Die Arbeit berücksichtigt alle bisherigen Übersetzungen des Liedes und entwickelt sie weiter. Auszug aus der Bewertung des Dozenten: "Die Arbeit bietet eine sehr gute Übersetzung und einen ausführlichen sprachlichen Kommentar. Die Erläuterungen geben v.a. Auskunft über den Wert des Liedes als Quelle für die Praxis der Kindererziehung im Mittelalter." Übersetzung und sprachl. Komm. sind sehr gut, die Interpretation kann noch fortgeführt werden.
Inhalt
1. Originaltext nach Karl Kurt Klein
2. Übersetzung
3. Kommentar zur Übersetzung
4. Erläuterungen
5. Literaturverzeichnis
1. Originaltext nach Karl Kurt Klein
I
Kain ellend tet mir nie ſo and
von klainer ſach in fremdem land,
neur wenn ich fand die herberg voller kinder.
Ir ſchreien hat mich dick bedort,
das ich offt ſelber nicht gehort 5
mein aigen wort, und ſunder gen dem winder,
So ich den langen tag erfros,
müdlichen rait, gen aubent zwar des klain genoſs.
ain ſtuben groſs, die ward mir offt zu enge.
In mancher wiegen dick ergal 10
ain kindlin klain, das es mir durch die oren gal;
die nachtigal mich freuet bas die lenge.
II
Ir rumplen groſs mit hurlahai,
dafür lob ich den grünen mai,
und ſunder zwai, freuntlich dorin geſellet. 15
Noch iſt ſein vil, das mir gewirt
von ainem kindlin, ſo es kiert,
und mich veriert mein ſingen, und erſchellet
Durch manche falſche diſonanz,
falſeten groſs, dabei kain freuntlich concordanz; 20
der reſonanz hat mich ſo dick verdroſſen.
Zu ſwaigen iſt offt ains ſo tratz
mit widerwärtikait recht als ain böſe katz;
von meiner tatz hand ſi des klain genoſſen.
III
Zu Preſpurg dort in Ungern zwar 25
ain kind mir macht vil grawe har
von dritthalb jar, und lieſs mich ſelden ſlauffen
Die langen nacht bis an den tag,
und ander vich, des ich da pflag,
neur ſu ich jag, dick aines tet ich ſträffen. 30
Das kind ſchrai offt: »wie ſer mich dürſt!«
man bracht im met und wein, als ob es wër ain fürſt,
fiſch, hüner, würſt, neur wes ſein herz begeret.
Dannocht gewan es ſelden raſt.
vil manchen zwick hab ich im zu der heut getaſt, 35
haimlichen vaſt, das es ſein ſtimm verkeret.
IV
Mich wundert ſer an ainen man,
das er ſein kind nicht ziehen kan
und lat es gan ſo gar an alle rütte.
Der dunck[t] mich ſicherlich nicht weis 40
und möchte wol ſchlipfen auf dem eis
mit klainem breis an ſeinem aigen blütte.
Güt mütter, hand ir nie geleſen
vor langer zeit: »ie lieber kind, ie gröſſer beſen?«
das ewig weſen mügt ir an in verhönen, 45
Das ir in hengt den willen nach,
da von offt ains die leng gewinnt vil ungemach;
dorumb groſs rach volgt eu mit böſen lönen.
2. Übersetzung
I
Kein Elend brachte mich jemals so in Not
wegen kleiner Sache in fremdem Land,
außer wenn ich die Herberge voller Kinder fand.
Ihr Schreien hat mich oft betäubt,
dass ich oft selbst
mein eigenes Wort nicht gehört habe, und insbesondere im Winter,
wenn ich den langen Tag fror,
erschöpft geritten bin, gegen Abend hatte ich daran kleine Freude.
Eine große Stube, die wurde mir oft zu eng.
In mancher Wiege kreischte oft
ein kleines Kind, sodass es mir durch die Ohren tönte;
die Nachtigall erfreut mich auf die Länge mehr.
II
Ihr starkes Lärmen mit Hurlahei,
dafür lob ich den grünen Mai,
besonders, wenn zwei sich darin lieblich vereinen.
Es gibt dessen noch viel, das mich verwirrt
an einem Kindlein, wenn es kirrt,
und mir mein Singen stört, und aufschreckt
durch manche falsche Dissonanz,
viele Falsetten, dabei keine angenehme Konkordanz;
der Klang hat mich so oft verdrossen.
Zum Schweigen ist oft eins so trotzig
mit der Widerwärtigkeit gerade wie eine böse Katze;
durch meine Hand haben sie daran wenig Freude gehabt.
[...]
- Citation du texte
- Jens Junek (Auteur), 2004, Kommentierte Übersetzung und Erläuterungen zu dem Lied Oswalds von Wolkenstein „Kain ellend tet mir nie so and“ (Kl.30), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30820
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