Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die Altenpflegeeinrichtungen die wichtigste Ressource zur Erbringung ihrer Dienstleistungen. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels erscheint die Aufgabe der Personalgewinnung und -pflege umso wichtiger, da in naher Zukunft eine immens ansteigende Anzahl an Hochbetagten eine Versorgung im Altenpflegebereich benötigen wird.
Schon heute spricht man von Personalknappheit und von Versorgungslücken. Betrachtet man die Arbeit der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Altenpflege beschäftigt sind, so wird deutlich, wie schwierig schon jetzt die Arbeitsbedingungen sind und welche Auswirkungen diese nachhaltig auf die Gesundheit der Beschäftigten zeigen. Der Anteil an Demenzerkrankungen nimmt stetig zu, die Ansprüche an die Versorgung der Pflegebedürftigen unterliegen einem Wandel und die zunehmenden Prüfungen von Seiten des Medizinischen Dienstes setzten Pflegekräfte unter Druck.
An dieser Stelle wird deutlich, dass das Pflegemanagement sich neben der Personalgewinnung auch der sehr wichtigen Aufgabe der Personalerhaltung bzw. Pflege stellen muss.
In der vorliegenden Diplomarbeit möchte ich die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter verschiedenen Aspekten betrachten. Neben der Fehlzeitenanalyse, die ein Anhaltspunkt für die Mitarbeitergesundheit und möglicherweise auch für ihre Zufriedenheit darstellen kann, wird die Arbeitssituation vor Ort unter den Gesichtspunkten körperlicher und psychischer Belastungen betrachtet.
Zufriedenheitsanalysen aus Altenpflegeeinrichtungen liefern zusätzliche Informationen über die aktuelle Situation und können helfen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Es gibt bereits im eigenen Betreib viele verschiedene Ansätze, die Gesundheit und Zufriedenheit zu fördern bzw. zu erhalten. Diese sollen hier an Beispielen dargestellt werden und sollen aufzeigen, welche Wirkungen hiermit erzielt wurden.
Es ist wichtig, dass das Thema der Mitarbeitersituation in der Pflege präsent und damit in der öffentlichen Diskussion bleibt, um zukünftig den Beruf der Altenpflege attraktiver zu machen und die Versorgung der vielen alten und multimorbiden Menschen zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in das Thema
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung
2. Rahmenbedingungen in der Altenpflege
2.1 Einflüsse in der demographischen Entwicklung
2.2 Generationenwandel im Unternehmen
2.3 Entwicklungen in der stationären Altenpflege
2.3.1 Bewohnerstruktur
2.3.2 Personalstruktur
2.3.3 Tätigkeitsanforderungen
2.3.4 Folgen für die Attraktivität des Altenpflegeberufes
3. Attraktivität des Altenpflegeberufes - eine Bestandsaufnahme
3.1 Beweggründe für die Wahl des Altenpflegeberufes
3.2 Berufsverbleib und Fluktuation im Bereich der Altenpflege
3.3 Zufriedenheit der Mitarbeiter in der Altenpflege
3.3.1 Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten
3.3.2 Vereinbarkeit mit dem Privatleben (Work-life-balance)
3.3.3 Stellenwert und Wertschätzung
3.3.4 Arbeitsplatzsicherheit
3.3.5 Veränderung des Selbstbildes - von der Berufung zum Beruf
4. Attraktive Arbeitgeber sichern die Mitarbeiterressourcen
4.1 Veränderung der Aufgabenfelder in der beruflichen Praxis
4.2 Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit - Veränderungen in der Sichtweise junger Generationen
4.3 Unterstützungsmaßnahmen durch die Berufsgenossenschaften und durch Krankenkassen
5. Untersuchung der Arbeitsplatzattraktivität im eigenen Betrieb
5.1 Faktoren für die Attraktivität des Arbeitsplatzes in der Pflege
5.2 Darstellung des Untersuchungsbereichs
5.3 Untersuchungsinteresse
5.4 Auswertung von Datenmaterial aus dem Personalbereich
5.4.1 Aktuelle Ausfallstatistik im Bereich der Pflege
5.4.2 Die Fluktuation im Betrieb
5.4.3 Fort- und Weiterbildungsangebot und Nachfrage
5.5 Auswahl der Untersuchungsmethode und Information der Mitarbeiter
5.6 Auswertung der Befragung
5.6.1 Rücklaufquote der Befragung
5.6.2 Aufbereitung des Datenmaterials
5.6.3 Beurteilung des Befragungsergebnisses
5.3.4 Vorstellung der Untersuchungsergebnisse und Rückschlüsse
6. Die Rolle der Leitungskräfte im Zusammenhang mit Arbeitsplatz-attraktivität
6.1 Anforderungen an die Leitungsebene
6.1.1 Kernkompetenzen
6.1.2 Personalentwicklung und -gewinnung
6.1.3 Moderne Personalführung
6.2 Förderung der Attraktivität des Arbeitsplatzes im Rahmen des Qualitätsmanagements
6.2.1 Einbeziehung der Mitarbeiter in die Maßnahmenentwicklung
6.2.2 Nutzung von externen Unterstützungsangeboten
6.2.3 Förderung einer positiven Unternehmenskultur
7. Fazit
7.1 Zusammenfassung
7.2 Blick in die Zukunft - der Wettbewerb um die Pflegekräfte mit der Unterstützung einer aktiven Arbeitsplatzgestaltung
Quellenverzeichnis
1. Einführung in das Thema
1.1 Problemstellung
Die Personalsituation in Altenpflegeeinrichtungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren spürbar verändert. Schaut man heute vor Ort in die jeweiligen Einrichtungen, so erfährt man sowohl von Mitarbeiter- als auch von Leitungsseite, dass Personal knapp geworden ist und dass die Personalgewinnung sich immer schwieriger darstellt.
