Dieses Dossier konzentriert sich vor allem auf die Fragen, ob die Inszenierung der Zauberflöte im Jahr 1937 an der Bayerischen Staatsoper nationalistisch-ideologisch geprägt ist, ob sie zu propagandistischen Zwecken verwendet wurde, und wie das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime war.
Um Antworten darauf zu finden, wurde in dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Bibliothek für Kunstwissenschaften der LMU, dem Deutschen Theatermuseum in München und im Internet recherchiert. Ausgewertet wurden: Korrespondenzakten, Personalakten und Sachakten zu der Bayerischen Staatsoper und der Staatsoperette am Gärtnerplatz und Fotos aus dem Deutschen Theatermuseum.
Monographien und das Internet halfen bei der Beschaffung wichtiger Informationen zu dem Leben Hartmanns, Hüni-Mihacseks, der Zauberflöte, geschichtlichen Hintergrundinformationen und der Beantwortung weiterführender Fragen, die sich aus den Aktenrecherchen ergaben. Nicht konsultiert wurden das Staatsarchiv und das Stadtarchiv München, die Monacensia enthielt keine Quellen, die mir als verwertbar erschienen.
Inhaltsverzeichnis
1. Präambel
2. Personalie I (Rudolf Hartmann)
2.1 BayHStA
2.1.1 Korrespondenzakten: Intendanz Bayer. Staatsoper Nr. 1734; Korrespondenz mit Künstlern oder über Künstler 1937 - 1944; Rudolf Hartmann (Oberspielleiter) 1937 - 1943
2.1.2 Personalakt: MK 60282 Hartmann, Rudolf, Operndirektor der Bayer. Staatsoper
2.1.3 Personalakt: MK 60282 Rudolf Hartmann - Dienstreisen
2.1.4 Personalakt: Bayerisches Staatstheater am Gärtnerplatz - Personalakten - Nr. 470; Rudolf Hartmann
2.2 StaBi: Literatur
2.3 Internetquellen
3. Produktion I (Die Zauberflöte)
3.1 BayHStA
3.1.1 Personalakt: MK Nr. 45158; Hüni-Mihacsek, Felicie
3.1.2 Sachakt: Intendanz BSO Nr. 1339
3.1.3 Personalakt: Intendanz Bayer. Staatsoper - Personalakten 289
3.2 Deutsches Theatermuseum
3.2.1 Fotosammlung Die Zauberflöte 1937 (Szenenfotos und Bühnenbilder)
4. Personalie II (Felicie Hüni-Mihacsek)
4.1 BayHStA
4.1.1 Personalakt: MK Nr. 45158: Hüni-Mihacsek, Felicie
4.2 StaBi: Literatur
5. Kontextualisierung
5.1 Zitat im Kontext
5.2 Bild im Kontext
5.3 StaBi: Literatur
5.4 Fachbibliothek KuWi: Literatur
5.5 Internetquellen
1. Präambel
Dieses Dossier konzentriert sich vor allem auf zwei Fragen: Ist die Inszenierung der Zauberflöte im Jahr 1937 an der Bayerischen Staatsoper nationalistisch-ideologisch geprägt und wurde zu propagandistischen Zwecken verwendet und wie war das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime? Um Antworten darauf zu finden, wurde in dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Bibliothek für Kunstwissenschaften der LMU, dem Deutschen Theatermuseum in München und im Internet recherchiert. Ausgewertet wurden: Korrespondenzakten, Personalakten und Sachakten zu der Bayerischen Staatsoper und der Staatsoperette am Gärtnerplatz und Fotos aus dem Deutschen Theatermuseum. Monographien und das Internet halfen bei der Beschaffung wichtiger Informationen zu dem Leben Hartmanns, Hüni-Mihacseks, der Zauberflöte, geschichtlichen Hintergrundinformationen und der Beantwortung weiterführender Fragen, die sich aus den Aktenrecherchen ergaben. Nicht konsultiert wurden das Staatsarchiv und das Stadtarchiv München, die Monacensia enthielt keine Quellen, die mir als verwertbar erschienen.
