Die vorliegende Bachelorthesis in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendhaus X evaluiert das Stressempfinden der Mitarbeiter, zeigt Stressfolgen und Stresspräventionsmöglichkeiten.
Die theoretischen Erkenntnisse liefern Ansätze, die nach der qualitativen und quantitativen Befragung als Handlungsansätze aufgegriffen werden können. Mit Hilfe eines webbasierten Fragebogens wurden die Meinungen der Mitarbeiter erfasst, sodass ein Meinungsbild der Mitarbeiterschaft entstand.
Die Befragungsergebnisse zeigen stressauslösende Unsicherheiten bei den Mitarbeitern, da Unwissenheit über die weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für die Klienten besteht. Die Ergebnisse der Befragung zeigen weiter, dass die Mitarbeiter, weniger als von der Leitung angenommen, unter hauswirtschaftlichen Pflichten und dem Schichtdienst leiden und sich mehr Lob, Wertschätzung und Sport als Stressprävention wünschen. Ein geringer Prozentsatz der Mitarbeiter dieser katholischen Einrichtung wünscht sich religiösen Beistand. Supervision ist sowohl für die Leitung als auch für die Mitarbeiter ein gern angenommenes Angebot, das weiter ausdifferenziert werden könnte.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz:
1.2 Zielsetzung und Abgrenzung
1.3 Überblick über das Vorgehen
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Stress
2.1.1 Stressarten
2.1.2 Stress im Beruf
2.1.3 Stress im Rahmen von Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen
2.1.4 Besonderheiten bei der Arbeit in der Jugendhilfe
2.1.5 Stressfaktoren im Arbeitsbereich der Jugendhilfe
2.2 Stressauswirkungen
2.2.1 Somatische Auswirkungen
2.2.2 Emotionale Auswirkungen
2.2.3 Kognitive Auswirkungen
2.2.4 Verhaltensauffällige Auswirkungen
2.3 Stressbewältigung
2.3.1 Work-Life-Balance
2.3.2 Resilienz–Konzept
2.3.3 Das Modell der Salutogenese
2.3.4 Christliche Religiosität
2.4 Zwischenfazit und Implikationen für die Untersuchung
3. Methodik
3.1 Das Kinder- und Jugendhaus X
3.1.1 Allgemein
3.1.2 Gruppen
3.2 Erläuterung und Begründung des Forschungsdesigns
3.2.1 Ablaufplanung
3.2.2 Quantitative und qualitative Forschung
3.3 Interviews
3.3.1 Konzeption und Operationalisierung
3.3.2 Stichprobe
3.3.3 Durchführung des Interviews mit der Mitarbeitervertretung
3.3.4 Durchführung des Interviews mit der Leitung
3.4 Schriftliche Befragung
3.4.1 Konzeption und Operationalisierung
3.4.2 Stichprobe
3.4.3 Durchführung und Auswertung
4. Ergebnisse
4.1 Beschreibung der Stichprobe
4.2 Ergebnisse der webbasierten Befragung
4.2.1 Stressauslöser
4.2.2 Stressfolgen
4.2.3 Stressbewältigung
4.2.4 Freie Angaben
4.3 Ergebnisdarstellung der Interviews
4.3.1 Stressauslöser
4.3.2 Stressfolgen
4.3.3 Stressbewältigung
5. Diskussion
5.1 Kritische Reflexion
5.2 Interpretation der bedeutendsten Ergebnisse
5.2.1 Interpretation der Interviews
5.2.2 Interpretation des Fragebogens
5.3 Handlungsempfehlungen
5.4 Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Anlagen in Papierform:
Abstract
Die vorliegende Bachelorthesis in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendhaus X evaluiert das Stressempfinden der Mitarbeiter, zeigt Stressfolgen und Stresspräventionsmöglichkeiten.
Die theoretischen Erkenntnisse liefern Ansätze, die nach der qualitativen und quantitativen Befragung als Handlungsansätze aufgegriffen werden können. Mit Hilfe eines web-basierten Fragebogens wurden die Meinungen der Mitarbeiter erfasst, so dass ein Meinungsbild der Mitarbeiterschaft entstand.
Die Befragungsergebnisse zeigen stressauslösende Unsicherheiten bei den Mitarbeitern, da Unwissenheit über die weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für die Klienten besteht. Die Ergebnisse der Befragung zeigen weiter, dass die Mitarbeiter weniger als von der Leitung angenommen unter hauswirtschaftlichen Pflichten und dem Schichtdienst leiden und sich mehr Lob, Wertschätzung und Sport als Stressprävention wünschen. Ein geringer Prozentsatz der Mitarbeiter dieser katholischen Einrichtung wünscht sich religiösen Beistand. Supervision ist sowohl für die Leitung als auch für die Mitarbeiter ein gern angenommenes Angebot, das weiter ausdifferenziert werden könnte.