Um so mehr veranlasst dies das Pflegemanagement in der eigenen Einrichtung die Personalsituation zu betrachten und gerade die Mitarbeite, die die so wichtige Säule der Dienstleistungserbringung Pflege darstellen, in ihrer Arbeit zu unterstützen und für sie ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Was bedeutet nun eigentlich attraktiver Arbeitgeber? Im Duden1 finden wir eine sehr kurze Erklärung zum Begriff "Attraktivität": "das Attraktivsein, Anziehungs-kraft". Es stellt sich hieran die Frage, welche Faktoren lösen eine Anziehungs-kraft aus, welche Arbeitsplatzbedingungen möchten erfüllt werden, damit Pflege-kräfte gerne in dem jeweiligen Unternehmen sind und auch bleiben.
Führungskräfte werden immer häufiger mit der Thematik des attraktiven Arbeitsplatzes konfrontiert. Viele Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen beinhalten Themen wie "Zufriedenheit am Arbeitsplatz", "Gesundheitsförderung", "Mitarbeitermotivation" und "Mitarbeiterpartizipation". Beispielhaft soll hier die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege genannt werden, kurz bgw,. Auf ihrer Internetseite oder in ihrem Seminarkatalog mit verschiedenen Flyern2 ist zu lesen: "Alternde Belegschaften und Fachkräfte-mangel -das sind derzeit wesentliche Tendenzen in der Arbeitswelt. Diesen Entwicklungen liegen der demografische Wandel, veränderte gesellschaftliche Lebensumstände und sozialpolitische Rahmenbedingungen zugrunde. Die Gesundheitsberufe sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. So wird sich der Bedarf an professionellen Pflegekräften bis zum Jahr 2050 fast verdreifachen3. ... Es liegt also fast auf der Hand, dass die Unternehmen der Gesundheit und der Motivation der Beschäftigten - unabhängig vom Alter - eine höhere Bedeutung zukommen lassen müssen."
Als weiteres Beispiel sei die Bundesakademie der Diakonie4 genannt, die sich in ihren Weiterbildungen auch mit dem so wichtigen Betriebsfaktor "Mitarbeiter" befasst. In der Weiterbildung zur "Organisations- und Unternehmensentwicklung" lesen wir u.a. den inhaltlichen Schwerpunkt "Kulturanalyse und -entwicklung, Widerstand und Wandel" und den Begriff "Work-Life-Balance". Die Kultur in einem Unternehmen wird von den Menschen am Arbeitsplatz geprägt und sie ist beeinflusst von allen Schichten der Mitarbeiterschaft und schließt die Führungskräfte mit ein. Es ist gut vorstellbar, dass eine Kultur, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht wohl fühlen, nicht dazu führt, dass man bezüglich des Arbeitsplatzes von Attraktivität sprechen kann.
Work-Life-Balance, das Gleichgewicht zwischen Arbeitsleben und Freizeit ist ebenso ein Punkt, der sicherlich unterschiedlich bewertet wird, je nachdem wie erfüllt oder nicht erfüllt das Leben am Arbeitsplatz und in der Freizeit ist.
Krankenkassen nehmen sich neben der Berufsgenossenschaft und verschiedenen Bildungsträgern auch intensiv dem Thema Arbeitsplatz an. Auf der Seite der Techniker Krankenkasse5 findet sich ein Informationsschreiben mit dem Titel: "Gesundheit im KMU - Widerstände gegen Betriebliches Gesundheits-management in kleinen und mittleren Unternehmen". Hier lesen wir von Bedingungen, die die Arbeit im Betrieb beeinflussen: "Steigender Wettbewerb und Management-Professionalisierung, Beschleunigung von betrieblichen und gesellschaftlichen Prozessen und wachsende Anforderungen von Kunden an Geschwindigkeit und Ubiquität (Synonym: Allgegenwart) treffen auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). In dessen Folge steigen die Anforderungen an die Belastbarkeit und Flexibilität der Mitarbeiter deutlich. Gleichzeitig führt die demografische Entwicklung in Deutschland dazu, dass das Angebot an jüngeren Arbeitskräften zurückgeht und das Durchschnittsalter der Mitarbeiter in den Unternehmen steigt." Im gleichen Abschnitt wird betont, wie wichtig es daher sei, die Mitarbeiter zu pflegen, zu fördern und zu motivieren. Dieses sind alles Tätigkeiten, die dazu beitragen, dass Beschäftigte eines Unternehmens sich respektiert und geschätzt fühlen. Schließlich kann hieraus ein Wohlgefühl entstehen, das wiederum ein Kriterium für Attraktivität darstellen kann.
1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung
Die Diplomarbeit "Die Attraktivität des Arbeitsplatzes in der Altenpflege - das Werben der Führungskräfte um das eigene Personal" beleuchtet zunächst die Rahmenbedingungen in der Altenpflege mit den entsprechenden Einflüssen und Entwicklungen. Anschließend befasst sie sich mit einer Bestandsaufnahme bezüglich der Punkte Beweggründe für die Wahl des Altenpflegeberufes, Berufsverbleib und Fluktuation sowie Zufriedenheit der Mitarbeiter in der Altenpflege. Die Daten werden aus verschiedenen Erhebungen unterschiedlicher Quellen erhoben.
Es schließt sich eine empirische Untersuchung im eigenen Betrieb an, indem ich als stellvertretende Heimleitung, Qualitätsbeauftragte und Fachbereichsleitung für den Gesamtbereich Pflege tätig bin. In einem vollstationären Bereich mit 62 Bewohnern und rund 35 Mitarbeitern, bestehend aus examiniertem Pflegepersonal, Pflegehelfern, Betreuungskräften nach § 87b SGB XI, Mitarbeiter mit sozialpädagogischem Hintergrund und ungelernten und ausgebildeten Hauswirtschaftskräften, wird eine anonyme schriftliche Befragung durchgeführt, um die Möglichkeit einer Einschätzung vor Ort zu haben. Die Ergebnisse liefern mögliche Anhaltspunkte für die Beurteilung der Attraktivität als Arbeitgeber. Im Kontext zu den Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Befragungen können diese weiter untersucht werden.
