Politische, ökonomische und damit einhergehend auch soziale Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten stellten auch das Bildungssystem dieses Landes vor neue Herausforderungen, die nach adäquaten Lösungen verlangten.
Vor allem die im Gegensatz zum wachsenden Bedarf der Wirtschaft nach höher qualifizierten Schulabgängern stehenden ernüchternden unterdurchschnittlichen Ergebnissen deutscher Schüler bei nationalen und internationalen Leistungsvergleichsstudien (PISA, TIMMS, IGLU, etc.), die immer häufiger zu beobachtenden auf Bewegungsmangel zurückzuführenden gesundheitlichen Defizite der Heranwachsenden, die oft kritisierte, unzureichende Ausbildung von Lehrern und ihre wohl altersbedingte Fort- und Weiterbildungsmüdigkeit (vgl. DVLfB, 2003) ließen auch für das Fach Sport eine neue Lernplangeneration entstehen, die sich durch eine gestiegene „Orientierung am Output“ (Schumacher, 2011, S. 1) sowie eine pädagogische Akzentuierung der Inhalte des Sportunterrichts charakterisiert. Mit der Implementation dieser neuen kompetenzorientierten Lehrpläne und Richtlinien im Fach Sport ab 1999 sind die Erwartungen an das Fach und somit auch an die Professionalität von Sportlehrern durch die Zuschreibung eines erweiterten beruflichen Anforderungsprofils und Kompetenzbeherrschungsspektrums enorm gestiegen.
Die neuen Kerncurricula und deren gegenwärtige staatliche Vorgaben bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für Sportlehrkräfte, weil weder konkrete Hinweise zur inhaltlichen Gestaltung des Unterrichtvorhabens noch unterstützende Unterrichts- und Weiterbildungsmaterialien vorliegen (vgl. ebd.). Einerseits ist der Sportunterricht durch diese erste „Reformwelle“ (ebd., S. 3) mit der pädagogischen Akzentuierung aufgewertet worden. Andererseits hat hierdurch jedoch eine „inhaltliche Verwässerung“ (ebd.) des Schulsports stattgefunden, die die praktische Umsetzung der Lehrpläne erschwert. Zur Verwirklichung des überfachlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags soll der Schulsport einen noch stärkeren Beitrag leisten und die fachpädagogische Arbeit und Bildung von Sportlehrern verstärkt an vorgegebenen Standards und Kompetenzbereichen ausrichten (vgl. KMK, 2004). Diese gestiegenen Qualitätsansprüche an die pädagogische Arbeit der Sportlehrer erfordern vielfach neue und damit auch neu zu erwerbende Kompetenzen (vgl. auch Geist, 2011), wodurch sich die Analyse, Diagnostik und Bewertung professioneller [...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Merkmale qualitativ hochwertigen Sportunterrichts
3 Legitimation und Auftrag des Schulsports
4 Anforderungen und Aufgaben an eine Sportlehrkraft
5 Sportlehrerprofessionalität
5.1 Ansätze zur Bestimmung von Lehrerprofessionalität
5.2 Definition des Kompetenzbegriffs
5.3 Kompetenzen eines Sportlehrers nach Uwe Pühse (1995)
5.4 Kompetenzmodell nach Michael Bräutigam (2003)
5.4.1 Fachkompetenz
5.4.2 Selbstkompetenz
5.4.3 Sozialkompetenz
5.4.4 Sachkompetenz
5.4.5 Systemkompetenz
6 Persönliche Eigenschaften
7 Ausbildungsphasen der Sportlehrerbildung
7.1 Phasenmodell nach Fuller und Bown (1975)
8 Sportlehrerfortbildung
8.1 Organisationsformen
8.2 Funktion und Bedeutsamkeit
8.3 Bochumer Schulsporttag
9 Fazit/ Ausblick
10 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Begründung zur Legitimation des Schulsports (aus Balz, 2000, S. 39)
Abb. 2: Der "Würfel" der Bewegungsfelder (aus Balz, 2002, S. 185)
Abb. 3: Doppelauftrag und curriculare Struktur des Schulsports (aus Aschebrock & Stibbe, 2007, S. 178)
Abb. 4: Das Kompetenzmodell nach Michael Bräutigam (2003, S. 39)
Abb. 5: Die Fachkompetenz (aus Bräutigam, 2003, S. 41)
Abb. 6: Die Selbstkompetenz (aus Bräutigam, 2003, S. 45)
Abb. 7: Die Sozialkompetenz (aus Bräutigam, 2003, S. 57)
Abb. 8: Die Sachkompetenz (aus Bräutigam, 2003, S. 43)
Abb. 9: Die Systemkompetenz (aus Bräutigam, 2003, S. 57)
1 Einleitung
Politische, ökonomische und damit einhergehend auch soziale Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten stellten auch das Bildungssystem dieses Landes vor neue Herausforderungen, die nach adäquaten Lösungen verlangten.
