Wenn ich zur Idee der „Menschenwürde“ im Rahmen von sozialer Arbeit Überlegungen anstelle, verfolge ich damit ein vorrangig praktisches Anliegen. Im allgemeinen Verständnis
wird mit dem Begriff „Menschenwürde“ ausgedrückt, dass einem Menschen ein nicht auf Grund von Eigenschaften herleitbarer und nicht hinterfragbarer, unantastbarer Wert zukommt.
Ein abstraktes Bekenntnis zur Menschenwürde ist das eine, sie im sozialen Alltag, bei mir speziell in der Obdachlosenarbeit, zu verwirklichen, stellt eine ganz eigene Herausforderung dar. Denn dies erfordert, den Anspruch der Menschenwürde in diesem besonderen Umfeld als Orientierung für das praktische Handeln wirksam werden zu lassen. Luise Reddemann, bekannt im Zusammenhang von Traumatherapie fordert, dass Psychotherapeuten ihr Handeln einem Würdemaßstab unterziehen. Vergleichbares gilt dann auch für die Soziale Arbeit.
Die Aufgabe für den Sozialarbeiter kann man in diesem Zusammenhang folgendermaßen formulieren: Welche inneren Einstellungen und welche Fähigkeiten muss ein Sozialarbeiter besitzen bzw. entwickeln, um bei Menschen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach ihre Würde und Selbstachtung verloren haben, dennoch ihre Würde in ihrem Erscheinungsbild und Verhalten überhaupt noch wahrzunehmen und mit ihnen, entgegen ihrer eigenen selbstverachtenden Einstellung respektvoll, würdevoll umzugehen?
Wenn ich zur Idee der „Menschenwürde“ im Rahmen von sozialer Arbeit Überlegungen anstelle, verfolge ich damit ein vorrangig praktisches Anliegen. Im allgemeinen Verständnis wird mit dem Begriff „Menschenwürde“ ausgedrückt, dass einem Menschen ein nicht auf Grund von Eigenschaften herleitbarer und nicht hinterfragbarer, unantastbarer Wert zukommt. Ein abstraktes Bekenntnis zur Menschenwürde ist das eine, sie im sozialen Alltag, bei mir speziell in der Obdachlosenarbeit, zu verwirklichen, stellt eine ganz eigene Herausforderung dar. Denn dies erfordert, den Anspruch der Menschenwürde in diesem besonderen Umfeld als Orientierung für das praktische Handeln wirksam werden zu lassen. Luise Reddemann, bekannt im Zusammenhang von Traumatherapie fordert, dass Psychotherapeuten ihr Handeln einem Würdemaßstab unterziehen. Vergleichbares gilt dann auch für die Soziale Arbeit.1
Die Aufgabe für den Sozialarbeiter kann man in diesem Zusammenhang folgendermaßen formulieren: Welche inneren Einstellungen und welche Fähigkeiten muss ein Sozialarbeiter besitzen bzw. entwickeln, um bei Menschen, die dem äußeren Erscheinungsbild nach ihre Würde und Selbstachtung verloren haben, dennoch ihre Würde in ihrem Erscheinungsbild und Verhalten überhaupt noch wahrzunehmen und mit ihnen, entgegen ihrer eigenen selbstverachtenden Einstellung respektvoll, würdevoll umzugehen?
Was Robert Spaemann in seinem Aufsatz: „Sind alle Menschen Personen?“ in Bezug auf debile Menschen schreibt, hat auch im Rahmen Sozialer Arbeit seine Geltung: „Ihre Existenz [die der debilen Menschen] ist der Härtetest der Humanität.“2 „Debile [sind], in der universalen Personengemeinschaft unmittelbar nur Empfänger physischer und psychischer Wohltaten, ohne selbst der Anerkennung und alles dessen, was daraus folgt, fähig zu sein. Tatsächlich geben sie mehr als sie nehmen. Was sie empfangen, sind Hilfen auf der vitalen Ebene. Aber dass der gesunde Teil der Menschheit diese Hilfe gibt, ist für diesen selbst von grundlegender Bedeutung. […] Die Liebe zu einem Menschen oder seine Anerkennung gilt, wie wir gesehen haben, ihm, nicht seinen Eigenschaften. Allerdings nehmen wir ihn nur durch seine Eigenschaften wahr. […] Ein Debiler hat solche Eigenschaften nicht. Dass es in der Anerkennungsgemeinschaft der Menschheit wirklich um Anerkennung des Selbstseins und nicht in Wirklichkeit nur um die Schätzung nützlicher oder angenehmer Eigenschaften geht, wird exemplarisch sichtbar am Umgang mit denen, die solche Eigenschaften gar nicht haben. Sie fordern das Beste im Menschen, sie fordern den eigentlichen Grund seiner Selbstachtung heraus. Was sie der Menschheit auf diese Weise durch ihr Nehmen geben, ist mehr als das, was sie bekommen.“3 Anhand dieses Zitats wird deutlich, welchen Wert der Begriff der Menschenwürde für das Selbstverständnis einer Gesellschaft hat, weil von daher eine Vorstellung von humanem Verhalten gewonnen werden kann.