Es gilt zu erkennen, welche Faktoren tatsächlich zur Attraktivität des Arbeitsplatzes beitragen und welche für die Führungskräfte besonders zu beachten sind, um nachhaltig Personal zu gewinnen und zu binden. Es ist vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktsituation um so mehr davon auszugehen, dass die Pflegekräfte nicht mehr zwingend auf den bestehenden Arbeitsplatz angewiesen sind, zumal das Angebot um sie herum zahlreich und vielfältig ist, wie man es unschwer erkennen kann, wenn man diverse Pflegezeitschriften wie "Altenheim" ,"Die Schwester - der Pfleger" betrachtet oder einfach einen Blick in die Wochenendausgabe einer Tageszeitung wirft.
2. Rahmenbedingungen in der Altenpflege
Die Rahmenbedingen in der Altenpflege sind zunächst einmal durch gesetzliche Grundlagen bestimmt. Hier seien in erster Linie das Sozialgesetzbuch (SGB) und das Heimgesetz der jeweiligen Bundesländer genannt. Im 11. Buch des SGB finden sich im Wesentlichen die Vorschriften für die Kostenregelung und die Art und der Umfang der Leistungen. § 87a SGB XI befasst sich mit der Berechnung und Zahlung des Heimentgelts. Die Leistungen in der stationären Altenhilfe unterteilen sich in die Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirt-schaftliche Versorgung. Hinzu kommen noch Leistungen nach § 87b SGB XI für Bewohner mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz.
Die Heimgesetzgebung ist föderalistisch geregelt, d.h. jedes Bundesland hat ein eigenes für sich geltendes Heimgesetz. In Niedersachsen ist es derzeit das Niedersächsische Heimgesetz mit der derzeit gültigen Fassung vom 29. Juni 2011.
Der prozentuale Anteil der Fachkräfte in Altenpflegeeinrichtungen wird durch die so genannte Fachkraftquote bestimmt, die Anzahl bemisst sich nach dem vereinbarten Pflegeschlüssel, der nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Zur festgelegten Quote heißt es in einer Publikation6 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Betreuungstätigkeiten dürfen nur von Fachkräften oder unter "angemessener Beteiligung" von Fachkräften ausgeführt werden. Hierbei ist eine Fachkraftquote von mindestens 50 % vorgeschrieben, d.h. bei mehr als vier pflegebedürftigen Personen muss mindestens jeder zweite weitere Beschäftigte eine Fachkraft sein (§ 5 HeimPesV). ... Auch bei Nachtwachen muss mindestens eine Fachkraft anwesend sein."
Die Zahl der Beschäftigten in teil- oder vollstationären Pflegeeinrichtungen ist seit 2009 leicht gestiegen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlicht alle zwei Jahre eine Pflegestatistik. Die aktuellste derzeit ist die im Januar 2013 erschienene Statistik bezogen auf das Jahr 2011.
Im Vergleich der beiden Erhebungen aus 20097 und 20118 ergibt sich ein Anstieg der Beschäftigten in der stationären Altenpflege 6,4 %.
Das folgende Balkendiagramm zeigt, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten und der weiblichen Mitarbeiter insgesamt gestiegen, aber im Verhältnis zur Gesamtzahl konstant geblieben ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Statistische Bundesamt gibt auch in ihrer Publikationen einen Überblick über die Anzahl der zu versorgenden Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen. Diese zeigt, dass insgesamt die Anzahl der zu versorgenden Pflegebedürftigen im Zeitraum von 2009 bis 2011 um 5,1 % gestiegen ist.
Interessant im Gesamtzusammenhang ist, dass der Anstieg der stationär ver-sorgten Pflegebedürftigen in den vergangenen Jahren zu Gunsten ambulanter Versorgung zurückgegangen ist. Laut Pflegestatistik aus dem Jahr 2009 lag der Anstieg der vollstationär Versorgten bei 4,6 %, 2011 nur noch bei 3,6 %.
2.1 Einflüsse in der demographischen Entwicklung
Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes ist bestimmt durch die Geburten- und Sterberate sowie der Zu- bzw. Abwanderung. Die demographische Entwicklung in Deutschland zeigt schon seit Jahren eine negative Bevölkerungsbilanz auf. Ursachen hierfür sind neben einem kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang auch die steigende Lebenserwartung dank guter medizinischer und auch sozialer Versorgungsangebote und -strukturen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat in einem Themenblatt von Bruno Zandonella "Demografischer Wandel: ist der Generationenvertrag in Gefahr?"9 die Situation wie folgt zusammengefasst: "Seit 1970 verharrt sie (eigene Anmerkung: die Geburtenrate) stabil bei etwa 1,4 Kindern pro Frau. Um die Bevölkerungszahl langfristig konstant zu halten, wären aber 2,1 Kinder nötig. Aktuell liegt die Geburtenrate in Deutschland bei 1,36, ..." Weiter heißt es: "Aber die Deutschen werden nicht nur weniger, sie werden auch älter, denn mit einer abnehmenden Zahl der Geburten steigt automatisch der Anteil älterer Menschen."
Im Ergebnis lässt sich sagen, dass die negative Bevölkerungsentwicklung, die stark geprägt vom Geburtenrückgang zwischen 1965 und 1975 ist, heute nicht oder nur kaum aufzuhalten ist. Selbst eine Zuwanderung und die weitere Anhebung des Renteneintrittsalters würden nicht die mangelnde Bevölkerung in der aktiven Berufsphase ersetzen. In dem oben zitierten Themenblatt heißt es hierzu: " Wollte man die Bevölkerung in Deutschland langfristig stabil halten und so die Sozialsysteme, insbesondere die Rentenversicherung, nahezu unver-ändert weiterführen, so müsste
- die Geburtenrate von zurzeit 1,36 Kinder auf 3,8 Kinder pro Frau ansteigen oder
- eine Nettozuwanderung aus dem Ausland von insgesamt 188 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 organisiert werden oder
- das gesetzliche Rentenalter von heute 65 Jahren für Männer auf 70 Jahre bis 2036 und bis zum Jahr 2074 sogar auf 73 Jahre angehoben werden."
