1. Beschreiben und erläutern Sie die unterschiedlichen Positionen der Vertreter des BDA und des DGB zur Bedeutung der „Ausbildungsreife“ für unbesetzte Lehrstellen und unvermittelte Bewerber/innen. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere, welches Verständnis von „Ausbildungsreife“ jeweils zugrunde liegt.
Der Lehrstellenmarkt in Deutschland ist schon lange nicht mehr ausgeglichen. Entweder mangelt es an Lehrstellen oder Betriebe können ihre Lehrstellen nicht besetzen – selbst in Zeiten des Lehrstellenmangels. Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung? Worin sehen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitergeberverbände (BDA) Ursachen für diese Entwicklung?
Eine oft diskutierte These ist, dass Betriebe eine betriebliche Ausbildung nicht anbieten, da es der Jugend an Reife mangelt: Schüler und Lehrer versagen, so die Meinung der Arbeitgeberverbände und des Bundesministers. Hans-Ulrich Nordhaus, DGB-Bundesvorstand der Abteilung Bildung, widerspricht diesem Ansatz. Er weist darauf hin, dass solche Schuldzuweisungen immer zu einem Zeitpunkt aufkommen, an dem auf dem Ausbildungsmarkt ein Lehrstellenmangel auftritt. Doch ist Jugendarbeitslosigkeit und die unausgeglichene Lage auf dem Lehrstellenmarkt seiner Auffassung nach keine Frage mangelnder Ausbildungsreife, sondern ein strukturell bedingtes Problem. Es ist widersprüchlich, dass Anforderungen an Bewerber angehoben werden, gleichzeitig erhalten weniger Qualifizierte aber kaum Chancen. Stattdessen wird der Begriff der „mangelnden Ausbildungsreife“ aufgerollt. Um den entgegenzuwirken, muss das Bildungssystem flexibler werden: Anstatt strikt nach Lehrplänen oder Curricula zu unterrichten, müssen an die heranwachsende Generation Kompetenzen vermittelt werden. Es ist notwendig, dass die berufliche und die schulische Ausbildung gleichwertig anerkannt werden...
1. Beschreiben und erläutern Sie die unterschiedlichen Positionen der Vertreter des BDA und des DGB zur Bedeutung der „Ausbildungsreife“ für unbesetzte Lehrstellen und unvermittelte Bewerber/innen. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere, welches Verständnis von „Ausbildungsreife“ jeweils zugrunde liegt.
Der Lehrstellenmarkt in Deutschland ist schon lange nicht mehr ausgeglichen. Entweder mangelt es an Lehrstellen oder Betriebe können ihre Lehrstellen nicht besetzen – selbst in Zeiten des Lehrstellenmangels. Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung? Worin sehen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitergeberverbände (BDA) Ursachen für diese Entwicklung?
Eine oft diskutierte These ist, dass Betriebe eine betriebliche Ausbildung nicht anbieten, da es der Jugend an Reife mangelt: Schüler und Lehrer versagen, so die Meinung der Arbeitgeberverbände und des Bundesministers. Hans-Ulrich Nordhaus, DGB-Bundesvorstand der Abteilung Bildung, widerspricht diesem Ansatz. Er weist darauf hin, dass solche Schuldzuweisungen immer zu einem Zeitpunkt aufkommen, an dem auf dem Ausbildungsmarkt ein Lehrstellenmangel auftritt. Doch ist Jugendarbeitslosigkeit und die unausgeglichene Lage auf dem Lehrstellenmarkt seiner Auffassung nach keine Frage mangelnder Ausbildungsreife, sondern ein strukturell bedingtes Problem. Es ist widersprüchlich, dass Anforderungen an Bewerber angehoben werden, gleichzeitig erhalten weniger Qualifizierte aber kaum Chancen. Stattdessen wird der Begriff der „mangelnden Ausbildungsreife“ aufgerollt. Um den entgegenzuwirken, muss das Bildungssystem flexibler werden: Anstatt strikt nach Lehrplänen oder Curricula zu unterrichten, müssen an die heranwachsende Generation Kompetenzen vermittelt werden. Es ist notwendig, dass die berufliche und die schulische Ausbildung gleichwertig anerkannt werden.[1]
