„Ich bin Batman!“ ist die feste Überzeugung eines American-Footballspielers nach einem überaus heftigen Zusammenprall mit seinem Gegenspieler (www.youtube.com, 2014). Die Pointe dieses Ausschnittes eines international erfolgreichen TV-Werbespots aus den 1990er Jahren zielt darauf ab, dass es sich bei dem Sportler offensichtlich nicht um Batman handelt und dass seine Verwirrtheit, im Anschluss an die Kollision auf dem Spielfeld, anhand seiner Antwort augenscheinlich wird.
Die Macher des Werbespots setzen logischerweise voraus, dass der Zuschauer weiß, wer Batman ist und wie er aussieht. Schließlich wollen sie eine möglichst große Publikumsreichweite erlangen, um ihr Produkt an den Mann oder die Frau bringen zu können. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen Batman kennen, ist groß. Als Hauptfigur unzähliger Comicbücher, Romane, Kunstwerke, Filme, TV-Serien und Kostümpartys ist Batman seit mehr als 70 Jahren Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Im Jahr 2010 brach der Kinofilm „Batman – The Dark Knight“ sämtliche Zuschauerrekorde und avancierte zu einem der ertragreichsten Kinofilme aller Zeiten (Kniebe, 2010).
Aber wer ist der Mann hinter der Fledermausmaske? Was macht ihn zu einem Garanten für preis-gekrönte Kinofilme und große Reichweiten von TV-Werbespots? Ist es seine gemischte Identität aus Mensch und Superheld, die ihn so interessant und belangvoll erscheinen lässt? Oder anders, aus einer soziologischen Perspektive heraus, gefragt: Welche soziale Bedeutung kommt heterogenen und heldenhaften Figuren wie Batman zu? Könnte eine Untersuchung sozialer Funktionen von hybriden Heldenwesen und ihren Merkmalen aufschlussreich für das Verständnis sozialer Ordnungsprozesse sein?
Die Seminararbeit geht diesen Fragen nach und setzt sich mit einem möglichen Zusammenhang von hybriden Heldenfiguren mit Pattern sozialer Ordnung auseinander. Zu diesem Zweck wird zunächst die Begrifflichkeit „der sozialen Ordnung“ hinterfragt, um den Methodologischen Individualismus als alle weiteren Überlegungen fundierendes soziologisches Modell vorzustellen. Daran anschließend werden Theorieelemente und Hypothesen dargelegt, die zum Verständnis von stabilen Vergesellschaftungssystemen beitragen sollen. Bevor eine Beteiligung heldenhafter Mischwesen an Prozessen menschlichen Gemeinschaftslebens ermittelt werden kann, erfolgt vorrangig die Bestimmung und Erörterung einer soziologischen Kategorie von hybriden Heldenfiguren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Soziale Ordnung – Hybride Ordnung
2.1. Über Handeln zur Ordnung
2.2. Wertschätzung, Status, Prestige
2.3. Kategorie: Hybride Heldenfiguren
2.4. Der „Homo-compositus ordinis“
3. Historie und Gegenwart hybrider Helden
3.1. Hybride Helden der ersten Stunde – Achilles
3.2. Hybride Helden des Glaubens – Jesus Christus
3.3. Hybride (Super-)Helden heute – Batman
4. Fazit
5. Abbildungsverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Ich bin Batman!“ ist die feste Überzeugung eines American-Footballspielers nach einem überaus heftigen Zusammenprall mit seinem Gegenspieler (www.youtube.com, 2014). Die Pointe dieses Ausschnittes eines international erfolgreichen TV-Werbespots aus den 1990er Jahren zielt darauf ab, dass es sich bei dem Sportler offensichtlich nicht um Batman handelt und dass seine Verwirrtheit, im Anschluss an die Kollision auf dem Spielfeld, anhand seiner Antwort augenscheinlich wird. Die Macher des Werbespots setzen logischerweise voraus, dass der Zuschauer weiß, wer Batman ist und wie er aussieht. Schließlich wollen sie eine möglichst große Publikumsreichweite erlangen, um ihr Produkt an den Mann oder die Frau bringen zu können. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen Batman kennen, ist groß. Als Hauptfigur unzähliger Comicbücher, Romane, Kunstwerke, Filme, TV-Serien und Kostümpartys ist Batman seit mehr als 70 Jahren Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Im Jahr 2010 brach der Kinofilm „Batman – The Dark Knight“ sämtliche Zuschauerrekorde und avancierte zu einem der ertragreichsten Kinofilme aller Zeiten (Kniebe, 2010). Aber wer ist der Mann hinter der Fledermausmaske? Was macht ihn zu einem Garanten für preis-gekrönte Kinofilme und große Reichweiten von TV-Werbespots? Ist es seine gemischte Identität aus Mensch und Superheld, die ihn so interessant und belangvoll erscheinen lässt? Oder anders, aus einer soziologischen Perspektive heraus, gefragt: Welche soziale Bedeutung kommt heterogenen und heldenhaften Figuren wie Batman zu? Könnte eine Untersuchung sozialer Funktionen von hybriden Heldenwesen und ihren Merkmalen aufschlussreich für das Verständnis sozialer Ordnungsprozesse sein?