Rudolf Otto Hartmann wurde am 11. Oktober 1900 in Ingolstadt an der Donau geboren. Im Alter von zehn Jahren kam er nach München und besuchte dort nach dem Abitur die Kunstakademie und Universität. Im Herbst 1921 schlug er die Laufbahn zum Opernregisseur ein. 1924 wurde er leitender Oberspielleiter am Landestheater Altenburg, 1928 ging er nach Nürnberg, um dort Oberspielleiter und Vertreter des Generalintendanten Dr. Maurach zu werden. 1931 inszenierte er Die Entführung aus dem Serail bei den Salzburger Festspielen unter Reinhardts Leitung. Am 30. April 1933 trat er der NSDAP bei, was aber laut seiner eigenen Aussage nicht politisch/ideologisch bedingt war, sondern um weiterhin in leitender Position tätig zu sein. Im Sommer 1934 wurde er Oberspielleiter an der Staatsoper Berlin. Dort arbeitete er bereits ab 1935 mit Clemens Krauss zusammen, welcher als musikalischer Leiter angestellt war. Krauss ging 1936 nach München an die Staatsoper und forderte Hartmann auf, ihm dorthin zu folgen. Ab dem 1. Januar 1937 war Hartmann dann unter Oskar Wallecks Generalintendanz Regisseur an der Bayerischen Staatsoper in München und inszenierte dort im selben Jahr Mozarts Zauberflöte neu, mit Premiere am 4. November. Als 1938 Walleck durch Clemens Krauss ersetzt wurde, übernahm Hartmann die Operndirektion. 1940 - 41 leitete Hartmann zusätzlich noch die Staatsoperette am Gärtnerplatz. 1942 wurde er auf Wunsch Hitlers Professor der Hochschule für Musik in München. 1945, kurz nach Ende des Krieges, wurde er von der Militärregierung aus dem Amt entlassen. Nachdem er aber als „Mitläufer“ von der Mittäterschaft im Dritten Reich entlastet wurde, trat er 1952 das Amt des Intendanten der Bayerischen Staatsoper an, welches er bis 1967 innehatte. Am 26. August 1988 starb Prof. Dr. phil. Rudolf Hartmann in München.
Hartmanns Position zum Nationalsozialismus ist nicht eindeutig einzuschätzen. Aus den ihn betreffenden Akten gehen keine schlagenden Hinweise darauf hervor, dass er persönliche oder engere Beziehungen zu den politischen Führern gepflegt habe, nationalsozialistisch gesinnt gewesen sei und Vorteile durch das NS- Regime genossen habe. Allerdings lässt sich das Gegenteil ebenfalls nicht eindeutig behaupten, da ihm doch großes Vertrauen und große Anerkennung von Hitler entgegengebracht wurde: Er wurde von diesem mit Inszenierungen beauftragt, v. a. in Italien und innerhalb Deutschlands. Beispielsweise fuhren Hartmann und Sievert am 18. September im Auftrag des Propagandaministeriums nach Rom. 1941 sollte Hartmann im Auftrag Hitlers in der Passauer Nibelungenhalle den Tannhäuser inszenieren. Doch lässt sich hier eine Privilegierung Hartmanns durch Hitler herauslesen? Briefe von verschiedenen Parteipersönlichkeiten erwähnen Hitlers hohe Meinung von Hartmann. Martin Bormann schreibt z. B. am 21.11.1942 an Clemens Krauss, dass Hitler Hartmann und Sievert „besonders schätzt und auf Verlängerung deren Verträge in München Wert legt“. Hitler scheint es wirklich wichtig zu sein, Hartmann in München zu wissen. Er soll „langjährige und wirklich günstige Verträge“ erhalten. Und dennoch hatte Hartmann nach eigener Aussage ab 1942 „alle erdenklichen Schwierigkeiten zu fühlen.