Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Wie auch immer die Gesellschaft der Gegenwart bezeichnet wird - ob ‚Dienstleistungsgesellschaft’, ‚Informationsgesellschaft’ oder ‚Wissenschaftsgesellschaft’ - diese Begriffe kennzeichnen einen tiefgreifenden Wandel, der sich während der letzten Jahrzehnte in den hochindustrialisierten Ländern vollzogen hat. Sie weisen auf den Befund hin, dass der Faktor Wissen als Motor im Rahmen der Globalisierung eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Damit besteht eine Innovationsdynamik in der Welt, die auch die Konkurrenzbeziehungen zwischen den Städten und Regionen radikal verschärft (MATTHIESEN 2004, S. 11). Denn insbesondere Städten und Stadtregionen wird seit geraumer Zeit eine herausragende Relevanz in Bezug auf die Mitgestaltung des globalen Wettbewerbs beigemessen, da sie als die treibenden Kräfte betrachtet werden, die die für den ökonomischen Wettbewerb als notwendig erachteten, vielfältigen Integrationsleistungen und innovativen Lösungen bereitstellen.
Dem ständig steigenden Standortwettbewerb begegnen die Städte zunehmend mit einem gezielten Einsatz von Marketinginstrumenten. Da viele Hinweise dahingehend existieren, dass „Wissenschaftsstädte“1 die Herausforderungen des strukturellen Wandels sehr viel einfacher bewältigen können als andere Städte (KUNZMANN 2004, S. 33), scheint es für die Wissenschaftsstädte besonders sinnvoll, sich diesen Vorteil im Rahmen ihres Marketing zu Nutze zu machen und ihre wissenschaftlichen Einrichtungen und ihr wissenschaftliches Potenzial werbewirksam zu präsentieren. Dementsprechend begegnen uns im Alltag immer häufiger Städteslogans, Orts- und Hinweisschilder, die explizit auf den Stellenwert der Universität und der Wissenschaft in der jeweiligen Stadt hinweisen.
Basierend auf den spezifischen Standortanforderungen der wissensbasierten Gesellschaft und den bestimmten Merkmalen von Wissenschaftsstädten ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, das besondere Potenzial der Wissenschaftsstädte hinsichtlich eines erfolgreichen Marketing herauszustellen, darüber hinaus bestimmte Anforderungen an ein wirkungsvolles Marketing für Wissenschaftsstädte abzuleiten und schließlich ein allgemeingültiges Marketingkonzept für den Typus Wissenschaftsstadt zu entwickeln...
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhangverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Rahmenbedingungen des Marketing für Städte und Regionen
2.1 Marketing für Städte und Regionen – Begriffsklärung
2.1.1 Stadt- und Regionalmarketing
2.1.2 Standortmarketing
2.2 Gründe für das Marketing von Städten und Regionen
2.3 Veränderte Standortanforderungen in der wissensbasierten Gesellschaft
3 Die Wissenschaftsstadt – Konzeption und Einordnung
3.1 Das Konzept der Wissenschaftsstadt in der Fachliteratur
3.1.1 Die Wissenschaftsstadt als wissensbasierte Siedlungsform
3.1.2 Die Wissenschaftsstadt als innovationspolitisches Instrument
3.2 Die Bedeutung von Wissen, Milieus und Netzwerken in der wissensbasierten Gesellschaft
3.2.1 Regionalökonomische Aspekte
3.2.2 Wissen und seine Produktion in der heutigen Gesellschaft
3.2.3 Wissenschaft und Universität als Standortfaktor
3.3 Einordnung der Wissenschaftsstadt in den Kontext der wissensbasierten Gesellschaft
4 Anforderungen an ein erfolgreiches Marketing für eine Wissenschaftsstadt
4.1 Vorbemerkung und Vorgehensweise
4.2 Allgemeiner Aufbau einer Marketingkonzeption für Städte und Regionen
4.3 Besondere Anforderungen an das Marketing für eine Wissenschaftsstadt
4.3.1 Grundlegende Ziele und Zielgruppen
4.3.2 Spezifische Umsetzungsmöglichkeiten
4.3.2.1 Kultur und Lebensqualität als Ansatzpunkt zur Profilierung der Stadt
4.3.2.2 Herausstellung der Bedeutung der Wissenschaft
4.3.2.3 Kooperationen und Netzwerke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
4.3.2.4 Beitrag wissenschaftlicher Einrichtungen zum Marketing der Stadt
4.3.2.5 Kooperationen zwischen Wissenschaft, Kunst und Kultur
4.3.3 Zusammenfassung
5 Praxisorientierte Umsetzungsmöglichkeiten und Entwicklung eines Marketingkonzepts
5.1 Untersuchung von Bewerbungskonzepten zum Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“
5.1.1 Der Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“
5.1.2 Vorgehensweise, Ziel und Grenzen der Untersuchung
5.1.3 Praxisorientierte Umsetzungsmöglichkeiten
5.1.3.1 Kultur und Lebensqualität als Ansatzpunkt zur Profilierung der Stadt
5.1.3.2 Herausstellung der Bedeutung der Wissenschaft
5.1.3.3 Kooperationen und Netzwerke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
5.1.3.4 Beitrag wissenschaftlicher Einrichtungen zum Marketing der Stadt
5.1.3.5 Kooperationen zwischen Wissenschaft, Kunst und Kultur
5.1.4 Zusammenfassung und Ergänzungen
5.2 Entwicklung eines Marketingkonzepts für eine Wissenschaftsstadt
5.2.1 Leitbildformulierung und Zielbildung
5.2.2 Strategien
5.2.3 Marketinginstrumente
5.2.4 Zusammenfassung
6 Abschließende Betrachtung und Ausblick
Anhang
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Stadtmarketing als strategischer Prozess
Abb. 2: Zusammenhang zwischen Standort-, City-, Stadt- und Regionalmarketing
Abb. 3: Systemverflechtungen bei der Innovationsförderung
Abb. 4: Träger der gesellschaftlichen Systeme
Abb. 5: Innovatives Milieu
Abb. 6: Die drei Säulen der Wissensstadt
Abb. 7: Grundlegender Aufbau einer Stadt- bzw. Regionalmarketing-Konzeption
Abb. 8: Herleitung einer Marketing-Konzeption für eine Wissenschaftsstadt
Abb. 9: Zielsystem für eine Wissenschaftsstadt
Abb. 10: Bedeutung der Kultur für die Zielgruppen der Wissenschaftsstadt
Abb. 11: Kooperationen und Vernetzungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
Abb. 12: Zielgruppenspezifische Marktbearbeitung der Wissenschaftsstadt
Abb. 13: Marketingkonzept für eine Wissenschaftsstadt
Anhangverzeichnis
Anhang 1: Bewerbungskonzept der Städte Bremen/Bremerhaven für den Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft 2005“...