Diese Entwicklung hat Folgen für die Versorgung Pflegebedürftiger in der Altenpflege. Es werden unweigerlich weniger Pflegekräfte für eine stetig anwachsende Zahl von Hochbetagten zur Verfügung stehen. Natürlich weiß man heute noch nicht, ob zukünftig der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtzahl alter Menschen genauso oder ähnlich hoch sein wird wie heute und wie sich bestimmte typische Krankheitsbilder, die vor allem im Alter auftreten, zukünftig entwickeln. Dieses hängt sehr stark von der medizinischen Entwicklung und Versorgung ab.
Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung kann aber davon ausgegangen werden, dass zukünftig mehr Pflegekräfte benötigt werden und dass sich die bisherige Organisation der Pflege auf die veränderte Situation der zunehmend Hochbetagten und der in absoluter Zahl steigenden Pflegefälle einstellen muss.
In einer Publikation der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder10 wird diese Annahme unterstrichen: "Krankheiten, die mit zunehmendem Alter ver-mehrt auftreten, wie Herz-/Kreislauferkrankungen und Neubildungen (Krebs), werden überdurchschnittlich ansteigen. Auch bei Demenzerkrankungen dürfte es zu einem deutlichen Anstieg der Fälle kommen. Krankenhausbehandlungen wegen Demenz fallen jedoch in absoluten Zahlen kaum ins Gewicht (knapp 32000 Fälle im Jahr 2005). Eine Zunahme Demenzkranker würde sich hauptsächlich im Bereich der häuslichen Betreuung und der Pflege auswirken."
Bezogen auf die Versorgung der Pflegebedürftigen vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung, ist in der oben zitierten Publikation der Statistischen Ämter und Länder zu erfahren: "Im Zeitvergleich zeigt sich ein Trend hin zur professionellen Pflege in Pflegeheimen und durch ambulante Pflegedienste: So ist gegenüber 2003 die Zahl der in Heimen betreuten Pflegebedürftigen um rund 6 % und die Zahl der durch ambulante Dienste Versorgten um 5 % gestiegen, während die Pflege durch Angehörige bzw. die Zahl der reinen Pflegegeld-empfänger um 1 % abnahm. Im Vergleich zu 1999 beträgt der Anstieg in den Heimen 18 %, bei den ambulanten Pflegediensten 14 % und der Rückgang bei den Pflegegeldempfängern 5 %. Durch diese Entwicklung sank auch der Anteil der zu Hause Versorgten von 72 % im Jahr 1999, 69 % 2003 auf 68 % im Jahr 2005." Die folgende Grafik soll die Veränderungen in der Versorgung Pflege-bedürftiger veranschaulichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weiter heißt es in den Ausführungen: "Diese Entwicklung ist nur zu einem geringen Teil dadurch erklärbar, dass ältere Pflegebedürftige eher im Heim versorgt werden und die Altersstruktur der Pflegebedürftigen sich im Zeitablauf etwas verändert hat. Die Veränderung kann auch als Hinweis gedeutet werden, dass die Möglichkeiten zur familiären Pflege bereits rückläufig sind. Für die Zukunft wird häufiger erwartet, dass die Möglichkeiten zur familiären Pflege, z.B. durch die zunehmende gesellschaftliche Mobilität, eingeschränkt werden."
Diese Entwicklung unterstreicht noch einmal, dass nicht alleine nur aufgrund der ansteigenden Zahl der Hochbetagten der Bedarf an Pflegekräften steigt, sondern dass auch durch die sinkende Zahl der jungen Menschen, die sich in früheren Generationen noch um die Eltern- und Großelterngeneration kümmern konnten, eine immer geringere Möglichkeit zur pflegerischen Versorgung gegeben ist. Die Lebens- und Familienformen haben sich in den letzten Jahren zunehmend zu Kleinfamilien mit Eltern als Doppelverdiener und Singlehaushalten entwickelt.
Der Bevölkerungsrückgang führt inzwischen zunehmend zu intensiven Bemühungen, dem zunehmenden Personalmangel im Altenpflegebereich entgegen zu wirken. Erst zuletzt in diesem Jahr wurden die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte verändert: Der frühere Bundes-wirtschaftsminister Philipp Rösler11 sagte hierzu: "Wir haben Schritt für Schritt die Rahmenbedingungen für die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte verbessert. Gerade im Bereich der Pflegewirtschaft ist der steigende Bedarf an Pflege-fachkräften aber besonders dringlich. Mit dem Pilotvorhaben zur Ausbildung von Pflegefachkräften in Deutschland öffnen wir einen weiteren Weg, nach deutschen Ausbildungsstandards internationale Fachkräfte in der Pflege zu gewinnen. Dies ist eine neue Möglichkeit mit Modellcharakter für Unternehmen und Auszubil-dende."
Abschließend sei nicht unerwähnt, dass ein Rückgang derer, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in die Sozialsysteme einzahlen, zwangsläufig bei unveränderter Entwicklung geringere Einnahmen und damit weniger finanzielle Ressourcen zur pflegerischen Versorgung nach sich ziehen. Hier schließen sich die Fragen nach der Finanzierbarkeit und nach veränderten Strukturen in der Altenpflege an.
2.2 Generationenwandel im Unternehmen
Immer wieder werden Mitarbeiter, die ausscheiden durch neue ersetzt. Es wird geschaut, dass die Altersverteilung gleichmäßig gestreut ist, so dass die Jungen von den Älteren und umgekehrt, oder die Berufsanfänger von den langjährigen Pflegekräften lernen. Dies klingt zunächst sehr einfach und unkompliziert, aber es ist zu berücksichtigen, dass Generationen sich erheblich in ihrem Verhalten und ihrer Betrachtungsweise unterscheiden. Technischer Wandel und Fortschritt haben entscheidend dazu beigetragen, dass alleine das Kommunikations-verhalten und die Gewinnung und Verbreitung sich weiter entwickelt haben.
