„Auf einen Nenner lässt sich unsere Ostasienpolitik nicht bringen. Sie bewegt sich in Pendelschlägen mal nach der chinesischen, mal nach der japanischen Seite, und das starke Ausschlagen nach der einen Seite schafft auf der anderen Mißstimmung.“ So äußerte sich der deutsche Botschafter bei der nationalchinesischen Regierung, Oskar Trautmann, in einem Bericht vom 27. Januar 1937 über die lavierende und mehrgleisige deutsche Ostasienpolitik bis dahin.
Als am 7. Juli 1937 durch ein scheinbar unbedeutendes Scharmützel zwischen japanischen und chinesischen Truppen an der Marco-Polo-Brücke bei Peking der chinesisch-japanische Krieg ausbrach, ergab sich für Deutschland daraus ein Dilemma: Einerseits strebten Hitler und sein außenpolitischer Berater Joachim von Ribbentrop aus machtpolitischen und ideologischen Gründen, insbesondere mit Blick auf die Sowjetunion, ein Bündnis mit dem Kaiserreich Japan an und hatten daher schon 1936 den Antikominternpakt geschlossen. Andererseits mussten wirtschaftliche Kontakte mit China auch in Hitlers Interesse liegen, v.a. der für Deutschland wichtige Import von Rohstoffen. Im Austausch lieferte Deutschland Technologie und in großem Umfang Rüstungsgüter an China. Zudem arbeiteten ehemalige deutsche Offiziere als „private“ Militärberater bei Chiang Kai-sheks Armee.
Mit der massiven Ausweitung des Krieges in China wurde das Deutsche Reich zu einer Entscheidung gezwungen und das Lavieren musste beendet werden. Daran entzündete sich ein Richtungsstreit in der deutschen Außenpolitik, der durchaus grundsätzlicher Natur war: Die konservative, prochinesische Politik des Auswärtigen Amtes unter Konstantin v. Neurath, die von Wirtschaft und Militär mitgetragen wurde, bekam Konkurrenz durch den projapanischen, von Hitler gefördeten, Joachim von Ribbentrop und seine „Dienststelle“.
Es soll im Rahmen dieser Arbeit zunächst dargelegt werden, in welchem Umfang sich die deutsch-japanischen und deutsch-chinesischen Beziehungen bis 1937 entwickelten, um dann zu zeigen, wie nach dem Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges das “Pendel“ plötzlich zugunsten Japans ausschlug und welche Folgen diese Entscheidung für die deutsche Ostasienpolitik hatte.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Deutschland zwischen Japan und China bis 1937
1. Die deutsch-japanische Annäherung und der Antikominternpakt
2. Die deutsch-chinesischen Beziehungen bis 1937
III. Die Veränderung der Lage durch den japanisch-chinesischen Krieg
1. Japanische Expansionspläne und der Ausbruch des Krieges
2. Deutsche Neutralität bis zum Scheitern der Vermittlung
3. Die deutsche Entscheidung für Japan
IV. Schluss
V. Literatur
I. Einleitung
„Auf einen Nenner lässt sich unsere Ostasienpolitik nicht bringen. Sie bewegt sich in Pendelschlägen mal nach der chinesischen, mal nach der japanischen Seite, und das starke Ausschlagen nach der einen Seite schafft auf der anderen Mißstimmung.“ So äußerte sich der deutsche Botschafter bei der nationalchinesischen Regierung, Oskar Trautmann[1], in einem Bericht vom 27. Januar 1937 über die lavierende und mehrgleisige deutsche Ostasienpolitik bis dahin.[2]