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Wie auch immer die Gesellschaft der Gegenwart bezeichnet wird - ob ‚Dienstleistungsgesellschaft’, ‚Informationsgesellschaft’ oder ‚Wissenschaftsgesellschaft’ - diese Begriffe kennzeichnen einen tiefgreifenden Wandel, der sich während der letzten Jahrzehnte in den hochindustrialisierten Ländern vollzogen hat. Sie weisen auf den Befund hin, dass der Faktor Wissen als Motor im Rahmen der Globalisierung eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Damit besteht eine Innovationsdynamik in der Welt, die auch die Konkurrenzbeziehungen zwischen den Städten und Regionen radikal verschärft (Matthiesen 2004, S. 11). Denn insbesondere Städten und Stadtregionen wird seit geraumer Zeit eine herausragende Relevanz in Bezug auf die Mitgestaltung des globalen Wettbewerbs beigemessen, da sie als die treibenden Kräfte betrachtet werden, die die für den ökonomischen Wettbewerb als notwendig erachteten, vielfältigen Integrationsleistungen und innovativen Lösungen bereitstellen.
Dem ständig steigenden Standortwettbewerb begegnen die Städte zunehmend mit einem gezielten Einsatz von Marketinginstrumenten. Da viele Hinweise dahingehend existieren, dass „Wissenschaftsstädte“[1] die Herausforderungen des strukturellen Wandels sehr viel einfacher bewältigen können als andere Städte (Kunzmann 2004, S. 33), scheint es für die Wissenschaftsstädte besonders sinnvoll, sich diesen Vorteil im Rahmen ihres Marketing zu Nutze zu machen und ihre wissenschaftlichen Einrichtungen und ihr wissenschaftliches Potenzial werbewirksam zu präsentieren. Dementsprechend begegnen uns im Alltag immer häufiger Städteslogans, Orts- und Hinweisschilder, die explizit auf den Stellenwert der Universität und der Wissenschaft in der jeweiligen Stadt hinweisen.[2]
Basierend auf den spezifischen Standortanforderungen der wissensbasierten Gesellschaft und den bestimmten Merkmalen von Wissenschaftsstädten ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, das besondere Potenzial der Wissenschaftsstädte hinsichtlich eines erfolgreichen Marketing herauszustellen, darüber hinaus bestimmte Anforderungen an ein wirkungsvolles Marketing für Wissenschaftsstädte abzuleiten und schließlich ein allgemeingültiges Marketingkonzept für den Typus Wissenschaftsstadt zu entwickeln. Eine praxisorientierte Untersuchung soll aufzeigen, ob und in welcher Form die entwickelten Anforderungen in der Praxis erfüllt werden und welche aktuellen Tendenzen bezüglich des Marketingverhaltens ausgewählter Wissenschaftsstädte zu erkennen sind.
Es ist das besondere Anliegen der vorliegenden Arbeit, einen wissenschaftlichen Beitrag zur Konzeption des Marketing für einen bestimmten Stadttypus, den Typus Wissenschaftsstadt, zu liefern. In der Fülle der vorhandenen einschlägigen Literatur rund um das Thema Marketing für Territorien werden diverse Vorschläge für ganzheitliche Marketingkonzepte für Städte und Regionen aufgezeigt. Ein allgemeines, für einen spezifischen Stadttypus gültiges Marketingkonzept, wie es im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu entwickeln gilt, stellt insofern einen neuartigen Ansatz dar.
1.2 Aufbau der Arbeit
Um einen adäquaten Einstiegspunkt in diese Arbeit herzustellen, werden nach dem einleitenden Kapitel im Kapitel 2 die allgemeinen Rahmenbedingungen des Marketing für Städte und Regionen erläutert. In diesem Teil erfolgt nach einer knappen Begriffsklärung die Auseinandersetzung mit allgemeinen Gründen für das Marketing von Städten und Regionen und darüber hinaus mit den spezifischen Standortanforderungen der wissensbasierten Gesellschaft.
Im anschließenden Kapitel 3 wird die Konzeption und Einordnung der Wissenschaftsstadt vorgenommen. In diesem Zusammenhang wird die Wissenschaftsstadt zunächst anhand zweier vorliegender Artikel der Fachliteratur vorgestellt. Anschließend wird die Bedeutung von Wissen, Milieus und Netzwerken in der gegenwärtigen Gesellschaft dargelegt, ehe die Einordnung der Wissenschaftsstadt in den Kontext der wissensbasierten Gesellschaft erfolgt und gleichzeitig die besonderen Merkmale einer Wissenschaftsstadt aufgezeigt werden.
Aufbauend auf die beiden vorangehenden Kapitel beschäftigt sich das Kapitel 4 mit der Herleitung und Entwicklung spezifischer Anforderungen, die aufgrund der veränderten Ansprüche in der Wissensgesellschaft und der besonderen Ausprägungen der Wissenschaftsstadt an das Marketing für selbige zu stellen sind. Gemeinsam mit dem darauf folgenden Kapitel 5 stellt dieses Kapitel den Kern der vorliegenden Arbeit dar. Im Anschluss an die knappe Darstellung der Vorgehensweise und der Vorstellung des allgemeinen Aufbaus einer Marketingkonzeption für Städte und Regionen werden zunächst grundlegende Ziele des Marketing für Wissenschaftsstädte dargelegt und die spezifischen Umsetzungsmöglichkeiten entwickelt und diskutiert.
Nach den theoretischen Ausführungen wird in Kapitel 5 mittels einer praxisorientierten Untersuchung aufgezeigt, ob und in welcher Form die entwickelten Anforderungen seitens der Wissenschaftsstädte in der Praxis umgesetzt werden können. Herangezogen wird diesbezüglich eine Auswahl an Konzepten, die Wissenschaftsstädte als Bewerbungsunterlage für den Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“ angefertigt haben. Aufbauend auf die Erkenntnisse der Untersuchung und die zuvor entwickelten Anforderungen wird ein Vorschlag für ein Marketingkonzept für den Typus Wissenschaftsstadt generiert.
Schließlich fasst das sechste Kapitel die wesentlichen Erkenntnisse und Kernaussagen der vorliegenden Arbeit zusammen. Im Rahmen dieses Abschnitts erfolgt abschließend ein Ausblick auf mögliche Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven des Marketing für Wissenschaftsstädte.
