Wesentlich für die Themenwahl dieser Arbeit ist die Einschätzung der gegenwärtigen Ausrichtung bei der Auswahl pädagogisch–therapeutischer Maßnahmen an deutschen Sonderschulen. Bei der Erziehung und Bildung verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher ist ein zunehmender Rückgriff auf lerntheoretische Verfahren zu beobachten, deren Einsatz durchaus begründet, aber auch kritisch zu sehen ist (vgl. Ahrbeck 2009). Bei verhaltensauffälligen Schülern, die zum größten Teil ungünstigen psychosozialen Entwicklungsbedingungen ausgesetzt waren (und/oder sind) und unter einer Vielzahl von ungelösten inneren Konflikten leiden, muss sonderpädagogisches Engagement stärker auch diese innerpsychischen Konflikte wahrnehmen und im ersten Schritt auf eine tragfähigen Beziehung ausgerichtet sein. Kunsttherapeutische Angebote scheinen wertvolle Chancen zu bieten aufgrund ihres Anspruchs auf Ganzheitlichkeit im Erleben, aber auch in Anbetracht der theorieübergreifend nutzbar zu machenden Erkenntnisse.
Die Fragestellung für diese Arbeit lautet daher:
Kann das Unterrichtsfach Kunst bei verhaltensauffälligen Grundschülern unter den bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen in Richtung eines pädagogisch – kunsttherapeutischen Unterrichts modifiziert werden und welche besonderen Chancen und Grenzen bietet die kunsttherapeutische Ausrichtung für Schüler und Pädagogen?
In Form einer Literaturarbeit werden theoretische Grundlagen für eine Modifikation des Unterrichtsfaches Kunst erschlossen und durch einige praktische Handlungsbeispiele für den Unterricht im Bereich des plastischen Gestaltens mit Ton illustriert. Diese Abschlussarbeit soll (tätigen Sonderpädagogen) ein potentielles Handlungsfeld eröffnen, Begründungen liefern, Chancen und Problemfelder herausstellen und mit dem praktischen Handlungsbeispielen zur Umsetzung anregen.
Basis der theoretischen Hintergründe bilden vorwiegend die für den Bereich Kunsttherapie und Pädagogik fundierten Konzepte von Hans - Günther Richter (1984, 1987) und Joachim Bröcher (1997, 1999a/b). Diese werden in ihrer Essenz dargestellt, durch spezifische theorieübergreifende Erkenntnisse erweitert und diskutiert. Grundlage des praktischen Leitfadens für den Bereich „Ton“ bilden die eigene langjährige praktische Tätigkeit als grundständig ausgebildete Keramikerin und Dozentin und die damit verbundenen berufsbedingten Kenntnisse, die um (sonder-)pädagogische und kunsttherapeutische Einsichten aus der Fachliteratur erweitert wurden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmungen
2.1. Ästhetische Bildung und Erziehung in der Grundschule / exemplarisch am Land Brandenburg
2.2. Kunsttherapie
2.3. Zusammenfassung
3. Ein pädagogisch-therapeutischer Kunstunterricht für verhaltensauffällige Schüler in Anlehnung an Hans - Günther Richters „Pädagogische Kunsttherapie“ (im Folgenden: PK)
3.1. Die ästhetische Erziehung - eine Grundlegung
3.2. Die besonderen Merkmale des „ästhetischen Stoffes“
3.3. Chancen einer allgemeinen ästhetischen Erziehung für einen therapeutisch orientierten Kunstunterricht
3.4. Therapeutische Aspekte
3.4.1. Die Offenheit der ästhetischen Sache
3.4.2. Der Synkretismus der ästhetischen Erfahrung
3.4.3. Sublimierung (nach Kramer)
3.5. Didaktische Ansätze zur Umstrukturierung des Unterrichts bei verhaltensauffälligen Schülern in therapeutischer Absicht
3.5.1. Exkurs: Grundzüge einer lebensweltorientierten Fachdidaktik für den Bereich Verhaltensgestörtenpädagogik nach Joachim Bröcher
3.5.1.1. Lebensweltorientierung und Entwicklungsaufgaben
3.5.1.2. Zugang über Bilder und Alltagsästhetisches
3.5.1.3. Chancen und Probleme einer lebensweltlichen Didaktik
3.5.2. Zusammenfassung der didaktischen Überlegungen
4. Praktischer Teil am Beispiel der Arbeit mit Ton
4.1. Das Material
4.2. Grundlagen plastischen Gestaltens unter pädagogisch-therapeutischen Gesichtspunkten
4.2.1. Die Daumenschalentechnik
4.2.2. Das Modellieren
4.2.3. Die Aufbautechniken
4.2.4. Tonschlagen und -kneten
4.3. Unterrichtsbeispiele und Fördermaßnahmen
4.3.1. Entspannung & Lebensweltanalyse / Phantasiereise mit anschließendem freien Modellieren
4.3.2. Märchen als Verarbeitungshilfe / Gestalten von Märchenfiguren in Aufbautechnik
4.3.3. Ich - Identität / Das „Wunsch - Ich“ in Tierform
4.3.4. Exkurs: Arbeit am Tonfeld nach Heinz Deuser (2004)
5. Die Rolle des kunsttherapeutisch arbeitenden Sonderpädagogen
6. Diskussion
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1. Zum Umgang mit dem Material Ton
8.1.1. Vorkommen und Zusammensetzung
8.1.2. Materialauswahl für den schulischen Bereich
8.1.3. Rahmenbedingungen
8.1.4. Arbeitsraum und -platz
8.1.5. Technische Voraussetzungen
8.1.6. Zeitliche Bedingungen
8.2. Phantasiereise als Einstieg in den Gestaltungsprozess
8.2.1. Körperwahrnehmungsübung als Vorbereitung
8.2.2. Phantasiereise ans Meer
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