“ Er erklärt: „Durch eine aus dem Personenkreise um die Oper stammende Denunziation veranlaßt, ließ Gruppenführer Schaub, Adjutant des Führers, meine mehrmalige Vernehmung durch die Gestapo wegen angeblich gerüchtebildender staatsfeindlicher Äußerungen durchführen. (1942)“ Warum also wollte Hitler ihn unbedingt am Opernhaus in München behalten, auch, indem er ihn mit einer Professur an die Stadt „kettet“? Hartmann schreibt dazu in seiner Rechtfertigungsschrift: „Der künstlerische Erfolg meiner Inszenierungen war die Ursache, daß auch Adolf Hitler von mir Kenntnis nahm, doch blieb es bei formellen Begegnungen. Ich gehörte nie zu dem Kreis derjenigen, welche mit oder ohne Parteizugehörigkeit, bevorzugte Gäste auf dem Berghof oder im Hauptquartier waren Trotzdem genoss Hartmann einige Vorteile durch die politische Führung: Ihm wurde eine Professur durch Hitler zugetragen, er erhielt ein Dienstauto auf Anweisung Adolf Wagners, die NSDAP spendete der Münchener Staatsoperette 20 000 Reichsmark, zu der Zeit, als Hartmann dort Leiter war. In der Rechtfertigungsschrift Hartmanns vom 26. Juli 1945 stellt er sich selbst als jemanden dar, welcher versuchte, sich den schwierigen politischen Bedingungen anzupassen, aber u. a. durch Einsatz anderer Künstler, welche Schwierigkeiten mit dem Regime hatten, negativ bei der NSDAP auffiel und sich auch sonst versuchte, der „Nazikultur“ zu entziehen. Er schildert sich also eher als Opfer des NS-Regimes als Mitläufer, und schon gar nicht als Kollaborateur. Doch sind diese Schilderungen natürlich subjektiv und darauf ausgelegt, Hartmann von (möglicher) Schuld zu entlasten. Restzweifel an seiner antinationalsozialistischen Gesinnung und seiner Schuldlosigkeit bleiben bestehen. Vorteile hat er durch seine Anpassung an die politische Situation erfahren. Das entlastendste Dokument meiner Recherchen ist die Bescheinigung des Gerichts der Alliierten, Hartmann sei als Mitläufer einzustufen. (Ein Auszug aus diesem Schriftstück muss nachgereicht werden.)
Die Neuinszenierung der Zauberflöte (Regie: Rudolf Hartmann; Musikalische Leitung: Clemens Krauss; Bühnenbild: Ludwig Sievert; Premiere: 4. November 1937) wurde von Kritikern im In- und Ausland gewünscht, geradezu gefordert. Der Bayerischen Staatsoper wurde vorgeworfen, dass ihre Mozartpflege auf ein niederes Niveau gesunken und es nun an der Zeit wäre, das Image der Bayerischen Staatsoper und der Stadt München als Kulturstadt zu retten. Als Ursache dieser Lage wurde vom Ausland u. a. die Leistung Knappertsbuschs gesehen, jedoch auch der knappe Gagenetat, der kein Engagement prominenter Künstler erlaubte. Die Zauberflöte wurde mit hohem Aufwand inszeniert und ein Teil der Opernfestspiele 1938, die besonders das Auslandspublikum von der hohen künstlerischen Qualität Münchens und dessen Staatsoper überzeugen sollten.
Die Neuinszenierung wurde von fast allen Kritikern, auch vom Völkischen Beobachter, aufs Höchste gefeiert. Allein Willy Krienitz sieht in ihr durch die Regie und die musikalische Leitung „Abwege“ beschritten.
