Der Einsatz von digitalen Spielen im Unterricht steht im Zentrum der aktuellen Bildungsdiskussion. Computerspiele im Unterricht fordern, bei didaktisch-methodischem Einsatz, die Spieler heraus und verlangen, dass sich die Schüler aktiv mit der zugrunde liegenden Thematik beschäftigen.
Der Autor hat selbst ein „Serious Game“ entwickelt, welches speziell auf die Bedürfnisse von Lernenden und Lehrenden zugeschnitten ist. Es erlaubt eine optimale Einbindung in den Unterricht. Bei der Programmierung des Spiels „Adventure Trip 3D“ zeigte sich: Auch eine Privatperson kann qualitativ hochwertige Spiele erstellen, welche den Ansprüchen von Lehrkräften und Lernenden genügen.
Aus dem Inhalt:
Kulturelle Aspekte des Spiels;
Computerspiele in der Gesellschaft;
Einsatzbereiche und Programmierung von Serious Games;
Anforderungsprofil an Serious Games im Unterricht;
Befragung zu Serious Games im Unterricht.
Inhaltsverzeichnis
1 Abbildungsverzeichnis
2 Tabellenverzeichnis
Vorwort
3 Einleitung
4 Das Spiel
4.1 Die Geschichte des Spiels
4.2 Kulturelle Aspekte des Spiels
4.3 Spiel als virtuelles Gut
4.4 Formale Kennzeichen des Spiels
4.5 Entwicklung von Computerspielen
4.6 Computerspiele in der Gesellschaft
4.7 Leistungsvermögen von Computerspielen
4.8 Resümee
5 Serious Games
5.1 Definition von Serious Games
5.2 Einsatzbereiche von Serious Games
5.3 Resümee
6 Programmierung eines Serious Game
6.1 Anforderungsprofil an Serious Games im Unterricht
6.2 Von der Idee zum Spiel
6.3 Unity 3D als Programmiersoftware
6.4 Die Programmierung des Spiels
6.5 Skriptsprachen
6.6 Resümee
7 Untersuchung
7.1 Forschungsfrage
7.2 Grundhypothese
7.3 Nullhypothesen
7.4 Abriss des Fragebogens zum Thema Serious Games
7.5 Das Untersuchungsdesign
7.6 Deskriptive Statistik
7.7 Dimensionsreduktion
7.8 Reliabilitätsanalyse der Faktoren
7.9 Mittelwertsverteilung der Faktoren
7.10 Prüfung auf Normalverteilung
7.11 Signifikanztest
7.12 Die weitere Fragestellung
7.13 Die Beurteilung der Grundhypothese
7.14 Resümee
8 Zusammenfassung
9 Literaturverzeichnis
10 Anhang
10.1 Internetquellen
10.2 Fragebogen
1 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ägyptisches Spiel, entnommen aus: (Geschichte des Brettspieles, 2005)
Abbildung 2: „qualimanager“, entnommen aus: (Korion, 2014)
Abbildung 3: „learn2work“, entnommen aus: (Badische Zeitung, 2008)
Abbildung 4: Power Mathe für Nintendo, entnommen aus: (Serious Games Berlin, 2012)
Abbildung 5: Ludwig, Lernspiel für Physik Entnommen aus: (Game Players Review)
Abbildung 6: Benutzeroberfläche Unity 3D
Abbildung 7: Inspector aktiv bei Objektanwahl
Abbildung 8: Occlusion Culling, entnommen aus (Unity Manual, 2013)
Abbildung 9: Terrain überdimensioniert
Abbildung 10: Terrain Editor
Abbildung 11: Animation Editor in Unity 3D
Abbildung 12: Spielcharakter: Entnommen aus: (Unity 3D Asset Store, 2014)
Abbildung 13: Ausschnitt aus Root Motion Computer
Abbildung 14: Root Motion Charakter
Abbildung 15: Funktion OnTriggerEnter
Abbildung 16: Schatzkiste mit "Trigger Event"
Abbildung 17: Funktion "OnTriggerExit"
Abbildung 18: Funktion warten1() innerhalb von "Kontaktkiste"
Abbildung 19: Kurzauszug aus dem Skript "Fragen"
Abbildung 20: Zugang für Lehrkräfte
Abbildung 21: Auszug aus dem Skript "Fragenspeicher"
Abbildung 22: Leveltor in Adventure Trip 3D
Abbildung 23: Soundeffekt der Fußtritte
Abbildung 24: Geschlechterverteilung nach Studiengängen
Abbildung 25:Grafische Darstellung des Spielverhaltens
Abbildung 26: Mittelwertsverteilung der Items (2)
Abbildung 27: Screeplot-Kriterium
Abbildung 28: Mittelwertsverteilung der Faktoren
Abbildung 29: Normalverteilung Faktor 1
Abbildung 30: Normalverteilung Faktor 2
Abbildung 31: Normalverteilung Faktor 3
Abbildung 32: Normalverteilung Faktor 4
Abbildung 33: Vergleich der Einsatzbereitschaft im Unterricht
2 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zeitleiste der Computerspiele: Entnommen und zusammengestellt aus: (Kent, 2001, S. 11f) und (Wikipedia, 2014)
Tabelle 2: Zeitleiste Untersuchung
Tabelle 3: Geschlechterverteilung
Tabelle 4: Neue Mittelschule, Volksschule und Allgemeine Sonderschule
Tabelle 5: Teilnehmerinnenzahl und Teilnehmerzahl nach Studiensemester
Tabelle 6: Wertetabelle zum Spielverhalten
Tabelle 7: Mittelwertsverteilung der Items (1)
Tabelle 8: Rotierte Komponentenmatrix
Tabelle 9: Zuordnung der Faktoren zu den Nullhypothesen
Tabelle 10: Reliabilität der Faktoren
Tabelle 11: Mittelwertsverteilung der Faktoren
Tabelle 12: Rechnerische Überprüfung auf Normalverteilung (KS-Test)
Tabelle 13: Prüfung auf Signifikanz der Faktoren
Tabelle 14: Prüfung auf signifikante Unterschiede
Vorwort
Das Thema meiner Master-Thesis habe ich gewählt, weil der Einsatz von digitalen Spielen im Unterricht im Zentrum der Bildungsdiskussion steht und es wichtig ist, auf zukünftige Entwicklungen vorbereitet zu sein. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Implementierung von neuen Lern- und Spielszenarien ohne die Hilfe der Lehrkräfte vor Ort nicht realisierbar ist und die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen eine wesentliche Rolle in der Schul- und Unterrichtsentwicklung einnehmen. Ich selbst habe mir daher das Ziel gesteckt, nicht „nur“ eine Master-Thesis zu verfassen, sondern auch ein Serious Game zu entwickeln, welches den Ansprüchen von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern gerecht wird. Die Entwicklung des Spiels „Adventure Trip 3D“ kann zwar als sehr große Herausforderung bezeichnet werden, hat mich aber in der Wahl meines Themas noch bestärkt. Bei der Programmierung stellte sich heraus, dass eine Privatperson qualitativ hochwertige Spiele herstellen kann, welche den Ansprüchen von Lehrkräften und Lernenden genügen.