Die Seminararbeit geht diesen Fragen nach und setzt sich mit einem möglichen Zusammenhang von hybriden Heldenfiguren mit Pattern sozialer Ordnung auseinander. Zu diesem Zweck wird zunächst die Begrifflichkeit „der sozialen Ordnung“ hinterfragt, um den Methodologischen Individualismus als alle weiteren Überlegungen fundierendes sozio-logisches Modell vorzustellen. Daran anschließend werden Theorieelemente und Hypothesen dargelegt, die zum Verständnis von stabilen Vergesellschaftungssystemen beitragen sollen. Bevor eine Beteiligung heldenhafter Mischwesen an Prozessen menschlichen Gemeinschaftslebens ermittelt werden kann, erfolgt vorrangig die Bestimmung und Erörterung einer soziologischen Kategorie von hybriden Heldenfiguren. Im zweiten Teil der Untersuchung wird die Existenz hybrider Heldenfiguren im Zeitverlauf der Menschheitsgeschichte nachvollzogen und unter die soziologische Lupe genommen. Dazu rücken drei exemplarische Helden ihrer Zeit, in Person von Achilles als Stellvertreter antiker Halbgötter, Jesus Christus als Substitut von hybriden Heldenwesen des Glaubens sowie Batman als Repräsentant moderner Superhelden, in den Forschungsfokus. Sowohl die spezifischen Merkmale der jeweiligen Heldenfigur als auch ihre kategorialen Platzhaltereigenschaften sollen analysiert und herausgestellt werden. Ein abschließendes, die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zusammenfassendes, Fazit bildet den Schluss der Arbeit.
2. Soziale Ordnung – Hybride Ordnung
2.1. Über Handeln zur Ordnung
Vorbedingung eines geordneten Zusammenlebens von Menschen ist das Leben und Handeln des einzelnen Menschen. Das Handeln einer Person ist an einen „subjektiv gemeinten Sinn“ gekoppelt, der auf die Kontrolle ihrer inneren und äußeren Umwelt ausgerichtet ist (Weber, 1980, S. 1f.). Dabei umfasst die Umwelt einer Person die gesamte Umgebung, die zu dieser in Verbindung steht. Aufgrund der „Sozialnatur des Menschen“ (vgl. Parsons, 1964) ist Handeln somit unvermeidbar auch soziales Handeln, wobei sich der handelnde Mensch (Ego) an den Handlungsmöglichkeiten des/der Menschen, zu dem/denen er in Beziehung steht (Alter), orientieren muss. Soll Egos Handlung zielführend sein, sieht er sich außerdem veranlasst, die Erwartungen Alters in sein Tun miteinzubeziehen. Neben den Erwartungen der beteiligten Akteure bilden Normen einen wichtigen Bestandteil sozialen Handelns. Normen sind Sollenserwartungen, die von einer Person an eine andere gehegt werden. Sie objektivieren die faktischen Erwartungen Egos wie Alters und fungieren als übergeordnete Instanz. Die Gültigkeit einer Norm ist ein sozialer Tatbestand innerhalb einer Vergesellschaftung (Weber, 1980). Dennoch erscheint es paradox, dass soziales Handeln auf der Mikroebene, welches einer sozialen Ordnung auf der Makroebene vorangestellt ist, von sozialen Tatbeständen der Makroebene beeinflusst und gesteuert wird. Der offenkundige Widerspruch kann aufgelöst werden, indem man die Handlungen und Verhaltensweisen von Akteuren auf der Mikroebene in den Plural setzt. Kollektive Ereignisse werden folglich mittels aggregierter Individualhandlungen begreiflich gemacht. Dieses Modell soziologischer Theorie wird als Methodologischer Individualismus bezeichnet und ist maßgeblich auf James S. Coleman zurückzuführen. Zur Erklärung sozialer Phänomene lässt der Methodologische Individualismus Schlüsse von der Makro- auf