Es ist die Rede von der Generationen X und Y. Die Generation X wird vertreten von den Jahrgängen 1965 bis 1979. Die Jahrgänge 1980 bis 1995 sind der Generation Y zuzuordnen. Es stellt sich die Frage, worin liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden benannten Altersgruppen und ergeben sich hier-aus Folgen für das Arbeitsleben.
Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Vertreter der X-Jahrgänge die Zeit des so genannten "Kalten Kriegs" erlebt haben, sie waren in ihrer Soziali-sation geprägt von Entbehrungen und der Auseinandersetzung mit finanziellen Engpässen bedingt durch die Rezession. Im Magazin für Weiterbildung und HR-Management12 steht hierzu: "Die Umfeldbedingungen haben sie dazu gebracht, sich durchzusetzen und einen starken Konkurrenzkampf zu entwickeln. Gen X’ler sind ihrer eigenen Karriere gegenüber loyal. Sie haben Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, sind anpassungsfähig und pragmatisch, kennen sich mit der mo-dernen Welt aus und sind bereit, sich durchzusetzen, wenn es sein muss. Sie werden häufig als leistungsorientiert, aber auch als ungeduldig, zynisch und ironisch wahrgenommen. Ihr mitunter als grob empfundener Umgang mit ander-en mag daran liegen, dass »weiche Faktoren« in Unternehmen bzw. in ihrer Ausbildung zur Führungskraft keine große Rolle gespielt haben."
Die Generation y hingegen hat Kriege nur aus dem Fernsehen erleben müssen, sie sind im Wohlstand aufgewachsen und erlebten einen gewissen Überfluss. Hierzu schreibt das Magazin für Weiterbildung und HR-Management: "Sie haben wenige Kriege bzw. gewalttätige Konflikte miterleben müssen, sind in diesem Sinne aber nicht naiv. Sie wissen um Terrorbedrohung, Naturkatastrophen und globale Erwärmung. Dennoch ist das Leben sehr sicher und durch Wohlstand geprägt. Sie sind die Generation, auf die als Kinder am stärksten Bezug genommen wurde. Man findet sie auch als "Trophy Kids" in der Literatur, weil sie einem Umfeld entstammen, wo es oft allein fürs Mitmachen einen Pokal gibt.
Im Zentrum ihrer Erziehung standen andere Werte als bisher, wie etwa der Aufbau eines guten Selbstbewusstseins statt Höflichkeit und Bescheidenheit als Tugend. Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor in der Entwicklung der Generation Y ist die Vorbildwirkung ihrer Elterngeneration. Das Arbeitsleben ihrer Eltern beobachtend sind viele zu dem Schluss gekommen, dass sie ein solches Leben nicht führen wollen. Karriere ja, aber nicht um jeden Preis!"
Das Arbeitsverhalten in der Generation X ist geprägt von gemeinsamen Mittagspausen mit Kollegen, dem nicht ausgeprägten Zeigen von Emotionen und einem nicht gewollten Feedback, der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, dem Pflichtbewusstsein, für die Familie zu sorgen, die eigenen Ziele zugunsten des Unternehmens zurück zu stellen und der Erwerbung des Wissens und der Kompetenz über Fortbildung, Bücher und Inhouse-Schulungen (Quelle: vgl Dr. Anders Parrment 2009: 15-66).
Der Generation Y unterscheidet sich hier insbesondere darin, dass die Mittags-pause Ort sozialer Kontakte ist, dass sie Wert auf emotionale Aspekte des Arbeit-gebers - hier vor allem eine gute Unternehmenskultur und erwünschtem Feed-back legen, sie sich nicht zur Loyalität verpflichtet fühlen und den Arbeitgeber gerne als Sprungbrett für die weitere Karriere nutzen. Sie wollen ihre Arbeitstage mit Erlebnissen füllen und ihr Wissen und ihre Kompetenz werden auch außer-halb des Unternehmens über das Internet, soziale Netzwerke und Web-Seminaren erworben. Hinzu kommt, dass sie keine Übereinstimmung zwischen den Zielen des Arbeitgebers und ihrer eigenen Ziele erleben (gleiche Quelle Anders Parment).
In der ARGO Studie13 aus dem Jahr 2013 wird den Fragen nachgegangen, ob es Spannungen zwischen den beiden Generationen gibt und ob erlebbare Unterschiede an Erwartungen an den Arbeitsalltag zu erkennen sind. Hier wird von den Befragten angegeben: "54,6 % der befragten Vertreter der Generation X und 55,3 % der Generation Y nehmen in ihrem Unternehmen keine Spannungen zwischen den Generationen wahr. Die Sensibilität für dieses Thema ist nur bei nicht ganz der Hälfte der Gesamtstichprobe (n=529) vorhanden. 19 % aller Befragten sehen Spannungen, über die auch offen diskutiert wird, 26 % nehmen Spannungen wahr, über die aber nicht gesprochen wird.
Als Spannung erleben Vertreter der Generation X Ungerechtigkeiten beim Einkommen, obwohl sie doch Expertenstatus und Erfahrung besitzen. Gene-ration Y sieht Spannungspotenzial vor allem in der geringen Veränderungs-bereitschaft der Älteren."
Die beiden signifikant deutlichsten Unterschiede, die sich aus der Studie ergeben, sind: "Generation X sieht in der Möglichkeit, Meinung auch Führungs-kräften gegenüber frei äußern zu können, deutlich häufiger ein berechtigtes Anliegen, wohingegen Generation Y, die doch als junge, Feedback liebende Generation beschrieben ist, hier signifikant häufiger Kompromissbereitschaft erkennen lässt. Betrachtet man die Fragestellung im Wortlaut, wird ein wesent-licher Unterschied der Generationen deutlich: "Wenn mir etwas nicht passt, möchte ich meine Meinung frei sagen können." Feedback für Generation X ist konnotiert mit "professionell Kritik äußern" Generation Y teilt diese Deutung von Feedback nicht, ihr Begriffsverständnis liegt bei Feedback als laufender, positiver Bestätigung - und damit einer geringeren Zustimmung zur hier formulierten Aus-sage."
