Die Zivilgesellschaft ist von sich aus weder gut noch schlecht. Ob sie positive oder negative Auswirkungen hat, hängt vom Kontext ab, in welchem sie existiert. Jede funktionierende Demokratie beinhaltet eine funktionierende Zivilgesellschaft. Umgekehrt kann letztere in (fast) jedem politischen System existieren und auch ein diktatorisches Regime kann eine starke Zivilgesellschaft hervorbringen. Jeder Zivilgesellschaft wohnt eine potentiell umstürzlerische Kraft inne, und die Möglichkeit, dass sie sich gegen den eigenen Staat oder einen innerstaatlichen „Feind“ wendet, ist immer dann gegeben, wenn ihre Forderungen an diesen auf taube Ohren stoßen.
Die Frage ist jedoch, wie weit diese negative Seite geht und ob man beispielsweise im Falle von ethnischer Säuberung noch von Zivilgesellschaft sprechen kann. Der „optimale“ Konflikt, um eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist der Genozid in Ruanda 1994. In diesem Land, welches lange Zeit für seine stark ausgeprägte Zivilgesellschaft gelobt wurde, in welcher man eine Garantie für eine im Entstehen begriffene, stabile Demokratie sah, fand einer der schlimmsten Völkermorde der Geschichte statt. Wie war das möglich?
Die einzige Erklärung dafür ist erstens, dass die Existenz einer Zivilgesellschaft weder zwangsläufig zu Demokratisierung führt und zweitens, dass eben diese umfangreiche Zivilgesellschaft am Genozid beteiligt gewesen ist. Eine solche Auslegung des Konzepts widerspricht jedoch einigen gängigen, normativen Definitionen, welche den Zusammenhang von Demokratie und Zivilgesellschaft postulieren und letzterer außerdem Ideale wie Toleranz und Gewaltfreiheit zuschreiben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definitionen von Zivilgesellschaft – eine kritische Auseinandersetzung.
- Ein normatives Begriffsverständnis..
- Ein integratives Begriffsverständnis..
- Die dunkle Seite der Zivilgesellschaft nach Ariel C. Armony.
- Zivilgesellschaft und Radikalisierung – (un-)günstige Bedingungen für Ruanda
- Mögliche Ursachen des Konflikts
- Zivilgesellschaftliche Organisationen im Völkermord
- Zivilgesellschaft - Theorie und Empiri
- Zusammenfassung und Ausblick: Aufarbeitung in Ruanda .
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle der Zivilgesellschaft im Kontext des ruandischen Völkermords von 1994 und hinterfragt den oft postulierten Zusammenhang zwischen Zivilgesellschaft und Demokratisierung. Dabei werden die potenziellen negativen Auswirkungen einer starken Zivilgesellschaft in einem konfliktreichen Umfeld beleuchtet.
- Kritische Analyse verschiedener Definitionen von Zivilgesellschaft und deren Relevanz für den Fall Ruanda.
- Untersuchung der "dunklen Seite" der Zivilgesellschaft nach Ariel C. Armony und deren Bedeutung für den Konflikt in Ruanda.
- Analyse der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen am Völkermord in Ruanda.
- Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Entstehung und Festigung von Demokratie.
- Diskussion der Rolle von Mehrheitsverhältnissen und deren Potenzial zur Unterdrückung von Minderheiten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Definitionen von Zivilgesellschaft, wobei ein Schwerpunkt auf den normativen Begriffsverständnissen liegt, die eine enge Verbindung zwischen Zivilgesellschaft und Demokratie postulieren. Im Anschluss wird das integrative Begriffsverständnis vorgestellt, das auch Milizen und andere nicht-staatliche Akteure als Teil der Zivilgesellschaft betrachtet.
Im weiteren Verlauf wird die "dunkle Seite" der Zivilgesellschaft nach Ariel C. Armony diskutiert, der argumentiert, dass die Zivilgesellschaft in bestimmten Kontexten zu Radikalisierung und Gewalt beitragen kann. Dies wird anhand des Fallbeispiels Ruanda verdeutlicht, wo die Zivilgesellschaft in den Völkermord von 1994 verwickelt war.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die möglichen Ursachen des Konflikts in Ruanda analysiert. Anschließend wird die tatsächliche Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure am Völkermord untersucht, und es wird gezeigt, wie die Zivilgesellschaft in diesem Kontext zur Eskalation der Gewalt beigetragen hat.
Abschließend werden die Erkenntnisse der Arbeit mit Blick auf die "dunkle Seite" der Zivilgesellschaft zusammengefasst, und es wird ein Ausblick auf die Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda gegeben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Zivilgesellschaft, Demokratisierung, Radikalisierung, Völkermord, Ruanda, Konflikt, Mehrheitsverhältnisse, Minderheiten, "dunkle Seite" der Zivilgesellschaft, normative und integrative Begriffsverständnisse, empirische Fallbeispiele.
- Quote paper
- Davina Nweze (Author), 2007, Zivilgesellschaft und Radikalisierung. (Un-)günstige Bedingungen für Ruanda, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308763