die Mikro- und in der Folge wiederum auf die Makroebene sozialen Handelns zu (Coleman, 1986). Abbildung 1 stellt diese Vorgehens-weise, die angesichts ihrer Form auch als „Colmansche Badewanne“ bekannt ist, grafisch dar. Die Eigenschaften des Systems auf der Makroebene, beispielsweise die Art der Ressourcenverteilung oder das Vorhandensein von Normen und Restriktionen, definieren die Ausgangssituation (P0), die Grundlage des Handelns für den Akteur (P1) auf der Mikroebene ist. Unter Berücksichtigung verschiedener Handlungsalternativen, die durch die beschriebenen Komponenten sozialen Handelns bestimmt werden, trifft der Akteur (P1) seine Handlungswahl (P2) auf der Mikroebene. Eine Aggregation der Einzelentscheidungen (P2), die sich exemplarisch durch die Aufsummierung einer Menge von individuellen Handlungen vollziehen kann, leitet über zu einem Ergebnis kollektiven Verhaltens (P3) auf der Makro-ebene, wo sich wiederum neue soziale Tatbestände herausbilden (Coleman, 1992).
Es lässt sich festhalten, dass „die (umfassende) soziale Ordnung“ nicht existiert. Vielmehr entwickeln miteinander handelnde Menschen eine Vergesellschaftungsform, die auf einer legitimen Ordnung beruht (Weber, 1980). Die Orientierung individueller und kollektiver Akteure an dieser legitimen Ordnung ist demnach nichts anderes als die Orientierung an anderen Menschen, was faktisch soziales Handeln ausmacht.
2.2. Wertschätzung, Status, Prestige
Soziales Handeln impliziert immer eine Zielgerichtetheit, die mit einer Erfolgsorientierung der Handelnden einhergeht. Dabei werden sowohl Ego als auch Alter mit dem Handlungs-erfolg des Gegenüber konfrontiert. Um die eigenen Handlungsalternativen abschätzen zu können, vollzieht sich eine Bewertung des gegenseitigen Handlungserfolgs sowie gegebenenfalls eine Anpassung des Verhaltens. Folglich ist dieser Bewertungsprozess, der auch als soziale Wertschätzung bezeichnet werden kann, als inhärenter Bestandteil sozialen Handelns zu betrachten (Parsons, 1964). Darüber hinaus stellt fremde Wertschätzung des eigenen Handelns ein anthropologisches Grundbedürfnis dar: „Selbstwertgefühl und Selbst-anerkennung (…) braucht soziale Validierung, braucht einen Außenhalt, braucht Bestätigung durch Andere“ (Popitz, 1987, S. 633). Die Wertschätzung, welche höher oder niedriger ausfallen kann, ist also ebenso Bedingung der Ausbildung eines Selbstbewusstseins wie Element sozialen Handelns. Die Davis-Moore-Hypothese aus dem Jahr 1944 verfolgt die Idee, dass bestimmte Kategorien von Personen einen großen Beitrag zum Gemeinwohl leisten und damit eine hohe soziale Wertschätzung genießen (Davis & Moore, 1944). Die Basis der Bewertung bildet nun nicht mehr die Erfahrung aus konkreten sozialen Beziehungen. Eine spezifische Person ist nur noch Platzhalter für eine Kategorie von Personen, die aufgrund ihrer Funktion, ihrer Wichtigkeit und Leistung wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Das theoretische Konzept beinhaltet eine Rangfolge, die Gleichheit ausschließt. So tragen verschiedene Gruppen in unterschiedlichem Maß zum Gemeinwohl bei, weshalb die Wertschätzung zwischen den Gruppen differenzieren muss. Gruppen, die eine hohe Wertschätzung genießen, wirken sich als Teil des Systems auf der Makroebene wiederum verstärkt auf das handelnde Individuum aus, wodurch der soziale Status der Gruppenmitglieder auf Dauer gefestigt wird.
