[...] Im ersten Teil der Arbeit wird ein sozialpsychologisches Modell der
Gesellschaft und der Identitätsbildung vorgestellt. Hierzu werden die
Arbeiteten des Soziologen Erving Goffman und des
Sozialpsychologen George Herbert Mead herangezogen und
erklärt. Beide Modelle stimmen in der Feststellung überein, dass das
Selbst zu seiner Ausbildung und Erhaltung immer soziale Formen
des Ausdrucks braucht. Dies impliziert, dass das Individuum
abhängig sind; bei Goffman sind sie in sogenannten Rahmen
gefangen, bei Mead sind sie kaum individuell, da sie sich der
Gesellschaft und deren Normen beugen müssen. Individuelle
Freiheit ist also kaum möglich. Beide Theorien haben noch eine weitere Gemeinsamkeit. In dem
sozialen Prozess bedienen sich die Individuen alle dem Instrument
der Sprache, die wiederum selbst abhängig von Urteilen der
Gemeinschaft ist. Dies wird in Kapitel 3.3. anhand Wittgensteins
Sprachauffassung näher betrachtet. Teil 2 der Arbeit wendet das im ersten Teil vorgestellte Modell auf
Paul Austers Roman City of Glass an. In Form einer traditionellen
Detektivgeschichte kritisiert Auster das herkömmliche System von
Sozialität, Sprache und Identität. Zum einen führt er seinem Leser
seine soziale Abhängigkeit und Machtlosigkeit vor Augen, zum
anderen stellt er die Bedeutung der Sprache in Frage. Nicht nur der
Sprache als Abstraktum, sondern auch den Inhalt und die
Bedeutung von Worten. Anhand der Figuren des Romans wird gezeigt, dass sie
exemplarisch für das im ersten Teil vorgestellte Modell der
absoluten Sozialität sind. Die Geschichte der City of Glass nimmt ihren Ursprung in einem
fehlgeleiteten Anruf bei dem Protagonisten Daniel Quinn, der sich
in der Rolle eines Detektiven auf einen Fall einlässt, den er nicht zu
lösen vermag. Seine ohnehin schon beschädigte Identität erreicht im
Laufe der Geschichte einen Nullpunkt, den er sich letztendlich zum
Nutzen macht um sein Selbst zu finden. Auch die anderen Figuren im Roman sind Außenseiter der
Gesellschaft und kein Bestandteil der Rahmen. Peter Stillman Junior
ist aus seinem Unvermögen der Anpassung heraus vollkommen
ohne Identität, und dessen Vater stellt die heutige Form der Sprache
in Frage und ist sich der Stärke und Macht der gemeinsamen Urteile
einer Gemeinschaft nicht bewusst. Beide scheitern an der Tatsache,
dass sie kein Bestandteil eines Systems sein können, das sie
brauchen um eine Einheit in sich zu finden.
1. Einleitung
Paul Austers Roman City of Glass behandelt in gewisser Hinsicht die Frage nach der Möglichkeit von Freiheit. Wie schon der Titel impliziert, ist das Individuum umgeben von Schranken, die zwar unsichtbar, aber dennoch wahrzunehmen sind.
Erschaffen die Menschen die Sprache oder die Sprache die Menschen? Inwieweit steht die subjektive Kraft des Menschen noch im Mittelpunkt? Inwieweit ist das Selbst noch autonom?
Diese Fragen stellen auch den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit dar, nämlich die Frage danach, inwiefern Sprache und Identität sich gegenseitig bedingen.
Im ersten Teil der Arbeit wird ein sozialpsychologisches Modell der Gesellschaft und der Identitätsbildung vorgestellt. Hierzu werden die Arbeiteten des Soziologen Erving Goffman und des Sozialpsychologen George Herbert Mead herangezogen und erklärt. Beide Modelle stimmen in der Feststellung überein, dass das Selbst zu seiner Ausbildung und Erhaltung immer soziale Formen des Ausdrucks braucht. Dies impliziert, dass das Individuum abhängig sind; bei Goffman sind sie in sogenannten Rahmen gefangen, bei Mead sind sie kaum individuell, da sie sich der Gesellschaft und deren Normen beugen müssen. Individuelle Freiheit ist also kaum möglich.