2 Rahmenbedingungen des Marketing für Städte und Regionen
Stadt- und Regionalmarketing haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung in der öffentlichen Diskussion gewonnen (Meyer 1999, S. 1). Ein zunehmender Wettbewerbsdruck, vor allem bedingt durch die Globalisierung, betrifft zunehmend auch Territorien. Diesem Standortwettbewerb begegnen Städte und Regionen in wachsendem Maße mit einem gezielten Einsatz von Marketinginstrumenten.
2.1 Marketing für Städte und Regionen – Begriffsklärung
Die Marketing-Theorie hat sich in den letzten Jahrzehnten aus einer einseitigen ökonomischen Orientierung, die auf die Interessen von Unternehmen ausgerichtet ist, zu einem umfassenden Koordinations- und Steuerungsinstrument entwickelt, das gerade auch in vielen sozialen Bereichen eine wachsende Bedeutung erlangt. Marketing kann in diesem Zusammenhang als eine Konzeption verstanden werden, mit deren Hilfe die Zielvorstellungen von Organisationen - seien es Unternehmen, Städte, Regionen oder Personen - mit den Nutzenvorstellungen von Nachfragern, Verbrauchern oder Bürgern in Einklang gebracht werden können. Im Laufe der Entwicklung ist es in der Marketingtheorie nachhaltig zu einer Übertragung des ursprünglich für den Konsumgüterbereich entwickelten Marketingkonzepts auf eine Vielzahl von Austauschprozessen und damit auch auf Städte, Regionen und Gemeinden gekommen (Meissner 1995, S. 21).
Im Zusammenhang mit dem Marketing für Städte und Regionen erscheinen vielfach die Begriffe Stadtmarketing, Regionalmarketing und Standortmarketing. Die vorliegende Arbeit fokussiert zwar das Marketing für eine (Wissenschafts-)Stadt, dennoch sollen im Folgenden auch die unterschiedlichen Ausprägungen des Marketing für Städte und Regionen differenzierter betrachtet und abgegrenzt werden. Denn es bleibt hinsichtlich der Zielsetzung dieser Arbeit zu klären, ob für das Marketing für eine Wissenschaftsstadt auch Ausprägungen denkbar sind, die über das Stadtmarketing an sich hinausgehen.
2.1.1 Stadt- und Regionalmarketing
Ziel des Marketing für Städte und Regionen ist es, die Stadt oder Region als Wirtschafts- und Lebensraum und als Ziel für Besucher attraktiver zu gestalten. Dabei ist das Marketing für Städte und Regionen weit mehr als Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Es umfasst als langfristiges Führungs- und Handlungskonzept die zielgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle der Beziehungen einer Stadt oder Region mit ihren unterschiedlichen Zielgruppen (Meffert 1989, S. 273; Bertram 1995, S. 29).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Stadtmarketing als strategischer Prozess (in Anlehnung an Meissner 1995, S. 24)
Es gibt zwischen Stadt- und Regionalmarketing viele Übereinstimmungen aber auch Unterschiede. Stadtmarketing und Regionalmarketing bewegen sich auf zwei Ebenen: das Stadtmarketing auf der lokalen, das Regionalmarketing auf der darüber liegenden Ebene der Region. Sowohl das Stadt- als auch das Regionalmarketing sind Instrumente, mittels derer versucht wird, die Kooperation zwischen Verwaltung, Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen Organisationen, den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und den Gewerkschaften zu gemeinsamer Zielfindung und enger Zusammenarbeit in der Verwirklichung der gefundenen Ziele zu verbessern. Im weitesten Sinne handelt es sich also um Planungs- und Verwaltungsinstrumente, die weit über den Bereich der öffentlichen Verwaltung hinaus reichen (Heide 1995, S. 85).
Die Marketingaktivitäten für Städte und Regionen verstehen sich als strategische, d.h. strukturschaffende Aufgabe. Die Entwicklung von Stadt- und Regionalmarketingkonzepten folgt deshalb einem konkreten Prozess (Meissner 1995, S. 23), dargestellt in Abbildung 1.
In der einschlägigen Literatur existiert eine Vielzahl weiterer Interpretationen des Stadt- und Regionalmarketing[3]. Eine vollständige Darlegung dieser würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Deshalb wird an dieser Stelle darauf verzichtet.
2.1.2 Standortmarketing
Das Standortmarketing richtet sich an vorhandene und potenzielle Investoren einer Stadt oder Region. Ziel ist es, durch an den Erwartungen und Bedürfnissen von Investoren orientierten Standortaktivitäten diese an den Standort zu binden bzw. für den Standort zu gewinnen (Spieß 1998, S. 11 f.).
Standortmarketing kann in diesem Sinne auch als Inhalt von Stadt- und Regionalmarketing verstanden werden. Den Zusammenhang zwischen Standort-, Stadt- und Regionalmarketing veranschaulicht Abbildung 2.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Zusammenhang zwischen Standort-, City-, Stadt- und Regionalmarketing
(in Anlehnung an Spieß 1998, S. 11)
Manschwetus (1995) stellt das Standortmarketing als eine mögliche Ausprägung des Regionalmarketing dar. Er verwendet den Begriff des Regionalmarketing als Oberbegriff für den Einsatz eines Marketinginstrumentariums für Territorien. Hinsichtlich des Gegenstandsbereichs kann Regionalmarketing spezielle Ausprägungen annehmen, zu denen neben der Gewinnung von Konsumenten in der Innenstadt (Citymarketing), der Gewinnung von Touristen (Tourismusmarketing) und der Gewinnung von Besuchern des Kulturangebotes einer Region (Kulturmarketing) auch die Gewinnung von Investoren (Standortmarketing) zählt (Manschwetus 1995, S. 41).
2.2 Gründe für das Marketing von Städten und Regionen
In welcher Form sich die Ausbreitung des Marketingansatzes auf Standorte, Städte und Regionen auswirkt, wurde im vorangehenden Abschnitt dargelegt. Worin liegen die Gründe für die Expansion des Marketing auf Territorien? Als wesentliche Triebkraft kann diesbezüglich der wachsende Wettbewerbsdruck angeführt werden. Denn Städte und Regionen sehen sich heutzutage mit einem zunehmend härter werdenden Standortwettbewerb konfrontiert (Spieß 1998, S. 1). Dieser Standortwettbewerb ist vor allem durch das Konkurrieren um Investoren geprägt (Manschwetus 1995, S. 1). Als Ursachen hierfür sind im Wesentlichen die Globalisierung der Märkte sowie der andauernde Strukturwandel zu sehen. Der Bedeutungsverlust von Grenzen in Verbindung mit einer vermehrten geographischen Unabhängigkeit von Unternehmensaktivitäten eröffnet neue Standortoptionen. Ohne unüberwindbare Schwierigkeiten können Unternehmen ihre Produktionsstandorte evtl. auch im Ausland wählen. Hinzu kommt eine in den letzten Jahrzehnten zunehmende Standortunabhängigkeit vieler Wirtschaftszweige (Spieß 1998, S. 1), wodurch der Standortwettbewerb noch verschärft wird.