Vor allem die im Gegensatz zum wachsenden Bedarf der Wirtschaft nach höher qualifizierten Schulabgängern stehenden ernüchternden unterdurchschnittlichen Ergebnissen deutscher Schüler bei nationalen und internationalen Leistungsvergleichsstudien (PISA, TIMMS, IGLU, etc.), die immer häufiger zu beobachtenden auf Bewegungsmangel zurückzuführenden gesundheitlichen Defizite der Heranwachsenden, die oft kritisierte, unzureichende Ausbildung von Lehrern und ihre wohl altersbedingte Fort- und Weiterbildungsmüdigkeit (vgl. DVLfB, 2003) ließen auch für das Fach Sport eine neue Lernplangeneration entstehen, die sich durch eine gestiegene „Orientierung am Output“ (Schumacher, 2011, S. 1) sowie eine pädagogische Akzentuierung der Inhalte des Sportunterrichts charakterisiert. Mit der Implementation dieser neuen kompetenzorientierten Lehrpläne und Richtlinien im Fach Sport ab 1999 sind die Erwartungen an das Fach und somit auch an die Professionalität von Sportlehrern durch die Zuschreibung eines erweiterten beruflichen Anforderungsprofils und Kompetenzbeherrschungsspektrums enorm gestiegen.
Die neuen Kerncurricula und deren gegenwärtige staatliche Vorgaben bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für Sportlehrkräfte, weil weder konkrete Hinweise zur inhaltlichen Gestaltung des Unterrichtvorhabens noch unterstützende Unterrichts- und Weiterbildungsmaterialien vorliegen (vgl. ebd.). Einerseits ist der Sportunterricht durch diese erste „Reformwelle“ (ebd., S. 3) mit der pädagogischen Akzentuierung aufgewertet worden. Andererseits hat hierdurch jedoch eine „inhaltliche Verwässerung“ (ebd.) des Schulsports stattgefunden, die die praktische Umsetzung der Lehrpläne erschwert. Zur Verwirklichung des überfachlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags soll der Schulsport einen noch stärkeren Beitrag leisten und die fachpädagogische Arbeit und Bildung von Sportlehrern verstärkt an vorgegebenen Standards und Kompetenzbereichen[1] ausrichten (vgl. KMK, 2004). Diese gestiegenen Qualitätsansprüche an die pädagogische Arbeit der Sportlehrer erfordern vielfach neue und damit auch neu zu erwerbende Kompetenzen (vgl. auch Geist, 2011), wodurch sich die Analyse, Diagnostik und Bewertung professioneller pädagogischer Kompetenzen angehender Lehrkräfte zu einem zentralen Baustein des Bildungssystems entwickelt hat (vgl. Meier, 2013). Es besteht weitestgehend Konsens darüber, dass Lehrer nach ihrer formalen Berufsausbildung noch nicht über die Kompetenzen, Handlungskonzepte und Strategien verfügen, die angesichts der schulischen und unterrichtlichen Anforderungen, sowie des „eigenen Selbstverständnisses“ (Ernst- Fabian, 2008, S. 27) erforderlich sind. Die Professionalisierung eines Sportlehrers geht also weit über die Grundausbildung im Studium und im Referendariat[2] hinaus. Um die sich im ständigen Fluss befindenden neuen Herausforderungen des Sportlehrerberufs erfolgreich bewältigen zu können und hohe Unterrichtsqualität zu gewährleisten, müssen Sportlehrkräfte ihre Kompetenzen daher ständig weiterentwickeln.
Die vorliegende Masterarbeit zum Thema Sportlehrerprofessionalität: Merkmale und Kompetenzentwicklung beschäftigt sich mit den Fragestellungen, über welche fachliche Kompetenzen und persönlichen Merkmale Sportlehrer vor dem Hintergrund beruflicher Anforderungen zur Realisation qualitativ hochwertigen Unterrichts verfügen müssen, inwieweit Sportlehrerfortbildungen als dritte Phase der Lehrerbildung zur Kompetenzentwicklung und Professionalisierung von Sportlehrkräften beitragen und welche Bedeutung Sportlehrerfortbildungen infolgedessen für die Gewährleistung qualitativ hochwertigen Sportunterrichts seitens der Lehrkräfte zukommt.
Vor der Beantwortung dieser Fragestellungen muss jedoch erst ermittelt werden, wodurch sich qualitativ hochwertiger Sportunterricht auszeichnet. Zum Einstieg werden daher im zweiten Kapitel die Qualitätsmerkmale von Sportunterricht erläutert. Im dritten Kapitel erfolgt die Kontextualisierung dieser Qualitätsmerkmale, indem die Legitimation und der Auftrag des Schulsports sowie die Anforderungen der aktuellen Lehrpläne dargestellt werden.
Mit der Thematik der Professionalität und Kompetenzentwicklung von Sportlehrern, richtet sich der Blick auch immer auf die Frage, wozu diese Kompetenzen benötigt werden. Daher sollen im vierten Kapitel zunächst die Anforderungen an einen Sportlehrer und seine Aufgaben beschrieben werden. Bevor anschließend explizit auf die erforderlichen Kompetenzen von Sportlehrern eingegangen wird, werden drei verschiedene Ansätze zur Bestimmung von Sportlehrerprofessionalität präsentiert sowie eine Definition des Kompetenzbegriffs erörtert. Die Beschreibung der für den beruflichen Alltag notwendigen Sportlehrerkompetenzen erfolgt im Anschluss anhand des Kompetenzmodells von Michael Bräutigam (2003) und der Sportlehrerkompetenzen nach Uwe Pühse (1995), weil beide Autoren sich speziell auf den Sportlehrerberuf und nicht auf den Lehrerberuf im Allgemeinen beziehen. Anschließend werden die persönlichen Eigenschaften eines professionellen Sportlehrers herausgestellt und anhand der Studie von Messing (1980) einem Ranking seitens der Schüler unterzogen.
