In Franz Kafkas Erzählung ‚Vor dem Gesetz’ versucht ein Mann vom Lande, Eintritt zum Gesetz zu erlangen und obwohl er es sein Leben lang versucht, will es ihm nicht gelingen.1 Andeutungsweise schneidet Kafka in seiner kurzen Erzählung einen Teil jener Problematik an, die sich in John R. Searles Begriff der so genannten Hintergrundfähigkeiten zeigt. Diesen Fähigkeiten möchte ich mich in dieser Arbeit widmen.
Der Begriff stellt einen Erklärungsversuch dar, mit dem aufgezeigt werden soll, wie wir ohne bewusstes Wissen um Regeln und Gesetze in der Welt zurechtkommen. Genauer in einer Welt, die aus unzähligen menschlichen Institutionen besteht, die auf Regeln und Gesetzen basieren. Das wir es können steht fest. Doch deckt Searles Konzeption die Schwierigkeiten auf, die dadurch entstehen: Wie können Regeln überhaupt eine kausale Rolle spielen, wenn wir sie für unser Handeln nicht bewusst anwenden? Um diese Problematik aber verständlich zu machen, muss ich zuerst erläutern wie Searle sich die Schaffung solcher Institutionen oder allgemeiner einer Institutionellen Wirklichkeit vorstellt. Oder anders formuliert, wie man zu Gesetzen und Regeln kommt und worin sie bestehen. Sobald dies geklärt ist, möchte ich dann zu dem was Searle Hintergrund nennt vorstossen und abklären wie er funktioniert. Um schliesslich zu zeigen wie man den Hintergrund auf die institutionelle Wirklichkeit anwendet. Zum Schluss möchte ich auf eine Problematik eingehen, die mir bei der gesamten Konzeption des Hintergrundbegriffs aufgetaucht sind. Um darauf basierend einen Einwand zu machen.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Die Institutionelle Wirklichkeit
2.1. Rohe und institutionelle Tatsachen
2.2. Schaffung einer institutionellen Wirklichkeit
3. Der Hintergrund
3.1. Funktionsweise des Hintergrunds
3.2. Manifestationen des Hintergrundes
3.3. Hintergrundverursachung
4. Schlussbemerkungen
4.1. Zusammenfassung
4.2. Kritik
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In Franz Kafkas Erzählung ‚Vor dem Gesetz’ versucht ein Mann vom Lande, Eintritt zum Gesetz zu erlangen und obwohl er es sein Leben lang versucht, will es ihm nicht gelingen.[1] Andeutungsweise schneidet Kafka in seiner kurzen Erzählung einen Teil jener Problematik an, die sich in John R. Searles Begriff der so genannten Hintergrundfähigkeiten zeigt. Diesen Fähigkeiten möchte ich mich in dieser Arbeit widmen.
Der Begriff stellt einen Erklärungsversuch dar, mit dem aufgezeigt werden soll, wie wir ohne bewusstes Wissen um Regeln und Gesetze in der Welt zurechtkommen. Genauer in einer Welt, die aus unzähligen menschlichen Institutionen besteht, die auf Regeln und Gesetzen basieren. Das wir es können steht fest. Doch deckt Searles Konzeption die Schwierigkeiten auf, die dadurch entstehen: Wie können Regeln überhaupt eine kausale Rolle spielen, wenn wir sie für unser Handeln nicht bewusst anwenden?
Um diese Problematik aber verständlich zu machen, muss ich zuerst erläutern wie Searle sich die Schaffung solcher Institutionen oder allgemeiner einer Institutionellen Wirklichkeit vorstellt. Oder anders formuliert, wie man zu Gesetzen und Regeln kommt und worin sie bestehen. Sobald dies geklärt ist, möchte ich dann zu dem was Searle Hintergrund nennt vorstossen und abklären wie er funktioniert. Um schliesslich zu zeigen wie man den Hintergrund auf die institutionelle Wirklichkeit anwendet.