Beide Theorien haben noch eine weitere Gemeinsamkeit. In dem sozialen Prozess bedienen sich die Individuen alle dem Instrument der Sprache, die wiederum selbst abhängig von Urteilen der Gemeinschaft ist. Dies wird in Kapitel 3.3. anhand Wittgensteins Sprachauffassung näher betrachtet.
Teil 2 der Arbeit wendet das im ersten Teil vorgestellte Modell auf Paul Austers Roman City of Glass an. In Form einer traditionellen Detektivgeschichte kritisiert Auster das herkömmliche System von Sozialität, Sprache und Identität. Zum einen führt er seinem Leser seine soziale Abhängigkeit und Machtlosigkeit vor Augen, zum anderen stellt er die Bedeutung der Sprache in Frage. Nicht nur der Sprache als Abstraktum, sondern auch den Inhalt und die Bedeutung von Worten.
Anhand der Figuren des Romans wird gezeigt, dass sie exemplarisch für das im ersten Teil vorgestellte Modell der absoluten Sozialität sind.
Die Geschichte der City of Glass nimmt ihren Ursprung in einem fehlgeleiteten Anruf bei dem Protagonisten Daniel Quinn, der sich in der Rolle eines Detektiven auf einen Fall einlässt, den er nicht zu lösen vermag. Seine ohnehin schon beschädigte Identität erreicht im Laufe der Geschichte einen Nullpunkt, den er sich letztendlich zum Nutzen macht um sein Selbst zu finden.
Auch die anderen Figuren im Roman sind Außenseiter der Gesellschaft und kein Bestandteil der Rahmen. Peter Stillman Junior ist aus seinem Unvermögen der Anpassung heraus vollkommen ohne Identität, und dessen Vater stellt die heutige Form der Sprache in Frage und ist sich der Stärke und Macht der gemeinsamen Urteile einer Gemeinschaft nicht bewusst. Beide scheitern an der Tatsache, dass sie kein Bestandteil eines Systems sein können, das sie brauchen um eine Einheit in sich zu finden.
2. Die Sozialität von Sprache und Identität
2.1. Die Welt als Bühne – Erwing Goffman
In Der symbolische Interaktionismus und seine pädagogische Bedeutung berichtet Micha Brumlik von folgender Anekdote1 hinsichtlich des Selbstmordes von Erving Goffmans Ehefrau: „Am nämlichen Morgen, dem ihres Selbstmordes, fand man auf ihrem Nachttisch eine Note folgenden Inhalts: ‚I was tired to be put on a stage every morning’.”2
Schon in seinem ersten Buch Wir alle spielen Theater (1959; dt.1969) wird Goffmans Theorie der Organisationsprinzipien sozialer Ordnung deutlich. Dargestellt wird das soziale Geschehen am Modell des Theaters, mit Bühnen, Fassaden, Kulissen und Regieanweisungen. Darsteller sind die Individuen, deren Hauptaufgabe es ist, das jeweilige Stück zu erkennen. Das heißt sie müssen Kontrolle über die Situation erlangen, indem sie diese richtig definieren und dementsprechend angemessene Handlungen darauf ausrichten. „Diese Art von Kontrolle, die der einzelne ausübt, stellt die Symmetrie des Kommunikationsprozesses wieder her und schafft die Bühne für so etwas wie ein Informationsspiel.“3 Dieses ‚Informationsspiel’4 hilft den Darstellern die Rolle zu spielen, die ihnen zugeteilt wurde. Die Annahme einer Rolle ist „identisch mit dem Zwang zu ihrer Erfüllung“5. Gleichzeitig mit der Annahme einer solchen Rolle beginnt das Informationsspiel, in welchem die Darsteller versuchen, möglichst viele Informationen zur Definition der jeweiligen Situation zu erhalten, aber auch möglichst passende Informationen und Darstellungen von sich ins Spiel zu bringen, um ihrer Rolle zu entsprechen, also ihr Selbstbild zu wahren. Der