Im siebten Kapitel wird ausgehend von den ersten beiden Phasen der Lehrerbildung, die Funktion und Bedeutsamkeit von Sportlehrerfortbildungen für die Entwicklung von Sportlehrerkompetenzen in der dritten Phase analysiert. Um diese Funktion besser beurteilen zu können, werden die verschiedenen Organisationsformen der Lehrerfortbildung voneinander abgegrenzt, verschiedene Themenkomplexe der Sportlehrerfortbildungen aufgezeigt und exemplarisch der Bochumer Schulsporttag als staatliche Sportlehrerfortbildung vorgestellt. In einem Fazit soll auf die eingangs gestellten Fragen, über welche Kompetenzen Sportlehrer verfügen müssen, inwieweit Sportlehrerfortbildungen zur Kompetenzentwicklung von Sportlehrern beitragen und welche Bedeutung Sportlehrerfortbildungen infolgedessen bzgl. der Gewährleistung qualitativ hochwertigen Unterrichts zukommt Bezug genommen werden. Abschließend erfolgt ein Ausblick zum behandelten Thema Sportlehrerprofessionalität: Merkmale und Kompetenzentwicklung sowie eine Hinwendung zu offenen und weiterführenden Forschungsfragen.
2 Merkmale qualitativ hochwertigen Sportunterrichts
Um zu erörtern, welche Rolle Sportlehrerfortbildungen für die Gewährleistung qualitativ hochwertigen Unterrichts spielen, muss zunächst verdeutlicht werden, was qualitativ hochwertigen Unterricht überhaupt auszeichnet. Was bedeutet guter Sportunterricht und welche Qualitätsmaßstäbe gibt es?
In Anbetracht nationaler und internationaler Leistungsuntersuchungen wie PISA, IGLU oder TIMMS erhält die Frage nach qualitativ hochwertigem Unterricht große Bedeutung (vgl. Wolters, Klinge, Klupsch-Sahlmann & Sinning, 2009). Geht man der Frage nach, wodurch sich qualitativ hochwertiger Sportunterricht auszeichnet, lassen sich in der Literatur diverse Beantwortungsversuche u.a. bei Helmke (2005), Meyer (2011), Gebken (2005) und Reckermann (2004) bzgl. der Merkmale bzw. Kriterien guten Unterrichts finden. Die von Helmke (2005) und Meyer (2011) beschriebenen Kriterien gelten dabei übergreifend für alle Unterrichtsfächer, wohingegen sich die Kriterien von Gebken (2005) und Reckermann (2004) speziell auf den Sportunterricht beziehen. Daher soll im Folgenden nur kurz auf die Merkmale von Meyer (2011) eingegangen und die Merkmale Gebkens (2005) intensiver aufgegriffen werden.
Laut Gebken (2003) haben empirische Forschungsbefunde zur Qualität von Unterricht in den letzten Jahren zugenommen. Seitdem kann zumindest zuverlässiger beurteilt werden, welche Maßnahmen der Klassenführung und der Unterrichtsgestaltung für dauerhafte Lernerfolge der Schüler nützlich- und welche weniger nützlich sind. Auf Grundlage der Studien des von Fichten, Gebken und Meyer (2002) geleiteten Modellversuchs „Lebenslanges forschendes Lernen im Kooperationsverbund Schule- Seminar- Universität“ sowie Langzeitstudien u.a. von Kounin (1970), Rutter (1980), Fend (2001), Brophy und Buck (2002) und insbesondere der sog. SCHOLASTIK[3] -Studie von Helmke und Weinert (1997) erstellte Gebken (2005) ein Mischmodell, welches acht Merkmale bzw. Gütekriterien[4] guten Sportunterrichts umfasst.
Diese Merkmale guten Unterrichts konnten anhand jener Klassen festgemacht werden, in denen dauerhaft hohe Lernerfolge vorlagen. Die Lernerfolge richten sich überwiegend auf kognitive Kompetenzen der Schüler, können jedoch auf sensorische, motorische und soziale Lern- und Entwicklungsprozesse übertragen werden (vgl. Gebken, 2003). Bzgl. der Studien hält Gebken (2003) fest, dass keines der Merkmale je in gleicher Stärke bzw. Intensität in den verschieden an der Studie beteiligten Schulklassen vorkam. Es waren immer einzelne Merkmale stärker oder weniger stark ausgeprägt als andere. Im Allgemeinen bedeutet Qualität im Sportunterricht nach Gebken (2005, S. 235), wenn sich „möglichst viele Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur, auf der Grundlage eines Erziehungsauftrages, sinnvoll bewegen, sich aktiv am Lernprozess beteiligen und dauerhaft für eine selbstständige Teilnahme an Spiel, Sport und Bewegung befähigt werden“.
Viele Gelegenheiten für regelmäßiges Üben sowie eine straffe Unterrichtsführung sind charakteristisch für guten Sportunterricht. Effektive Lehrkräfte übernehmen bewusst Verantwortung für die Leistung der Schüler, binden sie so oft wie möglich in motorische Aktivitäten ein und nutzen die verfügbare Unterrichtszeit optimal aus (vgl. ebd.). Meyer (2011) nennt die folgenden zehn Qualitätsmerkmale guten Unterrichts: Klare Strukturierung des Unterrichts, hoher Anteil echter Lernzeit, Lernförderliches Klima, Inhaltliche Klarheit, Sinnstiftendes Kommunizieren, Methodenvielfalt, Individuelles Fördern, Intelligentes Üben, Transparente Leistungserwartungen, Vorbereitete Umgebung. Zu Gebken (2003) finden sich deutlich Übereinstimmungen. Dieser gibt die nachstehenden acht Merkmale guten Unterrichts an:
- Klare Strukturierung
- Hoher Anteil an Bewegungszeit
- Methodenvielfalt
- Stimmigkeit der Ziele
- Inhalte und Methoden
- Bewegungsförderliches Unterrichtsklima
- Schüler- Feedback und Arbeitsbündnisse
- Bewusstes Fördern und Üben
- Klare Leistungserwartungen (ebd., S. 236).