Für die Betreuung meiner Master-Thesis konnte ich Frau Dr. Isabella Benischek gewinnen.
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Personen zu bedanken, die mich bei der Erstellung meiner Master-Thesis unterstützt haben.
Krems, im Jänner 2015 Martin Müllner
3 Einleitung
Im Schulorganisationsgesetz findet sich folgender Text: „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken.“ (Schulorganisationsgesetz: BGBl. Nr. 242/1962)
Um diesem gesetzlichen Auftrag nachkommen zu können, bedarf es der Umsetzung verschiedener Unterrichtsmethoden und der Verwendung vielfältiger Materialien und Medien.
Das Schulorganisationsgesetz geht vom Wahren, Guten und Schönen aus und fordert zusätzlich Individualisierung.
Aber nicht nur das Schulorganisationsgesetz kann für eine moderne Sichtweise von Unterricht herangezogen werden, sondern auch das Schulunterrichtsgesetz ist hier sehr deutlich, denn in Paragraph 17 heißt es: „Der Lehrer hat in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule [...] zu erfüllen. [...] er (hat) unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schüler und der äußeren Gegebenheiten den Lehrstoff des Unterrichtsgegenstandes dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu vermitteln, eine gemeinsame Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände anzustreben, den Unterricht anschaulich und gegenwartsbezogen zu gestalten, die Schüler zur Selbsttätigkeit und zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten, jeden Schüler nach Möglichkeit zu den seinen Anlagen entsprechenden besten Leistungen zu führen, durch geeignete Methoden und durch zweckmäßigen Einsatz von Unterrichtsmitteln den Ertrag des Unterrichtes als Grundlage weiterer Bildung zu sichern und durch entsprechende Übungen zu festigen.“ (Schulunterrichtsgesetz, 1986)
Weder das Schulorganisationsgesetz noch das Schulunterrichtsgesetz ist veraltet, denn Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe, nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu unterrichten. Schule muss sich mit aktuellen Gegebenheiten in der Gesellschaft und der Umsetzung befassen. Der heutige Trend geht immer mehr in Richtung Einsatz digitaler Medien und digitaler Spiele im Unterricht. Der Einsatz moderner Unterrichtsmittel, seien es Touchscreens, Tablets oder Serious Games, kann ohne die Lehrkräfte nicht stattfinden. Computerspiele im Unterricht sind keineswegs verboten oder seitens des Gesetzgebers unerwünscht, sie stellen bei entsprechendem didaktisch-methodischem Einsatz auch keinen bloßen Zeitvertreib dar. Vielmehr fordern digitale Spiele Spieler und Spielerinnen heraus und verlangen die aktive Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Thematik. Im Lauf der Jahre ist eine große Zahl von Spielen auf dem Markt erschienen, wobei nur ein geringer Teil den Fokus auf Lerneffekte im schulischen Kontext legt. Viele dieser Spiele sind im pädagogischen Kontext nur sehr begrenzt einsetzbar. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist das Ziel dieser Arbeit, ein Serious Game zu entwickeln, welches speziell auf die Bedürfnisse von Lernenden und Lehrenden zugeschnitten ist und eine optimale Einbindung in die unterrichtliche Tätigkeit erlaubt.
4 Das Spiel
Der Begriff Spiel ist komplexer als man es bei einem so einfachen Wort vermuten könnte. Im schulischen Kontext ist er teilweise mit negativen Vorurteilen behaftet.
Spiele sind in der Gesellschaft der heutigen Zeit größtenteils anerkannt, und es finden sich kaum Kinder oder Jugendliche, die sich eine Welt ohne Computerspiele vorstellen könnten. Speziell junge Menschen verbringen einen bedeutenden Teil ihrer Freizeit damit, sich in virtuellen Welten regelrecht zu verlieren. Daher befasst sich das folgende Kapitel mit der Definition von Chancen, Problemen und Herkunft von Computerspielen – Aspekte, die im Hinblick auf die Forschungsfragen erläutert werden müssen. Um die genannten Thematiken hinreichend ausführen zu können, ist nicht nur ein Blick in die Zukunft von digitalen Spielen nötig, sondern auch ein Exkurs in die Geschichte des Spiels. Weiters werden die wirtschaftlichen Aspekte des Spiels erörtert.
4.1 Die Geschichte des Spiels
Der Begriff des Spiels ist in seiner Ganzheit kaum zu erfassen. Das erkannte auch Wittgenstein, denn er meinte, dass „Spiel“ ein Begriff mit verschwommenen Rändern sei (Wittgenstein, 1990, S. 280, zit. in Weiß, 2009, S. 50).