Obwohl die Zauberflöte freimaurerisch geprägt ist und die Nazis das Frei- maurertum bekämpften, wollte Hitler zu diesem Zeitpunkt keine Veränderungen an dem Text vornehmen lassen. Dies äußerte er sogar auf dem Nürnberger Reichsparteitag im November 1937. Versuche, den Schikanederschen Text umzuändern (z. B. durch Wolfgang Freiherr von Gersdorff), wurden von Hitler persönlich und von der Staatsoper abgewiesen. Über die Inszenierung selbst konnte in den Recherchen nur durch Szenenfotos und Pressestimmen ein Bild rekonstruiert werden. Aussagen über sie durch das Regieteam und den Mitwirkenden wurden nicht gefunden, weder in den Akten noch in der Literatur oder im Internet. Hartmann erwähnt sie nur flüchtig in seiner Autobiographie Das geliebte Haus: „Unsere Münchner Zauberflöte öffnete einen Weg in eine überhöhte Märchenwelt. Am gelungensten fand ich die naturverbundenen Szenen des Papageno, obgleich das Ganze (Dialog) ein wenig unter der Größe des Raumes zu leiden hatte. Wirklich glücklich war ich später bei einer Zauberflöte in Zürich [,].“[1] Ihm schien diese Inszenierung von wenig persönlichem Wert zu sein. Gibt es dafür besondere Gründe? Falls das Regiebuch oder vorbereitende Aufzeichnungen Hartmanns dazu noch vorhanden sein sollten, wird deren Sichtung sicher sehr aufschlussreich sein. Möglicherweise ergibt eine weitere Recherche doch noch mehr Erkenntnisse über die Inszenierung. Interessant dabei ist vor allem die Frage, mit welcher Intention Hartmann an das Werk heranging: Was wollte er mit seiner Inszenierung ausdrücken, vermitteln? Die Szenenfotos zeigen nationalsozialistische, jüdische und christliche Symbole und Gesten, welche auf zwei verschiedene Arten interpretiert werden können: pronationalsozialistisch oder die Nazikultur parodierend. Eindeutiges lässt sich darüber nicht sagen, vor allem auch aufgrund der Unsicherheit über Hartmanns Einstellung, die Politik und politische Führung betreffend. Es kann auch sein, dass die Szenerien vollkommen unpolitisch gemeint waren und sich nur dem Libretto der Zauberflöte unterwarfen. Um Aussagen über das Bühnenbild treffen zu können, ist überdies Sieverts politische Gesinnung und künstlerische Intention zu berücksichtigen und zu untersuchen. Ein Regiebuch oder weitere interne Informationen über die Inszenierung könnten auch darüber Aufschluss geben.
Felicie Hüni-Mihacsek wurde am 3. April 1891 in Pecs, Ungarn, geboren. Sie studierte in Wien Gesang und begann 1916 an der Hamburger Staatsoper ihre Karriere als Opernsopran. An der Wiener Staatsoper war sie von 1919 bis 1925 beschäftigt. Dieses Engagement begann sie am 10.10.1919 mit der Uraufführung Strauss‘ Die Frau ohne Schatten. 1926 siedelte sie nach München über und blieb dort an der Bayerischen Staatsoper bis 1945 angestellt, „deren eigentliche Primadonna sie für die nächsten zwanzig Jahre war. [...] Sie war mit dem Schweizer Großindustriellen Alfred Hüni verheiratet.“ Durch ihn erhielt sie die Schweizer Staatsbürgerschaft. Diese Ehe war noch vor dem 16. Oktober 1940 geschieden. (Das genaue Datum ist nicht bekannt, jedoch erwachsen ihr durch die Scheidung Schwierigkeiten: Ihre Arierschaft wird in Zweifel gezogen.) Nach 1945 trat sie meist in Konzerten auf und unterrichtete Gesang.2 Sie starb am 26. März 1976 in München. Sie war eine hochangesehene Künstlerin, bei ihren Kollegen/innen, Intendanten und der politischen Führung. Das Publikum verehrte sie, die Presse spendete ihr viel Lob. In den Akten gibt es keine einzige schlechte Presse über sie. Sie besaß Prominentenstatus, sogar einen Prominentenvertrag.
Bereits ab Anfang des Jahres 1932 waren starke nationalsozialistische Tendenzen an der Bayerischen Staatsoper zu erkennen: deren Mitarbeiter wurden in Reichsdeutsche und Ausländer eingeteilt, u. a. auch Felicie Hüni-Mihacsek. Es sollten fortan möglichst nur noch reichsdeutsche Künstler angestellt werden. Ausländer wurden allein im Bereich der „Kräfte[...] ersten Ranges“ geduldet, aber auch nur, wenn für sie kein gleichwertiger oder besserer reichsdeutscher Ersatz gefunden werden konnte. Die Stellen für „Kräfte zweiten und dritten Ranges“ und alle sonstigen Stellen im Haus sollten nur mit Reichsdeutschen besetzt werden.