Gebken (2005) weist deutlich daraufhin, dass diese Kriterien aufgrund des gesellschaftlichen Wandels eine kontinuierliche Revision erfordern. Diese acht Merkmale guten Sportunterrichts werden im Folgenden erläutert und durch weitere Autoren ergänzt.
Zur klaren Strukturierung des Sportunterrichts gehört es, den Schülern zu Beginn der Unterrichtsstunde einen kurzen Überblick über den Stundenverlauf zu geben. Eine klare Untergliederung des Unterrichtsinhalts erleichtert hier besonders lernschwächeren Schülern das Lernen. Aufgabenstellungen sollen vom Lehrer klar und deutlich artikuliert werden. Durch ein gutes Management des Sportunterrichts und eine „geschickte Hallen/-Platzregie“ (Gebken, 2005, S. 236) soll sowohl für Lehrer als auch für Schüler ein „roter Faden“ (ebd.) erkennbar werden.
Effektiver Sportunterricht soll den Schülern einen möglichst hohen Anteil an Bewegungszeit ermöglichen. Dies erfordert eine straffe Planung und Durchführung des Unterrichts. Studien von McLeish (1985) weisen darauf hin, dass 22% der Zeit im Sportunterricht für organisatorische Zwecke, wie dem Auf- und Abbau von Geräten, genutzt wird. Durch eigene Untersuchungen stellte Gebken (2005) fest, dass die aktive Bewegungszeit leistungsschwächerer Schüler im Sportunterricht lediglich fünf Minuten beträgt. Geräte und Unterrichtsmaterialen sollten daher rechtzeitig bereitgestellt werden, um pünktlich mit dem Unterricht zu beginnen und unnötige Wartezeiten an den Übungsstationen sowie im Spielbetrieb zu vermeiden. Nach Krick (2010, S. 259) stellt die Bewegungszeit im Sportunterricht „Bildungsgelegenheiten“ für die Schüler dar, welche für die Unterrichtsqualität unerlässlich sind. Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang sind die sog. Opportunity-to-learn-Standards (vgl. Schumacher, 2011). Im Sinne dieser prozessorientierten Opportunity-to-learn-Standards wird den Schülern die Möglichkeit geboten, sich die erwarteten Kompetenzen anzueignen. Qualitativ hochwertiger Unterricht misst sich folglich daran, dass Unterrichtsprozesse die Kompetenzen der Schüler fordern und fördern. Als Beispiel für einen Opportunity-to-learn-Standard kann den Schülern zur Entwicklung von sozial-integrativen Kompetenzen die Möglichkeit geboten werden, jeweils zum Stundeneinstieg gängige Kooperations-, Vertrauens- und Empathieübungen durchzuführen. Generell sollen Opportunity-to-learn-Standards allerdings nicht als universelle Anforderungen an alle Unterrichtsvorhaben gestellt-, sondern als Exempel der Wirkung prozessorientierter Standards gesehen werden (vgl. ebd.).
Bzgl. der Methodenvielfalt sollen für qualitativ hochwertigen Unterricht verschiedene Sozialformen wie bspw. Einzel-, Tandem-, Plenumsunterricht und Gruppenarbeit gemischt werden. Gebken (2005) weist auf empirische Belege hin, die feststellten, dass die gemischte, abwechselnde Anwendung aller Sozialformen die größten Lerneffekte produzieren (vgl. auch Helmke & Weinert, 1997). Um spezielle Fertigkeiten zu vermitteln, bietet sich eine direkte Instruktion an. Die Methode des offenen Unterrichts soll für die Entwicklung von Methoden-, Sozialkompetenz und Selbstvertrauen gewählt werden. Individualisierter Unterricht bleibt im Schulsportalltag jedoch immer noch eine methodische Seltenheit (vgl. Gebken, 2005) und soll daher an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden.
Die Ziele, Inhalte und Methoden stehen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander. Über Unterrichtsziele kann immer nur in Bezug auf bestimmte Inhalte und Methoden entschieden werden und umgekehrt. Gemachte Bewegungserfahrungen der Schüler sollen aufgegriffen, Zwischenergebnisse in regelmäßigen Abständen vorgetragen und die im Sportunterricht erreichten Kompetenzstufen festgestellt werden. Über- und Unterforderungen können damit reduziert werden. Entscheidungen über Unterrichtsziele, -inhalte und –methoden sollten zuvor in einer gründlichen Unterrichtsplanung getroffen werden, die eine unerlässliche Voraussetzung für professionellen und qualitativ hochwertigen Sportunterricht ist. Diese sorgfältige Planung kann hierbei durch die Anwendung von Planungsmodellen unterstützt werden. Auf dem Stand aktuellster fachdidaktischer Diskussionen entwickelten Döhring und Gissel (2014) ein Planungsschema, das sowohl Berufsanfängern als auch routinierteren Fachkräften die Unterrichtsplanung und –vorbereitung erleichtert. Insbesondere bei Berufseinsteigern besteht die Gefahr, dass sie sowohl bei der Planung von Unterricht als auch bei der Unterrichtsdurchführung, an Stelle grundsätzlicher und wesentlicher Aspekte nur das „Vordergründige“ (ebd., S.1) beachten. Durch die Anwendung von Planungsmodellen können solche Gefahren vermieden werden. Damit ist festzuhalten, dass die Anwendung von Planungsmodellen bei der Unterrichtsplanung und –vorbereitung einen wichtigen Aspekt für qualitativ hochwertigen Unterricht darstellt.