Spiele werden bereits seit tausenden Jahren gespielt und dienen heutzutage vorwiegend dem Zeitvertreib. Früher wurden Spiele häufig von magischen Elementen bestimmt. So wurde das Würfeln als göttlicher Wille interpretiert und Menschen handelten danach. Das Mystische und Göttliche des Spiels findet sich auch in der griechischen Mythologie wieder, denn der Auffassung der alten Griechen nach wurde das Spiel von den Göttern selbst erfunden. (Pfeiffer, Primus, & Götzl, 2008, S. 170f)
In China geht die Geschichte des Spiels bis in das dritte Jahrtausend vor Christus zurück. Zu dieser Zeit wurde das Spiel Keno erfunden. Hierbei handelt es sich um ein Spiel, das dem heutigen Bingo sehr ähnlich ist. Es wird vermutet, dass Keno auch zur Finanzierung der Chinesischen Mauer herangezogen wurde. (ibid.)
Aber nicht nur die europäische und chinesische Kultur spielen seit Jahrtausenden, sondern auch die alten Ägypter waren bei der Entwicklung diverser Spiele sehr erfinderisch. Im Grab des Pharao Tutenchamun entdeckte man das Spiel Senet. Das Spiel in Abbildung eins besteht aus drei Reihen mit je zehn Quadraten. Der genaue Spielverlauf selbst ist aber bis heute nicht bekannt. Sicher ist, dass Senet von zwei Personen gespielt wurde. Das Spiel wurde von den Römern übernommen und stellt den Vorläufer von Backgammon dar. (Geschichte des Brettspieles, 2005)
Aber nicht nur Brettspiele wurden bereits vor Jahrtausenden gespielt, sondern auch Sportspiele wie die Olympischen Spiele, die bereits ab 776 v. Chr. abgehalten wurden. Die Olympischen Spiele wurden zur Ehrung der Götter eingeführt, sie waren von Gott Vater Zeus gegeben und dauerten fünf Tage. Während der Spiele wurden alle kriegerischen Handlungen eingestellt. (Knoblauch, 2006)
Auch das heutige Schachspiel und das Damespiel stammen von den Römern ab. Man nimmt an, dass Schach ein Ableger von Ludus latrunculorum ist. Dieses Spiel ist in seinen Grundstrukturen ein Belagerungsspiel, bei dem die Figuren in Bauern und Offiziere geteilt werden. (Pfeiffer, Primus, & Götzl, 2008, S. 170f)
Im nordischen Raum richtete sich der Fokus von Spielen auf den Faktor Kraft. Diese Spiele sind die Vorläufer der heutigen Sportveranstaltungen. So haben sich aus der Antike im deutschen Sprachenraum vor allem das Steinstoßen, Speerwerfen und Wettlaufen etabliert. Die Menschen am Land haben im Mittelalter die genannten Spiele bewahrt und somit diese Spielformen bis in das 21. Jahrhundert getragen. Die höfische Gesellschaft des Mittelalters hingegen richtete ihre Aufmerksamkeit auf Kampfspiele und Schach. (ibid., S. 172f)
Aber Spiele wurden nicht immer nur aus reinem Vergnügen gespielt. Seit es Spiele gibt, wurde auch um Sachwerte gespielt. Der Einsatz des eigenen Vermögens – wobei es keinen Unterschied macht, ob man um Münzen oder Naturalien spielt – schuf den Begriff der „Wette“. Im Zeitalter der Aufklärung wurde das Spiel degradiert und als Gotteslästerung angeprangert. Das hatte zur Folge, dass Spiele über lange Zeit hinweg verboten wurden. Erst im 17. Jahrhundert wurde das Spielverbot vom Vatikan aufgehoben und Menschen konnten wieder frei von Zwängen spielen. Diese Aufhebung hatte aber keine moralischen Gründe, sondern war wirtschaftlich begründet. (ibid., S. 173)
Spiele gibt es seit Jahrtausenden – sie sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Man überlege, was wir ohne Spiel wären und ob wir in unserer kulturellen und persönlichen Entwicklung überhaupt vorankommen würden. Das folgende Kapitel behandelt die Auswirkungen des Spiels auf die Gesellschaft.
4.2 Kulturelle Aspekte des Spiels
Huizinga hat bei seinem Versuch, das Spiel in seiner Ganzheit zu verstehen, auch den Aspekt der Kultur beschrieben, denn „Spiel ist älter als Kultur[,] [denn] alle Grundzüge des Spiels sind schon im Spiel der Tiere verwirklicht“ (Huizinga, 1987, S. 7).
Beobachtet man das Spiel bei Tieren, so ist nach Huizinga auffallend, dass das Spiel dem Zwecke der Entwicklung dient und sich erst dadurch beispielsweise aus Welpen Hunde entwickeln. Beim Spiel lernen Tiere, dass Verletzungen nicht förderlich sind und Spiel nicht Ernst ist. Ebenso verhält es sich bei Katzen. Sie spielen auch mit allerlei Gegenständen und erkennen, dass es sich dabei um keine reale Beute handelt.
Nach Huizinga ist auch das Zusammenleben von Menschen von Spiel durchzogen. Alle Menschen spielen, wobei die Palette von Geschicklichkeitsspielen über Fußball bis hin zu Brettspielen reicht. Das Spielen hat selbst für den Homo ludens[1] eine zentrale Bedeutung. (Huizinga, 1987, S. 13ff)
Der daraus resultierende logische Schluss ist, dass es keine Kultur ohne Spiel und umgekehrt geben kann. Dies zeigt sich auch in der Entwicklung von Computerspielen. Die Entwicklung von rechnergestützten Systemen und digitalen Spielen schreitet voran. Erst durch diese wurde der Heimcomputer für einen Großteil der Gesellschaft interessant und Computerspiele zu einem Teil unserer Kultur.
4.3 Spiel als virtuelles Gut
Noch vor wenigen Jahren hatten Smartphones keine besonders große Leistung und Spiele waren meist kostenpflichtig. Neuerdings kann aus vielen tausend „Gratis“-Spielen ausgewählt werden, welche innerhalb weniger Minuten heruntergeladen werden können. Aber Smartphones stellen nur eine Alternative zu herkömmlichen Computerspielen dar. Nach wie vor erfreuen sich Spiele auf PC und Konsolen großer Beliebtheit. Mittlerweile gibt es eine große Anzahl an Spielen und die Konsumentin oder der Konsument hat die Wahl zwischen verschiedenen Genres, Altersstufen und Preisklassen, wobei letzteres einer sehr großen Schwankungsbreite unterliegt. Die Preisspanne bewegt sich dabei von kostenlos bis hin zu über hundert Euro.