Schlüsselwörter: Stress, Jugendhilfeeinrichtung, Stressprävention, Stressfolgen, Stressbewältigung, Resilienz-Konzept, Work-Life-Balance, Salutogenese, christliche Religiosität
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz:
Stress ist ein weit verbreitetes Empfinden der Menschen in der heutigen Gesellschaft. Sämtliche Altersgruppen in allen Lebensbereichen können davon betroffen sein. Stress tritt besonders häufig im beruflichen Umfeld auf.[1] Durch eine Forsa-Umfrage vom September 2013 wurde ersichtlich, dass sich 57 % der Befragten häufig oder manchmal gestresst fühlen. Diese Forsa-Umfrage zeigte, dass der größte Stressfaktor der 1.000 Befragten der Beruf bzw. das Studium ist.[2]
Speziell im Bereich der helfenden Berufe ist Stress weit verbreitet, wie Irmhild Poulsen in ihrer Studie zu „Stress und Belastungen bei Fachkräften der Jugendhilfe“ herausfand. Die Arbeitsbelastung im Berufsalltag wurde von rund 80 % der Fachkräfte als hoch, sehr hoch oder krank machend bewertet. Nur 6 % der Befragten gaben an, dass sie keine oder noch keine Belastungen durch den Beruf spüren. Stressoren sind laut dieser Studie der Zeitdruck sowie zu viel Bürokratie, multiple Problemlagen der Klienten und auch der spürbare Personalmangel.[3]
In helfenden Berufen ist die Wahrscheinlichkeit unter Stress zu leiden demnach besonders hoch. Kostendruck, geringes Einkommen, fehlende Stellen und durch Kostenträger reglementierte Zeiten pro Klient spielen ebenso eine Rolle wie das verhältnismäßig geringe Ansehen der sozialen Arbeit. Hinzu kommen die persönliche und auch die gesellschaftliche Verantwortung für die anvertrauten Klienten. Die Mitarbeiter, die im Kinder- und Jugendhaus X in Y und seinen dazugehörigen Außenwohngruppen arbeiten, bilden keine Ausnahme. Hohe Fallzahlen, Schichtdienst und die Konfrontation mit Kindern und Jugendlichen aus prekären und belastenden Settings lösen Stress aus, der durch Kommunikation und Konfrontation mit Behörden insbesondere bei der Vorbereitung und Durchführung von Hilfeplänen und Antragsstellungen verstärkt wird. Hohe Krankenstände waren hier lange Zeit die deutlichen Stressfolgen.[4]
Im Jahr 2009 fand eine Mitarbeiterbefragung im Kinder- und Jugendhaus X in Zusammenarbeit mit der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) statt. Die IGES Institut GmbH wurde mit der Durchführung beauftragt. Hierbei zeigte sich deutlich, dass es einen erhöhten Handlungsbedarf bezüglich Klärung von Zuständigkeiten und dem Einhalten von Pausenzeiten gibt. Es wurde der Wunsch nach mehr Teambesprechungen und der Beschaffung von Arbeitsmitteln deutlich. Die Mitarbeiter gaben an, rasch erschöpft zu sein und unter Schlafstörungen zu leiden. Folgende Veränderungen wurden als wichtig erachtet: Bessere Rahmenbedingungen z.B. durch Supervision, klarere Strukturen, mehr Fehlerfreundlichkeit und Lob, weniger Gespräche zwischendurch, dafür ein geplanter Austausch.[5] Seither ist der Krankenstand gesunken und die Mitarbeiter wirken zufriedener. Teamsitzungen und Freizeitausgleiche zum Schichtdienst stellen für die Belegschaft eine zusätzliche Entlastung dar. Die psychosoziale Gesunderhaltung der Mitarbeiter ist wichtig, um die Gruppen- und Teamgeschehnisse positiv zu bedingen.[6]
Durch die angespannte finanzielle Situation der öffentlichen Geldgeber und die wegbrechenden Familienverbände entwickelt sich die Arbeit im Kinder- und Jugendhaus immer vielschichtiger und intensiver. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen den verfügbaren Zeitressourcen und den zu erfüllenden Aufgaben.[7] Durch die pädagogische und administrative Arbeit im Kinder- und Jugendhaus X kommt es für die Mitarbeiter zu belastenden Situationen. Sie sind täglich sowohl mit der Not der Kinder und Familien als auch mit behördlichen Problemen konfrontiert. Hinzu kommt die Schwierigkeit, mit dem Schichtdienst umzugehen und sich trotz der notwendigen intensiven Zusammenarbeit mit den Klienten angemessen abzugrenzen, um in der Freizeit einen Ausgleich zum Beruf erleben zu können.[8]
Abgrenzung und Freude am Beruf sind jedoch wichtige Faktoren, um die Arbeitsbelastung zu bewältigen.[9] Im Rahmen der pädagogischen Arbeit muss ein ausgeglichenes Verhältnis von Nähe und Distanz bestehen, um die Jugendlichen optimal unterstützen zu können. Dieses Verhältnis kann nur dann ausgewogen sein, wenn der Mitarbeiter stark genug ist, es entsprechend aufzubauen.[10] Die Beziehungsarbeit kommt vor der Erziehungsarbeit.[11] Dies ist nur mit motivierten und positiv eingestellten Mitarbeitern möglich.[12] Demnach müssen Instrumente zur Stressbewältigung gefunden werden. Diese können sein:
- Eine positive Work-Life-Balance
- Anwendung von Salutogenese
- Resilienz-Konzepte
- Christliche Religiosität
Entstressung der Arbeit und bessere Rahmenbedingungen im Kinder- und Jugendhaus X hätten vor diesem Hintergrund positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen sowie deren Ansprechpartnern wie Angehörigen, Freunden und den Kostenträgern. Die Belegschaft würde von der Entstressung profitieren, es gäbe eine harmonischere Zusammenarbeit, und belastende Situationen könnten besser aufgefangen werden. Bevor jedoch Maßnahmen zur Entstressung entwickelt werden können, bedarf es einer Analyse von Stress im helfenden Beruf. Analysiert werden müssen dabei die Ursachen und Auslöser für Stress, um diese nach Möglichkeit zu minimieren. Bei der Untersuchung spielt das Empfinden der einzelnen Mitarbeiter und der Gesamtheit der Mitarbeiter eine Rolle, um eine konkrete Vorstellung der Bedürfnisse zu erhalten. Die Einschätzung der Leitung im Kontrast zur Meinung der Mitarbeiter kann Aufschluss über unterschiedliche Wahrnehmungen und ggf. damit verbundene Stressauslöser geben. Außerdem sollten passende Bewältigungsstrategien entwickelt und eingeführt werden. Kommunikationsmaßnahmen, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zeitnah zu erkennen, sind wichtig, sollten jedoch so ausgestaltet werden, dass sie nicht selbst zur Stresssituation führen.[13]
1.2 Zielsetzung und Abgrenzung
Das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist die Evaluation des Stressempfindens und des Umgangs mit Stress sowie das Ermitteln der Bedürfnisse zur Stressreduzierung und Stressprävention der Mitarbeiter in den pädagogischen Bereichen.
Im Rahmen der Bachelorarbeit soll untersucht werden, wie stark Stress von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in helfenden Berufen wahrgenommen wird, welche Maßnahmen zur Stressreduktion bereits eingesetzt werden und welche weiteren Maßnahmen von der Mitarbeiterschaft gewünscht werden. Zudem soll ergründet werden, welche individuellen und organisatorischen Möglichkeiten ggf. darüber hinaus noch bestehen, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren.
Es ergeben sich folgende Leitfragen:
- Was ist Stress und welche Aspekte beinhaltet er?
- Was sind die Besonderheiten in der sozialen Arbeit im Bereich der Jugendhilfe?