Begriff ‚Darsteller’ wird zunächst bewusst nicht mit ‚Individuum’ ersetzt, da in Goffmans Analysen und Theorien der subjektive Aspekt stets im Hintergrund steht. Individualität ist kaum bedeutend für seine Analysen; es ist vielmehr der Rahmen der das Individuum umgibt, der interessant für Goffman ist. Auch gibt er –im Gegensatz zu G.H.Mead5 - keine exakte Definition der individuellen Identität, sondern beschreibt diese in Aktion. Dabei leugnet er jedoch keineswegs ihre Existenz, er setzt individuelle Identität einfach voraus, doch sie hat keinen Vorrang. Natürlich funktioniert das Informationsspiel nur, weil und wenn die Darsteller ein Interesse daran haben, ihr SELBST - Bild, also eine Identität (ob fremddefiniert oder nicht), zu wahren. Dennoch ist es in seinem ersten Buch Goffmans Anliegen, ein Modell der Gesellschaftsordnung zu beschreiben, „von dem ich behaupte, es sei charakteristisch für einen großen Teil sozialer Interaktion, wie sie unter natürlichen Bedingungen in der [...] Gesellschaft stattfindet.“6
Das Zusammentreffen von mindestens zwei Personen oder gesellschaftliche Einrichtungen bezeichnet Goffman in seinen frühen Arbeiten noch als „geschlossene Systeme“7. Systematisch arbeitet er auf den Begriff des Rahmenkonzepts hin, das in seinem Hauptwerk Rahmenanalyse (1974; dt.1977) voll ausgearbeitet wird. Mit Rahmen (frame) beschreibt Goffman Handlungszusammenhänge die, –wie es Karl Lenz (1991:36) formuliert- „immer schon kulturell vorgegeben“ sind. Desweiteren schreibt er: „Durch den Rahmen wird nicht nur der Sinn von Ereignissen grundgelegt, sondern auch das Ausmaß des von Teilnehmern erwarteten Engagements wie auch der erwartbare Ablauf der Zusammenkunft.“ Zunächst jedoch soll das Agieren in diesen Rahmen betrachtet werden wobei das Hauptaugenmerk auf der Tatsache liegen wird, dass ein Rahmen immer auch eine Grenze bedeutet und innerhalb dieser Grenzen bestimmte Regelsysteme gelten.
Wir betrachten also die Gesellschaft als Makrosystem und ihre vielen kleinen Zusammenkünfte, Gruppen, Einrichtungen als geschlossene Mikrosysteme, in denen wir Darsteller sind und gewisse Rollen spielen. Dieses Spiel findet bei jeder Zusammenkunft in Form von Informationsfluss statt, wobei sich die Individuen8 beim Interagieren dem Mittel der Sprache zur Übermittlung der Informationen bedienen. Diese Tätigkeit nennt Goffman Kommunikation9. In Strategische Interaktion (1969; dt.1981) geht es ihm darum zu verdeutlichen, dass es in diesen Informationsspielen (die er im Übrigen sehr nah an Meads Sozialpsychologie ansiedelt10) durchaus Täuschungen und „Eindrucksmanipulationen“11 geben kann. Diese Art von „Einschätzungswettkampf“12 ist jedoch nicht immer als eine böswillige Täuschung des Individuums zu betrachten – wenn auch Goffman hierfür gern Beispiele aus der Spionage oder der Bluffspiele anführt. Vielmehr ist es ein Versuch des Individuums den gestellten Anforderungen zu entsprechen, man kann sogar sagen, der Darsteller handelt unter dem Zwang der ihn umgibt. Dies soll kurz anhand der komplexen Strukturen erläutert werden, die im gesamten Gesellschaftssystem gegeben sind. Aus Erfahrung und erlernten Normen wissen wir, dass es überall wo es Menschen gibt auch Verhaltensregeln existieren.13 Für das Individuum in einem gegebenen Rahmen ist jedoch nicht nur das Befolgen dieser Regeln obligatorisch, sondern gleichzeitig ist es darum bemüht seiner Rolle gerecht zu werden. Das heißt: „Normen oder Regeln wirken auf das Individuum auf zweierlei Art ein: als eine Verpflichtung, die von ihm verlangt, etwas in bezug auf andere zu tun (oder zu unterlassen), und als eine Erwartung, die es veranlasst legitimerweise zu antizipieren, dass andere etwas in bezug auf es tun (oder unterlassen).