Der Markt für Computerspiele ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, und es werden jedes Jahr neue Umsatzrekorde erreicht. Dabei ist nach der Süddeutschen Zeitung 2014 in Deutschland die Zwei-Milliarden-Grenze bereits überschritten worden. Bis 2016 erwartet man sich einen Umsatzzuwachs auf 2,4 Milliarden Euro. (Süddeutsche.de, Munich, Germany, 2013)
Der am stärksten wachsende Sektor ist aber nicht der Verkauf von Spielen, sondern der Vertrieb von digitalen Gütern. So können Spielerinnen und Spieler „dringend benötigte“ Gegenstände, zusätzliche Level und werbefreie Spielsequenzen erwerben. Diese Methode ist zwar umstritten, bringt der Branche aber einen derzeitigen Umsatzzuwachs von fast vierzig Prozent. (ibid.)
4.4 Formale Kennzeichen des Spiels
Nach Huizinga kann Spiel als „ eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und dem Bewußtsein [sic] des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘” (Huizinga, 1987, S. 37) definiert werden.
4.4.1 Freiheit und Freiwilligkeit
Nach dieser Definition basiert Spiel auf Freiwilligkeit und Freiheit. Danach ist die Spielerin oder der Spieler jederzeit in der Lage, das Spiel zu unterbrechen oder darauf zu verzichten. (Huizinga, 1987, S. 16)
Computerspiele werden zwar stets auf Basis der Freiwilligkeit gespielt, sie machen aber dennoch nicht immer Spaß: „ Das schmutzige kleine Geheimnis von Computerspielen ist, wie viel Zeit man beim Spielen damit verbringt, keinen Spaß an ihnen zu haben. Man ist frustriert, verwirrt oder orientierungslos und steckt einfach fest. Unterbricht man das Spiel und kehrt wieder in die Realität zurück, dann grübelt man oft noch stundenlang über das Problem nach, mit dem man sich gerade herumgeschlagen hat“ (Johnson, 2006, S. 39). Hier stellt sich jedoch die Frage, warum Menschen ein Spiel immer weiter spielen, wenn es keinen Spaß macht und die Spielerin oder den Spieler nur zu frustrieren scheint.
Dass ein Spiel gespielt wird, obwohl es keinen großen Spaßfaktor beinhaltet, lässt sich nach Johnson „grundsätzlich nur verstehen, wenn man die Computerspielkultur aus neurowissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Dafür gibt es einen logisch nachvollziehbaren Grund: Will man beispielsweise herausfinden, warum Kokain süchtig macht, braucht man ein Arbeitsmodell von der Struktur des Kokains und außerdem eines von der Funktionsweise des Gehirns. Das Gleiche gilt für die Frage, warum Computerspiele eine so große Anziehungskraft ausüben. Versucht man, dieses Phänomen ohne ein Arbeitsmodell des Gehirns zu erklären, verzichtet man auf die überzeugendsten Argumente.“ (Johnson, 2006, S. 46)
Nach Johnson liegt die Klärung dieser Frage demnach in einem adäquaten Arbeitsmodell. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des „spaßlosen“ Spiels findet sich darin, dass Computerspiele bereits eine eigene Kulturform bilden und die Wahrnehmung der Welt beeinflussen. (ibid., S. 47)
4.4.2 Versinken im Spiel
Wenn ein Mensch spielt, sei es nun ein Brett- oder Computerspiel, so tritt dieser für eine beschränkte Zeit aus dem tatsächlichen Leben aus und begibt sich in eine Welt mit neuen Regeln und Aktivitäten. Der Eintritt in eine „andere Welt“ muss aber nicht immer mit Spaß einhergehen. Dies gilt für fast alle Spielarten. Der Wille zu siegen ist dabei so stark, dass Spiele durchaus mit Ernst betrieben werden. Dabei ist den Spielteilnehmerinnen und -teilnehmern bewusst, dass es sich nur um ein Spiel handelt und sie jederzeit wieder in ihr eigentliches Leben eintreten können. (Huizinga, 1987, S. 17)
Auf die Frage, warum ein Mensch spielt, obwohl es keinen Spaß macht, hat Huizinga folgende Antwort: „[D]as Spiel wird von einem Bewusstsein getragen, eine frohe Erholung außerhalb des gewöhnlichen Lebens zu sein“ (ibid., S. 219)
Spiele erlauben es, bewusst Situationen zu erleben, die im realen Leben möglicherweise schaden könnten. So wäre es im realen Leben zwar möglich, die Erfahrung eines Einbruchs zu machen, dies hätte aber Konsequenzen für das ganze weitere Leben. In einem Spiel, speziell Computerspiel, setzen sich Personen der Gefahr aus, erwischt zu werden. Das Spiel erlaubt dieses Erleben, man ist aber jederzeit „Herr der Lage“ und befähigt, das Geschehen zu beenden. Computerspiele und auch analoge Spiele sind geeignet, um beispielsweise Piloten für alle erdenklichen Notfälle mit Simulationsprogrammen vorzubereiten. Dies geschieht zum Beispiel, indem ein Flugsimulator eine simulierte Umgebung kreiert, die für das gefahrlose Erleben von Notsituationen eine optimale Lösung darstellt.