- Welche Stressfaktoren spielen hier eine besondere Rolle?
- Wie wird Stress in der Jugendhilfe und speziell im Kinder- und Jugendhaus X und seinen Außenwohngruppen von den Mitarbeitern wahrgenommen und durch welche Anforderungen entsteht er konkret?
- Welche Maßnahmen zur Stressbewältigung sind denkbar, speziell in der Kinder- und Jugendhilfe und am Beispiel der Einrichtung Kinder- und Jugendhaus X?
- Reichen die Maßnahmen, die im Kinder- und Jugendhaus X vorliegen, aus, um Stress für Mitarbeiter gering zu halten oder gibt es seitens der Mitarbeiter Wünsche, weitere stressreduzierende Maßnahmen zu implementieren?
- Gibt es weitere realistische Möglichkeiten, Entlastungen für die Mitarbeiter herbeizuführen?
Die Arbeit soll einen Überblick über die aktuelle Stresssituation im Kinder- und Jugendhaus X geben und Gestaltungsmöglichkeiten zur Prävention und Reduktion von Stress bei den Mitarbeitern aufzeigen. Das Ziel dabei ist, Handlungsempfehlungen zu formulieren, um ein stresssensibles Arbeitsleben für die Mitarbeiter zu schaffen und somit positive Entwicklungen auf zahlreichen Arbeits- und Lebensebenen zu erreichen. In der vorliegenden Arbeit wird kein Zusammenhang von Persönlichkeitsmerkmalen und Stressempfinden hergestellt, auch die Untersuchung von Anreiz-Beitragssystemen bleibt unberücksichtigt. Im Fokus der Untersuchung stehen die pädagogischen Mitarbeiter. Die Stresssituation der nicht-pädagogischen Mitarbeiter ist kein Bestandteil der Thesis. Des Weiteren findet keine Unterscheidung zwischen Mitarbeitern im Haupthaus und Mitarbeitern in den Außenwohngruppen statt, da die Arbeitsweise, Arbeitsbelastung und der Kontakt zu Gruppenleitern und der Gesamtleitung identisch sind.
1.3 Überblick über das Vorgehen
Im Rahmen des Theorieteils wird in der vorliegenden Bachelorthesis Stress in seinen unterschiedlichen Facetten beschrieben. Ferner werden die Besonderheiten der Jugendhilfe deutlich gemacht. Nachdem sich Stressfaktoren in Bezug auf die Jugendhilfe herausgestellt haben, werden Stressauswirkungen und Stressbewältigung beschrieben. Nach der Vorstellung von Work-Life-Balance, Stress-Resilienz-Konzepten, Salutogenese und Spiritualität erfolgt das Zwischenfazit.
Im Methodikteil wird das Kinder- und Jugendhaus X vorgestellt und es folgt ein Überblick über das Forschungsdesign. Der Onlinefragebogen inkl. Konzeptualisierung und Operationalisierung sowie die Interviews werden ebenso erläutert wie das Vorgehen bei der Umfrage und die Stichprobe. Im anschließenden Kapitel 4 werden die Ergebnisse aus der Befragung bzw. den Interviews dargestellt. Im 5. und letzten Kapitel erfolgen die kritische Reflexion, die Interpretation der wichtigsten Ergebnisse und die Gegenüberstellung der Interview-Ergebnisse. Es findet auch ein Abgleich der Umfrage-Ergebnisse mit den Interview-Ergebnissen statt. Nach den Handlungsempfehlungen endet die Arbeit mit dem Ausblick.
2. Theoretische Grundlagen
Im folgenden Teil wird Stress mit seinen Auswirkungen beschrieben und ein Zwischenfazit erstellt. Stressarten und Stress im Beruf sowie die Besonderheiten der Jugendhilfe finden hier Beachtung. Die spezifischen Stressfaktoren werden ebenso beleuchtet wie Stressauswirkungen und unterschiedliche Möglichkeiten der Stressbewältigung.
2.1 Stress
Gemäß der Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus dem Jahr 2015 wird Stress definiert als „ein Zustand der Alarmbereitschaft des Organismus, der sich auf eine erhöhte Leistungsbereitschaft einstellt.“[14]
Es gibt zahlreiche Stressdefinitionen. Schon Darwins „Kampf ums Dasein“ spiegelt Stress wider, da eine Auseinandersetzung mit der Umwelt und der Sicherstellung von lebenswichtigen Ressourcen besteht, wobei eine Einheit aus Physiologie und Verhalten angenommen wurde.[15] Später entwickelte Lazarus das transaktionale Stresskonzept, in dem Stress folgendermaßen definiert wurde: „Stress bezieht sich auf eine Beziehung mit der Umwelt, die vom Individuum in Hinblick auf sein Wohlergehen als bedeutsam bewertet wird, aber zugleich Anforderungen an das Individuum stellt, die dessen Bewältigungsmöglichkeiten beanspruchen oder überfordern.“[16] Kaluza stellte fest, dass Stress das Verhältnis von Anforderungen und Kapazitäten einer Person beschreibt.[17] Der Mediziner Hans Seyle beschrieb Stress als „Belastungen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Umwelteinflüsse ausgesetzt ist“, es handele sich dabei um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einem aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man körperlich und seelisch unter Druck steht.[18] Sindy Röhring und Werner Reiners-Krönke geben in ihrer Studie zum Thema „Burnout in der sozialen Arbeit“ an, dass Stress zu Angespanntheit mit gereizter Stimmung führt, wobei ein Abschalten nicht möglich ist.[19]
Stress stellt keine Störung gemäß ICD-10 (der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO) dar,[20] wenngleich die mit Stress verbundenen Symptome und assoziierten Erkrankungen im ICD erfasst werden. Hier sind depressive Episoden, Nervosität oder Beziehungsprobleme zu nennen.[21]