Ein bewegungsförderliches Unterrichtklima soll in einem qualitativ hochwertigen Sportunterricht unbedingt vorhanden sein. Es ist gekennzeichnet durch eine anspornende Atmosphäre, gegenseitige Rücksichtnahme und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Gegenständen und Mitmenschen. Für die Lehrkraft erfordert dies eine zufriedene, fröhliche Grundhaltung und eine gut strukturierte Unterrichtsleitung. Durch ein bewegungsförderndes Unterrichtsklima können Ängste vor Niederlagen, vor Blamagen, Bewegungsblockaden sowie eine Verweigerung der Teilnahme am Sportunterricht verhindert werden. Laut Gebken (2005) sind insbesondere Mädchen auf ein positives Unterrichtsklima und eine unterstützend-förderliche Lehrerhaltung angewiesen, was besonders bei der Vermittlung von Ballspielen und Kampfsportarten deutlich wird.
Schüler- Feedback und Arbeitsbündnisse sollen gemeinsames Nachdenken über den Unterricht anregen. Rückmeldungen und Reflexionen zwischen Schülern und Lehrern, tragen erheblich zur Qualität der Lehr- Lernprozesse bei. Zudem erfährt der Lehrer, welche Lernstrategien die Schüler anwenden und wie hoch ihre Lernmotivation ist. Umgesetzt werden kann das Schüler-Feedback durch klassische Unterrichtsgespräche, einem Fragebogen (vgl. auch Altenberger, 2002), eine sog. Evaluations- Zielscheibe (vgl. auch Eikenbusch, 2001) oder durch eine sog. Meinungslinie, bei der die Schüler sich selbst einschätzen sollen und diese Einschätzung auf einer Skala markieren.
Eine weitere Eigenschaft qualitativ hochwertigen Sportunterrichts stellt das bewusste Fördern und Üben dar. Der Lehrer muss den Schülern zu verstehen geben, dass er ihnen etwas zutraut. Nur so können die Schüler selbst an ihren (Lern-)Erfolg glauben. Für einen effektiven individuellen Lernprozess können zum jeweiligen Thema vorab Lernstands- und Leistungsdiagnosen erhoben werden. Darüber hinaus kommen Lernerfolge auch insbesondere dann zustande, wenn Schüler Erfahrungen und Kompetenzen aus außerschulischen Bereichen in den Sportunterricht mit einfließen lassen. Ein guter Sportunterricht ist mit positiven Emotionen verbunden und braucht eine positive Förderhaltung seitens des Lehrers. Die gegebenen schulischen Rahmenbedingungen der Hallenkapazität, eingeschränktes Unterrichtsmaterial, die Knappheit der Unterrichtszeit von 45 Minuten etc. schränken oftmals die Möglichkeit ein, das Gelernte hinreichend zu üben. Um dem entgegenzuwirken, kann den Schülern eine Monatsplanarbeit oder Hausaufgaben aufgetragen werden. Dies weckt ihr Interesse, das Gelernte auch nach dem Sportunterricht anzuwenden (vgl. Gebken, 2003).
Klare Leistungserwartungen meint das Formulieren transparenter und unmissverständlicher Lernziele. Indem den Schülern deutlich gemacht wird, welche Leistungen erbracht werden sollen, wird ihr Lernanreiz erhöht. Dem Lehrer liegen klare Kriterien für die Formulierung der Leistungserwartungen und Mindestanforderungen vor. Kompetenzen, Defizite sowie Lernentwicklung können anhand von Beobachtungs- und Diagnosebögen festgehalten werden. Anhand der Bögen soll gemeinsam mit den Schülern über ihren Lernstand und den weiteren Verlauf der Lernschritte und Lernziele beraten werden (vgl. ebd.).
Mit Blick auf die fachdidaktischen Diskussionen um aktuelle Lehrpläne bedeutet qualitativ hochwertiger Sportunterricht sicherlich auch, die neuen Tendenzen der Lehrpläne bzgl. pädagogischer Akzentuierung, Bildungsstandards, etc. im Sinne von Qualitätsentwicklung und –sicherung sinnvoll für den Unterricht zu nutzen. Damit qualitativ hochwertiger Unterricht trotz „Nahtstellen“ (Schumacher, 2011, S.4) zwischen Lehrplänen und umzusetzender Unterrichtspraxis gewährleistet werden kann, bieten sich schuleigene Curricula bzw. Fachpläne an. Diese können als „fehlendes Puzzlestück“ (ebd., S. 15) zwischen der Theorie der Kompetenzorientierung und der Planung und praktischen Umsetzung des Unterrichts dienen. Solche Fachpläne haben den Vorteil, die Akzeptanz der normativen Vorgaben der Lehrpläne zu fördern und bilden eine gewisse Schnittestelle zwischen den Rahmenrichtlinien der Lehrpläne und der kompetenzorientierten Unterrichtsgestaltung (vgl. ebd.).