Als am 7. Juli 1937 durch ein scheinbar unbedeutendes Scharmützel zwischen japanischen und chinesischen Truppen an der Marco-Polo-Brücke bei Peking der chinesisch-japanische Krieg ausbrach[3], ergab sich für Deutschland daraus ein Dilemma: Einerseits strebten Hitler und sein außenpolitischer Berater Joachim von Ribbentrop aus machtpolitischen und ideologischen Gründen, insbesondere mit Blick auf die Sowjetunion, ein Bündnis mit dem Kaiserreich Japan an und hatten daher schon 1936 den Antikominternpakt geschlossen.[4] Andererseits mussten wirtschaftliche Kontakte mit China auch in Hitlers Interesse liegen, v.a. der für Deutschland wichtige Import von Rohstoffen. Im Austausch lieferte Deutschland Technologie und in großem Umfang Rüstungsgüter an China. Zudem arbeiteten ehemalige deutsche Offiziere als „private“ Militärberater bei Chiang Kai-sheks Armee.[5]
Mit der massiven Ausweitung des Krieges in China wurde das Deutsche Reich zu einer Entscheidung gezwungen und das Lavieren musste beendet werden. Daran entzündete sich ein Richtungsstreit in der deutschen Außenpolitik, der durchaus grundsätzlicher Natur war: Die konservative, prochinesische Politik des Auswärtigen Amtes unter Konstantin v. Neurath, die von Wirtschaft und Militär mitgetragen wurde, bekam Konkurrenz durch den projapanischen, von Hitler gefördeten, Joachim von Ribbentrop und seine „Dienststelle“.[6]
Es soll im Rahmen dieser Arbeit zunächst dargelegt werden, in welchem Umfang sich die deutsch-japanischen und deutsch-chinesischen Beziehungen bis 1937 entwickelten, um dann zu zeigen, wie nach dem Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges das “Pendel“ plötzlich zugunsten Japans ausschlug und welche Folgen diese Entscheidung für die deutsche Ostasienpolitik hatte.
II. Deutschland, Japan und China bis 1937
1. Die deutsch-japanische Annäherung und der Antikominternpakt
Seit dem von der japanischen Kwantung-Armee inszenierten Mukden-Zwischenfall am 18.9. 1931 verfolgte das Kaiserreich Japan in China eine offene Expansionspolitik. Die besetzte Mandschurei wurde am 1.3. 1932 zum Scheinstaat Mandschukuo proklamiert und später der „letzte Kaiser“ Chinas, Pu Yi, als Herrscher eingesetzt.[7] Als am 24.2. 1933 der „Lytton- Bericht“ einer Kommission zur Untersuchung der Lage in Mandschukuo dem Völkerbund zur Abstimmung vorlag, stimmte Japan allein dagegen, und die japanische Delegation unter Yosuke Matsuoka[8], dem späteren Außenminister, verließ den Sitzungssaal. Am 27.3. 1933 trat Japan aus dem Völkerbund aus; damit war es außenpolitisch isoliert.[9]
Deutschland trat ebenso wie Japan am 14.10. 1933 aus dem Völkerbund aus und deutete damit - neben der bewusst herbeigeführten internationalen Isolation - schon grundsätzliche außenpolitische Gemeinsamkeiten an[10] ; zudem hatten beide einen gemeinsamen Feind: die Sowjetunion. Deren außenpolitische Aktivitäten waren direkt der Politik des nationalsozialistischen Deutschland entgegengerichtet: Im September 1934 trat die UdSSR dem Völkerbund bei, Anfang Mai 1935 wurde ein französisch-sowjetischer Pakt geschlossen und am 15.5. 1935 ein Beistandsabkommen mit der Tschechoslowakei[11].