Bevor ich auf die Frage eingehe, was mit dem Begriff Menschenwürde inhaltlich gemeint ist, skizziere ich umrisshaft die beiden geschichtlichen Stationen, wie sie in der Gründungsurkunde (Charta) der Vereinten Nation von 1945 und im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (23. Mai 1949) festgehalten sind. Dabei folge ich der Darstellung von Paul Tiedemann: „Was ist Menschenwürde?“4, ohne ihn im Einzelnen zu zitieren. Der erste internationale Vertrag, der die Würde des Menschen erwähnt, ist die Gründungsurkunde (Charta) der Vereinten Nationen. Im Textvorschlag des südafrikanischen Ministerpräsidenten Jan Christiaan Smuts war die Rede davon, den Glauben an fundamentale Menschenrechte (fundamental human rights), an die Unantastbarkeit (sanctity) und an den höchsten Wert (ultimate value) der menschlichen Persönlichkeit (human personality) wiederherzustellen. Ein Redaktionskomitee hat eine in zwei Punkten leicht geänderte Fassung vorgelegt. Darin wurde das Wort „sanctity“ (Unantastbarkeit) durch das Wort „dignity“ (Würde) ersetzt. Zudem wurde in der Endfassung das Wort „value“ durch das Wort „worth“ eretzt, weil „value“ eher auf ökonomische Zusammenhänge bezogen sei. Die Kontroverse um die Begriffe „human personality“ bzw. „every human being“, die schließlich zu der Formulierung „human person“ führte, bringt zum Ausdruck, dass die Würde nicht nur jeder Persönlichkeit innewohnt, sondern jedem Menschen. Die Erklärung der Menschenrechte durch die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ist eine direkte Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, in dem die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu grausamen Taten geführt haben. Gemäß Artikel 68 der Charta der Vereinten Nationen wurde 1946 die UN-Menschenrechtskommission als eine Fachkommission des UN-Wirtschafts- und Sozialrates gegründet. Im Bewusstsein der inhaltlichen Defizite der Charta hinsichtlich der Menschenrechte war somit die erste große Aufgabe der neu gegründeten Kommission die Erarbeitung eines internationalen Menschenrechtskodex (International Bill of Rights). Ende Januar 1947 nahm die aus 18 Experten bestehende Kommission unter der Leitung Eleanor Roosevelts ihre Arbeit auf. Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit 48 Ja-Stimmen, 0 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen verabschiedet. Die Präambel und Artikel 1 befinden sich im Anhang.5 Während im 5. Absatz der Präambel die Formel vom Glauben an die Würde des Menschen aus der UN-Charta wiederholt wird, präzisiert Absatz 1 durch die Formel: „inherent dignity“. Damit wird Würde allen Menschen unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Staatszugehörigkeit zugesprochen. Durch das Wort „angeboren“/“innewohnend“ (inherent) wird deutlich gemacht, dass die Würde nicht von einer Leistung abhängig ist. Sie kann weder erworben noch verliehen werden. Jeder Mensch besitzt Würde kraft seines Menschseins.