“14 Nach Goffman sind Regelstrukturen soziale und kulturelle Vorgegebenheiten, die allen individuellen Handlungen zugrunde liegen und auf die immer Bezug genommen wird. Diese Bindungen existieren unabhängig davon ob sie akzeptiert werden oder nicht; kein Individuum kann sich ihnen entreißen. Sogar bei einem Verstoß gegen diese Strukturen wird das Individuum darum bemüht sein, diesen Verstoß mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und Maßstäben zu erklären, „es muss sich auf jeden Fall zumindest bemühen, ein verteidigungsfähiges Verhältnis zu den daraus resultierenden negativen Urteilen über es zu demonstrieren.“15 Damit wird aber auch die Einschränkung des Handlungsspielraums des Individuums deutlich. Genau betrachtet ist das Individuum in zweierlei Hinsicht in seiner Freiheit eingeschränkt. An dieser Stelle sollte festgehalten werden, dass Goffman Rollen- und Situationsanalyse verbindet. Diese Unterscheidung ist deshalb bedeutend, weil es die doppelte Gefährdung des Individuums verdeutlicht. Zum einen begibt sich das Individuum, sobald es ein anderes oder mehrere Individuen trifft, in einen Rahmen, der situationsabhängige Regelstrukturen beinhaltet, die den Handlungsspielraum einschränken. Die Individuen müssen unter vorgegebenen sozialen und kulturellen Bedingungen handeln. Dies soll als ‚Grenze Nr.1“ festgehalten werden.
Mit dem Begeben in einen solchen Rahmen wird jedem Individuum aber gleichzeitig eine Rolle zugeteilt, die, sobald sie das Individuum annimmt, den Zwang zu ihrer Erfüllung zur Folge hat. Doch jedes Individuum bringt schon eine Erfahrung über sich selbst in den neuen Rahmen mit. Jeder hat eine Biographie und eine gewisse (vielleicht auch fremddefinierte) Vorstellung von sich selbst, die auf vorangegangene Interaktionserfahrungen aufbaut.16 Durch die neue Rolle, die dem Individuum in dem neuen Rahmen zugeteilt wird, werden ihm Grenzen seiner Subjektivität gesetzt. Dies soll die ‚Grenze Nr.2’ genannt werden.
Das Individuum hat nun folgende Möglichkeiten. Es kann sich aus dem Rahmen zurückziehen, wird aber immer wieder auf neue Rahmen und Grenzen stossen, wo immer es anderen Personen begegnet. Um erfolgreichen Widerstand leisten zu können, müsste es sich in die vollkommene Isolation begeben.17 Die letzte Möglichkeit, die dem Individuum bleibt ist der Fall „völliger Rollenübernahme, des völligen Verschwindens eines Individuums in der situativ vorgegebenen Rolle“18 In diesem Fall ist persönliche und soziale Identität eine Fremddefinition. Das Individuum wird in dem ständigen Bestreben sein, die Rolle, die ihm in dem Bühnenstück zugeteilt wurde den Regieanweisungen (Strukturregeln) folgend zu spielen, um nicht aus dem Rahmen zu fallen. Den anderen (die sich den Rahmen und Fremddefinitionen widersetzen) bleibt nur die Isolation oder die Suche nach individueller Freiheit in der Gesellschaft, die wiederum aus vielen unterschiedlichen Rahmen besteht, zwar unsichtbar, aber nicht zu umgehen. Das freiheitssuchende Individuum bewegt sich –bildlich gesprochen- in einem System aus Glas.