Menschen sind in der Lage, Spiel und Wirklichkeit unterscheiden zu können. Diese kognitive Leistung können auch Tiere erbringen, die spielerische von ernsten Situationen unterscheiden können und dadurch in der Lage sind, ernsthafte Verletzungen zu vermeiden. (Wagner, 2008, S. 47f)
4.4.3 Zur Konzeption des Spiels
Wie bereits erwähnt, werden Spiele immer innerhalb von Grenzen gespielt. Die Abgrenzung bildet dabei der räumliche und zeitliche Faktor. Jedes Spiel beginnt, endet und findet in einem festgelegten Raum statt. So braucht es einen gewissen Platz zu einer gewissen Zeit. Dabei ist es egal, wie dieser Platz gestaltet ist. Dieser kann eine Arena, eine Bühne oder ein Brett sein. Nur die Festlegung von Raum und Zeit alleine sind aber nicht genug. Man stelle sich vor, dass ein Spiel ohne jegliche Regeln gespielt wird. Ein regelloses Spiel würde sehr schnell zur Unspielbarkeit führen. Daher ist neben der räumlichen und zeitlichen Orientierung auch noch die Ordnung ein wichtiger Faktor für ein funktionierendes Spiel. Erst dieses Regelwerk sorgt für einen reibungslosen Spielablauf und macht ein Spiel zu einem Erlebnis. (Huizinga, 1987, S. 18f)
Aus dieser Perspektive unterscheiden sich Computerspiele von anderen Spielen in ihrer grundsätzlichen Konzeption nicht wirklich. Eine Spielerin oder ein Spieler tritt in eine völlig neue Welt ein, in der ein Regelwerk herrscht, das nicht der natürlichen Umgebung entsprechen muss und somit völlig neue Erfahrungen in einer begrenzten räumlichen und zeitlichen Ordnung ermöglicht.
4.4.4 Das Moment der Spannung
Neben dem Spaß am Spiel, der jedoch nicht immer vorhanden sein muss, ist die Spannung ein wesentliches Element des Spielens. Sie erlaubt es, dem Game einen Gehalt an Ethik zuzuschreiben, wobei diese Anschauung noch nichts über die Zuschreibung von Gut und Böse beinhaltet. Sofern eine Spielerin oder ein Spieler gewinnen will, werden sowohl die körperlichen als auch die geistigen Fähigkeiten einer Prüfung unterzogen. Dabei kann der Spannungsgehalt aber nur gehalten werden, wenn man sich beim Spiel innerhalb des vorgegebenen Regelwerks bewegt. (Huizinga, 1987, S. 19f)
Spannung kann als Konsequenz einer emotionalen Anteilnahme erklärt werden, welche immer eine moralische Bewertung beinhaltet. So teilen die Spielerinnen und Spieler die Ängste und Hoffnungen der Charaktere im Spiel und hoffen, dass der Bösewicht seiner gerechten Strafe zugeführt wird. (Zillmann, 1996, S. 202f)
Hoffnungen und Ängste sind immer an Ungewissheit gebunden. Daher würde ein Spiel sehr schnell als nicht motivierend angesehen werden, wenn der komplette Verlauf und Ausgang im Vorfeld bekannt wäre. Nach Huizinga machen diese ungewissen Elemente ein Spiel aus. Klimmt schreibt zum Spannungszustand: „Zu Beginn eines Computerspiels erkennt der Spieler eine Handlungsnotwendigkeit (Angreifer). Sie wünschen sich für sich selbst/für die Spielfigur ein gutes Ende (Hoffnung), sorgen sich aber darum, dass die Antagonisten erfolgreich sein könnten (Ängste). Solange die Situation nicht beendet ist, ist der Ausgang der Episode ungewiss“ (Klimmt, 2008, S. 9). Eben durch die genannten Faktoren werden speziell Computerspiele etwas ganz besonderes. Sie sorgen dafür, dass die Spielerin oder der Spieler nicht weiß, was als nächstes kommt und was hinter der nächsten Ecke auf einen lauert, oder ob er oder sie mit den Vorräten noch seine mühsam kreierte Spielwelt durch den nächsten virtuellen Winter bringt.
4.4.5 Das Regelwerk
Regeln sind in jedem Spiel vertreten und so mannigfaltig wie die Spiele selbst. Das Regelwerk eines jeden Spiels ist für alle Spielerinnen und Spieler einzuhalten und zweifelsohne notwendig. Jede Spielregel verfolgt einen Zweck und es muss sichergestellt sein, dass ein Regelverstoß Konsequenzen hat. Wenn eine Spielerin oder ein Spieler Regeln missachtet, so kann es passieren, dass sie oder er aus dem Spielgeschehen ausgeschlossen wird. (Huizinga, 1987, S. 20f)
Ein großer Teil der erhältlichen Spiele sind in ihrer Art nicht neu, da die Modelle, auf denen diese basieren, schon sehr lange bekannt sind. Dazu zählen Rätsel, Rollenspiele und Strategiespiele (Kaminski, 2007, S. 67f). Daraus resultiert, dass das Regelwerk von Computerspielen auf den bereits bekannten Spielmodellen basiert und daher vorwiegend auch ohne Änderungen übernommen wurde.
Einen interessanten Ansatz zum Regelwerk von Spielen und Computerspielen liefert Johnson, denn seiner Ansicht nach unterscheiden sich Computerspiele von „traditionellen“ Spielen dadurch, dass Informationen über das Regelwerk bei digitalen Spielen zurückgehalten werden. Hingegen gilt der Grundsatz: Wenn bei klassischen Spielen der Einstieg geschafft ist, dann ist das Regelwerk des Spiels zu hundert Prozent bekannt. (Johnson, 2006, S. 54f)
Diese Differenzierung führt eine zusätzliche Unterscheidungsmöglichkeit ein, denn ausgehend von den Basisregelwerken nach Kaminski wäre eine solche Differenzierung nicht möglich. Dadurch kann nun auch die Frage des Unterschieds zwischen traditionellen und digitalen Spielen beantwortet werden. Auf Basis der bisher genannten Definitionen konnte ja kein direkter Unterschied nachgewiesen werden, obwohl jeder Mensch klar zwischen klassischen und digitalen Spielen unterscheidet. Bei digitalen Spielen bestehen nach Johnson Unterschiede im Regelwerk, die er wie folgt beschreibt: „Der Spieler erhält meist ein paar grundlegende Instruktionen darüber, mit welchen Tastenkombinationen man die Gegenstände und Figuren handhabt, und dazu eine Anfangsaufgabe. Aber die meisten Regeln – worin besteht zum Beispiel das eigentliche Ziel des Spiels und mit welchen Spieltechniken kann der Spieler es erreichen? – kristallisieren sich erst heraus, während er die Spielwelt erforscht. Das ist spielerisches Lernen im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Computerspielen dagegen ist genau diese Zweideutigkeit ein wichtiger Teil des Spielerlebnisses“ (Johnson, 2006, S. 55).