Die in der Präambel und im Artikel 1 angeführte Menschenwürde und ihr Verständnis bilden die Grundlage für das gesamte Menschenrechtskonzept. Vor diesem Hintergrund der UN- Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 zu sehen, indem auch hier die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte in Verbindung gebracht werden mit der Menschenwürde. Die besondere Bedeutung erhält die Menschenwürde noch dadurch, dass sie nicht nur an den Anfang des Abschnitts über die Grundrechte gestellt wird, sondern an den Anfang der gesamten Verfassung:
Artikel 1 des Grundgesetzes:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“6
Einer der Verfassungsväter und spätere Bundespräsident Heuss bezeichnete Menschenwürde als eine „nicht interpretierte These“7. Diese Aussage kann man so verstehen, dass Würde als letzter, grundlegender Wert nicht definiert werden kann, sondern selbstevident ist. Die entscheidende Frage ist dann die nach dem Inhalt des Begriffs Würde und ihrer Begründung. Doch sowohl die geschichtliche wie die philosophische Entwicklung des Würdebegriffs aufzuzeigen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Denn Anliegen dieser Arbeit ist keine philosophisch-theoretische sondern eine praktische Fragestellung. Es lassen sich dennoch zwei wichtige Richtungen in der inhaltlichen Fassung und Begründung de Würdebegriffs ausmachen, wobei in der einen Kant als Begründer anzusehen ist. Bei der anderen stehen letztlich - wie in der UN-Charta - „religiöse“ Vorstellungen im Hintergrund. Obwohl die Kirche sich lange Zeit dem Gedanken bzw. dem Konzept der Menschenwürde entgegengesetzt hat, kann man heute von einer Nähe zwischen biblischen Gedanken und den Inhalten der Menschenwürde ausgehen.8 Auf Kant beziehen sich u. a. Peter Schaber, Paul Tiedemann und Peter Bieri. Die Selbstbestimmung des vernunftbegabten Menschen ist bei diesen Autoren Kern der Menschenwürde. In der Darstellung Tiedemanns steht die Menschenwürde bei Kant im Zusammenhang der Frage nach dem uneingeschränkt Guten in der Moral. Menschenwürde beruht auf der Fähigkeit des Menschen zum Vernunftgebrauch, und zwar nicht zum richtigen Vernunftgebrauch, sondern in der Fähigkeit zum Vernunftgebrauch überhaupt. Dass der vernunftbegabte Mensch sich selbst das Gesetz seines Handelns gibt, „[…] »diese Autonomie ist der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur«“9. Laut Kant verleiht die menschliche Begabung zur Vernunft und die damit einhergehende Fähigkeit zur Sittlichkeit dem Menschen seine einzigartige Würde. Weiter lautet die berühmte Formulierung bei Kant: „»Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst, nicht als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muss in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichtete Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden.«“10 Kant erläutert den Begriff weiter, indem er ihn vom ökonomischen Wert unterscheidet: „»Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.«“11 Eine reine Instrumentalisierung der Menschenwürde durch den Menschen selbst wird durch diesen Gedanken verhindert. Den anderen Menschen in seiner Würde achten heißt, so Kant, ihn „»jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel« zu behandeln.“12 Man nennt dies auch die Selbstzweckformel Kants. Diese Formel verbietet nicht, andere als Mittel zu einem Zweck zu behandeln, wohl aber sie ausschließlich als Mittel zu einem Zweck zu benutzen. Dieses Konzept hat das gravierende Problem mit dem moralischen Status von nicht hinreichend autonomen Menschen. Paul Tiedemann argumentiert, dass auf solche Menschen das ethische Prinzip der Menschenwürde nicht
[...]
1 Vgl. L.: Reddemann: Würde als menschliche Dimension. Vortrag gehalten auf dem Kongress „Dimensionen des Lebens“ des Tiroler Instituts für Logotherapie in Wels, Juni 2009 Auditorium Müllheim/Baden 2013
2 Ebd. R. Spaemann: Sind alle Menschen Personen. In: Paolo Bavastro (Hrsg): Individualität und Ethik. Verlag Urachhaus Stuttgart 1997 S. 260
3 Ebd. a.o.O. S. 261
4 Vgl. Paul Tiedemann: Was ist Menschenwürde? Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2006 S. 13 ff.
5 Anhang S.
6 Ebd. http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01.html
7 Ebd.: Rolf Gröschner: Die Würde des Menschen. In: Paolo Bavastro (Hrsg): Individualität und Ethik. Verlag Urachhaus Stuttgart 1997 S. 19
8 Vgl. Karsten Wernecke und Henrik Otto: Mensch und Menschenwürde. Ernst Klett Verlag Stuttgart, 2011 S. 14 ff.
9 Vgl. Karsten Wernecke und Henrik Otto: Mensch und Menschenwürde. Ernst Klett Verlag Stuttgart, 2011 S. 14 ff.
10 Ebd. Paul Tiedemann a.o.O. S. 62
11 Ebd. Paul Tiedemann a.o.O. S. 64
12 Ebd. Karsten Wernecke a.o.O. S. 15
- Citar trabajo
- Mara Strick (Autor), 2015, Die Menschenwürde im Kontext von Sozialer Arbeit. Ein Essay, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309995
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