Der zugrunde liegende Text dieses Essays „Die Anormalen“ von dem französischen Diskurstheoretiker Michel Foucault wird hier zur Beantwortung der folgenden Fragestellung herangezogen: „Muss ich als Sozialpädagoge Kinder so erziehen, dass sie nicht zu Monstern werden?“
Der vorliegende Textauszug aus dem philosophischen Werk „Die Anormalen“ von Michel Foucault behandelt die Abweichung eines Subjekts von der Normalität. Diese Menschen bezeichnet Foucault als Monster.
Das Essay analysiert kurz Foucaults Text und geht dann dazu über, dieses Wissen auf die Hauptfragestellung und den Alltag eines Sozialpädagogen zu beziehen. In einer Kindertageseinrichtung lassen sich einige Kinder finden, die sich abweichend, also nicht der Norm entsprechend, verhalten. Es ist laut Autor die Aufgabe des Sozialpädagogen, diesem entgegenzuwirken.
Muss ich als Sozialpädagoge Kinder so erziehen, dass sie nicht zu Monstern werden?
Einleitung - Erläuterung des Sachverhalts
Der zugrunde liegende Text dieses Essay „Die Anormalen“1 von dem französischen Diskurstheoretiker Michel Foucault soll zur Beantwortung der folgenden Fragestellung herangezogen werden:
„Muss ich als Sozialpädagoge Kinder so erziehen, dass sie nicht zu Monstern wer-den?“
Ein Sozialpädagoge verfolgt im Elementarbereich den Auftrag Kinder zu selbstständigen verantwortungsfähigen Persönlichkeiten zu erziehen. Diese Aufgabe besitzt eine außerordentlich wichtige Eigenschaft, nämlich die Vorbildfunktion. Dies setzt voraus, dass ein Sozialpädagoge sich über seine Handlungen, wie auch über sein Verhalten während der Arbeitszeit stehst bewusst sein muss. Verhalten und Sprache haben enorme Auswirkungen auf das zukünftige Verhalten der Kinder.
Das Lernen durch Vorbilder gehört zu einer der zentralsten Entwicklungsschritte eines Kindes. Ein eventuelles Fehlverhalten der Eltern oder der pädagogischen Fachkräfte lässt sich durch das Nachahmen dieser Aktivitäten in der Interaktion der Kinder wiederfinden. Bereits hier können schädliche Verhaltensweisen von einem Sozialpädagogen erkannt und frühzeitig verändert werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Elementarpädagogik stellt die Integration von Kindern in unsere Gesellschaft dar, welche sich durch auffälliges Verhalten oder biologische De- formationen von den anderen Kindern unterscheiden. Kindern entwickeln zunächst nur Vorurteile gegenüber anderen Kindern, da sie die Meinung ihrer Erziehungsberechtigen und Personen ihres engeren Umfeldes weitestgehend übernehmen. Dieser Tatsache gilt es entgegenzuwirken, damit Kinder die Möglichkeit geboten wird in einem möglichst vorur- teilsfreien Umfeld aufzuwachsen und dadurch eine eigene Sichtweise entwickeln. Durch bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen kann vielen Kinder mit einer Behinderung oder abweichendem Verhalten bereits im Kindergarten die Teilhabe an einer Entwicklung mit gleichaltrigen Kindern durch verschiede Faktoren verhindert werden.
Als Pädagoge in einer Kindertageseinrichtung gehört es zu den alltäglichen Aufgaben, sich seinem Verhalten wie auch seinen Handlungen stetig bewusst zu sein und diese zu hinter- fragen und zu reflektieren. Außerdem sollte man Kinder mit einem abweichenden Verhal- ten oder einer Behinderung in ihrem Alltag unterstützend zur Seite stehen und sie in die Gemeinschaft integrieren. Des Weiteren gilt es problematische Verhaltensweisen zu regist- rieren und Handlungsstrategien zu entwickeln, um diese langfristig zu verändern.
Im Folgenden soll nun die gewählte Fragestellung anhand des zu Grunde liegenden Textes von Foucault bearbeitet werden.
„ Die Anormalen“
Der vorliegende Textauszug aus dem philosophischen Werk „Die Anormalen“ von Michel Foucault behandelt die Abweichung eines Subjekts von der Normalität. Diese bezeichnet Foucault als Monster und unterteilt diese in drei verschiedene Arten mit differenzierten Ausprägungen.
Zunächst definiert Foucault was allgemein unter dem Begriff Monster zu verstehen. Für ihn ist der Terminus Monster ein Rechtsbegriff, denn das Monster wird dadurch beschrie- ben, das es durch seine Existenz gegen das Gesetz des 19. Jahrhunderts auf zwei verschie- dene Arten verstößt. Zum einen verletzt es das Gesetz der Natur, da sein Wesen nicht dem natürlichen Ergebnis eines Individuums entspricht, zum anderen bricht das Monster das Gesetz der Gesellschaft, indem es ein Gesetzesbruch an sich definiert und es im Gesetz nicht existiert und dadurch auch keine Antwort des Gesetzes auf seinen Verstoß erhalten kann (Vgl. Foucault 1975, S. 3).