Dass der Fehler bei zukünftigen Auszubildenden gesucht wird, hält Nordhaus für einen Fehler. Begriffe wie „Null-Bock Mentalität“ oder „Auszubildende sind heutzutage dümmer und frecher“ werden von der Gesellschaft aufgerollt, ohne jemals hinterfragt worden zu sein. Doch auch wenn Vorwürfe völlig haltlos sind, so ist es ein Phänomen unserer Gesellschaft, dass sie, bei entsprechender Propagierung, die Falschheit nicht anzweifeln und sich auf diese Aussage verlassen. Als Beispiel führt Nordhaus das Phänomen des „Schweinezyklus“ auf. In den 80er Jahren wurde der Jugend eine „Technikfeindschaft“ vorgeworfen, da man Technologien wie Kernkraftwerken skeptisch gegenüber stand. Dies geschah zu einer Zeit, in der Betriebe und Industrie nach Ingenieuren suchten. Die Tatsache, dass Kraftfahrzeuge oder HiFi-Geräte bei der Jugend allerdings durchaus beliebt waren, wurde bei der Argumentation außer Acht gelassen. Stattdessen wurden sämtliche Probleme des Arbeitmarktes auf die „Technikfeindschaft der Jugendlichen“ zurückgeführt. Bei näherer Analyse der Tatsachen stellte sich allerdings heraus, dass ein paar Jahre vor dem Mangel an Ingenieuren davor gewarnt worden war, einen Ingenieurstudiengang anzutreten, da man einen Ingenieurüberschuss befürchtete. Dadurch distanzierten sich viele Jugendliche von einem Studium und wählten einen anderen Ausbildungsweg. Umso weniger überraschend ist es, wenn einige Jahre später dann ein Mangel an Ingenieuren beklagt wird, da die Wirtschaft selbst von einem Studium abriet. Das Beispiel wird definiert als „Schweinezyklus“, da sich der Verlauf der oben geschilderten Tatsachen dem Mechanismus der Schweinezucht ähneln: Wenn Marktpreise für Schweine steigen, wenden sich Bauern der Schweinezucht zu. Befinden sich dadurch immer mehr Schweine auf dem Markt, wird der Preis gedrückt, da ein Überschuss herrscht. Weil die Schweinezucht unter diesen Umständen aber nicht genügend rentabel ist, reduzieren die Bauern wieder ihren Schweinebestand. Kurze Zeit später mangelt es dem Markt wieder an Schweinen. Dadurch steigen die Preise wieder an, also legt der Bauer wieder einen Schwerpunkt auf die Schweinezucht. Dieses Phänomen wird als „Schweinezyklus“ bezeichnet und von Nordhaus auf oben genanntes Beispiel bezüglich der Ingenieursstudierenden übertragen.[2]
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[1] Nordhaus, Hans-Ulrich (1998), Mangelnde Ausbildungsreife der Jugend?, in: Dostal, Werner/Parmentier, Klaus/Schober, Karen (Hg.), Mangelnde Schulleistungen oder überzogene Anforderungen? Zur Problematik unbesetzter/unbesetzbarer Ausbildungsplätze, Dokumentation eines Workshops in der Bundesanstalt für Arbeit am 16. Oktober 1997 in Nürnberg, BeitrAB 216, Nürnberg, S. 38-39
[2] Nordhaus, Hans-Ulrich (1998), Mangelnde Ausbildungsreife der Jugend?, in: Dostal, Werner/Parmentier, Klaus/Schober, Karen (Hg.), Mangelnde Schulleistungen oder überzogene Anforderungen? Zur Problematik unbesetzter/unbesetzbarer Ausbildungsplätze, Dokumentation eines Workshops in der Bundesanstalt für Arbeit am 16. Oktober 1997 in Nürnberg, BeitrAB 216, Nürnberg, S. 40-41
- Arbeit zitieren
- Sebastian Filipowski (Autor:in), 2003, Unbesetzte Lehrstellen: Mangelnde Schulleistungen und Ausbildungsreife der Bewerber?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30833
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