Finanzielle Schwierigkeiten, Wertewandel und steigende Ansprüche der Bevölkerung lassen das Erfordernis des Marketing für Städte und Regionen zudem steigen (Merz 1999, S. 19; Töpfer; Mann 1995, S. 5). So müssen Städte und Regionen im Zuge des Standortwettbewerbs auf Werteverschiebungen innerhalb der Bevölkerung reagieren. Eine verstärkte Freizeit- und Erlebnisorientierung sowie ein gewachsenes Umweltbewusstsein generieren zusätzliche Standortansprüche. Sie artikulieren sich in Erwartungen hinsichtlich des Freizeit-, Bildungs- und Kulturangebots eines Standortraumes
ebenso wie in einer Präferenzbildung für eine attraktive und ökologisch unbelastete Landschaft.
Als Reaktion auf die Entwicklung eines Standortwettbewerbs kann die in den letzten Jahren deutlich angestiegene Zahl von Initiativen, Stadt- und Regionalmarketing zu betreiben, gewertet werden (Spieß 1998, S. 2 f.). Im Stadt- und Regionalmarketing werden in diesem Zusammenhang zunehmend wertvolle Instrumente der Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung und somit ein Lösungsansatz für regionalwirtschaftliche Probleme gesehen (Manschwetus 1995, S. 1 ff.).
Zusammengefasst ergeben sich die Gründe für eine steigende Bedeutung des Marketing für Städte und Regionen aus den folgenden Faktoren:
- Zunahme des Konkurrenzkampfes um Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen, Arbeitskräfte, Touristen, Kongresse, Kultur- und Sportveranstaltungen etc.
- Rückgang der Bedeutung der traditionellen Standortfaktoren für Investitionsentscheidungen von Unternehmen
- Wachsende Bedeutung des Standortimage
- Steigende Rolle der Lebensqualität (Freizeit und Umwelt) bei Wohnort- und Arbeitsplatzwahl
- Wachsende Bedeutung der Akzeptanz kommunaler Maßnahmen bei Bürgerinnen und Bürgern
- Zunehmende Erkenntnis, dass die Einstellungen und Bedürfnisse kommunaler Zielgruppen zur Planungsgrundlage gemacht werden sollten (Manschwetus 1995, S. 16).
Vernachlässigt seien an dieser Stelle spezifische Standortanforderungen, die aus den Konsequenzen der gegenwärtigen, wissensbasierten Gesellschaft resultieren. Aufgrund ihrer besonderen Relevanz für die Themenstellung der vorliegenden Arbeit wird diesem Aspekt im Folgenden ein eigener Abschnitt gewidmet (vgl. Kap. 2.3).
2.3 Veränderte Standortanforderungen in der wissensbasierten Gesellschaft
Die Entwicklung der gegenwärtigen Gesellschaft wird neben anderen ‚Megatrends’ auch von mehreren ökonomischen Tendenzen geprägt, die sich mit den Schlagworten Globalisierung, Dienstleistungsgesellschaft und Wissensgesellschaft kennzeichnen lassen. Der Motor und zugleich wesentlicher Träger der Globalisierung ist Information und Wissen, sowie deren schneller und unmittelbarer Austausch in einer offenen, weltweiten und grenzüberschreitenden Vernetzung (Pohle 2003, S. 2). Der Umsatz der Ressource Information und damit von Wissen nimmt relativ zum Umsatz materieller und energetischer Ressourcen stark zu, und Wissen wird als ein zentraler Wirtschafts- und Standortfaktor angesehen (Kreibich 1986, S. 7; Behr 2004, S. 223).
Wissen und Information in den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen der Globalisierung und des Strukturwandels kommt damit nicht nur auf nationaler sondern auch auf regionaler und kommunaler Ebene eine besondere Bedeutung zu (Pohle 2003, S. 2). Insbesondere Städten und Stadtregionen wird seit geraumer Zeit eine herausragende Bedeutung bei der Mitgestaltung des globalen Wettbewerbs beigemessen, da sie als die Motoren betrachtet werden, die die für den ökonomischen Wettbewerb als notwendig erachteten vielfältigen Integrationsleistungen und kreativen Lösungen bereitstellen (Ache 2000, S. 244).
Aus dieser Entwicklung resultieren spezifische Anforderungen an einen Standort. Neben anderen Ursachen führt insbesondere die moderne Informationstechnologie zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs der Städte und Regionen (Meyer 1999, S. 41). Durch die Verdrängung des sekundären Sektors und der zunehmenden Wichtigkeit des Dienstleistungssektors nimmt die Bedeutung der traditionellen Standortfaktoren für die Standortentscheidungen der Unternehmen ständig ab (Merz 1999, S. 20).
Weiche Standortfaktoren[4] wie Ausbildungs- und Forschungsinfrastrukturen sowie der Wohn- und Freizeitwert gewinnen bei dem Wettbewerb der Städte und Regionen zunehmend an Relevanz. Neben den wichtigen Kriterien der Infrastruktur und der Verkehrsanbindung, der Wirtschaftsförderung und der kommunalen Steuern nehmen Faktoren wie die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften sowie die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung und des Wissenschaftstransfers durch die Nähe von Universitäten und Instituten eine immer zentralere Rolle ein. Die klassischen Auswahlkriterien hingegen, wie z.B. Marktnähe und natürliche Ressourcen, verlieren an Bedeutung. Sie haben im Zeitalter der Informationstechnologie, moderner Transporttechniken und Wertewandel ihre Bedeutung nahezu eingebüßt[5] (Töpfer; Mann 1995, S. 5; Rehberger 1995, S. 71). Je mehr Technologie- oder sogar High-Tech-Unternehmen an einem Standort angesiedelt sind, desto höher ist auch der Anspruch der Mitarbeiter an Kultur und Freizeit. Dies ist unter anderem im Bildungsniveau der Beschäftigten dieser Branche begründet (Töpfer; Mann 1995, S. 6).
