Einleitung
Im Rahmen des Proseminars ,,Frühgeschichte der DDR bis zum Mauerbau 1949 - 1961" im Wintertrimester 1999 beschäftigte ich mich mit dem ,,Stalinismus" in der DDR und dem Personenkult um Stalins Person in der Sowjetunion und in der DDR.
Im folgenden möchte ich J. W. Stalin und seinen Weg an die Machtspitze in der UdSSR vorstellen und die Einführung und Durchsetzung des von ihm geprägten Gesellschaftssystems in der DDR beschreiben. Auffallend war bei der Erarbeitung der Themen die fast deckungsgleiche Übereinstimmung in Übernahme, Sicherung und Ausbau der politischen Macht in der Sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik durch deutsche Kommunisten mit dem Aufstieg Stalins in der Sowjetunion.
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Inhalt
1. Einleitung
2. Definition des Stalinismus
3. Stalins Aufstieg
4. Der Beginn der Ära Stalin - Personenkult als politische Institution
5. Die Zeit des ,,Großen Terrors"
6. Die Einführung des Stalinismus in der DDR - Terror und Säuberungen
7. Der Stalinkult in der DDR
8. Schlußbetrachtung
9. Anhang Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen des Proseminars ,,Frühgeschichte der DDR bis zum Mauerbau 1949 - 1961" im Wintertrimester 1999 beschäftigte ich mich mit dem ,,Stalinismus" in der DDR und dem Personenkult um Stalins Person in der Sowjetunion und in der DDR.
Im folgenden möchte ich J. W. Stalin und seinen Weg an die Machtspitze in der UdSSR vorstellen und die Einführung und Durchsetzung des von ihm geprägten Gesellschaftssystems in der DDR beschreiben. Auffallend war bei der Erarbeitung der Themen die fast deckungsgleiche Übereinstimmung in Übernahme, Sicherung und Ausbau der politischen Macht in der Sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik durch deutsche Kommunisten mit dem Aufstieg Stalins in der Sowjetunion.
2. Definition des Stalinismus
Stalinismus ist allein unter Terror, Verbrechen, Personenkult usw. nicht zu fassen. Er bildet vielmehr ein Theorie- und Denkgebäude, eine in sich geschlossene Weltanschauung. Nach Meyer´s Lexikon ist Stalinismus die
1. von J. W. Stalin geprägte theoretische Interpretation des Marxismus- Leninismus, gekennzeichnet durch Dogmatisierung des Marxismus- Leninismus, Reduzierung der Dialektik auf bloße Gegensätzlichkeit sowie durch eine starre Schematisierung.
2. Als Herrschaftsform wird unter Stalinismus die Diktatur einer kommunistischen Parteiführung oder - wie im Falle Stalins - eines Parteiführers verstanden (mit Repression, Terror und Personenkult).
Um den in der DDR übernommen Stalinismus und den damit verbundenen Personenkult zu beschreiben, muß man zuerst Stalins Weg an die Macht und seine diktatorische Herrschaft in der UdSSR betrachten.
