Bei der Vermittlung von kirchlichem Kunstgut an Besuchergruppen ist wesentlich zu unterscheiden, ob die Besucher diese Objekte in kirchlichem Kontext, d. h. in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, zu sehen bekommen, oder ob es sich um eine museale Präsentation handelt, worin die Stücke für sich allein stehen.
Einige grundsätzliche Fragen, die in der Vermittlung von kirchlichem Kunstgut auftauchen können, sollen in der vorliegenden Abhandlung problematisiert und erörtert werden. Nicht auf alle dieser Fragestellungen lassen sich eindeutige, allgemeingültige Antworten finden. Die dargestellten Argumente mögen daher als Denkanstöße verstanden und individuell umgesetzt werden. Thematisiert werden hierbei ausschließlich Führungen, die sich an erwachsene Besucher richten. Die Gestaltung von Führungen für Kinder und Jugendliche gehorcht eigenen Gesetzen und wird an dieser Stelle nicht erörtert.
Sakrale Kunstwerke sind zur Verwendung im Rahmen der Liturgie oder zur Ausgestaltung eines Kirchenraumes, in dem Gottesdienste stattfinden, geschaffen worden. Ihr vorrangiger Sinn ist die Verherrlichung Gottes und der Verweis auf die von Gott erstrebte Vollendung der Welt. Dies ist eine Binsenweisheit, die jedoch oft genug in Vergessenheit gerät, wenn solche Gegenstände außerhalb ihres Gebrauchszusammenhanges in Museen oder Ausstellungen gezeigt werden. Dort sind sie nun zu reinen Kunstwerken geworden, die allein zum Anschauen da sind – was nicht in der Absicht ihrer Stifter und Hersteller lag. Die Erläuterung ihres Hintergrundes und ihrer eigentlichen Funktion ist zu ihrem Verständnis unabdingbar notwendig.
Vermittlung von kirchlichem Kunstgut im Rahmen von Führungen
Kathrin Ellwardt
Vorbemerkung
Sakrale Kunstwerke sind zur Verwendung im Rahmen der Liturgie oder zur Ausgestaltung eines Kirchenraumes, in dem Gottesdienste stattfinden, geschaffen worden. Ihr vorrangiger Sinn ist die Verherrlichung Gottes und der Verweis auf die von Gott erstrebte Vollendung der Welt. Dies ist eine Binsenweisheit, die jedoch oft genug in Vergessenheit gerät, wenn solche Gegenstände außerhalb ihres Gebrauchszusammenhanges in Museen oder Ausstellungen gezeigt werden. Dort sind sie nun zu reinen Kunstwerken geworden, die allein zum Anschauen da sind
- was nicht in der Absicht ihrer Stifter und Hersteller lag. Die Erläuterung ihres Hintergrundes und ihrer eigentlichen Funktion ist zu ihrem Verständnis unabdingbar notwendig.
Bei der Vermittlung von kirchlichem Kunstgut an Besuchergruppen ist wesentlich zu unterscheiden, ob die Besucher diese Objekte in kirchlichem Kontext, d. h. in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, zu sehen bekommen, oder ob es sich um eine museale Präsentation handelt, worin die Stücke für sich allein stehen.
Einige grundsätzliche Fragen, die in der Vermittlung von kirchlichem Kunstgut auftauchen können, sollen in der vorliegenden Abhandlung problematisiert und erörtert werden. Nicht auf alle dieser Fragestellungen lassen sich eindeutige, allgemeingültige Antworten finden. Die dargestellten Argumente mögen daher als Denkanstöße verstanden und individuell umgesetzt werden.
Thematisiert werden hierbei ausschließlich Führungen, die sich an erwachsene Besucher richten. Die Gestaltung von Führungen für Kinder und Jugendliche gehorcht eigenen Gesetzen und wird an dieser Stelle nicht erörtert.