Die Untersuchung bestätigt, dass die Treue gegenüber dem Arbeitgeber bei der Generation X ausgeprägt ist, dass aber die Loyalität bei der Generation Y doch noch deutlich vorhanden ist: Das rasche Verfolgen von Zielen ist der jungen Generation ein wichtiges Anliegen und kann dazu führen, dass ein Arbeitsplatz-wechsel zur Fortschreibung der Karriere notwendig wird.
Ein weiterer Aspekt in der Betrachtung der Generationen ist der Mitarbeiteranteil, der mit Selbstverständlichkeit mit Technisierung aufgewachsen ist. Die heutigen jungen Menschen haben in aller Regel überhaupt keine Scheu vor dem PC, sie sind es gewohnt, im Internet zu recherchieren und e-Mails zu verschicken. Hinzu kommen die sehr beliebten Smartphones, über die sie jederzeit und überall Kontakte pflegen und einen Großteil ihrer Kommunikation vollziehen. Das Bild eines jungen Menschen mit Smartphone ist aus dem Straßenbild kaum wegzudenken und auch im Arbeitsleben sind sie zunehmend selbstverständlicher geworden. Es wird in Bezug auf diese Generation auch von der Generation 2.0 gesprochen.
In einem Artikel vom 22.09.2010 von Internet World Business14 mit dem Titel "Sie wollen Spaß" wird über eine Studie berichtet, die der Frage nachging, wie man am besten mit Jugendlichen über soziale Netzwerke kommuniziert. Im folgenden Zitat wird die Häufigkeit und die Beweggründe für die Nutzung von Social Media deutlich: "Social Media werden von 14- bis 29-Jährigen für Kontakte und Unterhaltung genutzt. 79 Prozent halten sie für gut geeignet, um mit anderen in Kontakt zu bleiben, für 72 Prozent ist der Spaß der ausschlaggebende Faktor für den Einsatz. Mehr als die Hälfte, nämlich 57 Prozent, versuchen, sich so oft wie möglich einzuloggen." Dies belegt, wie sehr die neuen Medien zum Alltag gehören und dass auch im Arbeitsleben eine Einstellung auf diese Entwicklung vollzogen werden muss.
Social Media bietet den Arbeitgebern die Chance, insbesondere bei der Generation Y, sich im Internet zu präsentieren, Stellenangebote zu schalten und die Möglichkeit zur online-Bewerbung zu geben. Die jungen Menschen, denen das Internet sehr vertraut ist, können sich ausführlich informieren und haben einen ersten Eindruck ihres potenziellen Arbeitgebers.
Der Internet-Auftritt einer Pflegeeinrichtung kann zudem für neue Informationen zum Thema Gesundheit und Pflege genutzt werden, welche sowohl von externen Anwendern als auch von den eigenen Mitarbeitern genutzt werden können. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Präsenz in sozialen Netzwerken wie beispiels-weise Facebook beliebter wird und es zeigt, dass sich Unternehmen zunehmend auf die neue Generation einstellen.
In der Zeitschrift "PRO PflegeManagement"15 wird trotz aller Bedenken hin-sichtlich Datenschutz bei der Nutzung von Facebook und Twitter in einem Artikel bestätigt, dass Pflegeeinrichtungen sich dem Trend der Nutzung sozialer Netzwerke stellen sollten, um eine breite Gruppe der Anwender dieser Medien anzusprechen. "Generell raten Datenschützer davon ab, als Pflegeeinrichtung soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter zu nutzen. Dies stünde im Widerspruch dazu, dass zwischen Pflegeeinrichtung und Patient ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Der Facebook-Kritiker Dr. Thilo Weichert empfiehlt sogar den Aufbau eigener sozialer Netzwerke. Im Prinzip führt kein Weg daran vorbei: Kliniken, Altenheime und ambulante Dienste werden Dienste wie Facebook künftig vermehrt nutzen. Vor allem in den Bereichen Marketing und Personalakquise erscheinen diese Medien attraktiv – sprechen sie doch eine breite Gruppe an."
Die Arbeitgeber der Pflegeeinrichtungen haben nun die Aufgabe, die Bindung, Förderung wie auch die innerbetriebliche Qualifizierung bestehender Mitarbeiter zu fördern, neue und junge Arbeitskräfte zu integrieren und zunehmend aufgrund des demographischen Entwicklung sich darauf einzustellen, zukünftig mehr ältere Pflegekräfte zu haben, da die jungen Menschen nur in geringerer Anzahl zur Verfügung stehen. Eingebunden in dieser personalbetrieblichen Zukunft werden die generationsspezifischen und arbeitsrelevanten Merkmale sowie die Ent-wicklung älterer Mitarbeiter, die sich in ihrer Leistungsfähigkeit verändern.
François Höpfinger16 fasst die Herausforderung des Generationenwandels im Arbeitsleben treffend zusammen: "In einer demographisch alternden Gesellschaft wird jedoch Jugend knapp, und der Anteil älterer Mitarbeitender steigt an. Dies erfordert bei immer mehr Unternehmen eine gezielte generationelle Doppelstrategie: Einerseits gilt es - im verstärkten Kampf um junge Talente - für junge Fachleute attraktiv zu bleiben. Andererseits sind Unternehmen verstärkt darauf angewiesen, die Leistungsfähigkeit und Motivation langjähriger älterer Mitarbeitender zu erhalten. In diesem Rahmen kommt optimalen Generationen-beziehungen zwischen Jung und Alt eine verstärkte Bedeutung zu, sei es, dass ältere Mitarbeitende von jüngeren Fachpersonen lernen, sei es, dass Innovation der Jungen und Erfahrung der älteren Menschen kombiniert werden. In einer hochdynamischen Arbeitswelt werden auch von älteren Mitarbeitenden inter-generationelle Anpassungsleistungen verlangt, wie Know-how-Transfer an Jüngere, Lernen von Jüngeren, gute Zusammenarbeit trotz Generationen-differenz sowie Akzeptanz von Altersumkehrungen in der Hierarchie."