In der wissensbasierten Gesellschaft spielen Einrichtungen der Wissensproduktion und des Wissenstransfers eine immer wichtigere Rolle. Mit der fortschreitenden Öffnung der europäischen Grenzen einerseits und der immer enger werdenden staatlichen Finanzierungsmöglichkeiten andererseits kommt auch auf die Universitäten ein steigender Wettbewerbsdruck zu. Wichtige Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit sind für eine Universität ebenso wie für eine private Unternehmung zum einen die Attraktivität des Standorts und zum anderen die des Leistungsangebots. Wenn sich die Studierenden in einem freien Bildungsmarkt für die Hochschule ihrer Wahl entscheiden können, und wenn die Finanz- und Personalressourcen nicht mehr ausreichen, um die besten Wissenschaftler zu gewinnen oder zu halten, wird die regionale Standortqualität zu einem entscheidungsrelevanten Kriterium für Studierende und für Professoren (Dieckheuer 1995, S. 14 f.). Die Beschäftigten der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen favorisieren verständlicherweise Standorte in einem Szeneumfeld, welches die erforderlichen Entspannungsangebote nach getaner Lehre, Forschung und Entwicklung bereit hält (Kunzmann 2004, S. 29). Umgekehrt dienen alle Anstrengungen einer Universität, sowohl in der Lehre als auch in der Forschung ein wettbewerbsfähiges Leistungsprofil bereitzustellen, auch dem Ziel, die Qualität einer Region zu steigern. Zwischen beiden Aspekten besteht somit eine Wechselwirkung: Eine wenig attraktive Region hemmt die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Hochschulen, und leistungsschwache Hochschulen sind dem Image[6] einer Region abträglich (Dieckheuer 1995, S. 14 f.).
Den Städten stellt sich als Folge der aktuellen Entwicklungen die Aufgabe, neben der Wirtschaftskraft auch die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Denn Städte konkurrieren heute nicht nur als Wirtschaftsstandort, sondern auch als Lebensraum, Einkaufs- und Kulturstadt sowie als Erholungsraum (Bertram 1995, S. 29). Als Folge werden insbesondere die Standortvorteile, die von den regionalen Akteuren beeinflusst werden können, zum Gegenstand von Marketingkonzepten.
3 Die Wissenschaftsstadt – Konzeption und Einordnung
Obwohl der Begriff der Wissenschaftsstadt im Alltag immer häufiger Verwendung findet, ist er in der einschlägigen Literatur bislang kaum vorzufinden und bedarf deshalb einer näheren Definition und Beleuchtung. Insbesondere die Merkmale und das Potenzial der Wissenschaftsstädte und deren Bedeutung in Bezug auf die wissensbasierten und regionalökonomischen Entwicklungen bedürfen einer tiefergehenden Klärung.
3.1 Das Konzept der Wissenschaftsstadt in der Fachliteratur
In der Fachliteratur existieren bislang nur wenige Beiträge, die sich mit dem Konzept der Wissenschaftsstadt intensiv auseinandersetzen. Zwei der vorhandenen Artikel stammen von Kühn (2003) und Quiehl (1995).
3.1.1 Die Wissenschaftsstadt als wissensbasierte Siedlungsform
Nach Kühn (2003) ist unter dem Begriff der Wissenschaftsstadt ein besonderer Ansiedlungstyp des Wissens zu verstehen. Der hier verwendete Wissensbegriff umfasst dabei in seinem Kern die institutionellen Träger der Forschung und Entwicklung (FuE). Im Einzelnen zählen dazu:
- Öffentliche sowie private Universitäten und Hochschulen
- Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
- Privatunternehmen mit eigenen FuE-Abteilungen
- Neu- und Ausgründungen innovativer kleiner und mittelständischer Firmen (Kühn 2003, S. 140).
Kühn knüpft seine systematische Darstellung von wissensbasierten Siedlungsformen in Stadtregionen an die bisherige Forschung zum Thema „innovative Milieus“ bzw. „kreative Milieus“[7] an, welche sich auf die Ebene der Region als Raum sozialer Netzwerke oder ökonomischer Cluster bezieht. Der Raumbezug bleibt damit bislang weitgehend abstrakt, ohne die konkreten siedlungsstrukturellen Kontexte und Stadtbezüge dieser Milieus zu berücksichtigen. Hier besteht der Ansatzpunkt Kühns zur Systematisierung wissensbasierter Siedlungsformen in Stadtregionen. Unter anderem lassen sich die wissensbasierten Ansiedlungstypen Universitäts-Campus, Technologie- bzw. Innovationspark, Wissenschaftspark (Science Park), Wissenschaftsstadt (Science City) und wissensbasierte Stadtlandschaft unterscheiden (Kühn 2003, S. 147). Allen ist gemein, dass sie als Instrumente zur gezielten Auslösung innovatorischer Prozesse Verwendung finden können (Quiehl 1995, S. 186). Unterschiede bestehen vor allem im Hinblick auf ihren Anspruch der Nutzungsmischung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit (Kühn 2003, S. 147).
Dementsprechend wird mit dem Konzept der Wissenschaftsstadt dem Versuch Rechnung getragen, nicht nur die ökonomische Sphäre des Arbeitens, sondern auch die soziokulturellen Sphären Wohnen und Freizeit der „Wissensarbeiter“ in einem städtebaulichen Kontext zu integrieren, indem die Sphären der Arbeit und Freizeit durch Wohnangebote für Wissenschaftler und Forscher ergänzt werden (Kühn 2003, S. 147). Damit verdeutlicht das Konzept den Anspruch der Schaffung eines komplexen Stadtwesens (Kühn 2003, S. 144).
3.1.2 Die Wissenschaftsstadt als innovationspolitisches Instrument
Quiehl (1995) stellt die Wissenschaftsstadt als innovationspolitisches Instrument vor. Da sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Regionalentwicklung und der allgemeinen Innovationsförderung als wesentliche Kriterien innerhalb politischer Zielsetzungen seit den 1970er Jahren geändert haben, finden im Rahmen der Wirtschaftspolitik zunehmend Instrumente zur gezielten Auslösung innovatorischer Prozesse Verwendung, um den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu forcieren. Zu diesen Förderungsinstrumenten zählen in der Reihenfolge ihrer schrittweisen Entwicklung die Gewerbegebiete, die Gründer- bzw. Technologiezentren, die Technologie- bzw. Science Parks, die Technopolis und schließlich die Wissenschaftsstadt (Quiehl 1995, S. 186).
Da das Konzept der Wissenschaftsstadt eng an das der so genannten Technopolis anknüpft, wird zunächst auf dieses eingegangen.