Als Ribbentrop Mitte 1935 erste Sondierungen in Richtung einer deutsch-japanischen Übereinkunft über seinen Mittelsmann Dr. Friedrich Wilhelm Hack vornahm, stieß er beim japanischen Militärattaché in Berlin, Hiroshi Oshima[12], auf offene Ohren. Dieser hatte vom japanischen Generalstab Order, die deutsch-sowjetischen Beziehungen auszuloten und die Haltung Deutschlands in einem etwaigen japanisch-sowjetischen Krieg zu eruieren.[13]
Nachdem der VII. Komintern-Kongress vom 25.7. bis zum 20.8. 1935 Deutschland und Japan als Aggressoren gebrandmarkt[14] und die „Volksfront“ proklamiert hatte, kam Ribbentrops Mitarbeiter Hermann v. Raumer im November die Idee zum „Antikominternpakt“. Über den Entwurf Raumers herrschte Einverständnis zwischen Oshima und Ribbentrop, doch durch den versuchten Armee-Putsch vom 26.2. 1936 wurde Japan vorübergehend handlungsunfähig.[15]
Der Text eines Beistandspaktes zwischen der Sowjetunion und der Äußeren Mongolei wurde am 8. April veröffentlicht, so dass die japanischen Militärs ein Neutralitätsabkommen mit Deutschland intendierten. In Spanien brach zudem am 18.7. 1936 der Bürgerkrieg aus, ein Ereignis, das Hitler aufgrund der von ihm so wahrgenommenen Bedrohung der Welt durch den „Bolschewismus“ dazu bewog, den japanischen Wünschen zuzustimmen und zudem mit dem am 29.10. 1936 in Kraft getretenen Vierjahresplan die Kriegsvorbereitungen zu forcieren. Seit Februar 1936 wusste das Gaimusho, das japanische Außenministerium, von den Verhandlungen mit Deutschland und beteiligte sich von da an über den Botschafter Kinmoto Mushakoji an ihnen.[16] Nach weiteren Verhandlungen, in deren Schlussphase auch das Auswärtige Amt einbezogen wurde, unterzeichneten Ribbentrop und Mushakoji am 25.11. 1936 in Berlin den Antikominternpakt.[17]
Der Pakt bestand aus drei Artikeln mit einem Zusatzprotokoll, einem geheimen Zusatzprotokoll und einem ebenfalls geheimen Notenwechsel. In den drei Artikeln wurde vereinbart, „sich gegenseitig über die Kommunistische Internationale zu unterrichten“, dritte Staaten wurden dazu eingeladen, „Abwehrmaßnahmen im Geiste dieses Abkommens zu ergreifen oder an diesem Abkommen teilzunehmen“ und die Laufzeit des Vertrages auf fünf Jahre festgelegt. Das Zusatzprotokoll legte die Kooperation der Behörden bei der gegenseitigen Information und bei den Maßnahmen zur Abwehr der Komintern fest. Dazu sollten ständige Kommission gebildet werden.[18] Im geheimen Zusatzabkommen verpflichteten sich beide Staaten im Falle „eines nicht provozierten Angriffs oder einer nicht provozierten Angriffsdrohung“ durch die UdSSR wohlwollende Neutralität zu bewahren und darüberhinaus mit ihr keine „politischen Verträge [zu] schließen, die mit dem Geiste diese Abkommens nicht übereinstimmen.“[19] Diese Bestimmungen wurden aber durch den zusätzlichen geheimen Notenwechsel zwischen Ribbentrop und Mushakoji gleich wieder eingeschränkt; so wurden auf japanischer Seite Fischerei, Konzessions-, und Grenzverträge mit der Sowjetunion ausdrücklich ausgenommen. Von der deutschen Seite wurden dafür der Rapallovertrag von 1922 und der Berliner Neutralitätsvertrag von 1926 mit der UdSSR „nicht als im Widerspruch mit dem Geiste des Abkommens [...] stehend betrachtet“, dafür wurde festgestellt, dass der Geist des Abkommens „allein maßgebend für die zukünftige Politik Deutschlands ist.“[20]
Insgesamt stellte der Antikominternpakt durch seine Geheimabkommen „eine Art Bündnis gegen die UdSSR“[21] dar, deren Bestimmungen aber durch die sich in den Notenwechseln niederschlagenden Vorbehalte sofort wieder relativiert wurden. Die eigentliche Bedeutung des Paktes lag in der Wirkung nach außen, da sich hier zwei revisionistische Mächte verbündet hatten und dahinter von den anderen Mächten weitergehende Geheimabsprachen vermutet wurden.[22]
[...]
[1] Trautmann, ehemaliger Leiter der Ostasienabteilung im Auswärtigen Amt, ab 1935 Botschafter in Nanking, 1938 abberufen; vgl. Sommer, Theo: Deutschland und Japan zwischen den Mächten 1935-1940. Vom Antikominternpakt zum Dreimächtepakt, Tübingen 1962, S.56, Anmerkung 1; dies ist die grundlegende Studie für die deutsch-japanischen Beziehungen vor dem Zweiten Weltkrieg.