3. Stalins Aufstieg
Zu den während der Revolution noch kaum bekannten Funktionären, die sich im Bürgerkrieg als Machtpraktiker profilierten, gehörte auch ein gewisser Koba, der sich, nachdem er fast ein Dutzend Pseudonyme ( z. B. Iwanowitsch, Tschishikow, Stefin, Solin ) gewechselt hatte, seit Anfang 1913 Stalin nannte. Dieser Koba, mit richtigem Namen Jossif Wissarionowitsch Dshugaschwili, geboren am 21. Dezember 1879 in Gori in der Nähe von Tiflis, war ein schmächtiger Georgier. Als Kind litt Jossif an Pocken, was dazu führte, daß sein Gesicht zeitlebens entstellt war, außerdem wurde das Wachstum seines linken Arms durch eine Blutvergiftung stark beeinträchtigt. Sein Vater starb, als Jossif elf Jahre alt war. Im Alter von 15 Jahren wurde er in ein Tiflisser Priesterseminar geschickt, in dem er sich anfangs als guter Schüler auszeichnete. Ab 1898 beginnt er sich politisch zu engagieren. Er widmete sich der sozialdemokratischen Propaganda und wurde deshalb von dem Tiflisser Priesterseminar 1899 wegen Respektlosigkeit und politischer Unzuverlässigkeit ausgeschlossen. Seither trat er mit einer Reihe marxistischer Propagandaartikel hervor1. Den Decknamen Koba ( ein türkischer Dialektausdruck, der ,,der Unbeugsame" bedeutet ) hatte sich Dshugaschwili seinerzeit nach einem von ihm bewunderten Helden aus der georgischen Literatur zugelegt. Das neue Pseudonym, das, sich rein akustisch an den Parteinamen
(Lenin hieß mit bürgerlichen Namen eigentlich Uljanow) des unumstrittenen Führers anlehnend, vom Wort Stahl abgeleitet, ja durchaus beeindruckend klang, zeugt zweifellos von der Verehrung Stalins für Lenin. Es läßt darüber hinaus auch die Vermutung zu, daß sich der damals noch völlig unbekannte Stalin bereits zu jener Zeit mit dem Gedanken trug, dereinst in die Nähe Lenins aufzurücken oder sich gar neben ihn zu stellen2.
Die neuentstandene sozialistische Arbeiterpartei vermochte sich in ihren Anfangsjahren nicht vollständig vom Verschwörertum ihrer Anfangszeit zu lösen. Das lag einesteils daran, daß sie in tiefster Illegalität antrat und sich aller nur denkbaren konspirativen Mittel bedienen mußte. Zum anderen hielt sie es, von vornherein alle bürgerlichen Moralvorstellungen ablehnend, für vertretbar, zur Finanzierung ihrer Organisationen und ihrer zum Teil im Ausland hergestellten3, durch schwierige Transportbedingungen verteuerten Zeitungen zu abenteuerlichen Methoden zu greifen. So schreckte sie nicht vor sogenannten Expropriationen, also vor Raubüberfällen auf Geldtransporte und Banken zurück,
bei denen einige Funktionäre, z. B. eben jener Koba, ein nicht alltägliches Organisationstalent entwickelten4. Das brachte Stalin später in der DDR den (geflüsterten) Beinamen ,,der georgische Bankräuber" ein.
An der Vorbereitung und Durchführung der Oktoberrevolution, an dessen Spitze Lenin und der Vorsitzende des Revolutionären Militärkomitees Trotzki standen, war Stalin nicht beteiligt. Dessen ungeachtet stellte er sich später als den zweiten Mann in der Revolutionsführung dar und rief einen ganzen Wissenschaftszweig ins Leben, um diese Legende auszubauen und zu verbreiten.
Die Verfälschung der Geschichte gehört generell zum Beiwerk des Stalinismus und blieb bis in die poststalinistische Periode hinein ein tragendes Element des zur Beherrschung der Massen unverzichtbaren Führermythos.
So wurden zum Beispiel Nikita Chruschtschow und besonders Leonid Breshnew in der Zeit, in der sie an der Spitze der Sowjetunion standen, maßlose Verdienste während des Zweiten Weltkrieges angedichtet.