Die Technopolis
Mit Hilfe der Technopolis als innovationspolitisches Instrument soll zum einen die Intensivierung des Wissenstransfers erreicht werden. Zum anderen soll die Regionalisierung von Industrie und Forschung durch die Nutzung von Fühlungsvorteilen mittels Bündelung der Aktivitäten an geographisch definierten Stellen und die Zusammenführung unterschiedlicher Elemente und Systeme des ökonomisch-gesellschaftlichen Handelns bewirkt werden (Quiehl 1995, S. 189). Das eigentliche innovative Element der Technopolis gegenüber älteren Instrumenten besteht in der Zusammenführung verschiedener Systeme. Eine gezielte Vernetzung unterschiedlicher Akteure in den Entscheidungs- und Handlungsbereichen soll zusätzliche Potenziale freisetzen. Der Bedeutung eines passenden Umfelds für den kreativen Prozess der Innovation wird Rechnung getragen, indem sich das Konzept der Technopolis als integrierte Gesamtheit aus Bevölkerung, akademischer Forschung, Industrie und öffentlichem Bereich darstellt. Auf diese Weise kann auf der einen Seite die Entstehung und Verbreitung der Hochtechnologie aktiv gefördert werden. Auf der anderen Seite lassen sich die sozialen Gegebenheiten bewusst gestalten und somit auf die emotionalen Bedingungen menschlichen Handelns abstimmen, und die vorhandene lokale Tradition und Kultur bleibt erhalten (Quiehl 1995, S. 189).
Die Wissenschaftsstadt
Die Konzeption der Wissenschaftsstadt stellt als Nachfolger des Konzepts der Technopolis nach Quiehl (1995) das letzte Glied der Kette innovationsfördernder Instrumente dar. Mit der Vision der Wissenschaftsstadt wird eine umfassende Verflechtung der Teilsysteme „Staat“, „Wirtschaft“, „Wissenschaft“, „Individuelles Feld“ und „Globales Feld“ angestrebt. Diese ist in Abbildung 3 dargestellt. Abbildung 4 veranschaulicht ergänzend die einzelnen Träger der genannten gesellschaftlichen Systeme.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Systemverflechtungen bei der Innovationsförderung (in Anlehnung an Quiehl 1995, S. 194)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Träger der gesellschaftlichen Systeme (Quiehl 1995, S. 194)
Mit der Einbeziehung des globalen Feldes hebt sich die Wissenschaftsstadt von der Technopolis ab. Im Einzelnen sollen mit der Vision der Wissenschaftsstadt die folgenden Ziele erreicht werden:
- Verflechtung mit nicht-wissenschaftlichen bzw. nicht-technischen Fachgebieten
- Im umfassenden Sinne Berücksichtigung des globalen Feldes, d.h. Umweltschutz, qualitatives Wachstum, Nachhaltigkeit, Technik und Wissenschaftsfolgenabschätzung
- Betrachtung des Gesamtzusammenhangs von Entwicklungen durch Beteiligung der Öffentlichkeit; in gewisser Weise Demokratisierung durch Teilnahme / Mitbestimmung von Nicht-Fachleuten (Quiehl 1995, S. 195).
Das erste als Wissenschaftsstadt bezeichnete Projekt stellt der Anfang der 1960er Jahre begonnene Aufbau der Science City Tsukuba, etwa 60 km nordöstlich der japanischen Hauptstadt Tokio, dar. Tsukuba Science City ist Teil eines umfangreichen Technopolis-Konzepts in Japan, mit dem versucht wurde, Technologiepolitik und Raumordnung zu verknüpfen. Heute gilt sie als eine große Konzentration von Wissensmilieus auf nationaler Ebene (Quiehl 1995, S. 191; Kühn 2003, S. 144).
3.2 Die Bedeutung von Wissen, Milieus und Netzwerken in der wissensbasierten Gesellschaft
Nachstehend werden die Relevanz des Faktors Wissen und darüber hinaus der Beitrag von Milieus und Netzwerken zur Produktion, zum Transfer und zur Anwendung des Wissens in der wissensbasierten Gesellschaft aufgezeigt.
3.2.1 Regionalökonomische Aspekte
Die Erforschung von Wissen, technologischem Wandel und Innovation als Einflussfaktoren der Wirtschaftsentwicklung gehört seit etwa 15 Jahren zu den zentralen Inhalten ökonomischer und wirtschaftsgeographischer Arbeiten (Liefner 2003, S. 68). Wissen wird in der regionalen Entwicklungspolitik als entscheidende Ressource für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung betrachtet. Darüber hinaus kommt dem schnellen Austausch von Wissen in einer offenen Vernetzung verschiedener Akteure eine wichtige Bedeutung zu (Pohle 2003, S. 2). So dominiert die Idee der Netzwerke[8] seit den 1980er Jahren Überlegungen zu den Determinanten wirtschaftlichen Erfolgs und der Regionalentwicklung (Fromhold-Eisebith 1999, S. 168). Auch Stichworte wie Wissensmilieus und die lernenden Regionen[9] sind immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Beiträge, da die Bedeutung von Wissens- und Lernprozessen zunehmend steigt (Matthiesen 2004, S. 12).
Auf das Konzept der „innovativen Milieus“ bzw. „kreativen Milieus“ wurde im Zusammenhang mit dem Konzept der Wissenschaftsstadt als wissensbasierte Siedlungsform bereits hingedeutet (vgl. Kap. 3.1.1). Es wird einerseits zur näheren Beleuchtung der Bedeutung von Netzwerken, Wissensverbreitung, Lernprozessen und der so genannten Milieubildung und andererseits zum besseren Verständnis des vorgestellten Konzepts der Wissenschaftsstadt an dieser Stelle ausführlich dargestellt.