Felicie Hüni-Mihacsek sollte zuerst ein Ein-Jahres-Vertrag angeboten werden, um die Möglichkeit zu haben, ihr schnell kündigen zu können, falls ein adäquater oder besserer Ersatz gefunden werden würde. Jedoch wurde kein Ersatz gefunden und sie erhält überdies einen Zwei-Jahres-Vertrag (1.9.1932 - 31.8.1934). Sie war zu wertvoll für die Oper, als dass man sie so leicht gehen lassen konnte. Trotz ihrer Anerkennung durch den Intendanten, die Presse, die Zuschauer und sogar durch die Politik und ihre Stellung als erste Künstlerin des Hauses wurde ihr Gehalt 1934 um ca. 25 % gekürzt (von 27 000 auf 20 000 RM), wohingegen Sängerkollegen von ihr die Gagen erhöht wurden. Darüber beschwert sie sich in einem Brief beim Ministerialrat. Dies bleibt ohne Erfolg. Im nächsten Jahr wird ihr Gehalt sogar auf 15 900 RM gekürzt. Trotzdem bleibt sie an der Staatsoper. Ich interpretiere diese Vorgehensweise als versteckte Diskriminierung Hüni-Mihacseks.
Über diese Lohnkürzunge hinaus hatte sie mit dem Nachweis ihrer Arierschaft zu kämpfen. Immer wieder wurde dieser von verschiedenen Behörden gefor-[3] [4]
dert; besonders schwer wog der Verdacht der NSDAP aus dem Jahr 1935, sie sei Volljüdin. Offensichtlich wurde dieser Verdacht aber entkräftet, da sie weiterhin an der BSO beschäftigt blieb. Außerdem gab Oskar Walleck in den Akten an, Hüni- Mihacsek sei nationalsozialistisch gesinnt; dies lässt sich aber durch keine weitere Quelle bestätigen. Informationen über eine Zugehörigkeit zur NSDAP oder persönliche/engere Verbindungen zu politischen Führern fanden sich nirgends. Allgemein ist die Akten- und Quellenlage zu ihrer Person wenig ergiebig. So waren auch leider keine Fotos von Felicie Hüni-Mihacsek als Königin der Nacht von 1937 zu finden.
Aus den gesichteten Akten und weiteren Recherchen geht hervor, dass Politik und Kunst während des Nationalsozialismus stark zusammenhingen, auch an der Bayerischen Staatsoper. Kaum eine personelle Entscheidung konnte dort ohne die Zustimmung der zuständigen Behörden gefällt werden. Dienstverträge mussten genehmigt werden, wobei stets ein Arier-Nachweis zu erbringen war. Inszenierungen unterlagen zwar im Allgemeinen, so weit ersichtlich, einer künstlerischen Freiheit, doch ist diese sicher illusionistisch: Kein Künstler hätte es sich erlauben können, das NS-Regime offensichtlich zu kritisieren. Die leitenden Künstler wurden auch ausgewählt: Ohne Mitglied bei der NSDAP schien eine leitende Funktion unmöglich. Kunst wurde von der politischen Führung als Propagandamittel verwendet; es sollte vor allem dem Ausland gezeigt werden, welche künstlerischen Qualitäten das Deutsche Reich besäße. Dass nationalsozialistische Ideologien mit der Kunst verbreitet werden sollten, wird in den recherchierten Materialien nur angedeutet.
Die gesichteten Akten sind in diesem Dossier noch nicht vollständig katalogisiert worden; dies ist nachzureichen. Darüber hinaus sind noch einige Akten zu sichten und aus ihnen zu exzerpieren. Zu Felicie Hüni-Mihacsek und der Inszenierung der Zauberflöte von 1937 fanden sich wenig Akten sowie Informationen in Büchern oder dem Internet. Manche Handschriften waren nicht zu entziffern und wurden daher hier nicht verwendet. Die Fotos im Deutschen Theatermuseum waren zum größten Teil nicht beschriftet und daher schwer zu den jeweiligen Szenen zuzuordnen.
