifestiert sich der Unterschied zwischen den Sprachregionen, wenn es sich um Proteste dreht? Und wenn ja, inwiefern und warum? Wenn man stammtischmässig argumentiert – was wir hier natürlich vermeiden – rühren sich Stimmen, die behaupten, der Welsche sei langsam und ungenau, dafür aber freundlich und weltoffen – der lateinische Typ Mensch. Genau umgekehrt für die Bevölkerung der deutschen Schweiz. Auch die Romands verfallen alteingesessenen Stereotypen, wenn es darum geht, ihre eidgenössischen Nachbarn zu beschreiben. Dargestellt werden sie zwar als schnell, eifrig und sehr effizient, gleichzeitig aber als relativ unfreundlich und langweilig.
Lemke (1997) hält fest, dass eine Gesellschaft umso demokratischer ist, je mehr Protest sie zulässt. Beispiele, wo Romands und Deutschschweizer sich in politischen Fragen uneins sind, gibt es viele. So legt Schwander dar, wie die Deutschschweizer Arbeiterbewegung eher zum radikaleren Staatssozialismus nach Marx neigte, während Westschweizer zum libertären Sozialismus Bakunins tendierten (vgl. Schwander 1992: 273). Ähnliche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen, nimmt man die eidgenössische innere Zerrissenheit zu Zeiten des ersten Weltkriegs als weiteres Beispiel zur Hand. Die Herzen der Romands schlugen für die Franzosen und die Alliierten, während die Deutschschweizer im Geiste mit dem preussisch-deutschen Kaiser marschierten. Das Land war gespalten und der blutige Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich spiegelte sich in schweren innenpolitischen Spannungen.
Ein klares politisches Bild kann allerdings mit dem heutigen Wissen nicht gezeichnet werden. Klar ist nur so viel, dass sich ein kantonalistischer welscher Abwehrreflex gegen Bern abzeichnet. Ab und zu verbündet sich die West- mit der Innerschweiz , dann wieder – wie im Falle der Verkehrsvorlagen 1992 – neigt sie zu Individualismus. Sprachen sind, wie die Nationalitätenkonflikte in aller Welt zeigen, von politischem Gewicht. Nach Weilenmann haben Sprachen sogar „die Kraft in sich, ein tiefes Gemeinschaftsbewusstsein zu schaffen, das für das Werden und Vergehen ganzer Staaten und Nationen von entscheidender Bedeutung sein kann“ (Weilenmann 1929: 15). Jede Sprache hat ihre eigene Architektur. Sie ist Ausdruck eines kollektiven Bewusstseins, geprägt durch Geschichte, Psychologie und Politik, jede bietet ein anderes Denksystem, eine andere Weltschau, eine andere Weltanschauung. Ihre Verschiedenheit ist „nicht nur eine von Schällen und Zeichen“ wie Wilhelm von Humboldt 1822 feststellte, „sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst“ (Wandruszka 1959: 134).
Als weiteres treibendes Element des Erkenntnisinteresses kommt der Umstand hinzu, dass bisher zwar vergleichende staatenübergreifende – Schweiz inklusive – Untersuchungen bezüglich Aktivierungspotentiale angefertigt wurden, ohne jedoch auf nationale Details einzugehen oder die Theorie der politischen Gelegenheitsstrukturen als Erklärungsansatz beizuziehen. Die Frage, ob Unterschiede innerhalb eines Landes in Bezug auf unterschiedliche Protestverhaltensweisen existieren, wurde in der Schweiz noch nicht beantwortet. Darüber hinaus wurde der POS Ansatz noch nicht verwendet um mögliche vorhandene Unterschiede zu erklären.
Mit diesen Fragen soll das allgemeine Forschungsinteresse, welches sich mit der vorliegenden Analyse der Proteststrukturen in der Deutsch- und Westschweiz und dessen Ursachen verbindet, umrissen sein.