Schlussfolgern kann man aus den Qualitätsmerkmalen von Gebken (2005), dass die Qualität von Sportunterricht nicht einzig und allein aus dem sportmotorischen Leistungsvermögen der Schüler abgeleitet werden kann. Der Schwerpunkt der von Gebken (2005) verfassten Qualitätskriterien liegt vielmehr in der Prozessqualität des Sportunterrichts und der Professionalität der Lehrkraft. Bzgl. der Bedeutsamkeit dieser Aspekte muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich Fehler im unterrichtlichen Handeln, selbst wenn jedes Qualitätskriterium für den eigenen Unterricht minutiös durchdacht ist, nicht vermeiden lassen (vgl. Volkamer & Zimmer, 1982). Unterrichtliches Handeln charakterisiert sich durch sein „hochkomplexes soziales und dynamisches Gefüge“ (ebd., S. 11). So ist mit jeder gut geplanten Sportstunde mit Situationen zu rechnen, die „mehr oder weniger stark“ (ebd.) von der geplanten Unterrichtsstunde abweichen und auf die die Lehrkraft spontan reagieren muss. Darüber hinaus können „bestimmte Verhaltensweisen oder Arrangements“ (Volkamer & Zimmer, 1982, S. 11) häufig erst nach Ablauf einer Unterrichtsstunde festgestellt werden. Dabei stellt sich heraus, dass das Lehrerverhalten, welches in einer Unterrichtssituation richtig ist, in einer anderen völlig falsch sein kann (vgl. ebd.).
Dennoch ist Sportlehrerprofessionalität die Voraussetzung, um den Ansprüchen an einen qualitativ hochwertigen Sportunterrichts gerecht zu werden. Was aber charakterisiert wiederum eine professionelle Sportlehrkraft und wie entwickelt sich die Sportlehrerkompetenz? Dieser Frage soll im weiteren Verlauf der Arbeit nachgegangen werden, bevor im Nachfolgenden zunächst auf die Legitimation des Schulsports, sowie auf die Anforderungen an eine Sportlehrkraft eingegangen wird.
3 Legitimation und Auftrag des Schulsports
Jedes Schulfach bedarf der Rechtfertigung, wenn es in der Schule unterrichtet werden soll. So musste und muss sich auch das Fach Sport immer wieder neu legitimieren. Ein Blick in die Historie zeigt, dass das Fach Sport stets unter Legitimationszwang gestanden hat, man jedoch versuchte die Eigenständigkeit des Faches in den Vordergrund zu stellen. Zunächst soll der Begriff Legitimation nach Scherler (1994, S. 5) definiert werden: “‚Legitimieren‘ heißt Handlungen, Entscheidungen oder Forderungen zu begründen, zu rechtfertigen, als rechtmäßig auszuweisen“.
Im Memorandum zum Schulsport des DOSB (2009) wird der Schulsport durch drei Argumente legitimiert. Die Argumente der Legitimation werden dabei in Innerschulische und Außerschulische Begründungen unterteilt, wobei letztere wiederum in Innersportliche und Außersportliche Begründungen unterschieden werden. Auch Balz (2000) und Scherler (1994) teilen ihre Argumente zur Legitimation des Schulsports in diese vier Bereiche ein (vgl. Abb. 1). Beachtet werden muss dabei, dass keine dieser Begründungen alleine gültig sein kann, sondern nur in Zusammenhang mit den anderen Begründungen Gültigkeit erhält.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Begründung zur Legitimation des Schulsports (aus Balz, 2000, S. 39)
Die Innerschulische Begründung signalisiert, dass der Schulsport als einziges Schulfach für leibliche Bildung und für angemessene Bewegung in der Institution Schule sorgt, dass er außerdem das Lieblingsschulfach von Schülern ist, durch Bewegung, Spiel und Sport schulisches Lernen unterstützt und eine wertvolle Bereicherung des Schullebens leistet (vgl. DOSB, 2009). Der Schulsport ist das einzige Schulfach, das einen Ausgleich zum reinen Sitzen, Zuhören, Lernen und Schreiben schafft und sowohl Körper als auch Geist trainieren kann (vgl. Balz, 1992). Scherler (1994, S. 6) beschreibt die Innerschulische Begründung mit den Stichworten: „Ganzheitlichkeit statt Kopflosigkeit, Bewegung statt Bewegungslosigkeit, Spaß statt Ernst“. Die Kultusministerkonferenz (2004) weist ebenso auf diese Aspekte hin. Die pädagogische Bedeutsamkeit des Sports in der Schule wird zunächst in und durch Bewegung erreicht. Dennoch darf die pädagogische Wirkung von Schulsport nicht nur auf die körperliche und motorische Ebene der Entwicklung von Schülern beschränkt werden. Die pädagogische Bedeutsamkeit des Sports besteht vielmehr in dem Ansatzpunkt ganzheitlicher Bildung und Erziehung. Denn Bewegung, Spiel und Sport fördere stets auch Emotionen, Motive, soziale Bezüge, Lernprozesse und Wertvorstellungen. Durch diese spezifischen Aufgaben und Möglichkeiten können durch den Sportunterricht wichtige überfachliche Erziehungsaufgaben der Schule geleistet werden. Diese sind z.B. Erziehungsaufgaben zur Gesundheitsförderung, zum sozialen Lernen, zur Erziehung zur Leistungsbereitschaft und zur Werteerziehung. Darüber hinaus bietet sich durch Kooperation mit anderen Fächern die Möglichkeit des fächerübergreifenden und fächerverbindenden Lernens (vgl. KMK, 2004).