2. Personalie I (Rudolf Hartmann)
2.1 BayHStA
2.1.1 Korrespondenzakten: Intendanz Bayer. Staatsoper Nr. 1734; Korrespondenz mit Künstlern oder über Künstler 1937 - 1944; Rudolf Hartmann (Oberspielleiter) 1937 - 1943 [leider sind die Akteninhalte chronologisch schlecht geordnet]
08. Sept. 1937; Berlin W9, Potsdamer Str. 4, Bühnennachweis, Abteilung: Kapellmeister, Fachbearbeiter: v. Gu/Hs., an Herrn Operndirektor Prof. Clemens Krauß: „Hier geht das Gerücht um, daß Herr Oberspielleiter Hartmann als Intendant nach Nürnberg geht. Dadurch werden Sie, wie ich wohl mit Recht vermuten darf, in in eine gewisse Schwierigkeit geraten.“
München 1, den 27. August 1937; Brief (Nr. J 254) der Generalintendanz der Bayerischen Staatstheater an die Direktion der Bayer. Staatsoper München im Hause.
17. Februar 1938; An den Präsidenten des Landesfinanzamtes, z. Hd. d. Herrn Reichsbahnoberinspektors Welle, München.
3. August 1939; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Rudolf Hartmann, im Hause. Anweisung über die „allwöchentliche Abhaltung von Regie-Besprechungen“ unter Hartmanns Vorsitz, Sievert, Rall und Stenz-Hentze und das Betriebsbüro zuzuziehen.
10. März 1938; Brief an Rudolf Hartmann, Nürnberg. Opernhaus. Am Ring. Verfasser unbekannt.
21. Juni 1941; Brief an Herrn Polizeimajor Lehner, Polizeipräsidium München, Ett- strasse (Verfasser unbekannt):
„Im Zusammenhang mit einem Auftrag des Führers, der die Durchführung einer Reihe technischer Verbesserungsarbeiten für das hiesige Nationaltheater beinhaltet, mit deren Durchführung Herr Professor Kurt Hemmerling in Zusammenarbeit mit der Leitung der Staatsoper betraut ist, müssen die Herren Professor Hemmerling und Operndirektor Hartmann heute nach Passau fahren, um dort in der Nibelungenhalle die Vorbereitungen für einen wichtigen Teil der technischen Arbeiten in die Wege zu leiten.“
30. Juni 1939; An die Intendanz der Städt. Bühnen Nürnberg. Feststellung der Dispositionen für die Meistersinger-Proben. Verfasser unbekannt.
16. Februar 1940:
„Herrn Operndirektor Rudolf Hartmann, wohnhaft München, Prinzregentenstr. 11, ist laut Anschlag für die morgige Wehrversammlung in den Kolosseumhallen für 7Uhr morgens beordert.
Die Intendanz der Bayerischen Staatsoper bestätigt hiermit, daß Herr Operndirektor Hartmann in seiner Eigenschaft als Oberspielleiter der Bayerischen Staatsoper morgen um 10^ Uhr dringend im Theater benötigt wird. Die Intendanz bittet daher dringend, das pünktliche Eintreffen des Herrn Operndirektor Hartmann zu dem erwähnten Zeitpunkt zu ermöglichen, da bei Ausfall der von ihm zu leitenden Probe im Theater, die Sonntagsvorstellung „Die Walküre“ nicht abgehalten werden könnte. Die Intendanz hofft daher zuversichtlich auf ein Entgegenkommen insofern rechnen zu dürfen, als Herr Operndirektor Hartmann das rechtzeitige Verlassen der Wehrversammlung ermöglicht werden möge. i. A. Verfasser unbekannt.“
[Hier sollte noch genauer untersucht werden, wer alles zu dieser Phase des Krieges zu den Wehrversammlungen einberufen wurde und wer nicht; darauf könnte die Frage beantwortet werden, was Rudolf Hartmann bei solch einer Wehrversammlung sollte.]