2.3 Entwicklungen in der stationären Altenpflege
Die Altenhilfe hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert, es ist also demnach der jüngste Zweig im Bereich der Pflege und entstammt der Krankenpflege. Aus der Antike ist überliefert, dass es hier vor allem um die Prävention von Alter und Gebrechlichkeit ging und dass sportliche Betätigungen einen hohen Stellenwert erlangten (siehe Wettkämpfe in der Antike). Später galt die Fürsorge bezüglich alter Menschen vor allem den Bereichen Unterkunft und Verpflegung. Alte Menschen waren häufig von Armut betroffen und benötigten daher Unterstützung. "Kirchliche und bürgerliche Spitäler nahmen sich verschiedenen Gruppen von Hilfsbedürftigen an. Hierzu gehören arme, alte und kranke Menschen. ... bei Krankheit und Siechtum wurde ihnen Pflege zuteil.17 "
Das 11. bis 13. Jahrhundert war u.a. durch die Gründung der ersten Hospize charakterisiert. Hier kümmerte man sich um alte, gebrechliche und kranke Menschen und pflegte sie bis zum Eintreten des Todes.
Im 19. Jahrhundert galten Krankenhäuser als so genannte "Armen- und Siechenhäuser". Hier waren auch die alten und gebrechlichen Menschen, um die es sich zu kümmern galt. Pflegekenntnisse von Seiten des angestellten Personals ("Wärterinnen") waren hier noch nicht ausgeprägt bzw. nicht vorhanden. Die Pflege erfolgte in der Regel durch weibliche Angehörige ohne pflegerischen Ausbildungsstand.
Im Zuge der Industrialisierung mit Folgen für die Gesundheit und der finanziellen Situation der Bevölkerung, nahmen Krankheiten massiv zu. Es erfolgte eine Trennung zwischen Krankenhaus und dem Armenhaus.
"Aus der Armenpflege, die zunehmend älteren Menschen Obhut gewährleistete, entfaltete sich ein spezifisches, zielgruppenorientiertes Versorgungsangebot. Ein neuer Tätigkeitsbereich - die Altenpflege - entwickelte sich."18
Bislang erfolgte Pflege häufig im Familienverbund, d.h. mehrere Generationen lebten eng zusammen, so dass ein gegenseitiges Füreinander gegeben war. Während der fortschreitenden Industrialisierung und der wirtschaftlichen Ver-änderungen im Land verkleinerten sich die Familien zusehends. Die Versorgung der Alten konnte immer seltener zu Hause gewährleistet werden.
Der folgende Abschnitt19 macht diese Veränderung noch einmal deutlich: "Die Möglichkeit und Bereitschaft, ältere Familienmitglieder in der häuslichen Gemeinschaft zu versorgen, wie es in der vorindustriellen Zeit überwiegend der Fall war, waren in der Kleinfamilie der beginnenden Industriegesellschaft nicht mehr gewährleistet. ... Die Versorgung der älteren Menschen ging mehr und mehr in die Verantwortlichkeit des Staates über, ..."
Erst in den 50er Jahren entstanden als Reaktion auf den zu dieser Zeit akut bestehenden Personalmangel und den nicht entsprechend qualifizierten Arbeits-kräften die ersten Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der Altenpflege.
Es lässt sich also zusammenfassend zu den Veränderungen bzw. historischen Entwicklung in der Altenpflege sagen, dass sie sich aus der vor allem erst überwiegend häuslich geprägten Versorgung durch in der Regel weibliche Angehörige über die Versorgung in Krankenhäuser in der Gestalt von "Armen- und Siechenhäuser" bis hin zur Entwicklung und Errichtung von Alten-einrichtungen entwickelt hat. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts gab es keine adäquate Ausbildung für Pflegekräfte, so dass hier sicherlich häufig aus dem Gefühl und aus der Weitergabe von Erfahrungen gehandelt wurde. Die Pflege bedeutete bis dahin mehr Berufung als Beruf. In einem Referat von Roswitha Horschk20 zum Thema "Berufsbild" wird eindrucksvoll die Situation der Pflegekräfte zwischen Berufung und Beruf in ein Gedicht verfasst:
"So schreitet sie also stolz und aufrecht ins 21. Jahrhundert
im Herzen edel und hilfreich wie immer
aber jetzt noch geadelt durch Forschung und Wissenschaft
unserer schönen neuen Welt pflegewissenschaftliche
Schwester,
die ganz neu und irgendwie ganz vertraut ist,
und die, wie immer, alles gut machen wird!"
Ergänzend sei noch zu sagen, das die Arbeitszeiten, die Gehaltssituation, die Absicherung im Krankheitsfall und im Alter sowie die Fort- und Weiter-bildungsmöglichkeiten früher sich anders gestalteten und sie sich positiv für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändert haben.
Heute werden Auszubildende in der Altenpflege innerhalb von drei Jahren auf ihre zukünftige Tätigkeit vorbereitet. Hinsichtlich der Novellierung der Berufsgesetze wurde die Altenpflegeausbildung um spezifische, medizinisch-pflegerische Anteile ausgeweitet Hiermit erzielte man eine stärkere Annäherung an den Beruf der Krankenpflege, bzw. Gesundheits- und Krankenpflege, wie es heute heißt. Ziel des Gesetzgebers war mit der Novellierung die Anpassung an zukünftige Herausforderungen wie gesellschaftliche Veränderungsprozesse und neue pflegewissenschaftliche Erkenntnisse.
Das Gesetz über die Berufe in der Altenpflege vom 25. August 2003 enthält die Ausbildungsziele des Erlernens von "Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur selbständigen, eigenverantwortlichen Pflege einschließlich der Beratung, Begleitung und Betreuung älterer Menschen erforderlich sind21 ".
Verändert hat sich gegenüber der bisher bestehenden Ausbildung das Lernen in so genannten Lernfeldern. Dies bedeutet eine Abkehr von der Orientierung an Fächer und ermöglicht eine andere und vielfältige Sichtweise auf pflegerisches Handeln, das wiederum beispielswiese die Implementierung von Expertenstandards erleichtert.