4. Stand der Forschung zu Protestereignissen und Sozialen Bewegungen
4.1. Allgemeiner Überblick
Die Arbeiten zu Protestereignissen und sozialen Bewegungen können – wie in Kapitel fünf ausführlicher dargelegt – in einen europäischen und einen amerikanischen Ansatz unterschieden werden. Das Hauptaugenmerk der europäischen Tradition liegt demnach auf umfassendem soziostrukturellem Wandel (z.B. Individualisierung oder Herausbildung des Wohlfahrtsstaates), der als Auslöser verschiedenartiger Proteste und sozialer Bewegungen gesehen wird. In Verbindung damit nimmt das Konzept der „Neuen sozialen Bewegungen“ eine wichtige Rolle ein, worin diese Bewegungen als Ausdruck eines völlig neuen politischen Paradigmas interpretiert werden und als Vorreiter einer neuen, postmaterialistischen oder postmodernen Ära gelten. Diese makrosoziologischen Modelle fanden in den USA wenig bis gar keine Aufmerksamkeit, stattdessen wurde dort vorwiegend mit der Theorie der Ressourcenmobilisierung gearbeitet, die sich mit individuellen Motivationen und den Mobilisierungsanstrengungen von sozialen Bewegungsorganisationen befasst.
Leider haben die Vertreter der europäischen Tradition nur wenig Anstrengung unternommen, ihre Theorien auch durch konkrete empirische Untersuchungen zu prüfen, da der Zusammenhang zwischen soziostrukturellen Veränderungen und Mobilisierung als geradezu offensichtlich betrachtet wurde. Dagegen war in der amerikanischen Tradition der Blick von Anfang an auf einzelne konkrete Aspekte des Mobilisierungsprozesses gerichtet, die sich auch dementsprechend gut für empirische Untersuchungen eigneten. So beschränkten sich Forschen dieser Theorierichtung auf die Analyse grosser, professioneller Organisationen sozialer Bewegungen, die relativ gut beobachtet und „gemessen“ werden konnten. Ebenso leicht zugänglich waren individuelle, mittels Fragebogen erhobene Einstellungen der Aktivisten. Zurecht kritisierten europäische Forscher, dass dadurch diffusere Aktivitäten, Netzwerke und subkulturelle Mobilisierungen sowie sozialstrukturelle Spannungen, Ideologien oder kollektive Identitäten völlig ausgeblendet wurden. Die methodologischen Vorteile des amerikanischen Paradigmas brachten unweigerlich eine theoretische Beschränktheit auf bestimmte Bewegungsformen mit sich.
Diese – natürlich grob schematische – Polarisierung der Forschung zu sozialen Bewegungen blieb bis zur Mitte der 80er Jahre bestehen. „Recently, however, a process of transatlantic cross-fertilization has begun to take shape.” (Kriesi et al. 1995: 239) Amerikaner und Europäer scheinen im Konzept der “political opportunity structure” (POS) eine gemeinsame Basis gefunden zu haben, die eine Integration der mikro- und makrotheoretischen Perspektive ermöglicht. Eingeführt von amerikanischen Forschern und übernommen und erweitert von den Europäern, dient dieses Konzept sowohl zur Untersuchung externer Unterstützung von sozialen Bewegungsorganisationen – ein Schwerpunkt in der amerikanischen Tradition – als auch zur Verbindung von sozialstrukturellem Wandel und konkreten Mobilisierungsprozessen – ein Hauptanliegen der Europäer.
In Verbindung mit dieser Entwicklung ist auch eine methodologische Annäherung zu beobachten (vgl. Kriesi et al. 1995: 239). Während europäische Studien zu sozialen Bewegungen zunehmend empirischen Charakter aufweisen, sind sich amerikanische Forscher der Grenzen ihrer Einengung auf individuelle Motive und soziale Bewegungsorganisationen immer bewusster geworden. Vor diesem Hintergrund ist auch die zur Zeit auf beiden Kontinenten sehr populäre Analyse von Protestereignissen zu sehen, die gewissermassen wieder einen Mittelweg zwischen der amerikanischen empirischen Tradition und der europäischen Kritik daran darstellt. Diese Methode der Analyse von Protestereignissen „has been developed to systematically map, analyze, and interpret the occurrence and properties of large numbers of protests by means of content analysis, using sources such as newspaper reports and police records.“ (Koopmans/Rucht 2002: 231)
Da sich auch die vorliegende Arbeit auf Daten stützt, denen eine systematische Erfassung von Protestereignissen zugrunde liegt, folgt nun ein kurzer Überblick über bereits vorhandene empirische Studien, die ebenfalls die Methode der Protestereignis-Analyse angewendet haben. Darunter werden für unsere Zwecke vor allem solche berücksichtigt, die sich mit Protestereignissen in der Schweiz befassen, sei es ausschliesslich (Kriesi et al. 1981) oder in vergleichender Perspektive (Kriesi et al. 1995).