Innersportliche Begründungen verweisen darauf, dass sich im Sportunterricht eine vielschichtige Bewegungskultur erschließt und Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden, die zur lebenslangen Teilhabe an Sport- und Bewegungsaktivitäten beitragen. Weiterhin lassen sich im Sportunterricht das Fundament bewegungsspezifischer Könnensleistung und der Zugang zu sportbezogenen Motiven und Interessen legen (vgl. DOSB, 2009). Die hohe Verantwortung und Bedeutung des Schulsports sowohl für das einzelne Individuum als auch die ganze Gesellschaft wird in der zentralen Aufgabe gesehen, Kinder und Jugendliche anzuregen und zu befähigen, „bis ins hohe Alter ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und ihre Gesundheit durch regelmäßiges Sporttreiben zu erhalten“ (KMK, 2004, S.3). Auch die im Lehrplan Nordrhein- Westfalens verankerten Richtlinien geben an, dass der Sport im Leben der Schüler einen andauernden und regelmäßigen Stellenwert einnehmen soll (vgl. MSWWF NRW, 1999). Im außersportlichen Bereich wird deutlich, dass der Schulsport Prozesse einer bewegungsdialogischen Selbsterfahrung und ganzheitlichen Entwicklungsförderung anregt. Schulsport fördert den Erwerb von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und die Möglichkeit der Identitätsbildung. Auch Klafki (2001) weist deutlich daraufhin, dass der Sport einen wichtigen Beitrag zu überfachlichen Schlüsselqualifikationen leiste, die zu einem selbstbestimmten und selbstverantwortlichen Handeln befähigen. Die Schüler sollen Sachkompetenz erlangen, indem sie zur mündigen, kompetenten, selbstbestimmten und solidarischen Teilhabe an der sportiven Kultur befähigt werden (vgl. Döhring & Gissel, 2014). Somit wird keinem anderen Schulfach als dem Sportunterricht eine auf den jeweiligen Entwicklungsstand angepasste Förderung von sozialen, emotionalen und kognitiven Handlungskompetenzen übertragen (vgl. DOSB, 2008). Sport leistet einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und Werteerziehung. Zu nennen sind hier Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft, Empathie- und Kooperationsfähigkeit, Fairness, Teamgeist, Rücksichtnahme und Integration von Schwächeren, Kontinuität und Durchhaltevermögen, Gewinnen- und Verlierenkönnen (vgl. ebd.). Diese Merkmale weisen dem Schulsport eine Hauptverantwortung für körperliche, sozial-emotionale und kognitive Bildungsprozesse zu (vgl. ebd.).
Der Schulsport bildet insgesamt also einen großen Teil des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags. Zu diesem Bildungs- und Erziehungsauftrag gehört es, dass die Institution Schule ihrer Verantwortung für Bewegungs-, Spiel- und Sporterziehung der Schüler nachkommt (vgl. KMK, 2004). Im Strategiepapier Perspektiven des Schulsports vor dem Hintergrund der allgemeinen Schulentwicklung der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2004 wird die erheblich gestiegene pädagogische Profilierung des Schulsports und eine gestiegene Orientierung am Output deutlich. Wesentliches Kennzeichen der aktuellen Lehrpläne ist insbesondere die Verknüpfung von Bewegungsfeldern, fachpädagogischen Zielsetzungen und fachübergreifenden erzieherischen Aufgaben. Durch diese Verknüpfung soll das Fach Sport mit seinen spezifischen Aufgaben, Inhalten und Organisationsformen noch stärker zur Verwirklichung des überfachlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule beitragen. Hierbei wird zunehmend mehr Wert auf die Erweiterung und Öffnung des Inhaltsspektrums gelegt, wodurch den einzelnen Schulen größere Gestaltungsspielräume gelegt werden, um auch schulischen, lokalen und regionalen Bedingungen gerechter zu werden (vgl. ebd.). Der Kernlehrplan für das Fach Sport basiert auf der Grundlage eines Erziehenden Sportunterrichts. Die Idee des Erziehenden Sportunterrichts entwickelte Balz in einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1992 (vgl. auch Döhring & Gissel, 2014). Dessen grundlegendes Unterrichtsprinzip obliegt in der Umsetzung von Mehrperspektivität und Handlungsfähigkeit (vgl. Baur, 1997; Schumacher, 2011). Die Handlungsfähigkeit besteht darin, dass die Schüler nicht nur Sportarten kennen lernen, sondern sich mit diesen auch kritisch auseinander setzen (vgl. Baur, 1997). Sie sollen die Ambivalenz des Sports verstehen und lernen, richtig mit ihr umzugehen. Zu dieser Ambivalenz gehört, dass der Sport einerseits gesundheitsfördernd und andererseits gesundheitsschädigend sein kann; er das Gemeinschaftsgefühl fördern, aber auch zu Rücksichtslosigkeit beitragen kann; die Identität der Schüler positiv beeinflussen, aber auch nachhaltig schädigen kann (vgl. Beckers, 2000; Kurz, 2000). Die Mehrperspektivität soll der Sinnfindung sportlichen Handelns dienen und eine eindimensionale Sichtweise des Sports verhindern (vgl. MSWWF NRW, 