Stress und Burnout sind als Themen in den Medien kaum noch wegzudenken. Diverse Nachrichtenplattformen beschäftigen sich mit diesem für eine breite Masse der Bevölkerung wichtigen Thema: Laut Forsa-Umfrage von 2013 steigt der Stresslevel der befragten Bevölkerung. 76 % der Befragten gaben an, heute – also 2013 – gestresster zu sein als vor drei Jahren. Als relevanteste Stressoren stellten sich hohe Ansprüche an sich selbst, aber auch private Konflikte und Geldsorgen heraus. Laut dieser Umfrage sind Möglichkeiten zum Stressabbau Spazieren gehen, Hobbies haben, faulenzen oder Freunde und Familie treffen. Im Job selbst werden zu viel Arbeit und ein zu hoher Termindruck, aber auch Störungen und Informationsflut als Stressor empfunden.[22]
2.1.1 Stressarten
Stress wird in zwei Arten unterteilt: Eustress und Disstress. Eustress wird als positiver Stress wahrgenommen, der positive, beflügelnde Wirkungen hat – ihm folgen häufig Erfolge. Eustress setzt wie Distress auch, Hormone frei und steigert die Leistungsfähigkeit. Wenn aus der Belastung eine Überlastung wird, liegt Disstress vor. Dann stimmt das Verhältnis aus Stress und Stressreaktion nicht mehr, und der Mensch reagiert mit Unwohlsein bis hin zu Erkrankungen wie Burnout. Disstress ist unkontrollierter als Eustress und schwächt die Energieressourcen.[23]
Richard Lazarus erfasst vier Stressarten:
- Existenzieller Stress, z.B. durch einen Schock,
- Struktureller Stress, ausgelöst durch Gefahr oder Wertkrisen,
- Konstitutioneller Stress, der auf Grund von Anpassungs- oder Widerstandskrisen entsteht und
- Funktioneller Stress, der durch nervöses Verhalten ausgelöst wird.[24]
2.1.2 Stress im Beruf
Das Wort „Beruf“ bezeichnet nicht nur die Arbeit an sich sondern auch eine Bedürfnisbefriedigung für jemanden.[25] Lange Zeit galt Stress im Beruf als Schicksal. Je stressresistenter ein Mitarbeiter war, desto besser wurde seine Führungsmöglichkeit eingeschätzt. Aktuell wird Stress eher als Gesundheitsrisiko angesehen. Arbeitsdichte, Zeitlimits und in vielen Arbeitsbereichen verschwindende Grenzen von privatem und beruflichem Umfeld lösen bei Arbeitnehmern Stress aus. Zeitdruck und Zeitfresser vermitteln das Gefühl, nicht mehr Herr der Lage werden zu können, da zu viele Dinge auf einmal passieren. Fehlende Informationen, ungünstiges Kollegenverhalten, Unsicherheiten und Unterschätzung des eigentlichen Aufwandes führen zu Stresssituationen am Arbeitsplatz. Die Suche nach Anerkennung und die Belastungen durch soziale Kontakte bei der Arbeit innerhalb des Kollegenkreises können weitere Faktoren sein. Zu viele Kontakte zu Kollegen, aber auch zu wenige Kontakte sind für das psychische Wohlbefinden negativ. Unsicherheiten insbesondere im Dienstleistungsberuf tragen zur Verunsicherung der Arbeitnehmer bei, so dass freiwillig das Arbeitspensum erhöht und Leistungsdruck aufgebaut wird.[26]
Problematische Arbeitsstrukturen sind neben Sach- und Personenkonflikten und neben organisatorischen Ungerechtigkeiten der wichtigste Unzufriedenheitsfaktor bei Mitarbeitern. Außerhalb des eigentlichen Arbeitsplatzes bestehen Spannungsverhältnisse zwischen dem Dienstleistungsanbieter und -abnehmer. Je nach Kundenstruktur schwankt die Intensität der Belastung. Wenn Ressourcen des Mitarbeiters selbst und des Unternehmens gut eingesetzt werden, führt dies zum Stressabbau bzw. zur Stressprävention. Dem Management obliegt die Pflicht, die Mitarbeiter bestmöglich mit Ressourcen und Unterstützungsangeboten auszustatten. Hier zu nennen sind klare Kompetenzabgrenzungen, regelmäßige Meetings, ein gutes Dienstleitungsklima, strukturierte Vorgaben und Konfliktlösungsstrategien.[27] Stress im Beruf kann dazu führen, dass sich das Stressempfinden in der Freizeit fortsetzt, da sich Arbeitnehmer durch den Erschöpfungszustand keinen Freizeitaktivitäten mehr widmen können. Der gestresste Arbeitnehmer verzichtet dann auf soziale Kontakte und vernachlässigt Freizeitaktivitäten. Freizeitstress liegt vor, wenn zu viele Freizeitangebote zu Belastungen führen, da nicht alle Angebote angenommen werden können.[28]
2.1.3 Stress im Rahmen von Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen
Ein Belastungsfaktor in der Arbeit in sozialen Einrichtungen ist der Zeitdruck. Die Anforderungen der helfenden Mitarbeiter in der Beziehung zum Klienten und die Rahmenbedingungen der Institutionen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Das Ziel, Probleme in einem festgelegten Zeitfenster lösen zu müssen, wird von den Mitarbeitern als Belastung erlebt, bei der die eigenen Erwartungen hinter den Rahmenbedingungen zurückstehen müssen. Des Weiteren ist der Handlungs- und Entscheidungsspielraum ein möglicher Belastungsfaktor, wobei Flexibilität als Entlastung empfunden wird. Die Ungewissheitstoleranz belastet die Mitarbeiter sozialer Einrichtungen hingegen deutlich. Komplex und mehrdeutig sind die Problemlagen der Klienten. Die Helfer stehen gemeinsam mit dem Klienten vor dessen existenziellen Problemen. Es ist wahrscheinlich, dass resiliente Menschen Ungewissheit besser ertragen können. Die Bewältigungsressource „Soziale Unterstützung“ zeigt, dass nur die Unterstützung, die im Arbeitsumfeld vorzufinden ist, stressreduzierend wirkt und die Bedeutung privater Unterstützung in den Hintergrund tritt.[29]