In diesem Kontext definiert der soziale Status die Position eines Menschen, als Ange-hörigem einer Kategorie von Personen, im Verhältnis zu allen anderen Mitgliedern einer Vergesellschaftung. Eine mehr oder minder hohe Stellung lässt sich auf Kriterien sozialer Ungleichheit zurückführen, durch die die hierarchischen Zusammenhänge innerhalb der sozialen Gemeinschaft sichtbar gemacht werden können. Indikatoren, die sich dazu eignen, den sozialen Status abzubilden, sind beispielsweise Abweichungen im Grad der Bildung, Einkommensunterschiede oder Herkunftsverhältnisse. An diesen Beispielen wird deutlich, dass eine Person in unterschiedliche Status-Verteilungen eingeordnet wird und innerhalb dieser verschiedenen Personen-Kategorien angehört, die in ihrer sozialen Wertschätzung variieren können. Ergo sollte man nicht von einem sozialen Status sprechen, sondern verschiedene soziale Stati einer spezifischen Person konstatieren. Allerdings hat sich in den komplexen Industriegesellschaften der Gegenwart der sogenannte sozio-ökonomische Status durchgesetzt, um den absoluten sozialen Satus einer Person wiedergeben zu können. In den sozio-ökonomischen Status gehen Einkommensverhältnisse, Beruf und Ausbildung mit ein. Dem Beruf kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu, da die meisten Ungleichheits-dimensionen eng mit der beruflichen Position einer Person in Zusammenhang stehen (Hoffmeier-Zlotnik & Geis, 2003). Das Ansehen einer beruflichen Stellung wird als Berufsprestige bezeichnet und lässt sich mittels international klassifizierter Prestige-Skalen messen. Im Jahr 2003 hat eine Auswertung verschiedener Studien mit mehr als 74.000 Beteiligten aus 16 Ländern ergeben, dass Ärzte, die im Volksmund auch als „Halbgötter in weiß“ oder „Helden des Alltags“ bezeichnet werden (vgl. Glover, 2010; Gojdka, 2013), im inter-nationalen Vergleich über das größte Berufsprestige verfügen (Hoffmeier-Zlotnik & Geis, 2003). Dementsprechend kann unter Berücksichtigung des Konzepts von Davis und Moore herausgestellt werden, dass die Personen-Kategorie der Ärzte einen besonders großen Beitrag zum Gemeinwohl leistet. Dank der positiven Wertschätzung durch die soziale Gemeinschaft erfreut sich der Arzt eines hohen sozialen Status, welcher sich als sozialer Tatbestand in der Folge wiederum auf das Handeln auswirkt.
2.3. Kategorie: Hybride Heldenfiguren
Dass Ärzte durch die übrigen Gesellschaftsmitglieder als „Halbgötter“ oder „Helden“ gewürdigt werden, impliziert eine der für die Kategorie der Ärzte entsprechende, wenn nicht sogar höhere, soziale Wertschätzung einer Kategorie der Halbgötter und Helden. Weiterhin scheinen die Angehörigen dieser Kategorie als Vorbilder innerhalb einer Vergesellschaftung zu fungieren sowie über einen bemerkenswerten sozialen Status zu verfügen. Doch was macht die besonderen Merkmale dieser speziellen Personen-Kategorie aus und wodurch verdient sie sich die hohe soziale Wertschätzung?