4.2. Analyse von Protestereignissen im Überblick
Eine der ersten Arbeiten (Russett et al. 1964; Taylor and Hundson 1972), die sich mit der Erfassung und Analyse von Protestereignissen befasste, entstand im Zusammenhang mit dem World Handbook on Political and Social Indicators, dessen Verfasser zum Ziel hatten, möglichst viele soziale und politische Indikatoren für möglichst viele Länder über eine möglichst grosse Zeitspanne hinweg zu sammeln (vgl. Rucht et al. 1998: 10). Daneben legte eine andere Gruppe von Forschern (Gurr 1968; Lieberson and Silverman 1965; Spilerman 1970) den Schwerpunkt auf die Analyse von gewaltsamen Aufständen und Krawallen, und auch Tilly (Tilly 1969; Snyder und Tilly 1972; Tilly et al. 1975) untersuchte vor allem Streiks und politische Gewalt und interessierte sich für die Erklärung von Trends über eine längere Zeitspanne hinweg (vgl. Rucht et al. 1998: 10). „From a methodological viewpoint, these data collections were not yet very sophisticated” urteilen Koopmans und Rucht (2002: 232), da methodologische Überlegungen wie zum Beispiel die Selektivität der Quellen nur wenig bis gar keine Beachtung fanden.
Eine zweite Generation von Studien beinhaltet auch die Arbeit von Kriesi et al. (1981) zur „politischen Aktivierung“ in der Schweiz von 1945 bis 1978, deren Daten unter anderem die Grundlage für die vorliegende Arbeit bilden. Daneben berichten Jenkins und Perrow (1977) und Jenkins (1985) über Bauernproteste in den USA, McAdam (1982) über Bürgerrechtsproteste in den USA und Tarrow (1989) über den Protestzyklus von 1965 bis 1975 in Italien (vgl. Koopmans/Rucht 2002: 233). (Fast alle diese Forscher standen in der theoretischen Tradition des „new social movement approach“.) In methodologischer Hinsicht bauten diese Studien auf den bereits erwähnten früheren Arbeiten auf, obwohl sie natürlich viel umfassender waren, da die Kategorien für die Datenerhebung von Protestereignissen deutlich erweitert wurden.
Des weiteren wurde die Analyse von Protestereignissen bis heute auf verschiedenste Länder angewendet wie zum Beispiel Südafrika, Japan, Irland, Dänemark, Griechenland, das England des 19. Jahrhunderts, die ehemalige UDSSR, Polen und Ungarn (vgl. Koopmans/Rucht 2002: 233). Auch Ländervergleiche fanden zunehmend Beachtung, darunter für uns von vorrangigem Interesse wieder jene Arbeit von Kriesi et al. (1995), die sich mit neuen sozialen Bewegungen in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz beschäftigte. Rucht et al. (1998: 12) halten fest: „Unlike the earlier study on Switzerland, this new research was based on only one newspaper per country, a systematic sampling procedure (mainly Monday issues), a broader set of variables and a strictly comparative perspective that, in this strand of research, has yet to be matched.” Dagegen kritisieren Koopmans und Rucht (2002: 233) erneut: “All these studies relied on newspapers as their main or even exclusive source of information, but the authors did not spend much effort qualifying the properties and biases of their sources.”
Dementsprechend entstehen seit kurzem Studien, die sich mit eben jener Selektivität der Medien in Bezug auf die Berichterstattung zu Protestereignissen beschäftigen. Für unsere Zwecke belassen wir es bei der Schlussfolgerung, zu der Koopmans und Rucht in ihrer Analyse kommen: „ [..] PEA (Protest Event Analysis) […] is based on a constructed reality. This constructed reality, however, is of extreme importance for both policymakers and the wider public. We observe our social and political world mainly through the mass media. In a certain sense, protests and other events that remain unreported are simply ‘nonexistent’.” (Koopmans / Rucht 2002: 252).