Daher ist nicht nur eine Unterscheidung zwischen klassischen und digitalen Spielen anhand des Regelwerks möglich; genau diese Unvorhersehbarkeit ist ein wesentlicher motivationaler Faktor bei Computerspielen. Sie fordert Spielerinnen und Spieler ständig heraus, sich sich ändernden Regeln anzupassen. Das führt dazu, dass digitale Spiele selten langweilig werden.
4.4.6 Gemeinschaft innerhalb eines Regelwerks
Spielgemeinschaften gibt es viele und sie dienen innerhalb der Gesellschaft primär dazu, dass Menschen in einer Gruppe Vorteile genießen. Als Beispiel dient hier eine Lottospielgemeinschaft. In einer solchen Gemeinschaft sind mehr Vorteile als Nachteile zu erwarten. Aber Spielgemeinschaften gibt es nicht mehr nur im klassischen Sinn, auch bei Computerspielen sind Spielgemeinschaften immer stärker vertreten. Bei digitalen Spielen findet sich eine solche Gemeinschaft oft in Form von Gilden, Clans oder Teams. Spielgemeinschaften von Computerspielerinnen und -spielern sind keineswegs mehr eine Randerscheinung, sondern in der breiten Masse anerkannt und bilden mit E-Sport-Events die Spitze der derzeitigen Entwicklung digitaler Gemeinschaften. E-Sport-Veranstaltungen haben aber nicht nur einen gemeinschaftlichen Charakter: „Indem der elektronische Sport die Professionalisierung des Computerspiels darstellt, wird dabei auch auf höchstem Niveau gelernt! Wer im eSport zu den Besten gehören will, muss sich sozial im Team engagieren, die Lernherausforderungen im Spiel perfekt meistern, seine mentalen und physischen Fähigkeiten trainieren und seine Spielkompetenz bis zu einem höchst möglichem [sic] Maße ausbilden.“ (Rosenstingl & Mitgutsch, 2009, S. 218)
4.4.7 Das „hohe Spiel“ und seine Besonderheit
Nach Huizinga existiert noch ein weiteres Kennzeichen des Spiels, und zwar das „hohe Spiel“ als besondere Welt. Huizinga definiert diese besondere Welt, als ein Spiel, in dessen „Sphäre […] die Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung haben. Die zeitweilige Aufhebung des gewohnten Gesellschaftslebens einer großen heiligen Spielzeit zuliebe lässt sich auch in fortgeschrittenen Kulturen noch in zahlreichen Spuren finden.“ (Huizinga, 1987, S. 20)
Computerspiele erfüllen nach Huizinga auch das Kennzeichen des hohen Spiels, denn in einem digitalen Spiel spielen weder Religion, noch Herkunft, Geschlecht, Ausbildung oder Alter eine Rolle (Rosenstingl & Mitgutsch, 2009, S. 21). Das Spiel beherbergt ein Regelwerk, welches unumstößlich für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen existiert und daher allen Spielerinnen und Spielern jederzeit die gleichen Chancen und Möglichkeiten erlaubt.
4.5 Entwicklung von Computerspielen
Computerspiele werden von vielen als neu wahrgenommen. Dass diese weit verbreitete Annahme so nicht ganz richtig ist, zeigt die folgende Zeitleiste in Tabelle 1, welche die Entwicklung von digitalen Spielen darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Zeitleiste der Computerspiele: Entnommen und zusammengestellt aus: (Kent, 2001, S. 11f) und (Wikipedia, 2014)
Computerspiele und Digitaltechnologie werden seit fast 60 Jahren entwickelt und verwendet. Hier stellt sich also die Frage, warum Computerspiele und digitale Technologien als „neue“ Medien bezeichnet werden.
Wenn man „neue“ Medien von traditionellen abgrenzen will, müssen Begrifflichkeiten in Kategorien eingeteilt werden. So können die drei Begriffe Interaktivität, Hypertext und Virtualität den Unterschied zwischen neuen und alten Medien verdeutlichen. Der Ausdruck der Interaktivität bezeichnet eine Aktion zwischen Mensch und Maschine, welche auf Gegenseitigkeit beruht. Ein Hypertext unterscheidet sich von „normalen“ Texten durch seine Verbindung von verschiedenen Einzeltexten. Dadurch entsteht ein hochkomplexes Informationsmuster von Texten. Unter Virtualität ist eine künstliche Welt zu verstehen, die von den agierenden Personen beeinflussbar ist. (Konradin Medien, Leinfelden-Echterdingen, 2014)
Auf Basis dieser Abgrenzung kann gesagt werden, dass der Begriff „neue Medien“ nicht zwingend Neues meint. Dieser Begriff steht für eine andere Art und Weise der Informationsweitergabe und -verarbeitung. Daher kann auch eine Entwicklung aus dem Jahr 1951 durchaus in die Kategorie der „neuen“ Medien fallen und muss keineswegs einen Konflikt mit dem Wort „neu“ verursachen.
4.6 Computerspiele in der Gesellschaft
Auf Basis der vorangegangen Analyse können Computerspiele dem „hohen Spiel“ nach Huizinga zugeordnet werden. Diese Zuordnung wird von der Gesellschaft aber nicht vollends angenommen, weil auch heutzutage digitale Spiele noch von vielen als fremd und sogar gefährlich wahrgenommen werden. Hier stellt sich die Frage, warum so viele Menschen Computerspiele als gefährlich wahrnehmen.