Es wurde bisher ausführlich dargelegt, dass der Mensch ein soziales Wesen und nur als solches handlungsfähig ist. Ego bewertet sowohl die Fertigkeiten Alters als auch dessen Verhalten, er schaut sich erfolgreiche Handlungsweisen ab und versucht diese zu über-nehmen. Akteure, die großen Handlungserfolg aufweisen und besondere Eigenschaften in sich vereinbaren können, agieren als Vorbilder. Aus motivationspsychologischer Perspektive erfüllen Vorbilder zudem das Bedürfnis nach Identifikation, das zum Zweck der Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit befriedigt werden muss (Grau, 2013). Eine Gruppe von Personen, die sich über ihre Vorbildfunktion definiert, formen Helden. So ist der Held „jemand, der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt, eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihm Bewunderung einträgt (…) der sich durch außer-gewöhnliche Tapferkeit (…) auszeichnet und durch sein Verhalten zum Vorbild [gemacht] wird“ (www.duden.de, 2014). Gibt man heute den Begriff „Held“ in die Internetsuch-maschine Google ein, erhält man über dreihundert Millionen Suchergebnisse. Erste Ursprünge der Heldenverehrung lassen sich jedoch bereits bis zu den Wandmalereien frühester Urvölker zurückdatieren. Mit der Ausbildung einer menschlichen Zivilisation während der Antike brach vor über drei Jahrtausenden das Zeitalter der Mythologie an, welche das Fundament damaliger Künste und Kultur bildete. Die Mythologie erzählt die Geschichten der Götter und Halbgötter, die in ihrem Kampf um Ruhm und Ehre zu Vorbildern auserkoren wurden. Gleichwohl kann Heldenfiguren auch während des Mittel-alters und der Neuzeit eine erhebliche Bedeutung zugesprochen werden. In nahezu allen religiösen Schriften sämtlicher Kulturkreise dieser Zeit lassen sich Heldenbilder erkennen, deren Verhaltensweisen als Handlungsmaßstab Verwendung fanden und trotz eines schwindenden Stellenwertes bis heute finden (Campbell, 1989). Die eigentlichen Protago-nisten modernen Heldentums werden allerdings durch Superhelden verkörpert, die durch Massenmedien wie Comics und Filme weltweit Relevanz erlangt haben (Stein et al., 2009).
Seit jeher verfügen die benannten Heldenfiguren über eine markante Gemeinsamkeit, die in der oben dargelegten Heldendefinition hingegen fehlt. Es ist ihre Hybridität. So treten die zentralen Akteure der griechischen Heldenepen, der religiösen Schriften nachfolgender Epochen sowie der populärkulturellen Comicbücher der Gegenwart zwar als Menschen in Erscheinung, ihr Handeln aber ist übermenschlich. Übernatürliche Fähigkeiten, wie immense Stärke oder Schnelligkeit, die Kraft Wunden heilen oder über Wasser laufen zu können, bilden konstituierende Kennzeichen dieser hybriden Heldenfiguren. Andererseits lassen sie sich anhand vielschichtiger menschlicher Eigenschaften charakterisieren. Häufig sind es die Schwächen eines Helden, die seine Menschlichkeit akzentuieren. Diese menschlichen Wesensmerkmale sind essentiell, ermöglichen sie erst eine Identifikation mit dem übermenschlichen Vorbild (Betcher & Pollack, 1995).
Eine auf Mythen und Legenden beruhende hypothetische Personen-Kategorie hybrider Heldenfiguren konnte somit eruiert werden. Allerdings spricht das seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte fortdauernde Bestehen hybrider Heldenkonzepte im Zusammenspiel mit einer kulturübergreifenden Bedeutsamkeit für ihre enorme soziale Strahlkraft. Die soziale Wirksamkeit und Funktion der Heldengeschichten gestalten den Rahmen für eine soziale Wirklichkeit, in der die hybriden Heldenfiguren, erdacht von sozialen Akteuren, selbst zu Akteuren sozialen Handelns werden. „Der Mythos in einer Gesellschaft (…) ist keine bloß erzählte Geschichte, sondern eine gelebte Realität (…) durch die das gegenwärtige Leben, Schicksal und Wirken der Menschheit bestimmt ist und deren Kenntnis den Menschen (…) zu Handlungen, andererseits mit Anweisungen zu ihrer Ausführung versieht“ (Jung & Kerényi, 1980, S. 14). Ferner sind Erforschung und Beweis einer tatsächlichen Existenz von helden-haften Mischwesen Gegenstand von Strömungen der Religions- und Kulturwissenschaften, die in ihren Untersuchungen eine Akteursqualität hybrider Kreaturen voraussetzen (Piennisch & Wassermann, 2012). Aus diesen Gründen erscheint eine soziologische Untersuchung der Personen-Kategorie hybrider Heldenfiguren nicht nur adäquat, sie könnte darüber hinaus sogar sehr aufschlussreich sein. Die Angehörigen der zu untersuchenden Kategorie zeichnen sich indes durch Unerschrockenheit und Mut sowie durch ihre außergewöhnliche Tapferkeit aus. Aufgrund ihres Verhaltens werden sie bewundert und wertgeschätzt, was sie zu Vor-bildern für den Einzelnen sowie für die soziale Gemeinschaft macht. Die enge Verbundenheit von übernatürlichen Fähigkeiten mit menschlichen Eigenschaften (Schwächen) festigt die Vorbildfunktion der Helden und stellt gleichzeitig die Grundlage ihres Handelns dar.