2.1.4 Besonderheiten bei der Arbeit in der Jugendhilfe
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“[30] Jugendhilfe bezieht sich, abgesehen von der Arbeit mit dem Kind und dem Jugendlichen, immer stärker auf die Familie und auch auf das soziale Umfeld. Falls belastende Lebenssituationen das Kindeswohl gefährden oder den Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht (mehr) entgegengebracht werden kann, gibt es einen individuellen erzieherischen Bedarf mit entsprechend vorgehaltenem Leistungsangebot. Angebote können aus Heimerziehung und sonstigen betreuten Wohnformen, Erziehung in Tagesgruppen oder sozialpädagogischer Familienhilfe bestehen. Um diese Tätigkeit adäquat durchführen zu können, brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Höchstmaß an persönlicher, fachlicher und methodischer Kompetenz.[31] Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe stehen verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sowie ratlosen Eltern gegenüber, ebenso dem Perspektivenwechsel von Kontrolle zur Unterstützung durch die Gemeinschaft vor dem Hintergrund einer schwindenden Wertordnung. Tragfähige Beziehungen sollen aufgebaut werden, wenngleich professionelle Erzieher die Eltern nicht ersetzen können. Erzieher brauchen Selbstsicherheit und Eindeutigkeit, die durch Supervision wachsen kann.[32] Kinder- und Jugendhilfe ist zunehmend ein Gegenstand öffentlicher Erörterung geworden, wobei Kinder- und Jugendhilfe in der Mitte der Gesellschaft angenommen wird. Es wurde im Jugendhilfebericht herausgefunden, dass die Kinder- und Jugendhilfe im 21. Jahrhundert speziell durch die folgenden sechs Bedingungen bestimmt wird:
- Spannungsfeld zwischen Hilfe, Kontrolle und Bildung
- Spannungsfeld Entgrenzung und heterogene Handlungslogiken
- Kinder- und Jugendhilfe zwischen staatlicher Verantwortung und Zivilgesellschaft
- Spannungsfeld zwischen Lebensweltnähe und Fachdistanz
- Spannungsfeld Subjekt- und Sozialraumorientierung
- Außerdem das Spannungsfeld der normativen Orientierung und empirischer Forschung.[33]
Die Arbeit eines Sozialarbeiters ist nicht nur Beruf, sondern vor allem Berufung. Auf andere Menschen zuzugehen, sich in Situationen hineinzuversetzen und Interesse für Probleme und Lösungen zu entwickeln, ist in diesem Beruf wichtig. Sozialarbeiter sind für Menschen mit Hilfebedarf eine große Unterstützung, die im besten Fall die Situation des Klienten verbessern kann.[34]
2.1.5 Stressfaktoren im Arbeitsbereich der Jugendhilfe
Die Arbeitsgruppe EVAS (Evaluationsstudie erzieherischer Hilfen) und das Institut für Kinder- und Jugendhilfe haben Studien zusammengeführt, um die Einrichtung systemischer Qualitätsentwicklungen zu ermöglichen. Die Studie der EVAS evaluierte weiche Daten. Es kam dabei heraus, dass das Kinder- und Jugendhilfe-Klientel im Zeitraum von 1999 bis 2001 nicht „schwieriger“ geworden ist, aber das Empfinden über die Schwierigkeiten gestiegen ist – u.a. durch strukturelle Probleme, Ressourcenknappheit und Informationsdefizite.[35] Eine Einbeziehung der Eltern sei ein wichtiger Punkt in der Ressourcenförderung, dazu sind Umweltfaktoren wie Freizeitangebote und Kontakte zu Gleichaltrigen wichtig.[36] Das Involvieren der Umwelt des Klienten stellt ein weiteres Stresspotential dar.
Eine Umfrage im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung mit 100 Teilnehmern ergab, dass die Mitarbeiter in Jugendhilfeeinrichtungen u.a. folgende Stressoren als bedeutsam empfinden: Zeit- und Termindruck, Personalmangel, umständliche und lebensfremde Bürokratie, fehlende Infrastruktur, Arbeitsverdichtung, fehlende Kooperationsbereitschaft der Klientel, Notfälle und Krisen, nicht genügend Wertschätzung, kein Lob, Konflikte mit Vorgesetzten und im Team, Überlastung der Kolleg(inn)en und der Einblick in menschliche Tragödien.[37] Ein weiterer Stressfaktor in diesem Zusammenhang ist es, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge adäquat zu versorgen und für ein gemeinsames, harmonisches Miteinander zu fördern, Integration, Toleranz zu stärken. Hier steht die Jugendhilfe vor einer großen Herausforderung. Auch ist eine Belastung durch Unterstützung im Clearingverfahren denkbar.[38]
2.2 Stressauswirkungen
Die Untersuchung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung fand heraus, dass Schlafstörungen, Nicht-abschalten-können, Schmerzen und Müdigkeit, allgemeine Müdigkeit, innere Unruhe und Hektik, allgemeine Erschöpfung, Bluthochdruck und erhöhte Infektanfälligkeit die gravierendsten Stressauswirkungen bei Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe sind.[39] Stressauswirkungen können somatischer oder emotionaler Art sein, sich im Verhalten oder kognitiv auswirken.