2.2. Die Sozialität der Identität - George Herbert Mead
Nach Goffmans Darstellung ist das Individuum, das sich nicht in die Schranken der ihn umgebenden Rahmen drängen lässt, auf der ständigen Suche nach Freiheit. Auch George Herbert Mead fasziniert diese Suche und ihre Möglichkeiten. Grosse Anziehungskraft übt auf ihn die Philosophie Harvards aus; nicht nur in der Person des Pragmatisten und Psychologen William James, sondern vor allem der Neuhegelianer Josiah Royce ist es, der ihn anzieht. Es ist Royce Beschäftigung mit dem „Widerspruch zwischen einer – durch einen persönlichen Gott – geordneten Welt einerseits, die unser Wollen dem rationalen moralischen Zweck in dieser Ordnung unterwirft, uns in das vorgeformte Schema einer puritanischen, auf Selbstverleugnung beruhenden und in ihrem wirtschaftlichen Erfolg selbstgewissen Lebensführung presst, und der individuellen Freiheit des Denkens andererseits.“1 Auch wenn der Idealismus von Royce nur eine Stufe in Meads Entwicklung seiner eigenen, pragmatischen und völlig säkularisierten Lösung war,2 wird in seinem Verlangen nach einer Lösung des Widerspruchs zwischen individueller Freiheit und vorgeschriebenen Ordnungssystemen seine Grundmotivation deutlich. Nach seinen Arbeiten zur funktionalistischen Psychologie (bis 1903) erkennt Mead, dass es ein Irrtum ist, nur von der einzelnen Person und ihrem problemlösenden Handeln auszugehen und den Umstand auszublenden, dass die Probleme in einer sozialen Umwelt auftauchen.3 Es besteht also eine Notwendigkeit, das Individuum und seine Probleme immer im Zusammenhang mit dem – in Goffmans Terminologie- Rahmen in dem sich die Person bewegt zu betrachten. Hier ist auch schon das Konzept des Symbolischen Interaktionismus zu erkennen, dem Mead zugeordnet wird, welches besagt dass Individualität bzw. individuelle Handlungen nur im sozialen Handlungszusammenhang zu begreifen sind. An diesem Punkt scheiden sich Goffmans und Meads Theorien. Während Goffman seine Analysen auf die Rahmenbedingungen und das Rollenspiel beschränkt, indem er die individuelle Identität einfach voraussetzt, beschäftigt sich Mead mit der Entwicklung und Erhaltung der Identität in diesem Rollenspiel. Doch dieser Interaktion im Rollenspiel liegt nicht nur ein einfaches Reiz-Reaktionsmodell zugrunde, denn der Mensch ist mehr als nur ein „Reflexbündel und physiologisches System“4, sondern es muss die „Existenz von Geist oder Bewusstsein [...] zugegeben werden“5. Dennoch besteht Mead immer auf der Sozialität des Geistes, auf die „gesellschaftliche Natur des Geistes“6. Mead versteht Geist (mind) als etwas, das aus dem gesellschaftlichen Prozess entsteht und sich in ihm entwickelt. Den Ausgangspunkt für diese Entwicklung sieht Mead in einer auf gegenseitigem Verstehen beruhenden Kommunikation. Dieser Austausch findet in Form von „vokalen Gesten“6 statt, die jedoch erst Sinn haben, „wenn sie auf das sie ausführende Individuum die gleiche Wirkung ausübt wie auf das Individuum, auf das sie gerichtet ist oder das ausdrücklich auf sie reagiert, und somit einen Hinweis auf die Identität des Individuums enthält, das die Geste ausführt.“7 Sinnvolle Kommunikation setzt also voraus, dass die Bedeutung einer Äußerung für alle die selbe ist. Diese sprachlichen Äußerungen nennt Mead „signifikante Symbole“. Sie sind nichts anderes als ein Medium, das Medium Sprache. Bedeutend sind signifikante Symbole deshalb, weil nur „durch Gesten qua signifikanter Symbole wird Geist oder Intelligenz möglich, denn nur durch Gesten, die signifikante Symbole sind, kann Denken stattfinden, das einfach ein nach innen verlegtes oder implizites Gespräch des Einzelnen mit sich selbst mit Hilfe solcher Gesten ist.