Das Konzept der innovativen bzw. kreativen Milieus und Netzwerke
Das Konzept der innovativen bzw. kreativen Milieus und Netzwerke entstand in den 1980er Jahren parallel zu Diskussionen über die so genannten Industriedistrikte Italiens[10] und wird vornehmlich von der französischen Forschergruppe GREMI (Groupe de Recherche Européen sur les Milieux Innovateurs) entwickelt und propagiert (Schätzl 2001, S. 231). Hierbei werden innovative Unternehmen nicht isoliert betrachtet, sondern mit ihrem lokalen Umfeld und den dortigen sozio-institutionellen Strukturen in Verbindung gebracht. Der Schwerpunkt der innovativen bzw. kreativen Milieus liegt auf den regionalen Netzwerken und Verflechtungen. Die Region wird dabei als der Rahmen eines „aktiven Milieus“ angesehen, aus dem heraus innovative Entwicklungen erzeugt und vorangetrieben werden (Rösch 2000, S. 162). GREMI sieht in der Existenz eines innovativen Milieus eine wichtige Voraussetzung für Entstehung und Wachstum innovativer Unternehmen sowie für die Dynamik kreativer Regionen. Nach Maillat und Lecoq (1992) lässt sich ein innovatives Milieu definieren als ein komplexes territoriales System von formalen und informellen Netzwerken, die wechselseitig wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten aufweisen und die Fähigkeit besitzen, synergetische und innovative Prozesse zu initiieren (Maillat; Lecoq 1992, zitiert nach Schätzl 2001, S. 231). Das lokalisierte Produktionssystem stellt als Form der gebietsgebundenen Produktionsorganisation den Ansatzpunkt der Konzeptionalisierung eines innovativen bzw. kreativen Milieus dar. Die Verflechtungsdimensionen dieses Milieus, dargestellt in Abbildung 5, ergeben sich wie folgt:
1.) Lokalisiertes Produktionssystem. Hierunter wird eine Ballung von Industrieunternehmen, Zulieferern, Kunden und Dienstleistern in räumlicher Nähe zueinander subsumiert, die über vielfältige Güter-, Arbeitsmarkt-, Technologie- und Informationsverflechtungen zu einem Beziehungsnetzwerk verbunden sind. Die Zugehörigkeit zu demselben Produktionssystem fördert Kooperationen zwischen den regionalen Akteuren, kollektive Problemlösungen, Synergieeffekte und die Einsparung von Transaktionskosten (Bathelt; Glückler 2002, S. 190).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Innovatives Milieu (in Anlehnung an Bathelt; Glückler 2002, S. 191)
2.) Sozio-institutionelle Einbettung. Im Milieu ist das lokalisierte Produktionssystem in sozio-institutionelle Strukturen eingebettet und untrennbar mit diesen verbunden. Informelle, formale und soziale Informations- und Kommunikationsflüsse führen innerhalb des vernetzten Produktionssystems zu einer gemeinsamen Wissensbasis. Aufgrund gemeinsamer kultureller Werte besteht ein regionales Gemeinschaftsgefühl. Dieses „Milieu-Bewusstsein“ vertieft nach innen die auf Vertrauen und Reziprozität beruhende Zusammenarbeit der regionalen Akteure. Es entwickeln sich darüber hinaus Routinen, Gewohnheiten, Verhaltensnormen, Technikkulturen, und gemeinsame Perzeptionen, die allgemeine Akzeptanz finden und damit eine Ordnung für gemeinsames Handeln schaffen. Einen wichtigen Beitrag zur Einbindung der Akteure in das Milieu leisten intermediäre, formelle Institutionen wie etwa Schulungs- und Forschungseinrichtungen sowie öffentliche und private Förderprogramme. Gemeinsame Leitbilder prägen darüber hinaus das Fremdimage von außen über den regionalen Standort (Fromhold-Eisebith 1999, S. 170; Rösch 2000, S. 163; Bathelt; Glückler 2002, S. 190).
3.) Innovations- und Lernprozesse. Um ein kreatives Milieu zu schaffen, in dem neues Wissen generiert und Innovationen gefördert werden können, ist die Offenheit nach außen sicherzustellen. Darüber hinaus müssen intensive Interaktionen und Lernprozesse dazu beitragen, dass Wissen und Technologien schnell Verbreitung finden und spezialisierte Ressourcen und Qualifikationen entstehen (Bathelt; Glückler 2002, S. 190 f.). Face-to-Face-Kontakte, die durch räumliche Nähe begünstigt sind, werden im lokalen Milieu Kreativität, Kommunikation, Kompetenz und Kooperation als ausschlaggebende Faktoren für Innovationen fördern (Rösch 2000, S. 163). Durch die Spezialisierung erfolgreicher Produktionssysteme auf einen Technologiebereich bzw. auf eine Wertschöpfungskette und darüber hinaus durch die gezielte Ausrichtung ihrer Aktivitäten, Interaktionen und Ressourcen resultiert die Entstehung einer lokalisierten Wissensbasis, die nicht beliebig in andere Regionen transferiert werden kann. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, Spezialisierungen weiter zu entwickeln, Kompetenzen zu reproduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Allerdings setzt dies voraus, dass innerhalb des Milieus enge Kommunikationsprozesse und Interaktionen bestehen, die die Wissensdiffusion kanalisieren und eine Anpassung von Know-how an die spezifischen Bedürfnisse des Produktionssystems ermöglichen. Für die Anregung entsprechender Lernprozesse bedarf es insbesondere solcher Kontaktnetze, die Akteure verschiedener Kompetenzfelder verknüpfen. Zur Begründung hilft der Verweis auf den generellen Charakter von Kreativität, beschreibbar als neuartige, sinnvolle Kombination von Wissen aus zuvor unverbundenen Bereichen. Primär können hieraus Inspiration und neue Ideen erwachsen (Fromhold-Eisebith 1999, S. 169). Die Lernprozesse werden durch die Einbettung der Unternehmen und Akteure in allgemein akzeptierte sozio-institutionelle Zusammenhänge gefördert. Somit ist Innovation das Ergebnis gemeinsamen Handelns von Akteuren, die in ein enges Beziehungsgeflecht, insbesondere mit regionalen Akteuren, eingebunden sind (Bathelt; Glückler 2002, S. 190 f.).
Typische Beispiele für innovative regionale Milieus sind Forschungslandschaften, in denen ein enger Kontakt zwischen Hochschulen und Unternehmen gepflegt wird. In diese Richtung zielen zahlreiche Konzepte der Technologie- und Gründerzentren bzw. Science Parks. Als konkrete Beispiele für innovative Milieus sind u.a. Sophia Antipolis bei Nizza in Südfrankreich, Cambridge Science Park (UK), Wissenschaftsstadt Ulm (Science City) und die Bio-Technologieregion Rhein-Neckar (Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg) zu nennen (Rösch 2000, S. 165).
Die Darstellung dieser innovativen bzw. kreativen Milieus bezieht sich auf die Ebene der Region als Raum sozialer Netzwerke oder ökonomischer Cluster. Die Wissenschaftsstadt nach Kühn ist hieran anknüpfend als wissensbasierte Siedlungsform in Stadtregionen einzuordnen (vgl. Kap. 3.1.1). Die Begriffe der Wissenschaftsstadt bzw. der Wissensstadt verheißen eine Urbanisierung des Wissens, da die Annahme besteht, dass sich Wissen zukünftig in Städten konzentrieren und dort eine tragende wirtschaftliche Grundlage bilden wird (Kühn 2004, S. 251).