2.2.1 Somatische Auswirkungen
Somatische Symptome der Stressfolgen sind Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Störungen des Herz-Kreislauf-Systems. Häufig gehen die Betroffenen erst spät zum Arzt. Der Arzt behandelt meist die Symptome, erkennt aber nicht gleich, dass sie eine Stressreaktion sind.[40] Gestresste Menschen sind jedoch infektanfälliger, da die Abwehrkräfte geschwächt sind. Der Cortisolspiegel ist bei chronisch gestressten Menschen erhöht, so dass der Körper Krankheiten nicht mehr effektiv bekämpfen kann. Ausreichend Schlaf und Bewegung sowie frische Luft wirken sich positiv aus.[41]
2.2.2 Emotionale Auswirkungen
Es wird im Rahmen der emotionalen Auswirkungen schnell und reflexartig gehandelt, was bedeutet, dass Situation und Reaktion im Nachhinein anders bewertet werden. Emotionalen Reaktionen sind entsprechende Überlegungen vorausgeeilt. Nach dem Erkennen eines Gefahrensignals wird der Thalamus eine direkte Stressreaktion auslösen.[42] Bei emotionaler Erschöpfung zeigt der gestresste Mensch Reizbarkeit, Ärger und Schuldzuweisungen. Er ist niedergeschlagen und ihm erscheint alles zu viel.[43]
2.2.3 Kognitive Auswirkungen
Bei geistiger Erschöpfung leidet die Gedankenwelt, die Kognition. Es herrschen Konzentrationsmangel und Vergesslichkeit, die sich negativ auf Geschehnisse im Team auswirken können. Die betroffene Person wird weniger kreativ und entwickelt eine negative Einstellung zu sich selbst, zur Arbeit, zu Kollegen und zum allgemeinen Leben.[44] Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel kann zu neurotoxischen Vorgängen führen, wie Tierversuche zeigten.[45] Eine Konsequenz des hohen Cortisolspiegels bei Dauerstress sind dauerhafte Stressreaktionen des Körpers, wie Bluthochdruck, Insulinausschüttung und verminderte Durchblutung von Darm und Haut. Durch die permanente Stresshormonproduktion wird der betroffene Mensch antriebslos und müde, leidet unter körperlichen Beschwerden und kann schon Alltagssituationen als Stress empfinden.[46]
2.2.4 Verhaltensauffällige Auswirkungen
Stress wirkt sich auf das Verhalten aus. Es liegt hastiges und ungeduldiges Verhalten vor, das sich auf alle Lebensbereiche beziehen kann. Zu Auswirkungen auf das Verhalten zählt auch das Betäubungsverhalten, also der Konsum von Alkohol, Nikotin, Tabletten und Kaffee. Ein weiterer Bestandteil kann das unkoordinierte Arbeiten sein, bei dem Dinge verloren gehen, vieles gleichzeitig erledigt werden will oder man sich noch mehr Arbeit zutraut. Bei konfliktreichem Umgang mit Mitmenschen kommt es zur Konfliktsuche und zu unkollegialem Verhalten.[47] Um den Stressauswirkungen entgegenzusteuern, bestehen verschiedene Möglichkeiten der Stressbewältigung, von denen vier, nämlich die Work-Life-Balance, das Resilienz-Konzept, das Modell der Salutogenese und die christliche Religiosität im Folgenden erläutert werden.
2.3 Stressbewältigung
Der heilige Franziskus, unter dessen Orden das Kinder- und Jugendhaus X lange Zeit stand, schreibt in seiner Regel: „Wenn sie das nicht tun können, genügt ihnen der gute Wille“.[48] Die Akzeptanz der eigenen Grenzen sollte zum achtsamen Umgehen mit sich selbst und so zu natürlicher Stressbewältigung und Stressvermeidung führen.[49] Im Folgenden werden vier ausgewählte Methoden zur Stressbewältigung erläutert.
2.3.1 Work-Life-Balance
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Work-Life-Balance zu definieren. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance soll ein Gleichgewicht zwischen Belastungen aus dem Arbeitsleben und den neuen Lebensbereichen schaffen. Private Veränderungen müssten demnach vom Arbeitgeber erkannt und berücksichtigt werden. Grundsätzlich sollen durch die Work-Life-Balance Maßnahmen einer Verbesserung der Arbeitssituation und auch der Lebenssituation entstehen.[50] Psychologisch betrachtet gibt es fünf mögliche Hypothesen zur Work-Life-Balance:
- Neutralitätshypothese: Die Arbeit hat keine Auswirkungen auf die Freizeit.
- Kompensationshypothese: Arbeit und Freizeit gleichen sich gegenseitig aus.
- Generalisationshypothese: Es existiert eine starke Wirkung der Lebensbereiche.
- Interaktionshypothese: Es gibt eine bereichernde Beeinflussung zwischen Freizeit und Arbeit.
- Kongruenzhypothese: Konflikte bei der Arbeit und im Privatleben führen zu Arbeitsunzufriedenheit.
Die erste Hypothese ist auszuschließen, da Arbeit und Privatleben nicht getrennt voneinander existieren.[51] Die Work-Life-Balance wird als wichtig erachtet, da die Arbeitnehmer komplexen Entwicklungen ausgesetzt sind. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, flexibel und gleichzeitig stabil zu sein. Tätigkeiten außerhalb des Berufes nehmen zu und stabile Karriereverläufe werden z.B. durch Teilzeitbeschäftigungen variiert. Hinzu kommt, dass sich Arbeitsort und Arbeitszeiten mit dem Zuhause und der Freizeit vermischen, da durch Internet und Smartphones fließende Grenzen geschaffen werden können. Maßnahmen, die durch die Unternehmensführung implementiert werden können, um die Work-Life-Balance der Mitarbeiter zu erhöhen, wären Arbeitsplatzsicherung in der Elternzeit, familienfreundliche Arbeitszeiten und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.[52] Die Mitarbeiterbindung kann durch die Sensibilisierung von Führungskräften, individuelle Karriereplanungen und Fortbildungsprogramme erfolgen. Work-Life-Balance-Maßnahmen führen zu einer dreifachen win-win-win-Situation, da aus gesellschaftlicher, betrieblicher und individueller Ebene ein Nutzen erkennbar ist. Gesellschaftlich machen sich Einsparungen bei den Krankenkassen durch geringere Krankenstände bemerkbar. Des Weiteren steigert das Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit durch gute Nutzung des Humankapitals. Das Unternehmen profitiert direkt in Form von Arbeitszufriedenheit und motivierten Mitarbeitern, indirekt von Mitarbeiterproduktivität und weniger Fehlzeiten. Entscheidend sind die Auswirkungen auf das Individuum: Lebensbereiche können besser miteinander vereinbart werden, soziale Beziehungen entwickeln sich positiver, ein besseres Gesundheitsverhalten ist erkennbar und Stress wird reduziert.[53] Psychisch stabile Menschen können besser mit Stress umgehen, wie das nachfolgende Konzept zeigt.