4.6.1 Gewalt in Spielen
Einen wesentlichen Teil leisten hier negative Medienberichte, wie ein Artikel aus der deutschen Tageszeitung Die Welt. Dieser beginnt mit den Worten: „Vorsicht vor ‚World of Warcraft‘& Co.! Wissenschaftler stellen Computerspiele mittlerweile in eine Reihe mit klassischen Süchten.“ (Die Welt, 2010)
Dieser Artikel ist nur einer von vielen negativen Medienberichten, die einen Diskurs erschweren.
Vor allem Computerspiele, die einen gewalttätigen Hintergrund haben, werden von Politik, Forscherinnen und Forschern und Medien kontrovers diskutiert, wobei das Hauptaugenmerk auf den sogenannten „Killerspielen“ liegt. Diese „Killerspiele“ können dem Genre der Ego-Shooter zugeordnet werden. Per Definition ist ein Ego-Shooter ein „Computer- oder Videospiel, bei dem der Spieler die Perspektive der von ihm gesteuerten Figur einnimmt, die sich einen bewaffneten Kampf mit einem Gegner liefert“ (Duden Online, 2014). Natürlich stellt sich die Frage, ob gewalttätige Computerspiele einzelnen Menschen Schaden geistiger Natur zufügen und diese dadurch unberechenbar werden. Die Internetseite Zeit Online schreibt dazu, dass Potsdamer Psychologinnen und Psychologen bereits 2008 eine entsprechende Studie durchgeführt haben und dabei einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Spieldauer feststellten. In dem Artikel wurde seitens der Forschungsgruppe aber gewarnt, diese Aussage zu wörtlich zu nehmen, denn Spieler oder Spielerinnen würden nicht automatisch zu gewalttätigen Individuen, wenn sie einen Ego-Shooter spielen. Die Studie sagt aber klar aus, dass solche hierfür begünstigend wirken. (ZEIT ONLINE, Hamburg, Germany, 2008)
Computerspiele an sich sind aber sicher nicht das Problem der Gesellschaft. Das Genre der Ego-Shooter unterliegt durchaus einer berechtigten Kritik. Natürlich muss aus einer Spielerin oder einem Spieler keine Attentäterin oder kein Attentäter werden, wenn Ego-Shooter gespielt werden. Aber wie wird die Gesellschaft reagieren, wenn endgültig ein Zusammenhang bewiesen wird? Es ist die Pflicht aller Medien, der Gesellschaft wahrheitsgemäß und unverzerrt zu berichten. Es ist nicht sinnvoll, Spiele mit gewalttätigem Hintergrund für alle grausamen Taten verantwortlich zu machen und somit Menschen zu beunruhigen.
Auch ein österreichisches Wochenmagazin setzte ein Bild auf die Titelseite, welches ein Kind zeigte, das im Kampfanzug und mit vorgehaltener Waffe scheinbar aus der Zeitung springt. Medienberichte solcher Art verhindern, dass Menschen wissenschaftlich fundierte Beobachtungen wahrnehmen. Zusätzlich werden Szenen aus dem Kontext gerissen. So werden Ziele eines Spiels, taktische Komponenten und strategische Vorbereitungen ausgeblendet. (Pfeiffer, Primus, & Götzl, 2008, S. 241)
4.6.2 Der Umgang mit neuen Medien
Virtuelle Welten, die sich über die Gesellschaft ausbreiten, werden von vielen kritisch beurteilt. Jeder Mensch lebt in seinem gewohnten Umfeld und reagiert oftmals irritiert, wenn Neues Einzug hält. So sind viele nicht gewillt, neue Erfindungen und Technologien zu verstehen, sondern bemüht, ihre Sorgen auszudrücken. (FH-Köln, 2012)
Zu diesen Sorgen gehören:
- „Computerspiele fördern aggressives Verhalten. Dies gilt insbesondere für Spiele mit gewaltorientierter Thematik.“ (FH-Köln, 2012)
- „Computerspiele machen unempathisch gegenüber anderen Menschen. Sie haben einen Abstumpfungseffekt in Hinblick auf Leid, Verletzung und Aggression in medialen wie in realen Welten.“ (ibid.)
- „Computerspiele verändern die Wirklichkeitssicht der Spieler. Ihre Erfahrungen in virtuellen Welten dienen als Folie für das Verständnis der realen Welt.“ (ibid.)
- „Computerspiele führen zu Veränderungen in den Normen und Wertvorstellungen der Spieler. Virtuelle Spielwelten können problematische Normen und Werte enthalten, die die Spieler für die Einschätzung der realen Welt übernehmen.“ (ibid.)
- „Computerspiele führen zur Vereinsamung und sozialen Isolation, zur Abkehr von der realen Welt und zu einer immer stärkeren Hinwendung zu virtuellen Spielwelten.“ (ibid.)
- „Computerspiele tragen zu einem problematischen Gefühlsmanagement bei. Sie stellen virtuelle Befriedigungsformen bereit, die sehr wirkungsvoll sein können. Dies führt dazu, dass Spieler problematische Gewohnheiten entwickeln, die sich für ihre Lebensentfaltung als ungünstig erweisen.“ (ibid.)
- „Computerspiele besitzen ein Suchtpotential. Das führt dazu, dass die Spieler die Zeit vergessen, ihre Pflichten versäumen und ganz und gar abhängig werden von der Möglichkeit, in virtuellen Spielwelten zu ‚leben‘.“(ibid.)
Die genannten Befürchtungen sind für viele Menschen ein Faktum und es wird kaum über den Wahrheitsgehalt reflektiert und diskutiert. Daher gilt stets der Generalverdacht des Schlechten.