“8 Diese angeführte Stelle hebt einen wichtigen Aspekt der symbolisch vermittelten Interaktion hervor: die Reflexion. Das nach innen verlegte Gespräch verhilft dem Individuum zu einem Bewusstsein über sich selbst und seine Handlungen, aber auch zu einem Bewusstsein über die Haltungen anderer ihm gegenüber. Dieses Bewusstsein ermöglicht dem Individuum eine Anpassung an den gesellschaftlichen Rahmen.9 „Reflexivität ist also für die Entwicklung von Geist die entscheidende Voraussetzung innerhalb des gesellschaftlichen Prozesses.“10 Reflexion ermöglicht dem Individuum seine Handlungen zu analysieren und zu bewerten, und sich seiner Absichten – Motive- bewusst zu werden. Der Begriff des Motivs spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. „Denn es sind diese Motive, die die Struktur der Persönlichkeit bilden, in denen die ursprünglichen Antriebe zu einer Ich-Identität transformiert sind.“11 Doch –in Übereinstimmung mit Mead- Denken ist kein selbständiger und auch nicht auf das Individuum begrenzter Prozess, sondern „eine Phase, eine Amputation vom sozialen Handeln.“12
Um die letzte Phase der Genese der Identität zu verstehen, ist es
Sinnvoll noch einmal die bisherigen Stufen festhalten. Mead besteht
auf die Existenz des Geistes (mind), der nur durch den
gesellschaftlichen Prozess möglich ist. Hierzu bedarf es eines
Austausches in Form von Kommunikation, bei dem sich die
Teilnehmer der Interaktion dem Medium der Sprache bedienen. Ihr Funktionieren setzt natürlich ein gemeinsames Sinnverstehen, gemeinsame Urteile über die Bedeutung der sprachlichen Äusserung voraus. Sprache ist deshalb so bedeutend, weil sie es dem Individuum nicht nur ermöglicht sich auszudrücken, sondern vor allem weil das Individuum in einem Selbstgespräch über sich selbst, seine Handlungen und über den anderen reflektieren, das heisst denken kann. Für Mead ist Denken ein sozialer Prozess, gleichzeitig aber ein fundamentaler Antrieb zur Ausbildung eines Selbst- Bewusstseins, das wiederum der Grundbaustein der Ich-Identität ist.
[...]
1 Leider fehlen mir die Mittel um zu überprüfen, ob sie im trivialen Sinne wahr ist.
2 Micha Brumlik. Der symbolische Interaktionismus und seine pädagogische Bedeutung. Frankfurt am Main, 1973, 88.
3 Erving Goffman. Wir alle spielen Theater. München, 1969, 12.
4 vgl. Wittgensteins ‚Sprachspiel’.
5 Brumlik 1973:83.
5 siehe Kapitel 2.2
6 Goffman 1969: 218
7 Goffman 1969: 218
8 Im folgenden werde ich den Terminus ‚Individuum’ gebrauchen, da die Problematik der einzelnen Teilnehmer eines solchen Interaktionsprozesses dargestellt werden soll, die von starker Subjektivität geprägt ist.
9 Erving Goffman. Strategische Interaktion. München, 1981, 15.
10 Goffman 1981: 117
11 Goffman 1981: 20
12 Goffman 1981: 21
13 Für eine detaillierte Darstellung der Regelstrukturen der Interaktionsprozesse siehe auch; Erving Goffman. Interaction Ritual: Essays on the Face-toFace Behaviour. New York, 1967.
14 Erving Goffman. Das Individuum im öffentlichen Austausch. Frankfurt am Main, 1974, 140.
15 Goffman 1974: 253
16 vgl. Hettlage/Lenz 1991:43
17 Siehe Isolation Quinns Kapitel
18 Brumlik 1973: 85
1 Harald Wenzel. George Herbert Mead zur Einführung. Hamburg, 1990, 22
2 Wenzel 1990: 23
3 Wenzel 1990: 28
4 Detlef Garz. Sozialpsychologische Entwicklungstheorien. Opladen, 1994, 61.
5 George Herbert Mead. Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Frankfurt am Main, 1988, 48.
6 Mead 1988: 174
6 Zu den elementarsten Formen der Geste siehe Mead 1988: 82ff.
7 Mead 1988: 85
8 Mead 1988: 86
9 Mead 1988: 175
10 Mead 1988: 175
11 Wenzel 1990: 60
12 Wenzel 1990: 77
- Citation du texte
- Ebru Ayas (Auteur), 2002, Sprache und Identität in Paul Austers "City of Glass", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31254
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