Als Grundlage und wesentliche Anregung der vorliegenden Überlegungen dienten die Vorträge und Diskussionen auf der Theologisch-Kunsthistorischen Studienwoche in der Katholisch-Sozialen Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster vom 2.-6. September 2002 mit dem Thema „Vermittlung: Kirchenräume als Erfahrungsorte des Glaubens.“
Kirchliche Kunstwerke in ihrem Gebrauchszusammenhang: Führungen vor Ort
Bei Führungen innerhalb von Kirchenräumen stehen die Objekte in einem sakralen Gebrauchszusammenhang, entweder sogar in ihrem ursprünglichen Kontext, möglicherweise auch in einem Umfeld, das nachträglich verändert worden ist. So oder so besitzen sie noch immer eine liturgische Funktion. Im Idealfall befinden sie sich an dem Ort, wo sie hingehören, für den sie geschaffen sind. Sie sind nicht nur Kunst-, sondern Kultgegenstände. Somit sind sie aus ihrem liturgiegeschichtlichen Zusammenhang heraus zu verstehen.
Im christlich geprägten Abendland gehören die Kirchen über rund 1200 Jahre hinweg zu den wichtigsten Kulturträgern. Eine Kirche ist dennoch kein Museum. Sakrale Räume besitzen einen besonderen Charakter. In manchen stark von Touristen frequentierten Kirchen zweifelt man daran allerdings. „Mehr Touristen als Christen“, lautet die Bilanz vieler bekannter Wahrzeichenkirchen. In bekannten Gotteshäusern wie dem Freiburger Münster ist es kaum noch möglich, still für sich zu beten. Kirchen sind als Kulträume gebaut worden, scheinen aber heutzutage nur noch als Kunsträume zu interessieren. Laut einer Umfrage wird als wichtigste Aufgabe der Kirchen die Erhaltung der historischen Kirchengebäude und ihrer Kunstwerke betrachtet. Der Respekt vor dem Kult und dem Glauben, auch vor dem Glauben anderer, ist bei vielen Menschen geschwunden.
Andererseits drängen auf diese Weise zahlreiche Menschen freiwillig in die Kirchen hinein: eine Chance für die Kirche, sie zu erreichen. Trotzdem stößt man allenthalben auf verschlossene Kirchentüren. Oft ist der Zugang zu Kirchengebäuden, sei es zur Besichtigung oder zur persönlichen Andacht, nur mit einigem Aufwand oder gar nicht möglich. Die Gesamtgesellschaft wird sich aber nur dann für die Erhaltung dieses kulturellen Erbes einsetzen, wenn sie Zugang dazu bekommt.
Eine Annäherung an kirchliche Räume und ihre Ausstattungsgegenstände ist auf unterschiedliche Weise denkbar, indem verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden. Rein kunstgeschichtlich ausgerichtete Führungen behandeln gänzlich andere Aspekte als kirchenpädagogische oder spirituelle Führungen, die mehr auf Glaubenserfahrungen abzielen.
Kirchenräume und ihre Ausstattungsstücke als historische und kulturelle Dokumente
Bauten, Räume und Gegenstände, die für den christlichen Gottesdienst bestimmt sind und deren primärer Sinn darin liegt, die Ehre Gottes zu verherrlichen, sind es wert, dass zu ihrer Gestaltung und Ausschmückung große finanzielle Mittel und die besten verfügbaren künstlerischen Kräfte eingesetzt werden. Dies war jedenfalls die Auffassung der Menschen vergangener Jahrhunderte, als der christliche Glaube die selbstverständliche Grundlage des allgemeinen Weltbildes war. Daher finden sich in Kirchen Kunstwerke höchsten Ranges, die nach wie vor, trotz der zunehmenden Entkirchlichung, die Aufmerksamkeit einer bildungsbewussten und kunstinteressierten Öffentlichkeit finden. Kirchenräume als kulturelle Zeugnisse der Vergangenheit und als betrachtenswerte Kunstwerke haben besonders in der Urlaubszeit enormen Zulauf. Insofern treffen kunsthistorisch ausgerichtete Führungen die Erwartungen der Mehrzahl der Besucherinnen und Besucher.