2.3.2 Resilienz–Konzept
Ein resilienter Mensch ist psychisch robust, Druck prallt an ihm ab und er ist stressresistent. Negative Stressfolgen werden umgangen, belastende Lebensumstände erfolgreich durchlebt.[54] Resilienzfaktoren sind psychische und soziale Kompetenzen sowie kognitive Fähigkeiten wie Selbst- und Fremdwahrnehmung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenz, Umgang mit Stress und Problemlösungen.[55] Schutzfaktoren sind Merkmale, die psychische Beeinträchtigungen verhindern oder abmildern können und somit die Chance auf positive Entwicklungen erhöhen. Sie können umgebungsbezogen, wie z.B. Ansprüche, Anforderungen und mangelnde Wertschätzung, oder personenbezogen sein, wobei die Wahrnehmung der Regulierungsmöglichkeiten des eigenen Selbstwertes wichtig ist.[56] Jemand, der Risikofaktoren ausgesetzt ist, hat eine größere Wahrscheinlichkeit, seelische Beeinträchtigungen zu erfahren. Hier sind pränatale Komplikationen ebenso zu nennen wie Armut, chronische Erkrankungen und geringe Selbstregulationsfähigkeit. Resilienz-Konzepte im Human Ressource Management führen dazu, dass Mitarbeiter unangenehmen Situationen standhalten, sich dennoch Rat einholen und die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen.[57] Resiliente Menschen sind eher psychisch gesund als nicht resiliente Menschen. Somit sind resiliente Arbeitnehmer leistungsfähiger und auch lebenszufriedener. Mitarbeiter müssen selbstständig und eigeninitiativ arbeiten können und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen – dies gelingt resilienten Menschen gut.[58] Zudem wird resilienten Menschen die Kompetenz zugesprochen, Teams und Organisationen in Krisen positiv zu begleiten.[59]
2.3.3 Das Modell der Salutogenese
Das Modell der Salutogenese handelt vom Erhalt der Gesundheit sowie dem Erhalt und der Verbesserung der seelischen Gesundheit. Die Bewältigung von Stress soll im besten Fall zur Salutogenese führen, so dass seelische Gesundheit entsteht. Der Medizinsoziologe Aaron Antonowsky gab an, dass Salutogenese das Gefühl des Vertrauens sei; Vertrauen darauf, dass Geschehnisse im Leben verstehbar, beeinflussbar und sinnvoll sind. In diesem Modell ist das Kohärenzgefühl die Maßeinheit für das in der jeweiligen Person vorherrschende Gefühl des Vertrauens. So steht, anders als im Stress-Coping-Modell von Lazarus, nicht im Vordergrund, welche Ressourcen vorhanden sind, sondern lediglich das Vertrauen darauf, dass überhaupt Ressourcen bestehen. Gelassenheit und Konstruktivität können durch Atmung, Achtsamkeit, harmonische Bewegungen und umsichtiges Handeln, aber auch durch die innere Haltung in Güte, Liebe und Dankbarkeit entstehen.[60]
Glaube, Hoffnung und Liebe sind urchristliche Werte[61], so dass Religiosität allgemein ein weiterer Baustein der Stressbewältigung sein kann. Da es sich bei dem Kinder- und Jugendhaus X um eine katholische Einrichtung handelt thematisiert die Verfasserin speziell christliche Religiosität.
2.3.4 Christliche Religiosität
Der Begriff Religion hat verschiedene Charakteristika, nämlich semiotische, systemische und kulturelle und wird durch Mythos, Ethos und Ritus ausgedrückt.[62]
Christliche Werte bestehen aus:
- Nächstenliebe, die die mitmenschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt stellt.
- Schutz der privaten Sphäre des Nächsten, wobei hier Schutz von Leben und Gesundheit, des Eigentums, der Allgemeinheit, Schutz von Ehe und Familie, der Wahrheit und Rücksicht zu nennen sind.
- Hilfe für den Nächsten: In Not geratene Mitmenschen sollen Mitleid, Barmherzigkeit und Hilfe erfahren. Der einzelne Mensch soll gefördert werden und Hilfe bei Problemen erhalten.
- Hierarchische Ehrerbietung: Abgesehen von der Gleichheit aller Menschen vor Gott gibt es dennoch ein hierarchisches Gefüge, z.B. in der Beziehung von Kindern und Eltern, Gesunden und Kranken, Jungen und Alten.[63]
Religiosität kann helfen, anstrengende Lebensphasen gut zu überstehen, Anschluss zu finden, Gemeinschaft zu erleben und Krankheiten zu ertragen.[64] Während die materielle Wirkung von Bittgebeten nicht zwingend erwartet wird, so führt das Bittgebet dennoch zu psychischen Wirkungen wie Vertrauen, Mut und Ruhe.[65] Im Gebet oder Gottesdienst lenkt sich die Aufmerksamkeit auf die Handlung oder den Wiederholungsreiz, so dass der Stressauslöser in den Hintergrund geraten kann.[66]
Das Gebet der Gelassenheit, welches Friedrich Christoph Oetinger zugesprochen wird, tatsächlich aber erstmals von Wilhelm von Oranien verschriftlicht wurde, verdeutlicht diese Haltung: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, Dinge zu verändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.“[67]
2.4 Zwischenfazit und Implikationen für die Untersuchung
Deutlich erkennbar ist, dass Stress zum Arbeitsleben dazugehört und insbesondere im helfenden Beruf eine wichtige Rolle spielt. Die Problemstellung kann wie folgt präzisiert werden: Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe stehen vielfältigen Anforderungen und belastenden Situationen gegenüber. Die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter sollten in den Arbeitsalltag integriert werden, um eine psychosoziale Gesunderhaltung sicherzustellen. Dies ist insbesondere auf Grund der finanziellen und personellen Ressourcenknappheit eine Herausforderung für den Träger.
Um Handlungsansätze entwickeln zu können, werden im Rahmen der vorliegenden Bachelorthesis innerhalb der Umfrage Dimensionen von Stress abgefragt; die Teilnehmer können Angaben zu Stressauswirkungen machen, aus denen dann Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen erarbeitet werden können. Die individuellen Ansichten der Befragten geben einen aufschlussreichen Einblick in die Empfindungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter.
Durch den theoretischen Hintergrund werden folgende Hypothesen entwickelt:
- Zeitdruck und Arbeitsvolumen sind Stressoren.
- Belastende Lebenssituationen der Klienten wirken sich auf die Mitarbeiter negativ aus.
- Stress führt zu negativem Verhalten, insbesondere, wenn es nicht genügend Stressbewältigungsmöglichkeiten gibt.
- Die Beachtung der privaten Situation fördert die Stressprävention.
- Bedürfnisse der Mitarbeiter, besonders Lob, Anerkennung und Kommunikation betreffend, müssen berücksichtigt werden.
[...]
[1] Vgl.: DKV- Umfrage, abrufbar auf Statista, http://de.statista.com (11.8.2015).
[2] Vgl.: Forsa- Umfrage aus 2013 abrufbar auf Statista http://de.statista.com (11.8.2015).
[3] Vgl.: Poulsen, I.: 2012, S. 51.