Zum Schluss möchte ich auf eine Problematik eingehen, die mir bei der gesamten Konzeption des Hintergrundbegriffs aufgetaucht sind. Um darauf basierend einen Einwand zu machen.
2. Die Institutionelle Wirklichkeit
2.1. Rohe und institutionelle Tatsachen
Unerlässlich für das Verständnis einer sog. institutionellen Wirklichkeit ist die Abgrenzung von rohen und institutionellen Tatsachen, bzw. zwischen beobachterrelativen und immanten Eigenschaften der Welt.
Rohen Tatsachen beziehen sich auf solche Dinge wie Steine, Berge und Flüsse. Es bedarf für ihre Existenz nicht des Menschen. Dadurch haben sie immanente Eigenschaften, d.h. sie existieren auch unabhängig von einem Beobachter. Rohe Tatsachen benötigen für ihr Bestehen keinerlei menschlicher Institutionen, auch wenn ihre Benennung nur mit Hilfe einer sprachlichen Institution möglich ist.
Man muss hierbei anmerken, dass Searle die Existenz einer äusseren Wirklichkeit zweifelsfrei annimmt. Er geht von zwei, jedermann vertrauten Modellen aus: Der Atomtheorie der Materie und der Evolutionstheorie der Biologie. So schreibt er über seine Fundamentalontologie:
‚Wir leben in einer Welt die vollständig aus physischen Teilchen in Kraftfeldern besteht. Einige von ihnen sind in Systemen organisiert. Einige dieser Systeme sind lebende Systeme, und einige dieser lebenden Systeme haben Bewusstsein entwickelt. ’[2]
Im Gegensatz dazu gibt es die institutionellen Tatsachen, diese existieren nur weil es den Menschen gibt. Der Unterschied zu rohen Tatsachen besteht darin, dass sie neben immanenten Eigenschaften noch beobachterrelative haben oder ausschliesslich aus solchen bestehen. Diese Eigenschaften gibt es nur relativ zu einem Beobachter, der sich eine Meinung über sie macht. Dadurch werden institutionelle Tatsachen erst ermöglicht. Als institutionelle Tatsachen bezeichnet man Regierungen, Ehen aber auch eine Waffe, die eigentlich nur ein Knochen ist.
Mir ist bewusst, dass sich hier viele Problemfelder auftun, doch sind die nicht das Ziel meiner Arbeit. Eine Frage die sich aber unbedingt stellen sollte ist: Wie entstehen institutionelle Tatsachen oder allgemeiner, wie entsteht eine institutionelle Wirklichkeit?
2.2. Schaffung einer institutionellen Wirklichkeit
Searle setzt zur Beantwortung dieser Frage drei wesentliche Begriffe voraus: kollektive Intentionalität, Funktionszuweisung und konstitutive Regeln.
Intentionalität ist die Fähigkeit des Geistes sich auf Dinge und Sachverhalte in der Welt zu beziehen, von ihnen zu handeln oder auf sie gerichtet zu sein. Solchen intentionalen Zustände können folgende Form aufweisen: ‚Ich glaube das ist ein Knochen’, wobei ich mich auf einen Oberschenkelknochen beziehe. Oder ein Satz wie: ‚Ich will das Fussballturnier gewinnen’. Es sollte klar sein, dass es unendlich viel Arten von Intentionalität gibt, wobei es sogar möglich ist sich auf etwas zu beziehen das gar nicht existiert.