4.3. Analyse von Protestereignissen in der Schweiz
An dieser Stelle sollen unter anderem jene Forschungsprojekte erwähnt werden, die auch die Daten- und Themengrundlage für die vorliegende Arbeit liefern. Zu nennen ist als erstes die bereits oben erwähnte Arbeit von Kriesi et al. (1981). Sie zeichnet sich durch eine umfassende und systematische Erfassung und Analyse aller Protestaktionen in der Schweiz zwischen 1945 und 1978 aus. Daran anschliessend entstand 1995 die Arbeit von Kriesi et al., ein internationales Forschungsprojekt, das einen Vergleich der neuen sozialen Bewegungen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden im Zeitraum von 1975 bis 1989 zum Thema hatte. Im weiteren zu nennen ist die 1999 erschienene Arbeit von Giugni und Passy, die sich zwar hauptsächlich mit einem historischen Rückblick der einzelnen neuen sozialen Bewegungen beschäftigt, in deren Rahmen aber auch die Erfassung von Protestereignissen bis ins Jahr 1995 weitergeführt wurde. Zusammenfassend bestehen also für die Schweiz für einen Zeitraum von fünfzig Jahren durchgehend Datensätze, die die Methode der systematischen Zeitungsanalyse zur Erfassung der Protestereignisse anwenden, wobei natürlich die Auswahl der Variablen jeweils bedingt durch die Schwerpunkte der verschiedenen Forscherteams stark variierte. Aufbauend auf dieser Datengrundlage entstanden zudem eine Reihe von Arbeiten, die sich einzelnen Themen der neuen sozialen Bewegungen widmeten.
5. Theorien der Bewegungsforschung
Im folgenden wird ein Überblick über die vielfältigen theoretischen Ansätze im Bereich der Bewegungsforschung gegeben. Beginnen wollen wir mit einem historischen Abriss, der die Soziologie sozialer Bewegungen in einen grösseren Zusammenhang stellt und zentrale Einflüsse auf aktuelle Paradigmen diskutiert. Die Einteilung der unterschiedlichen Forschungsinteressen in fünf zentrale Paradigmen - den Structural Strains -Ansatz, den Collective Identity -Ansatz, den Framing -Ansatz, den Resource Mobilization -Ansatz und den Political Opportunity Structure -Ansatz - erfolgt auf der Basis der Arbeit von Hellmann/Koopmans (1998): „Die Auswahl dieser fünf Paradigmen resultiert aus einer Durchsicht der Forschungsliteratur unter der Fragestellung, wie dort selbst unterschiedliche Ansätze in Gebrauch sind und voneinander abgegrenzt werden.“ (Hellmann 1998: 17) Ausführlicher dargestellt wird darüber hinaus vor allem das Konzept der politischen Gelegenheitsstrukturen (Political Opportunity Structure), wie es von Kriesi in seiner Arbeit von 1995 dargelegt wurde und worauf sich schliesslich auch Kriesi et al. (1995) und Giugni/Passy (1999) in ihren Arbeiten zu Protestereignissen als theoretische Grundlage beziehen.
5.1 Historischer Überblick zur Entstehung und Entwicklung der Bewegungsforschung
Ohne alle Aspekte berücksichtigten zu können, die für die Begründung der Bewegungsforschung ausschlaggebend waren, sind die Anfänge letztlich doch in der Aufklärung zu finden (vgl. Hellmann 1998: 10). Die Französische Revolution stellte sozusagen die erste soziale Bewegung in einem modernen Sinne dar, woraus sich auch die heute noch gebräuchliche Prägung des Begriffs ‚mouvement social’ entwickelte. Gemäss Hellmann haben später ohne Zweifel Marx und vor allem Engels massgeblich Anteil daran gehabt, der wissenschaftlichen Beschäftigung mit sozialen Bewegungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Grundgedanke machte strukturelle Spannungen und Widersprüche innerhalb der Gesellschaft (z.B. der Gegensatz von Kapital und Arbeit) für das Entstehen von sozialen Bewegungen verantwortlich, der Begriff wurde also auf der Markro-Ebene verortet und war eng mit sozialem Wandel verknüpft.