1999). Umgesetzt wird dies, indem die im Lehrplan verankerten Bewegungsfelder bzw. Sportbereiche (vgl. Abb. 2) durch sog. Inhaltsfelder akzentuiert werden. In der Akzentuierung dieser Inhaltsfelder bestehen auch der Auftrag und die Möglichkeit des Sportlehrers, die Schüler über die Vielfalt der historisch gewachsenen sportiven Kultur aufzuklären (vgl. Döhring & Gissel, 2014). Die Inhaltsfelder spiegeln den pädagogisch wertvollen Gehalt sportlicher Aktivität wider und zeigen, dass kein anderes Fach als der Schulsport die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in bestimmten Bereichen besser fördern kann (vgl. MSWWF NRW, 1999). Mit diesem Unterrichtsvorhaben sollen außerdem sinnvolle Beziehungen zwischen Schülern und dem jeweiligen Gegenstand gestiftet werden (vgl. DOSB, 2009). Die einzelnen Bewegungsfelder und Sportbereiche bestehen aus:
- Den Körper wahrnehmen und Bewegungsfähigkeiten ausprägen,
- Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen,
- Laufen, Springen, Werfen - Leichtathletik,
- Bewegen im Wasser- Schwimmen,
- Bewegen an Geräten- Turnen,
- Gestalten, Tanzen, Darstellen – Gymnastik/Tanz, Bewegungskünste,
- Spielen in und mit Regelstrukturen – Sportspiele,
- Gleiten, Fahren, Rollen – Rollsport / Bootssport / Wintersport,
- Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport (vgl. MSW NRW, 2011, S. 19f.) (vgl. Abb. 2).
Für die gymnasiale Oberstufe entfällt das Bewegungsfeld „Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen“ (MSW NRW, 2014, S. 21f.). Diese Bewegungsfelder und Sportbereiche verdeutlichen, dass immer noch die Bewegung des Sports im Vordergrund steht, wenn auch nicht immer eindeutig sportartspezifisch (vgl. Beckers, 2000). Der Schulsport hat die Aufgabe, aus jedem der neun Bereiche Erfahrungen und Kompetenzen zu vermitteln (vgl. MSW NRW, 2011). Die Bereiche 1 und 2 sind sportartübergreifende Bewegungsfelder und bieten Grundlage für die Entwicklungsförderung durch Bewegung und Spiel der Schüler. Sie können den Unterricht sowohl eigenständig bestimmen als auch in die Lernprozesse der Bewegungsfelder 3-9 integriert werden. Die Bereiche 3-9 sind so formuliert, dass sie bestimmten Bewegungsfeldern zugeordnet werden können und sich durch ihre typischen Bewegungsanforderungen von den anderen Bereichen abgrenzen. Durch diese Art der Formulierung soll die didaktische Notwendigkeit unterstrichen werden, im Schulsport einerseits den Bezug zu den außerschulisch verbreiteten Sportarten zu suchen, andererseits deren Grenzen immer wieder zu überschreiten (vgl. Aschebrock, 2001; MSW NRW, 2011).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Der "Würfel" der Bewegungsfelder (aus Balz, 2002, S. 185)
Die sechs Inhaltsfelder, die der Lehrer bei der Unterrichtsplanung zu prüfen, zu akzentuieren, zu kontrastieren und zu integrieren hat (vgl. Balz & Neumann, 1999), bestehen aus:
- Bewegungsstruktur und Bewegungslernen (a)
- Bewegungsgestaltung (b)
- Wagnis und Verantwortung (c)
- Leistung (d)
- Kooperation und Konkurrenz (e)
- Gesundheit (f) (vgl. MSW NRW, 2014).
Der gestiegene pädagogische Auftrag des Schulsports, sowie die zunehmende Output- Orientierung spiegeln sich insbesondere auch im sog. Doppelauftrag der neuen Lehrplangeneration wider. Dieser Doppelauftrag besteht aus der Erschließung der Bewegungs-, Spiel-, und Sportkultur, also dem bewegungsbildenden Sportunterricht und der Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport (vgl. Abb. 3), dem allgemeinbildenden Sportunterricht. In fast allen neuen Lehrplänen der Bundesländer ist er für den Sportunterricht verankert.
[...]
[1] Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere der Kompetenzbereich des Innovierens relevant. Dieser Bereich bezieht sich auf die Kompetenzentwicklung von Lehrern: „Innovieren - Lehrerinnen und Lehrer entwickeln ihre Kompetenzen ständig weiter“ (KMK, 2004, S. 12). Gefordert werden speziell die folgenden drei Kompetenzen: „Kompetenz 9: Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung. Kompetenz 10: Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe. Kompetenz 11: Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhabe“ (ebd., S. 12f.).
[2] Die Begriffe Referendariat und Vorbereitungsdienst werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
[3] SCHOLASTIK ist die Abkürzung für Schulorganisierte Lernangebote und Sozialisation von Talenten, Interessen und Kompetenzen (vgl. Helmke und Weinert, 1997).
[4] Gütekriterien sind dabei die von Wissenschaftlern empirisch abgesicherten Maßstäbe zur Beurteilung der Unterrichtsqualität (vgl. Gebken, 2003).
- Arbeit zitieren
- Erika Wießner (Autor:in), 2015, Sportlehrerprofessionalität. Merkmale und Kompetenzentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312511
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.