Geschichten über Kriminalfälle erfreuen sich seit der Spätaufklärung besonderer Beliebtheit. Begonnen hat diese Tradition im Frankreich des 18. Jahrhunderts mit der Veröffentlichung von François Gayot de Pitavals Sammlung von Rechtsfällen im Jahre 1734. Das besondere hieran war die Darstellungsform der einzelnen Fälle. Pitaval versuchte, sowohl für den Juristen als auch für den interessierten Laien zu schreiben. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war das insgesamt 60 Bände fassende Werk ein richtiger Bestseller. Doch besonders die doppelte Zielsetzung des Pitavals führte vermehrt zur Kritik. Bei Joachim Lindert heißt es dazu, dass die Fälle für Laien zu schwer zu verstehen seinen, zudem wäre die Verwendung der vielen Fachtermini für den Lesefluss hinderlich und wenig fesselnd.
Als Prototyp der Gattung zählt heute Schillers „Verbrecher aus Verlorener Ehre“. In diesem Text geht es um das Leben des Sonnenwirths Christian Wolf, der durch seine körperlichen und finanziellen Unzulänglichkeiten und aus Liebe zu einer Frau in die Kriminalität abrutscht. Durch Ausgrenzung und Ächtung seiner Bemühungen durch die Gesellschaft, sowie die harte Bestrafung seiner Taten, entgleitet ihm sein rechtschaffendes Leben immer mehr, bis er schließlich zum Mörder wird.
Die Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der Kriminalerzählung im 18. und 19. Jahrhundert und analysiert die Geschichte von Friedrich Schillers "Verbrecher aus verlorener Ehre".
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Beginn des Genres, Kriminalgeschichte
- Der Pitaval- Beginn einer Faszination
- Meißners Skizzen zwischen Wahrheit und Fiktion- Die aufgeklärte Fallgeschichte
- Friedrich Schiller. Verbrecher aus verlorener Ehre
- Schlüsselszenen und Erzähltechnik
- Schillers Rechtskritik
- Der Sonnenwirth als Quelle der Menschenkenntnis
- Kriminalliteratur zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Funktionswandel der Kriminalgeschichte von der "moralischen Kriminalitätserzählung" zur "anthropologischen Literatur". Sie untersucht, wie sich die Darstellung von Kriminalfällen im Laufe der Zeit veränderte und welche Faktoren diesen Wandel beeinflussten.
- Die Entwicklung der Kriminalgeschichte vom 18. Jahrhundert bis zum frühen 19. Jahrhundert
- Die Rolle des Pitavals und seiner "Causes célèbres et intéressantes" als Ausgangspunkt der Kriminalgeschichte
- Die Bedeutung von Friedrich Schillers "Verbrecher aus verlorener Ehre" als anthropologische Novelle
- Der Einfluss von Meißners Skizzen und E.T.A. Hoffmanns "Das Fräulein von Scuderi" auf die Entwicklung der Kriminalgeschichte
- Der Wandel von der Fallgeschichte zur anthropologischen Literatur als Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext und die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie beleuchtet die Popularität von Kriminalgeschichten seit der Spätaufklärung und erläutert die Leitfrage, wie sich der Wandel von der Fallgeschichte zur anthropologischen Literatur vollzog.
Kapitel 2 befasst sich mit dem Beginn des Genres der Kriminalgeschichte. Es wird die Bedeutung des Pitavals als "Bestseller" der Zeit sowie die Kritik an seiner Darstellungsform beleuchtet.
Kapitel 3 analysiert Friedrich Schillers "Verbrecher aus verlorener Ehre" als Prototyp der anthropologischen Novelle. Es wird die Struktur und der Inhalt des Werks sowie Schillers Rechtskritik und seine anthropologische Perspektive auf den "Sonnenwirth" untersucht.
Kapitel 4 befasst sich mit der Kriminalliteratur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es wird der Einfluss von Heinrich von Kleist und E.T.A. Hoffmann auf das Genre betrachtet.
Schlüsselwörter
Kriminalgeschichte, anthropologische Literatur, Pitaval, "Causes célèbres et intéressantes", Friedrich Schiller, "Verbrecher aus verlorener Ehre", Meißner, E.T.A. Hoffmann, "Das Fräulein von Scuderi", Rechtskritik, Fallgeschichte, Entwicklung des Genres, gesellschaftlicher Wandel.
- Citation du texte
- Fiona Becker (Auteur), 2013, Funktionswandel der Kriminalgeschichte. Von der "moralischen" Kriminalerzählung zur anthropologischen Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313584
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