Unter einer kunstgeschichtlichen Führung wird weithin jene althergebrachte Art von Führungen verstanden, die im wesentlichen aus auswendig gelernten Namen, Daten und Stilbegriffen besteht - aus einer Ansammlung von Fakten also, die sich nahezu niemand länger als bis zum Verlassen der Kirche merken kann.
Wer allerdings eine derartige Führung hält, ist in der Regel bestimmt kein Kunsthistoriker (oder allenfalls ein Kunsthistoriker sehr veralteter Schule). Die heutige Kunstgeschichte, wie sie an deutschen Universitäten gelehrt wird, verfolgt wesentlich andere methodische Ansätze und Fragestellungen, die weit über die klassischen Grenzen des Faches hinausgehen und die Gegenstände unter einem viel weiteren Blickwinkel betrachtet.
Die moderne kunsthistorische Forschung verwendet Stilbegriffe nur noch sehr zurückhaltend, weil diese über ein Kunstwerk wenig aussagen. Die Bestimmung des Stils liefert einen groben Anhaltspunkt zur Datierung des Objekts und ermöglicht, es gleichsam in eine Schublade einzusortieren. Wirkliche Erklärungen zur Funktion eines Objekts, zu den Hintergründen seiner Entstehung oder zu den Absichten derjenigen Menschen, in deren Auftrag es angefertigt wurde, können Stilbegriffe nicht leisten. Das Umfeld, für das ein Kunstwerk bestimmt war, lieferte Vorgaben, mit denen sich Auftraggeber und Künstler auseinanderzusetzen hatten. Erst aus seinem Kontext heraus wird ein Kunstwerk verständlich.
Des weiteren sollte die Person des Künstlers nicht überbewertet werden. Unser heutiges Verständnis vom Künstler als Genie, das nach seinen Vorstellungen seine Werke erschafft, greift erst ab dem 19. Jahrhundert. Die Künstler des Mittelalters verstanden sich als Handwerker - hochqualifizierte Handwerker zwar, die genau wussten, was ihre Arbeit wert war - aber sie arbeiteten nach den Vorgaben ihrer Auftraggeber. Auch die Kunst der frühen Neuzeit war im wesentlichen Auftragskunst oder orientierte sich zumindest an den Erfordernissen des Marktes. Dies gilt erst recht für ortsfeste Kunstwerke in Kirchen oder Schlössern. Die entscheidende Person, deren Interessen und Intentionen das Aussehen des Kunstwerks bestimmten, war daher nicht der Künstler, sondern der Auftraggeber bzw. Stifter, der in der Regel die ikonographischen Programme vorgab und bisweilen tief in die Ausführung eingriff. Bilder und Bilderzyklen in Kirchen basieren nicht selten auf ausgefeilten theologischen Programmen, die nicht von Künstlern, sondern von Theologen entwickelt worden sind.
Kirchenräume und ihre Ausstattungen sind Dokumente der historischen Verhältnisse in ihrer Entstehungszeit und Zeugnisse des sich wandelnden Glaubenslebens im Lauf der Jahrhunderte. In ihnen spiegelt sich Alltags- und Sozialgeschichte. Mittelalter und frühe Neuzeit kannten eine ständische Weltordnung, worin jedem Menschen sein Platz in der Gesellschaft zugewiesen war: „Sey und bleibe, was du bist und was dein Stand mit sich bringet“ (Luther). In diese Rangordnung hatte man sich einzufügen. Das heute übliche Verständnis von der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen ist erst im Zuge der Aufklärung im 18. Jahrhundert aufgekommen. Insofern war der Vorrang, den Fürsten, Adelige oder Stadträte beanspruchten, nicht ein Zeichen persönlicher Überheblichkeit, sondern ihr Recht und ihre Rolle, die sie auszufüllen hatten.
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- Kathrin Ellwardt (Author), 2002, Vermittlung von kirchlichem Kunstgut im Rahmen von Führungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313275
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