2.4. Der „Homo-compositus ordinis“
Der sozio-ökonomische Status bildet einen Fixpunkt aktueller soziologischer Ordnungsmodelle, die eine Hierarchie bzw. Schichtung sozialer Gruppen in einer Vergesellschaftung mittels sozialer Wertschätzung herzustellen und zu erklären suchen (siehe 2.2.). Dieses Vorgehen ist nur folgerichtig, da Wirtschaft und Kapital die bestimmenden Faktoren gegenwärtiger Lebenswelten innerhalb globaler Industriegesellschaften ausmachen. Dennoch sollte keine Interpretation des sozio-ökonomischen Status im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals sozialer Schichtung vorgenommen werden, gründet dieser doch auf einigen wenigen Indikatoren sozialer Ungleichheit und lässt viele weitere Aspekte menschlichen Zusammen-lebens außer Acht. Betrachtet man, losgelöst vom sozio-ökonomischen Kosmos, alternative Gegebenheiten und Phänomene sozialer Wirklichkeit, könnte exemplarisch Macht anstelle des Berufs als primäre Variable zur Messung von Prestige sowie zur Abbildung des sozialen Status herangezogen werden. Unter Macht soll dabei, Max Weber folgend, „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durch-zusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1980, S.28) verstanden werden. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die Personen-Kategorie der hybriden Heldenfiguren eine ausgesprochen mächtige ist, da ihre Mitglieder übermenschliche Kräfte besitzen und dadurch überdurchschnittlich großen Handlungserfolg generieren sollten. Eine starke Macht-Variable voraussetzend, kann hybriden Heldenfiguren unterstellt werden, dass sie ein hohes Maß an Macht-Prestige sowie, daraus resultierend, einen hohen sozialen Status aufweisen sollten. Weiterhin zeichnen sich die hybriden Heldenfiguren dadurch aus, dass sie komplexe Aufgaben bewältigen und außergewöhnliche Taten vollbringen, was als großer Beitrag zum Gemeinwohl ausgelegt werden kann. Nach Davis und Moore resultiert aus der Bewunderung ihrer Taten durch die übrigen Mitglieder der sozialen Gemeinschaft eine hohe soziale Wertschätzung ihrer Personen-Kategorie (Davis & Moore, 1944).
Es darf angenommen werden, dass eine Personen-Kategorie hybrider Heldenfiguren Bestandteil von sozialen Ordnungsprozessen ist. Vorbildfunktion, hohe soziale Wert-schätzung und sozialer Status der Heldenfiguren bieten Alter und Ego Orientierung im Hinblick auf eine legitime Ordnung miteinander handelnder Menschen. Mittels eines aggregierten handlungsbegleitenden Konsenses über die (Sollens-)Erwartungen entstehen hierbei sanktionsfähige Normen (siehe 2.1.). Die Vermischung von menschlichen mit übermenschlichen Eigenschaften macht ein besonderes Merkmal der Helden aus, steht ihre wesensbildende Hybridität doch im Widerspruch zu althergebrachten Ordnungsmustern in den Sozialwissenschaften, die auf der Eindeutigkeit und Abgrenzung von verschiedenen sozialen Kategorien zueinander beruhen (vgl. Weber, 1980; Parsons, 1964). Im Kontrast zu diesen Ordnungsmustern formt die „Uneindeutigkeit“ einer Helden-Kategorie einen sozialen Tatbestand auf der soziologischen Makroebene, der wiederum konstitutive Auswirkungen auf eine legitime Ordnung des Handelns inkludiert. Nachdem die Existenz „der (umfassenden) sozialen Ordnung“ bereits negiert wurde, wird nun zusätzlich die Eindeutigkeit einer legitimen Ordnung durch eine möglicherweise „hybride Ordnung“ infrage gestellt.