[2] zitiert nach: Sommer, Deutschland, S. 56.
[3] Vgl. Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan. Von Meiji bis Heisei, Berlin 1996, S. 187;
Sommer, Deutschland S. 58; Shigemitsu, Mamoru: Die Schicksalsjahre Japans. Vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriege 1920-1945. Denkwürdigkeiten des letzten japanischen Außenministers im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt a.M. 1959, S. 130.
[4] Drechsler, Karl: Deutschland-China-Japan. Das Dilemma der deutsche Fernostpolitik, Berlin 1964, S.19-26; Sommer, Deutschland, S.17 ff.
[5] 5 Drechsler, Dilemma, S. 13-19; Sommer, Deutschland, S.57.
[6] 6 Drechsler, Dilemma, S.27-41; Fox, John P., Germany and the Far Eastern Crisis 1931-1938. A Study in Diplomacy and Ideology, Oxford u.a. 1982, S.2ff.
[7] Vgl. Hartmann, Japan, S. 172-179; Shigemitsu, Schicksalsjahre, S.66-69.
[8] Yosuke Matsuoka, Diplomat, ab 1921 bei der Südmandschurischen Eisenbahn, ab 1927 deren Vizepräsident, 1935-1939 deren Präsident, zwischenzeitlich Reichstagsabgeordneter und Leiter der Delegation beim Völkerbund, 1940-1941 Außenminister im II. Kabinett Konoye; vgl. Sommer, Deutschland, S.363; Hartmann, Japan S. 313.
[9] Vgl. Hartmann, Japan S. 179f.; Sommer, Deutschland, S. 18; Shigemitsu, Schicksalsjahre, S. 88f. (Shigemitsu verwechselt hier die Daten und verlegt die Sitzung bzw. den Austritt um einen Monat vor).
[10] Vgl. Hildebrand, Klaus: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck zu Hitler 1871-1945, durchges. Ausgabe, Berlin, 1999, S. 678-679; Sommer, Deutschland, S. 19.
[11] Vgl. Fox, Crisis, S. 177f; Hildermeier, Manfred: Geschichte der Sowjetunion 1917-1990. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates, München 1998, S. 589.
[12] Hiroshi Oshima, 1934-1938 japanischer Militärattaché in Berlin, 1938-1938 und 1940-1945 dort japanischer Botschafter; vgl. Fox, Crisis, S. 438.
[13] Vgl. Sommer, Deutschland, S. 23-25; Fox, Crisis, S. 179.
[14] Vgl. Fox, Crisis, S. 180; Hartmann, Japan, S.186, Anmerkung 1.
[15] Vgl. Hartmann, Japan, S. 183-186; Sommer, Deutschland, S. 26-30; Shigemitsu, Schicksalsjahre, S. 103-111.
[16] Vgl. Sommer, Deutschland, S. 30-35; Fox, Crisis, S.196f, S. 200.
[17] Vgl. Sommer, Deutschland, S. 35-42; Fox, Crisis, S. 202ff.; Shigemitsu, Schicksalsjahre, S. 126-130.
[18] Wortlaut in: Sommer, Deutschland, Anhang, Dokument Nr. 1a / 1b, S.493f.
[19] Wortlaut in:Akten zur deutschen auswärtigen Politik (ADAP), 1918-1945, Serie D (1937-45), Band I, Baden-Baden 1950,
S. 600, Anmerkung 1; Sommer, Deutschland, Anhang, Dokument Nr. 2, S. 494 f.; Weinberg, Gerhard L.: Die geheimen Zusatzabkommen zum Antikominternpakt, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, II (1954), S.193-201, Dokument 1.
[20] Wortlaut in: Sommer, Deutschland, Anhang, Dokumente 3a-3h, S. 495-499; Weinberg, a.a.O., Dokumente 2-8.
[21] Vgl. Weinberg, a.a.O., S. 196.
[22] Vgl. Sommer, S. 43-56
- Citation du texte
- Helmut Strauss (Auteur), 2001, Deutschland und der japanisch-chinesische Krieg - Das Dilema der deutschen Ostasienpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31277
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