Unter kollektiver Intentionalität versteht man jene Fälle in der sich mehrere Personen auf dieselben Dinge beziehen. Sie hat die Form von Sätzen wie: ‚Wir glauben’ oder ‚Wir wollen’. Dies legt jedoch den Einwand nahe, dass es diese Form der Intentionalität gar nicht geben kann. Intentionalität geschieht immer nur innerhalb eines Subjekts, also muss die kollektive Intentionalität auf eine ‚Ich-Intentionalität’ reduziert werden. Laut Searle ist dies ein Trugschluss, da es durchaus möglich ist Intentionen als Teil einer Gruppe zu haben. So kann ich sagen: ‚Wir möchten dieses Turnier gewinnen’ ohne dass ich diese Aussage nur auf ‚Ich möchte dieses Turnier gewinnen’ reduzieren muss. Kollektive Intentionalität sei gegeben, sobald Menschen miteinander kooperieren.
Dadurch ist es möglich, dass sich Menschen gesellschaftliche Tatsachen schaffen, indem sie sich in gleicher Weise auf einen Gegenstand beziehen.
Mit Funktionszuweisung ist jene Fähigkeit gemeint, Dingen Funktionen zuzuweisen, die diesen nicht intrinistisch zukommt, d.h. eine Funktion wird einem Gegenstand, von einem oder mehreren Handelnden Wesen, von aussen zugewiesen. Einem Oberschenkelknochen einer Kuh wird z.B. die Funktion ‚Waffe’ zugewiesen. Oder ein abgebrochener Stein wird als Messer bezeichnet.
Die Zuweisung basiert auf natürlichen Merkmalen, deren nützliche Funktion der Mensch entdeckt. Der Clou daran ist, dass der Gegenstand diese Funktion nur hat, weil wir sie ihm zuweisen. Sie ist also beobachterrelativ.
Zuletzt müssen wir uns noch um den Begriff der konstitutiven Regeln kümmern. Mit ihnen verfügen man über alle ‚Werkzeuge’, die es für die Erschaffung der institutionellen Wirklichkeit braucht. Am einfachsten gelingt der Einblick indem man sie von den regulativen Regeln abgrenzt.
Regulative Regeln beziehen sich auf bereits existierende Tatsachen, sprich, sie regeln solche Dinge, die es wirklich gibt. Wir bezeichneten diese als rohe Tatsachen. Ein Beispiel für regulative Regeln sind die Verkehrsregeln. Das Phänomen des Verkehrs gab es schon vorher, die Regeln wurden nur geschaffen um ihn zu kontrollieren.
Im Unterschied dazu regeln konstitutive Regeln einen Sachverhalt nicht nur, sondern sie konstituieren oder ermöglichen ihn erst. Sehr deutlich wird der Unterschied mit Searles Beispiel des Schachspiels:
‚Es ist nicht so, dass Leute Holzstücke auf einem Brett hin und her geschoben haben und schliesslich einer gesagt hat: „Na, damit wir nicht dauernd zusammenstossen, sollten wir ein paar Regeln aufstellen“’[3]
Ohne die Schachregeln würde es das Spiel gar nicht geben. Beim Schachspiel ist also schon von einer institutionellen Wirklichkeit zu sprechen: Sie existiert nur weil mehrere Individuen kollektiv akzeptieren oder glauben, dass diese Figuren und das Brett die Funktion des Schachspiels haben, wobei die konstitutiven Regeln das Spiel überhaupt erst erschufen. Oder anders erklärt, es wurden den Spielfiguren mit Hilfe konstitutiver Regeln Funktionen zugewiesen, die alle anerkennen. Dies sind die Mechanismen die eine institutionelle Wirklichkeit entstehen lassen.
[...]
[1] Kafka, Franz: Die Erzählungen, hg. v. Roger Hermes, Frankfurt am Main 1996
[2] John R. Searle, Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit, deutsch von Martin Suhr, Reinbeck b. Hamburg 1997, S.17 (Konstr.ges.Wirk.)
[3] John R. Searle: Geist, Sprache und Gesellschaft, deutsch von Harvey P. Gavagai, Frankfurt am Main 2001, S. 148 (GSGesell.)
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- B.A. Philosophie David Egli (Author), 2004, Hintergrundfähigkeiten und die Erklärung gesellschaftlicher Erscheinungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31246
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