[4] Vgl.: Informelles Gespräch mit der Leitung am 10.7.2015.
[5] Vgl.: BGW Betriebsbarometer, Mitarbeiterbefragung Kinder und Jugendhaus X, 07.07.2009-04.08.2009 Bereitgestellt von BGW, Gesamtbericht.
[6] Vgl.: Sanz, A.; Fengler, J.: 2011, S. 63.
[7] Vgl.: Gusy B.: 1995, S. 15.
[8] Vgl.: Wolfer, D.: Profession und Disziplin, Sozialpädagogische Handlungsmöglichkeiten in der Jugendhilfe, abrufbar auf http://www.mja-sachsen.de/wolfer (13.8.2018).
[9] Vgl.: Poulsen, Dr. I :. Die Zeitschrift für Soziale Arbeit Heft 10/2007, S. 11–21.
[10] Vgl.: Thiersch, H.: 2012; S. 42.
[11] Vgl.: Kühn, M., 2006, S. 61.
[12] Vgl.: Rabe- Kleeberg, U., 2006, S. 156.
[13] Vgl.: Schneider, Ratzbach, 2012, S. 22.
[14] Vgl.: Gesundheitsberichterstattung des Bundes (14.7.2015); https://www.gbe-bund.de.
[15] Vgl.: Hüthner, G., 2013 S. 28.
[16] Vgl: Larazrus und Folkmann, 1986, zitiert nach Heppel E.; 2007 S. 15.
[17] Vgl.: Kaluza, 1991, S.5.
[18] Vgl.: Wagner- Link, A.: 1994, S. 5.
[19] Vgl: Röhring, S., Reiners. Krönke, W.: 2004, S. 49.
[20] Vgl.: DIMDI (16.8.2015), https://www.dimdi.de.
[21] Vgl.: Heinrichs,M.; Stächele,T.; Domes,G.; 2015, S. 6.
[22] Vgl.: TK- Studie zur Stresssituation in Deutschland, September 2013, (14.7.2015), http://www.tk.de.
[23] Vgl.: Sven C. Voelpel, Anke Fischer: 2015, S. 56.
[24] Vgl.: Beckmann, Wippert: 2009, S. 92.
[25] Vgl: Dorsch, Lexikon (31.7.2015), https://portal.hogrefe.com.
[26] Vgl.: Tegtmeier, C; Tegtmeier M.: 2013, S. 42 ff.
[27] Vgl.: Holz, M.: 2005, S. 96.
[28] Vgl.: Allmer, H.:1996, S.178 ff.
[29] Vgl.: Dalbert, Prof. Dr. C. : 2009, S. 8.
[30] Vgl.: § 1 KJHG.
[31] Vgl.: http://www.fs-hd.de (25.7.2015).
[32] Vgl.: Gesellschaft für Supervision, (15.8.2015), www.dgsv.de.
[33] Vgl. 14. Kinder S. 14 und Jugendbericht, abrufbar auf http://www.bmfsfj.de. (25.7.2015).
[34] Vgl.: http://www.sozialarbeiter.eu/ (31.7.2015).
[35] Vgl.: Knab, E., Macsenaere, M. 2004, S. 53.
[36] Vgl.: Knab, E., Macsenaere, M. 2004, S. 56.
[37] Vgl.: Dr. Poulsen, 2013. Abrufbar auf http://www.caritas.de (31.7.2015).
[38] Vgl.: Diakonie: http://www.diakonie.de (11.10.2015)
[39] Vgl.: Dr. Poulsen, 2013. Abrufbar auf http://caritas.de (31.7.2015).
[40] Vgl.: Kaluza, G.: 2012 S. 39.
[41] Vgl.: Kaluza, G.: 2012 S. 36.
[42] Vgl.: Kaluza, G.: 2012, S. 24 f.
[43] Vgl.: Kaluza, G.: 2012. S. 41.
[44] Vgl.: Kaluza, G.: 2012, S. 41.
[45] Vgl.: Wippert, P.; Beckmann, J.: 2009, S. 121.
[46] Vgl: Biovis Diagnostik Fachinformation 2/2009 Chronischer Stress und seine Folgen, ein brandaktuelles Thema in der modernen Praxis, S. 3.
[47] Vgl.: Kaluza, G: 2012, S. 11.
[48] Vgl.: Deutsche Franziskaner Provinz (16.7.2015), http://www.franziskaner.de.
[49] Vgl.: Strobel, I. : 2015, S. 71.
[50] Vgl.: Poppelreuter, S. in: Bandura, B., Fehlzeitenreport 2013, 2013. S.110.
[51] Vgl.: Stockinger, B.: 2015, S. 14 .
[52] Vgl.: Bott, J.: 2014, S. 42 ff.
[53] Vgl.: Collatz, A.; Gudat, K.: 2011, S. 69 ff.
[54] Vgl.: Wustmann, C., 2004, S. 19.
[55] Vgl.: Fröhlich- Gildhoff, K/ Rönnau- Böse, M., 2009, S. 42.
[56] Vgl.: Götze, U.: 2013, S. 29.
[57] Vgl.: Eberspächer, H. : 2011, S. 57.
[58] Vgl.: Götze, U.: 2013 S. 38 .
[59] Vgl.: Wellensiek, K.; Galuska, J. : 2014, S. 25.
[60] Vgl.: Fengler, J. Resilienz und Salutogenese - wie wir den Helfer-Beruf ertragen, gestalten, genießen können. In: Gunkel, S.; Kruse, G.: Was hält gesund? Was bewirkt Heilung? Hannoversche Ärzte- Verlags- Union, 2004, S. 349 ff.
[61] Vgl.: Bibel, Korinther, 13.
[62] Vgl.: Theißen, G,: 2009, S. 7.
[63] Vgl.: Hansmann, F.: 2010, S. 20 f.
[64] Vgl.: Vaas, R; Blume, M.: 2009, S. 105.
[65] Vgl.: Grohm, B.: 2009 S. 35.
[66] Vgl.: Dwight L. Evans; Marneros, A. ; 2007; S. 609.
[67] Vgl.: Wilhelm, T.: (19.7.2015) http://www.wlb-stuttgart.de.
- Citation du texte
- Ulrike Schaffer (Auteur), 2015, Stress im helfenden Beruf. Evaluation in einem Kinder- und Jugendhaus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310036
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