Neben dem Marxismus nennt Hellmann auch die Massenpsychologie, die für die Bewegungsforschung von grosser Bedeutung war. Ihr Hauptvertreter Gustave Le Bon beschäftigte sich vor allem mit Veränderungen des Individuums in der Masse und stellte fest, dass sich der Mensch in der Masse zum Tier zurückentwickelt. „Was vorherrscht, wenn Menschen in Massen auftreten, ist somit nicht mehr vernunftgeleitetes Handeln, sondern irrationales Verhalten, in sich unbegründet und ohne Reflexion auf Kontext und Konsequenzen“ (Hellmann 1998:11). Auch nachfolgende Arbeiten zur ‚mass society’ vertreten weiterhin den Standpunkt, dass Massen irrational veranlagt sind und lediglich die in der modernen Gesellschaft vorherrschende Orientierungslosigkeit und den Verlust an individueller Sicherheit durch kollektiven Protest kompensieren. Hellmann argumentiert im weiteren, dass Marxismus und Massenpsychologie gewissermassen die beiden Extreme zu Beginn der Bewegungsforschung darstellen: Der Marxismus verstand soziale Bewegungen prinzipiell als kollektives Handeln, als rationale Antwort auf strukturelle Spannungen, während die Massenpsychologie soziale Bewegungen überwiegend als irrationales kollektives Verhalten betrachtete, da es nur durch Ängste und Affekte geleitet wird.[9]
In jüngerer Zeit ist eine Unterscheidung zwischen amerikanischer und europäischer Forschungstradition sinnvoll. Der amerikanische Strang beinhaltete zuerst einmal den Collective Behavior Ansatz (CB), der kollektivem Protest zumeist irrationales Verhalten unterstellte (Turner/Killian, Smelser).[10] Daneben ist noch der Relative Deprivation Ansatz (RD) zu nennen, der die Rationalität der Motivation kollektiven Protests betonte. Die Mitglieder einer Gesellschaft sind ständig mit der Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit konfrontiert, was eine latente Unzufriedenheit erzeugt, die schliesslich ab einem gewissen Punkt auch in kollektiven Protest umschlagen kann.
Probleme mit der Unterstellung von Irrationalität und die nachfolgende Kritik daran führten 1977 zu einem Paradigmenwechsel, publiziert von John McCarthy und Mayer N. Zald unter dem Titel ‚Resource Mobilization and Social Movements: A Partial Theory’. Die Kritik des Resource Mobilization (RM) Ansatzes an den vorhergehenden Erklärungsansätzen betraf vor allem die Tatsache, dass gesellschaftliche Probleme und Spannungen jederzeit vorhanden seien, die Antwort darauf jedoch noch lange nicht immer soziale Bewegungen seien: „Grievances are everywhere, movements not“ (Japp 1984:316, zit. nach Hellmann 1998: 13). Ausserdem seien Protestmotive und Proteststrategien durchaus zweckrational und keineswegs irrational oder pathologisch, deshalb bestehe auch kein Widerspruch zwischen Mobilisierung und Organisation. Entsprechend hat sich der RM Ansatz auf die Analyse von Organisationen, deren Funktion, Struktur und Verflechtung sowie auf die Erforschung mobilisierungsrelevanter Ressourcen wie Geld, Zeit und Personal konzentriert (vgl. Hellmann 1998: 13). Die amerikanische Bewegungsforschung wurde bis weit in die 80er Jahre von diesem Ansatz dominiert.
Natürlich ist auch der RM Ansatz nicht frei von Kritik. Oft wird bemängelt, dass sich der Ansatz zu sehr auf die Beschaffung von Ressourcen konzentriert und dabei das politische Umfeld von Bewegungen vernachlässigt. Auch die symbolischen und diskursiven Leistungen, die in höchstem Masse relevant sind für den Mobilisierungserfolg, werden nicht angemessen berücksichtigt. Ausserdem befasst sich dieser Ansatz vor allem mit Bewegungsorganisationen und nicht mit den Bewegungen selbst (vgl. Hellmann 1998: 13). Infolge dieser Kritikpunkte haben sich neue Paradigmen herausgebildet, die komplementär zum RM Ansatz arbeiten und teilweise wieder auf klassische Ansätze zurückgreifen.