3.2.2 Wissen und seine Produktion in der heutigen Gesellschaft
In der wissensbasierten Gesellschaft gestaltet sich die Art der Wissensproduktion, des Wissenstransfers und der Wissensanwendung in einer besonderen Weise. Es können eine Vielzahl von Kennzeichen angeführt werden, die belegen, dass die Art der Wissensproduktion sich derzeitig im Wandel befindet bzw. sich bereits in bestimmter Weise gewandelt hat. So ist die Art der Wissensproduktion der heutigen Gesellschaft gekennzeichnet durch enge Wechselwirkungen zwischen zahlreichen Akteuren und ihre Vernetzung[11] beim Prozess der Wissensproduktion. Das bedeutet, dass die Wissensproduktion zunehmend auch in die Verantwortung der Gesellschaft gerät (Gibbons et al. 1994, S. vii). Die Wissensproduktion erfolgt heute unter problemorientierter Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzen und Fähigkeiten in nicht-hierarchischen, eher flüchtigen Organisationsformen. Die Interaktionsprozesse auf Wissensmärkten sind durch die soziale Dimension und informelle Institutionen wie Vertrauen und Face-to-Face-Kontakte gekennzeichnet. Wissenschaftliches, technologisches, soziales und kulturelles Wissen entsteht dabei vermehrt im Kontext der Anwendung (Cooke 2002, S. 75 ff.; Strambach 2004, S. 7 ff.). Wissensanwendung geht damit über die Verbreitung neuer Produktentwicklungen in die Industrie oder auf Märkte hinaus. „Knowledge production becomes diffused throughout society. This is why we also speak of socially distributed knowledge“ (Gibbons et al. 1994, S. 4).
Durch die zunehmende Verwendung neuesten Wissens in der Wirtschaft und die stärkere Betonung der Anwendung von Wissen seitens der Wissenschaft wird die Verknüpfung der traditionell getrennten Bereiche Wissenschaft und Wirtschaft immens gefördert. Denn generell sind in der modernen Wissensökonomie wirtschaftliche Aktivitäten direkter als früher mit der Produktion, der Verteilung, der Nutzung und insbesondere auch mit der Kommerzialisierung von Wissen verbunden (Liefner 2003, S. 69; Strambach 2004, S. 1).
Neuartig an der modernen Art der Wissensproduktion ist die Existenz einer steigenden Zahl potenzieller Einrichtungen, in denen Wissen generiert werden kann. Nicht mehr nur Universitäten und Hochschulen, sondern auch außer-universitäre Institute, Forschungszentren, staatliche Einrichtungen, Versuchslabore, „think tanks“ (Denkfabriken) und Beratungsunternehmen sind heute an der Wissensproduktion beteiligt. Die verschiedenen Einrichtungen sind durch funktionierende Kommunikationsnetzwerke auf die unterschiedlichsten Weisen miteinander verknüpft: elektronisch, organisatorisch, gesellschaftlich und informell (Gibbons et al. 1994, S. 6). Im Zeitablauf bewegt sich die Wissensproduktion zunehmend weg von einem traditionellen, disziplinären Ablauf hin zu neuen gesellschaftlichen Zusammenhängen.
[...]
[1] Im Titel der vorliegenden Arbeit wurde der Begriff der „Wissenschaftsstadt“ in Anführungszeichen gesetzt, da er bislang als solcher kaum etabliert ist und für die Verwendung in dieser Arbeit zunächst der näheren Definition bedarf. Ausführungen im Kapitel 3 werden den Begriff der „Wissenschaftsstadt“ für den Gebrauch in dieser Arbeit näher erläutern. In den folgenden Ausführungen wird auf die Anführungszeichen deshalb verzichtet.
[2] Als Beispiele können diesbezüglich u.a. angeführt werden: „Göttingen – Stadt, die Wissen schafft“ (Stadt Göttingen 2003, S. 1), „Wissenschaftsstadt Berlin“ (o.V. 2004) oder „Universitätsstadt Lüneburg“ (Stadt Greifswald 2003, S. 15).
[3] Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Stadt- und Regionalmarketing siehe z.B. Bertram (1995, S. 30 ff.), Meissner (1995, S. 22 ff.), Merz (1999, S. 12 ff.).
[4] Unter „weichen“ Standortfaktoren werden u.a. menschlicher Wille, Fähigkeiten, Energien, Werte und Organisationen verstanden (Kotler; Haider; Rein 1994, S. 36).
[5] Diese Aussage gilt nur bedingt für den sekundären Sektor mit seinen klassischen Industriezweigen wie Automobil- oder Stahlindustrie, in denen oftmals materielle Ressourcen und klassische Standortfaktoren immer noch eine starke Rolle spielen.
[6] Unter „Image“ werden die Meinungen und Einstellungen verstanden, die sich gegenüber einer Stadt oder Region innerhalb dieser Stadt oder Region wie auch von außen durchgesetzt und entwickelt haben. Es beruht auf objektiven und subjektiven, eventuell auch falschen und stark emotional gefärbten Vorstellungen, Ideen und Gefühlen, Erfahrungen sowie Kenntnissen und stabilisiert sich im Zeitverlauf (Meissner 1995, S. 26).
[7] Zu den „innovativen Milieus“ bzw. „kreativen Milieus“ erfolgt im Abschnitt 3.2.1 eine weiterführende und tiefergehende Auseinandersetzung.
[8] Vgl. dazu Fromhold-Eisebith (1999, S. 168).
[9] Das Konzept der lernenden Regionen hebt die Bedeutung von Lernprozessen für die Wissensentstehung und die Regionalentwicklung hervor. In lernenden Regionen entstehen durch die räumliche (örtliche) Bindung des Wissens kontinuierliche Lernprozesse zwischen den regionalen Akteuren, die abhängig von der Art der Geschwindigkeit der intraregionalen Wissensdiffusion die regionale Wissensbasis permanent erhöhen und verändern (Schätzl 2001, S. 232 f.; Butzin 2000, S. 155 ff.).
[10] Das Konzept der Industriedistrikte geht auf Alfred Marshall 1890 zurück. Industriedistrikte lassen sich heute definieren als dynamische, kreative Regionen, in denen Betriebe der gleichen und/oder miteinander verflochtener Branchen räumlich konzentriert auftreten. Die regionale Dynamik und Kreativität wird erklärt mit Lokalisationsvorteilen, flexibler Produktion und Spezialisierung sowie mit außerökonomischen Einflussfaktoren (Schätzl 2001, S. 230).
[11] Welche Auswirkungen diese Netzwerke auf Lernprozesse und den Wissenstransfer haben, wurde in Kap. 3.2.1 u.a. im Zusammenhang mit den kreativen Milieus dargelegt.
- Quote paper
- Nicola Ahlert (Author), 2004, Marketing für eine "Wissenschaftsstadt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30975
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