Am 30. August 1918 war Lenin durch die Schüsse einer Attentäterin schwer verletzt worden. Seine volle Arbeitsfähigkeit erlangte er aber nie wieder. Die Führung von Staat und Partei begann ihm seitdem unmerklich zu entgleiten. Im April 1922 wurde Stalin zum Generalsekretär des ZK der KPdSU gewählt. Am 26. Mai 1922 erlitt Lenin seinen ersten von drei Herzinfarkten. er mußte in ein Landhaus bei Moskau übersiedeln, aus dem er nur noch einmal für reichlich zwei Monate in den Kreml zurückkehrte. Vollends zum hilf- und wehrlosen Gefangenen seiner den Ausbau der eigenen Machtpositionen betreibenden Genossen wurde Lenin, nachdem das ZK am 18. Dezember 1922 Stalin offiziell damit beauftragt hatte, die Einhaltung der ärztlich verordneten Ruhe des Kranken zu überwachen5. Am 24. Januar 1924 starb Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. Bis 1924 war Stalin im Kampf um die Führernachfolge äußerlich wenig in Erscheinung getreten. Doch während woanders Redeschlachten geschlagen wurden, um Trotzki politisch zu vernichten, lancierte Stalin, die Parteiwahlen nutzend, in verstärktem Maße ihm ergebene Leute in entscheidende Positionen des Apparats und in Schlüsselfunktionen an der Peripherie.
4. Der Beginn der Ära Stalin - Personenkult als politische Institution
Mit den fernen Heiligen Marx und Engels wußte die breite Masse des Volkes wenig anzufangen, manch einer konnte nicht einmal deren fremdländische Namen aussprechen. Es entstand die Bereitschaft, eine volkstümliche Führerfigur anzunehmen - keinen geistessprühenden Intellektuellen mit Kneifer wie Trotzki, sondern einen handfesten Kerl mit derber Sprache und ungekünstelten Allüren.
In diese Rolle hinein paßte Stalin. So seltsam es klingt: Selbst Stalins miserable Rhetorik, derentwegen er öffentliche Reden scheute, kam seinem Ruf zugute. Seine seltenen Auftritte unterstrichen seine Volksferne, die ihn in den Augen der einfachen Menschen als über aller Alltäglichkeit thronenden und folglich vertrauenswürdigen Gebieter erscheinen ließ. Der mehr und mehr um Stalins Person gezüchtete Kult nahm allmählich rituelle Formen an, festigte damit das Empfinden gesicherter Beständigkeit und trug damit zur weiteren Stabilisierung der Gesellschaft bei. Haupteinpeitscher des Kults waren verständlicherweise die von einer Stabilität des Sowjetsystems am meisten profitierenden Partei- und Staatsdiener, denen vor allem an der Festigung der eigenen Positionen gelegen war und die sich dem Volk immer mehr entfremdeten.
Am Vorabend des Jahres 1929 war der Partei- und Staatsapparat bedingungslos auf die allein von der Person des Führers repräsentierte politische Linie fixiert und stand dem nun ungeschminkt als Diktator auftretendem Spitzenmann für seine Entscheidungen zur Verfügung.
Die Legende vom ,,guten Stalin", der nichts mit den Übergriffen der niederen Parteiinstanzen und den Grausamkeiten des NKWD (politische Polizei) zu tun habe, kam allmählich bei einem Großteil der Bevölkerung und oftmals auch gerade bei den vom Terror Betroffenen an. Die Menschen, auf die unentwegt ein mit den plumpesten und geschmacklosesten Mitteln arbeitender Propagandaapparat einwirkte, waren - wie das immer in solchen Situationen ist - desto eher geneigt, den unsinnigsten Gerüchten zu glauben, je konsequenter man sie aller Informationen beraubte.
Mit der Feier zu Stalins 50. Geburtstag am 21. Dezember 1929 wurde der Personenkult in der Sowjetunion zu einer politischen Institution. Die gesamte sowjetische Presse huldigte dem Führer an diesem Tag. Die persönlichen Eigenschaften und politischen Verdienste Stalins wurden von den Autoren ausschließlich in Superlativen bedacht:
Stalin, der engste Mitarbeiter Lenins in den Tagen der Oktoberrevolution, Stalin als Held des Bürgerkriegs, Stalin als getreuester Schüler Lenins nach dessen Tod und bedeutendster Theoretiker des Leninismus, Stalin als Verteidiger der leninistischen Linie der Partei gegen die Opposition von Links und Rechts, Stalin als Wegweiser zum Aufbau des Sozialismus durch Industrialisierung und Kollektivierung, Stalin als entscheidende Figur in der kommunistischen Internationale.
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