18. September 1941; An Herrn Kessler, Reichspropaganda-Amt München [Verfasser unbekannt]:
„Bezugnehmend auf das gestrige Telefongespräch übermittle ich Ihnen in der Anlage die Reisepässe der Herren Operndirektor Rudolf Hartmann, wohnhfft [sic!] München, Prinzregentenstrasse 11, und Professor Ludwig Sievert, wohnhaft München, Lautererstrasse 16 mit der Bitte, die äusserst dringliche Dienstreise nach Rom, die aus Gründen der hiesigen Dienstesaufgaben der beiden Genannten nur am Dienstag, den 23. September stattfinden kann, freundlichst zu ermöglichen. [...] Bei der Devisenstelle wollen Sie bitte den Gegenwert von 100 RM für jeden der Herren, zusammen also 200 RM beantragen. Mit vielem für Ihre freundl. Bemühungen[.]“ [Anscheinend handelte es sich hierbei um eine Dienstreise, welche im Zuge eines Gastspielauftrages durch die NS-Politik durchgeführt werden musste; anders erklärt es sich nicht, dass das Reichspropaganda-Amt die Kosten der Reise tragen sollte.]
14. April 1942; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Oberspielleiter Rudolf Hartmann, München, Prinzregentenstr. 11:
„Lieber Herr Hartmann! Herr Staatsminister Adolf Wagner hat mir mit Schreiben vom 7.ds.Mts. mitgeteilt, dass er Sie im Einvernehmen mit dem Führer und Reichskanzler für eine Professur an der Akademie der Tonkunst (Opernschule) vorgesehen hat.
Ich gebe Ihnen hiermit im Auftrag des Herrn Staatsministers hiervon Kenntnis und beglückwünsche Sie gleichzeitig zu diesem neuen Tätigkeitsbereich.
Ich bitte Sie wegen der zeitlichen Einteilung dieser Ihrer neuen Aufgabe seinerzeit das Einvernehmen mit mir herzustellen.“
Führerhauptquartier, 11. Juni 1942 Bo/Fu.; Reichsleiter Martin Bormann an Herrn Generalintendanten Clemens Krauss:
„Sehr verehrter Herr Clemens Krauss! Der Führer wünscht, wie ich Ihnen im Auftrage mitteile, dass Professor Ludwig Sievert für Linz eine TannhäuserAusstattung arbeitet; die Inszenierung dieser Aufführung soll nach dem Wunsche des Führers Operndirektor Hartmann übernehmen. Der Führer bittet Sie bei Ihren Dispositionen die beiden Herren übertragene Aufgabe zu berücksichtigen. Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Martin Bormann.“
[Hier kommt eine große Wertschätzung Hitlers für Sievert und Hartmann zum Ausdruck, zudem ein großes Vertrauen, welches er in die beiden legte. Diese Tannhäuser'-Inszenierung war Hitler wichtig, Hartmann schreibt in seiner Rechtfertigungsschrift: „Diese Vorstellung sollte aus Sondermitteln des Führers bezahlt und reich ausgestattet werden.“ Der Brief zeigt zudem eine starke Verbindung der politischen Führung zu dem Opernhaus und dessen Intendanten. Der Ton des Schreibens klingt weniger nach kühlem Befehl, als nach einer persönlichen Bitte.