3. Historie und Gegenwart hybrider Helden
3.1. Hybride Helden der ersten Stunde – Achilles
Nach Platon bezeichnet die griechische Mythologie die Lebendigkeit und Beweglichkeit einer alten Stoffmasse überlieferter Erzählungen über Götter, göttliche Wesen und Heroenfahrten. Diese Materie ist fest und doch beweglich, stofflich, aber nicht statisch, sie arrangiert Vergangenes mit Gegenwärtigem (Jung & Kerényi, 1980). Mythologie ist hybrid, etwas Verwandlungsfähiges, genau wie die Figuren, von denen sie berichtet. Götter sind, den Auffassungen der alten Griechen zufolge, Wesen, die zwar in Menschengestalt auftreten, aber wesentlich stärker, mächtiger und schöner anmuten als die Menschen. Unsterblichkeit, ewige Jugend, unglaubliche Schnelligkeit oder die Gabe sich unsichtbar machen zu können bilden nur einige der Vorzüge, die die Götter von den Menschen unterscheiden. Als Urheber des Guten wie des Bösen bilden Götter den Ursprung des Seins, den Grund der Welt, da alles auf ihnen beruht und aus ihnen hervorgeht. Sie thronen über den Menschen, indem sie den Olymp bewohnen und sich mit ihren jeweiligen Wirkungskreisen befassen. In allem Übrigen, wie den Charaktereigenschaften und Handlungsmotiven, sind sich Götter und Menschen gleich, sie lieben, zanken, betrügen, vereinen und entzweien sich. Die Menschen dagegen feiern und fürchten die übermenschliche Größe der allmächtigen Götter gleichermaßen (vgl. Brohm, 1973; Jung & Kerényi, 1980). Bei einer Vielzahl der mythischen Erzählungen stehen die Halbgötter, die aus Verbindungen der Götter mit den Menschen hervorgehen, im Mittelpunkt des Geschehens. Halbgötter verfügen lediglich über einige und nicht über alle Vorzüge der Götter, außerdem sind sie in aller Regel nicht unsterblich, was sie von den Göttern abhebt und den Menschen angleicht. Eine Identifikation mit den Halbgöttern als handelnden Akteuren fällt somit leichter, weisen diese doch wesentlich mehr Ähnlichkeiten mit den Menschen auf als die zwar hybriden aber doch unerreichbaren Götter. Demnach kann Halbgöttern eine Vorbildfunktion und damit eine Position in der Kategorie hybrider Heldenfiguren zugedacht werden.
Eine der bedeutendsten Heldenfiguren der antiken Mythologie ist der griechische Halbgott Achilles. Achilles wurde als Sohn der Nereide Thetis und des Königs Peleus, der als direkter Nachfahre des Göttervaters Zeus über das aiakidische Reich herrschte, geboren. Als Achilles noch ein Kind war, wollte Thetis ihren Sohn unsterblich machen. Sie war bestrebt, ihn vor einem frühen Tod zu schützen, da sie um sein Schicksal eines kurzen ruhmvollen Daseins wusste. Zu diesem Zweck salbte sie ihn tagsüber mit Ambrosia und läuterte ihn nachts im Feuer. Als Peleus sie eines Abends bei ihrem Tun überraschte, zog er Achilles aus den Flammen und verhinderte ihre Absicht. Daraufhin tauchte Thetis ihren Sohn in das Wasser der unterirdischen Styx, wodurch er unverwundbar wurde mit Ausnahme der Ferse an der sie ihn gehalten hatte (Peterich & Grimal, 2000). Diese kleine Schwachstelle des Halbgottes sollte ihm später nicht nur zum Verhängnis werden, sondern unterstreicht auch Achilles menschliche Komponente. Die Aufrechterhaltung des menschlichen Makels der Sterblichkeit ermöglicht es Ego und Alter die Handlungsalternativen des Helden weiterhin nachvollziehen zu können. Seine Handlungen als sozialer Akteur lassen sich abschätzen und sein Handlungserfolg stellt eine bewertbare Größe dar.
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