So versuchen Arbeiten zu „Political Opportunity Structure“ (POS) – ausgehend von einer Arbeit Peter K. Eisingers aus dem Jahre 1973 – anhand von spezifischen Bedingungen des jeweiligen politischen Systems Unterschiede in Mobilisierungserfolgen zu erklären, da sämtliche andere Parameter doch weitgehend vergleichbar sind. Unterschieden wird zum Beispiel ein sozialen Bewegungen gegenüber eher offenes oder geschlossenes politisches System, ob sich sympathisierende politische Eliten und Allianzen mit diesen finden oder nicht, was jeweils unterschiedliche Erfolgsaussichten für den Mobilisierungsaufwand darstellt.
Der Framing Ansatz, in den Jahren 1986 und 1988 durch zwei zentrale Arbeiten von Snow et al. begründet, beschäftigt sich mit den symbolisch-ideologischen Konstruktionsleistungen sozialer Bewegungen. Zentral ist der Aufbau eines Master Frames, der ein Problem konstruiert, das dem Protest zugrunde liegt, für die Zurechnung der Verursachung verantwortlich ist und Lösungsvorschläge unterbreitet, um so motivierend auf die Betroffenen zu wirken. Gewissermassen wird damit auch das Ressourcenrepertoire des RM Ansatzes um diesen symbolisch-diskursiven Aspekt erweitert.[11]
Die amerikanische Bewegungsforschung hat also eine beträchtliche Weiterentwicklung erfahren, für den europäischen Strang der Bewegungsforschung stellt sich das Bild etwas anders dar. Fast alle wichtigen Arbeiten lassen sich unter dem stark von Marx geprägten ‚new social movements approach’ zusammenfassen (Klandermans 1991: 57). Untersucht werden die sozialstrukturellen Voraussetzungen der NSB[12], wobei vor allem „structural strains“ eine bedeutende Rolle spielen: die Mobilisierung der neuen sozialen Bewegungen wird häufig in Verbindung mit Modernisierungsbrüchen und anderen gesellschaftlichen Strukturproblemen gesehen. Einflussreich war hier auch die Wertewandel-These, wonach sich im Verlauf der 50er und 60er Jahre durch den Wohlfahrtsstaat und die Bildungsrevolution ein Wertewandel von materialistischen Werten wie Pflicht und Fleiss zu postmaterialistischen Werten wie Freiheit und Selbstbestimmung ereignet hat (vgl. Hellmann 1998:15). Resultat davon sei, dass sich eine neue Generation herangebildet hat, die durch eine vor allem sozialwissenschaftlich-akademische Qualifikation besonders dafür geeignet war, die Berücksichtigung dieser Selbstentfaltungswerte auch einzufordern. Die Rede ist auch von „neuer Mittelschicht“ und „neuer Mittelklasse“. Die Mehrheit der Bewegungsteilnehmer weist demnach auffällige Ähnlichkeiten auf: übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass es sich um vorwiegend jüngere Personen handelt, die einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad aufweisen und aufgrund ihrer Sozialisation eine postmaterialistische Werthaltung vertreten. Ihre Berufsstruktur ist bestimmt durch Beschäftigte im sozialen Dienstleistungsbereich, Sozialarbeiter, Lehrer, Pfarrer, Ärzte, künstlerische Berufe, Journalisten etc. Ergänzt wird dieses Mobilisierungspotential durch konkret Betroffene, Marginalisierte, die beim Modernisierungsprozess besonders schlecht abschneiden, und die sogenannte „humanistische Intelligenz“ der Geistes- und Sozialwissenschaften.
[...]
[1] Zum Definitionsunterschied zwischen sozialen Bewegungen und neuen sozialen Bewegungen siehe Kapitel 2.3.