Des Weiteren untersucht Foucault das Monster im Detail und kategorisiert verschiedene Arten von Monster bzw. was alles ein Monster sein kann. Zunächst unterteilt er das Mons- ter im juristischen Sinne in zwei Kategorien: Zum Einen in die Kategorie der Deformierten oder auch Missgestalten und Gebrechlichen, zum Anderen in die Kategorie des Monsters als Mischwesen. Das Mischwesen kann aus zwei Bereichen zusammengesetzt sein, also aus Mensch und Tier. Dann kann ein Mischwesen das Resultat aus zwei verschiedenen Arten sein, beispielweise ein Maultier. Dieses besteht aus zwei verschiedenen Rassen. Des Weiteren kann es aus zwei Geschlechtern gleichzeitig bestehen, beispielweise ein Zwitter. Zusätzlich kann es ein Mischwesen aus den Komponenten Leben und Tod ergeben. Foucault beschreibt dies anhand des Beispiels eines Fötus, der nur einige Tage überlebens- fähig ist nach seiner Geburt. Dann kann ein Monster aus zwei verschiedenen Formen be- stehen, beispielsweise ein Mensch ohne Gliedmaßen oder aus zwei Individuen bestehen, sowie Siamesische Zwillinge. Alles diese Arten überschritten die Grenze des natürlichen und sind nach Foucault Monster.
„Der Verstoßgegen das Naturgesetz genügt nicht (...) um Monstrosität zu konstruieren“
(Foucault 1975, S.5) beschreibt Foucault, da immer ein Verstoß gegen mindestens zwei Gesetze vorliegen muss um als Monster zu gelten. Ein Monster verstößt also immer gegen das Naturgesetz aufgrund seiner offensichtlichen Andersartigkeit, ebenso wie durch den Verstoß gegen das Gesetz der Gesellschaft, welches Normen und Werte festlegt. Ebenso kann es ein Verstoß gegen das religiöse Gesetz sein, also moralischer Wertevorstellungen. Wenn das Naturgesetz also nicht eingehalten wird und sich daher auf bürgerliche oder religiöse Gesetze auswirkt oder diese anzweifelt, entsteht das Monster durch den Geset- zesbruch in mehr als einem Bereich. Die Kategorie der Deformierten ist allerdings im Ge- setz festgehalten und verstößt daher nur gegen das Naturgesetz, jedoch nicht gegen das der Gesellschaft (Vgl. Foucault 1975, S. 5).
Im letzten Abschnitt des vorliegenden Textauszuges diskutiert Foucault den Zusammen- hang zwischen der natürlichen Art des Monsters und der Art des kriminellen Monsters, wobei wieder eine neue Kategorie der Monstrosität hinzugefügt wird, nämlich die der Kriminalität. Aufgrund dessen könnte jeder Kriminelle ein Monster sein, ebenso wie ein Monster die Chance besitzt kriminell zu sein. Definiert man einen Kriminellen als Mons- ter, spricht Foucault vom sogenannten Sittenmonster. Auch das Sittenmonster lässt sich in zwei unterschiedliche Kategorien aufteilen. Zunächst ist derjenige kriminell, der den Ge- sellschaftsvertrag bricht, indem das Wesen sein persönliches Interesse über alles andere stellt. Das erste Sittenmonster ist ein Krimineller und zeichnet sich dadurch aus, dass er wie schon erwähnt den Gesellschaftsvertrag bricht, sein Interesse über das der gesellschaft- lichen Vorrichtungen und des Gesetzes stellt, nach Bedarf und Lust. Dadurch ergibt sich die Tatsache, dass ein Krimineller während des Verstoßes gegen die gesellschaftlichen Normen zum Despot wird. Dieser Prozess geschieht zufällig und ist zeitlich begrenzt. Die zweite Kategorie des Sittenmonsters stellt den wirklichen Despot dar. Dieser übertraget durch seine permanente Gewaltausübung seinen eigenen Willen und sein Interesse auf das gesellschaftliche Konstrukt. Beispielweise ein tyrannischer König wäre ein solches Sit- tenmonster. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er permanent kriminell ist, keinerlei soziale Bindungen pflegt, alleinstehend herrscht und von seiner Geburt an durch die vererbte Machtausübung gegen den Gesellschaftsvertrag verstößt, bis zu seinem Tod. Seine Exis- tenz begründet bereits das maximalste Verbrechen. Ein tyrannischer König kann also das Vorbild eines Monsters darstellen und seine Nachfahren dazu ermutigen, seinen Führungs- stil zu übernehmen. Lehnt sich nun die Gesellschaft gegen einen tyrannischen König auf, wird sie zum Völkermonster und bricht den Gesellschaftsvertrag von unten, während ein tyrannischer König ihn von oben herab bricht (Vgl. Foucault 1975, S. 6f.).