Digitale Medien nur als Gefahrenquelle zu betrachten, ist eine Ansicht, die einseitig wirkt. Eine solche Einstellung bedeutet, dass das gesamte mögliche Potential zur Entwicklungsunterstützung ignoriert wird und dadurch keine weitere Entwicklung möglich ist. Daher soll der Umgang mit neuen Medien als Aufgabe der eigenständigen Entwicklungsarbeit aufgefasst werden. Diese wiederum gestaltet sich aus dem Inneren heraus und schafft völlig neue Möglichkeiten für die Menschheit. (Weißenböck, 2003)
Daher sollen Menschen das Neue nicht fürchten, sondern neugierig Chancen, Möglichkeiten und Probleme aufdecken. Derzeit ist die öffentliche Meinung zu Computerspielen und digitalen Medien noch zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen die Befürworterinnen und Befürworter, auf der anderen Seite die Gegnerinnen und Gegner. Jede Fraktion lässt nichts unversucht, um die „Gegner“ in die Knie zu zwingen und ihre „Wahrheit“ durchzusetzen. Doch die eine Wahrheit existiert nicht und wahrscheinlich liegt die Wahrheit genau dazwischen. (SPIEGEL ONLINE, Hamburg, Germany, 2011)
Jedes Spiel kann gute Impulse setzen und einen Menschen anleiten. Jedoch muss diese Anleitung nicht nur in positiver Art und Weise erfolgen. Dadurch ist ein Computerspiel auch in der Lage, negative Impulse zu setzen, die ein Mensch im Spiel als durchwegs positiv empfindet. Die Gesellschaft hat zwar Computerspiele größtenteils bereits als Teil der Kultur akzeptiert, und fast alle verwenden viele der neuen Medien, doch werden diese von den Nutzerinnen und Nutzern selbst noch als fremd wahrgenommen. (ibid.)
Dieses Stadium der Annäherung ist in Bezug auf Computerspiele erst in wenigen Disziplinen erreicht, da weitestgehend die Haltung der Vorsicht vor „Neuem“ eingenommen wird. Eine Ausnahme bilden die sogenannten Edutainment-Spiele. Diese Art der Computerspiele beschränkt sich auf ein Bildschirmarbeitsblatt, welches mit Tastatur und Maus gelöst wird.
Aber auch Serious Games halten Einzug in den Schulen. Sie werden zunehmend in den Unterricht aufgenommen und von Pädagoginnen und Pädagogen als hilfreiche und sinnvolle Alternative gesehen.
„Serious Games sind Computerspiele, die durch eine interessante Spielmechanik überzeugen und dabei gezielt spezifische Problemfelder, Themen und Haltungen zum Spielinhalt haben. Die Entwickler versuchen bewußt [sic] realweltliche Themen und Bereiche zu eröffnen und die Spielenden auf problematische Aspekte aufmerksam zu machen“ (Rosenstingl & Mitgutsch, 2009, S. 159).
Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass nach dieser Aussage Serious Games einen gewissen Reifegrad der Nutzerinnen und Nutzer voraussetzen. Problematisch ist hierbei der pädagogische Kontext, denn Pädagoginnen und Pädagogen sind nicht immer in der Lage, Spiele so vorzuselektieren, dass auch wirklich keine inadäquaten Inhalte vorkommen.
4.7 Leistungsvermögen von Computerspielen
Digitale Spiele tragen durch viele verschiedene Interaktionsmöglichkeiten zur Kompetenzentwicklung von Nutzerinnen und Nutzern bei. Bei der Kompetenzentwicklung muss man aber beachten, dass kein Computerspiel derzeit in der Lage ist, die unten erwähnten Möglichkeiten vollends abzudecken.
4.7.1 Kognitive Kompetenzförderung
Unter kognitiver Kompetenz lassen sich die Fähigkeiten und Leistungen Sachkompetenz, Kombinationskompetenz und Konzentrationsfähigkeit zusammenfassen (Rosenstingl & Mitgutsch, 2009, S. 142). Wenn man sich über Spiele Gedanken macht, die in die kognitive Kompetenzförderung fallen, so wird man zwangsläufig Strategiespiele zur näheren Analyse heranziehen. Strategiespiele benötigen keine wirklich schnellen Reaktionen der Spielerin oder des Spielers, sondern ein sehr taktisches und überlegtes Handeln. Dadurch ist die spielende Person ständig gefordert, neue Züge zu planen und auf eventuelle gegnerische Attacken vorbereitet zu sein. Hier zeigt sich auch die Ähnlichkeit zwischen Strategiespielen am Computer und Spielen wie Schach. Die beiden Typen unterscheidet nur das Medium. (ibid., S. 148ff)
In den letzten Monaten und Jahren werden Strategiespiele aller Art auch online angeboten. Aufgrund der wirtschaftlichen Komponente werden die Spiele als „free to play“ angepriesen, aber Spielerinnen und Spieler müssen sehr schnell erkennen, dass strategische Nachteile drohen, wenn man kein „echtes“ Geld für den Erwerb von digitalen Gütern innerhalb des Spiels verwendet. (derStandard.at GmbH, 2014)
Bei Strategiespielen wird nicht nur taktisches Handeln im eigentlichen Sinn angewendet. Spieler und Spielerinnen müssen sich ständig überlegen, wie sie Straßenzüge optimieren, verschiedene Gebäude in richtigen Abständen bauen usw. Daher werden neben der Taktik auch wirtschaftliche Aspekte trainiert.
Diese wenigen Beispiele verdeutlichen bereits den kognitiven Mehrwert eines digitalen Spiels. Aufgrund der Fülle von Aufgaben ist die Spielerin oder der Spieler stets um logisches Denken und Konzentration bemüht. Eine solche Kompetenzförderung ist auch in der Schule vorgesehen, denn: „Komplexe Lernsituationen, in denen sich Anschauung und Reflexion mit der eigenen bildnerischen Tätigkeit verbinden, sollen mit den für ästhetische Gestaltungsprozesse charakteristischen offenen Problemstellungen die Voraussetzungen für ein Lernen mit allen Sinnen und die Vernetzung sinnlicher und kognitiver Erkenntnisse schaffen. Auf dieser Grundlage sollen Wahrnehmungs-, Kommunikations-und Erlebnisfähigkeit gesteigert und Vorstellungskraft, Fantasie, individueller Ausdruck und Gestaltungsvermögen entwickelt werden“ (Bundesministerium für Bildung und Frauen, 2014, S. 78).
[...]
[1] Der spielende Mensch
- Arbeit zitieren
- Martin Müllner (Autor:in), 2015, Serious Games. Zur Akzeptanz von Lernspielen bei angehenden Lehrerinnen und Lehrern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311445
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