[2] Boudon und Bourricard (2001) liefern in ihrem Text Beispiele, welche anfangs oder Mitte des 20. Jahrhunderts eher aktuell waren als heute. So wird im Zuge der Erklärungen von „dreckigen Negern“ sowie Judenvätern gesprochen. Dass vor allem letzteres kein allzugrosses Problem in der westlichen Gesellschaft mehr darstellt, nehmen wir als gegeben und gehen nicht weiter darauf ein.
[3] Aufgrund der jedoch treffenden Beschreibung des Begriffs mit dem dazu gelieferten historischen Abriss, haben wir den Text der beiden Autoren in unsere Definition trotzdem aufgenommen.
[4] Diese Einteilung in „alte“ und „neue“ soziale Bewegungen ist in Forscherkreisen nicht unumstritten. Wir schliessen uns aber der Mehrheit an und gehen davon aus, dass sich alte und neue Bewegungen hinsichtlich Protestformen, Protestthemen und ihrer Anhängerschaft grundlegend voneinander unterscheiden. Während vor 1968 vor allem Arbeiterproteste im Zentrum standen, gehört die Anhängerschaft der NSB zum grössten Teil der gebildeten Mittelschicht an, im Zentrum stehen Themen wie Frieden, ökologische Nachhaltigkeit und Solidarität etc., die gleichsam als Kollektivgüter betrachtet werden können.
[5] Nach Levy (1992) ist nach neueren Umfragen (wie zum Beispiel die UNIVOX-Umfragen bei eidgenössischen Abstimmungen) die links-rechts Dimension bei einer politischen Orientierung – entgegen weit verbreiteter Meinungen – sehr relevant, sowohl auf politische wie auch individuelle Einstellungen. Ferner sind praktisch alle Themen politisch, wenn auch unterschiedlich stark, miteinander verbunden. Die klassische Verteilungsproblematik besitzt typische links-rechts Dimensionen, während der Umweltschutz von beiden Seiten durchaus gleichermassen behandelt wird.
[6] Ein solcher Grenzfall liegt zum Beispiel vor, wenn sich die Basis in einer Organisation zusammenschliesst und im folgenden Exponenten der Basisorganisation, nicht aber das „Fussvolk“ an der Protestaktion beteiligt sind. Kriesi et al. (1981) bewerten solche Fälle aber trotzdem als Protestereignis, unter der Voraussetzung, dass ein hoher Mobilisierungsgrad der Basismitglieder gegeben ist und die Aktivitäten keinen Routinecharakter haben.
[7] Eine detaillierte Auflistung der Themen findet sich im Anhang.
[8] Siehe Fussnote sieben.
[9] Ausgehend von diesen beiden Extremen, so Hellmann, weist die Geschichte der Bewegungsforschung eine Abfolge von Lernschritten auf, die jeweils kritisch aufeinander Bezug genommen und dadurch zur Entwicklung der Disziplin beigetragen haben.
[10] Gleichzeitig waren Vertreter des CB Ansatzes der Auffassung, dass sich kollektiver Protest aufgrund von strukturellen Spannungen, Widersprüchen und Enttäuschungen ausbildet – hier also eine Annäherung zu Marx, der sonst in den USA insgesamt wenig Aufmerksamkeit fand.
[11] Schiesslich ist zu beobachten, dass in den USA spätestens seit Mitte der 80er Jahre immer stärker die Vernachlässigung der fluiden Bewegung auf Kosten der strategisch-rationalen Aspekte von Bewegungsorganisationen kritisiert wird. Dagegen wird die Kollektivität sozialer Bewegungen und das spontane Auftreten von Protestaktionen betont, die ohne grösseren organisatorischen Aufwand zustande kommen, was wiederum an die Tradition von Collective Behavior anschloss.
[12] Zu nennen ist hier auch der Begriff der ‚Bewegungsfamilie’ (Rucht/della Porta)
- Arbeit zitieren
- Dario Bernardi (Autor:in), Christine Rabus (Autor:in), 2004, Protestereignisse, soziale Bewegungen und politische Gelegenheitsstrukturen - Ein Vergleich zwischen West- und Deutschschweiz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31443
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