Hartmann schreibt über diese Inszenierung in seiner Rechtfertigungsschrift: „Bei den dortigen Bühnenverhältnissen und musikalischen Voraussetzungen interessierte mich die Aufgabe künstlerisch ohnedies nicht und ich verschob die Inszenierung über das ganze Jahr, bis sie endgiltig [sic!] für den Herbst 1943 befohlen wurde. Nun kam mir eine Erkrankung zu Hilfe und ich sagte telegrafisch ab, unter gleichzeitiger Ersatzbenennung des Kollegen Wymetal von Wien. Der Gauleiter von Linz sprach von Sabotage und verlangte, ich solle mit Gewalt nach dort gebracht werden. [...] Ich frage nun, ob dieses Beispiel nicht hinreichend dartut, wie wenig ich Herr meiner Entschlüsse sein konnte, angesichts der unumschränkten Befehlsgewalt der Partei.“]
I. Oktober 1942; An den Reichsluftschutzbund, Ortsgruppe München-Nord, Reviergruppe 4, München 22, Lerchenfeldstr. 6/II [Verfasser unbekannt]:
„Herr Operndirektor Prof. Rudolf Hartmann hat eine Aufforderung bekommen, an den Luftschutzübungen am 5., 7. und 9. Oktober 1942, jeweils von 19 - 22 Uhr 20 in der Luftschutzschule Alexandrastr. 3 teilzunehmen. Da Herr Prof. Hartmann an allen 3 Abenden gerade zu der angegebenen Zeit unabkömmlich ist, da er entweder in den Abendvorstellungen Regiedienst oder aber wichtige Proben hat, sieht sich die Generalintendanz der Bayerischen Staatsoper veranlaßt die Bitte zu stellen, Herrn Operndirektor Prof. Hartmann von den erwähnten Luftschutzübungen zu befreien. [...] Heil Hitler! i.A. Verfasser unbekannt.“
15. Juli 1942; Clemens Krauss an Herrn Reichsleiter Martin Bormann, München. Führerbau:
„Sehr verehrter Herr Reichsleiter! Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom
II. ds.Mts. und werde dem Wunsche des Führers entsprechend dafür Sorge tragen, dass die Herren Professor Ludwig Sievert und Operndirektor Rudolf Hartmann in der nächsten Spielzeit die gewünschte Tannhäuser-Inszenierung für Linz vornehmen können.“[5]
dass der Führer und Reichskanzler die Herren Hartmann und Sievert besonders schätzt und auf Verlängerung deren Verträge in München Wert legt.“
Führerhauptquartier, den 21. November 1942; Bo/Si.; Reichsleiter Martin Bormann an Clemens Krauss:
„Sehr verehrter Herr Krauss! Wie Sie wissen, hat der Führer unlängst die Herren Ludwig Sievert und Rudolf Hartmann als Professoren - Lehrer - berufen, damit durch diese Tätigkeit beide noch enger und fester an München geknüpft werden. Darüber hinaus hält der Führer es für notwendig, dass Sievert wie Hartmann baldigst langjährige, wirklich günstige Verträge bekommen, damit auf jeden Fall beide der Münchener Oper erhalten bleiben. Ich bitte Sie, derartige Verträge vorzubereiten.“
[Hitler scheint sich immer mehr für Hartmann, Sievert und das Münchener Opernhaus zu interessieren, die Korrespondenz mit diesem Thema häuft sich, dazu kommen noch die Aufträge für Gastspiele im In- und Ausland.][6]
Dienstverträge, schleifen; wahrscheinlich ist das einfach nur eine behördliche Nachlässigkeit oder gab es andere Gründe dafür? Waren dem Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda andere Angelegenheiten zu dieser Zeit wichtiger oder erschien ihnen die Staatsoper im Allgemeinen nicht wichtig? Es stellt sich also die Frage: Wie wichtig war die Staatsoper für Hitler und die politische Führung des NS- Staates wirklich? Des Weiteren ist zu bemerken, wie stark die Politik auf die Entscheidungen der Intendanz der Staatsoper Einfluss nahm: Es konnte nicht einmal ein Dienstvertrag ohne die Zustimmung einer politischen Behörde abgeschlossen werden.]
27. April 1943; I. Telegramm an Professor Hartmann Schloss Lischna Bistritz bei Beneschau (Böhmen) von der Staatsoper List; Verfasser unbekannt.
7. Juni 1943; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Karl Elmendorff, Sächsische Staatsoper, Dresden A.1.
27. Dezember 1943; I. Telegramm an das Auswärtige Amt Am Karlsbad 7; Berlin W.35. Verfasser unbekannt.[7]
[...]
- Citar trabajo
- B.A. Manuel Kröger (Autor), 2015, Die Inszenierung der Zauberflöte 1937 und das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309426
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