Das Kuratorium Deutsche Altenhilfe22 schreibt hierzu: "Im Mittelpunkt des vorgestellten Konzepts für den Aufbau des theoretischen und praktischen Unterrichts steht die "theoriegeleitete Pflegeprozesssteuerung." Der Pflege-prozess mit seinen Schritten "Erheben, Planen, Durchführen der Pflegeinter-ventionen nach dem Stand der Künste sowie die Evaluation stellt das "Herzstück" dieser Interpretation der bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung dar, die die Schülerinnen und Schüler immer wieder anhand von Pflegesituationen aus der Praxis erlernen sollen."
Es gibt in der Literatur zu wenig Ansätze, um zu klären, ob Pflegekräfte, die vor der Novellierung der Altenpflegeausbildung nicht auch prozesshaft gepflegt haben, denn es ist ihnen ja nicht unbekannt (siehe 4-Phasen-Modell nach Yura und Walsh von 1967 und das Regelkreismodell nach Fiecher und Meier von 1981). Neu ist aber sicher die Implementierung des Regelkreislaufs in das Qualitätsmanagement, der eine starke Betonung der Pflegeplanungen nach sich zog, die langjährige Mitarbeitende vor neue Herausforderungen stellte.
2.3.1 Bewohnerstruktur
Die Bewohnerstruktur in den heutigen Altenpflegeheimen hat sich in den vergangenen 15 bis 20 Jahre sehr verändert. Aus vielen Beratungsgesprächen mit Senioren und ihren Angehörigen wird deutlich, dass ältere Menschen später als vor 20 Jahren in eine Pflegeeinrichtung einziehen und dass sie immer häufiger erst diesen Schritt vollziehen, wenn eine vorliegende Demenz fortschrei-tet und/oder die Versorgung des betroffenen Pflegebedürftigen aus familiären und finanziellen Gründen nicht mehr gesichert ist.
In aller Regel möchten fitte alte Menschen möglichst lange zu Hause wohnen bleiben und wünschen beim Eintreten erster körperlicher Einschränkungen eine Versorgung in der gewohnten Umgebung. Aufgrund der stetig wachsenden Anzahl von Ambulanten Diensten und der Möglichkeit, ein Notruftelefon zu mieten, ist ein längerer Verbleib in der Häuslichkeit möglich. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Umstand, dass die Stärkung der ambulanten Versorgung auch seit Jahren politisch gewollt ist, was inzwischen zu erhöhten Pflegesätzen in den jeweiligen Pflegestufen mit zusätzlichen Ergänzungsleistungen geführt hat (Stichwort: §45 b, SGBXI; Nutzung von Tagespflegeangeboten neben der ambulanten Versorgung, Wohngruppen-zuschläge etc.).
[...]
1 http://www.duden.de/rechtschreibung/Attraktivitaet
2 BGWthemen: "Demografischer Wandel und Fachkräftemangel, Seite 2
3 Anmerkung: Quelle Hackmann, 2009; http://www.bgw-online.de/DE/Arbeitssicherheit-Gesundheitsschutz/Demografischer-Wandel/Auswirkungen-auf-die-Pflege/Auswirkungen_Pflege.html; aufgerufen am 21.02.2014
4 http://www.bundesakademie-kd.de/programme/index.php?lnk_code=13023
5 http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/209528/Datei/1888/Report-Gesundheit-in-KMU.pdf, Seite 4
6 http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/heimbericht/3/3-4-Personelle-situation-der-heime/3-4-1-daten-zur-personallage-in-den-heimen-pflegestatistik-,seite%3D4.html
7 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Pflege/PflegeDeutschlandergebnisse5224001099004.pdf?__blob=publicationFile
8 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Pflege/PflegeDeutschlandergebnisse5224001119004.pdf?__blob=publicationFile
9 Bundeszentrale für politische Bildung: Bruno Zandonella, "Demografischer Wandel: ist der Generationenvertrag in Gefahr", Themenblatt Ausgabe Oktober 2013, Seite 4
10 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/KrankenhausbehandlungPflegebeduerftige5871102089004.pdf?__blob=publicationFile
11 http://www.bmwi.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/pressemitteilungenarchiv,did=591502.html; aufgerufen am 29.10.2013
12 http://www.magazintraining.com/2013/03/24/generation-x-und-y/; Ausgabe 02/2013, aufgerufen am 29.10.2013
13 http://www.magazintraining.com/2013/03/24/generation-x-und-y/
14 http://www.internetworld.de/Nachrichten/Medien/Zahlen-Studien/Studie-zur-Social-Media-Nutzung-unter-jungen-Menschen-Sie-wollen-Spass
15 http://www.ppm-online.org/verlag/artikel-lesen/artikel/soziale-netzwerke-fuer-pflegeeinrichtungen/
16 http://www.hoepflinger.com/fhtop/Wandel-des-Alters.pdf
17 http://www.bildungsverlag1.de/wcsstore/InfinitasCatalogAssetStore/Attachment/Probeseiten/40083_1.pdf, "Berufskunde für die Altenpflegeausbildung nach aktueller Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
18 Annette Riedel: Professionelle Pflege alter Menschen, Seite 29
19 Annette Riedel: Professionelle Pflege alter Menschen, Seite 46
20 http://www.klinikum.uni-muenchen.de/Campus-fuer-Alten-und-Krankenpflege/download/inhalt/Berufskunde/Berufsbild.pdf
21 Annette Riedel, Professionelle Pflege alter Menschen, Seite 222
22 http://www.kda.de/tl_files/kda/Jubilaeum1962%20-%202012/PDFs/bundeseinheitliche_altenpflegeausbildung_materialien.pdf
- Quote paper
- Ellen Haberland (Author), 2014, Die Attraktivität des Arbeitsplatzes in der Altenpflege. Das Werben der Führungskräfte um das eigene Personal, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308565
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