Verbindung zur Praxis
Um die Fragestellung zu beantworten, ist der zu Grunde liegende Textabschnitt von Foucault näher zu betrachten. Um die Textinhalte mit der gewählten Fragestellung zu ver- binden wird die letzte Kategorie der Monster, die der sogenannten Sittenmonster relevant. Der Textabschnitt beschreibt unter anderem, dass Subjekte mit abweichendem und nor- menverletzendem Verhalten unter die Kategorie der Monster fallen und somit sich selbst von dem Konstrukt der Gesellschaft ausschließen. Überträgt man diesen Inhalt nun auf die Fragestellung, lassen sich in einer Kindertageseinrichtung einige Kinder finden, die sich abweichend, also nicht der Norm entsprechend, verhalten. Diese Verhaltensweisen resul- tieren entweder durch das Nachahmen der vorhandenen Vorbilder ihres engeren Umfeldes oder durch psychische Störungen, die häufig ein Ergebnis von Gewalt oder einem nicht angemessenen Erziehungsstil sind. Lassen sich also abweichende Verhaltensweisen bei Kindern beobachten, die sie zu potenziellen Monstern befähigen und sie von einer Teilha- be an unserer Gesellschaft ausschließen könnte, gehört es zum Erziehungsauftrag eines Sozialpädagogen an dieser Stelle einzugreifen. Eine Maßnahme der Intervention wäre Kinder mit einem abweichenden Verhalten in die Gemeinschaft zu integrieren, ebenso wie Handlungsmaßnahmen zu unternehmen dem Kind in seiner Entwicklung die notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Beispielweise eine Therapie wäre eine angemessene Maßnahme zur Unterstützung bei einer Verhaltensauffälligkeit wie Aggressivität.
Das von Foucault beschriebene Sittenmonster in Form eines Tyrannen kann auch schon in einer Kindertageseinrichtung wiedergefunden werden. So ist es möglich, dass sie durch ein falsches Vorbildverhalten Handlungsweisen ihrer Eltern übernehmen, die der Norm nicht entsprechen oder Stigmatisierungen hervorrufen. Durch falsche Vorbilder und eine unan- gemessene Wertevermittlung können Kinder zu potenziellen Sittenmonstern erzogen wer- den. In diesem Fall ist es notwendig als Sozialarbeiter so ein Verhalten zu analysieren und intensiv mit den Eltern zu arbeiten, wenn die Möglichkeit besteht. Ein Beispiel hierfür wä- re, wenn Eltern einem Kind eine rassistische Wertevorstellung vermitteln und diese be- ginnt in einer Kindertageseinrichtung Kinder mit einem Migrationshintergrund zu hänseln oder aktiv auszuschließen. In diesem Fall ist nicht nur die Elternarbeit von großer Bedeu- tung, sondern auch, dass dieses Thema in der Gemeinschaft der Kinder zur Sprache kommt und gemeinsam eine Lösungsstrategie entwickelt wird. Ein weiterer Punkt stellt die The- matik des Missbrauchs dar. Kinder die in ihrem Elternhaus Gewalt oder Missbrauch erfah- ren, können dazu neigen, vom ehemaligen Opfer zum Täter zu werden. Auch in diesem Fall ist es die Aufgabe des Sozialpädagogen dem Schutzauftrag des § 8a im SGBVIII nachzugehen und eine potenzielle Kindeswohlgefährdung zu melden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Foucault mit seinem Textauszug über „Die Ab- normalen“ menschliche Lebewesen, die nicht der Norm der Gesellschaft entsprechen, als Monster bezeichnet. Laut Foucault verstoßen Monster gegen das Gesetz der Natur, sowie auch gegen das Gesetz der Gesellschaft, mit Ausnahme der Gebrechlichen. Diese Tatsache verweigert ihnen die Teilhabe an der Gesellschaft. Die gewählte Fragestellung lässt sich schon allein durch die gesetzliche Grundlage des pädagogischen Auftrages mit einem ja beantworten. Kinder sehen in Pädagogen, wie auch ihren Erziehungsberechtigten immer Vorbilder, die sie größtenteils Nachahmen, deren Wertevorstellungen und Ansichten über- nehmen und sich massiv von ihnen beeinflussen lassen. Aus diesem Grund besteht die Notwenigkeit als Sozialpädagoge sich über seine Handlungen, das eigene Auftreten, wie auch dem eigenen Verhalten stetig bewusst zu sein. Eine weitere Aufgabe beschreibt die Notwenigkeit mögliche Verhaltensauffälligkeiten von Kindern nachzugehen, um sie zu unterstützen und vorzubeugen, dass sie zu potenziellen Sittenmonstern erzogen werden.
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1 Michel Foucault: Die Anormalen. Vorlesung am Collège de France 1974/1975. Auszugweise in: Aus Poli- tik und Zeitgeschichte: Monster. Hg.v. der Bundeszentrale für politische Bildung (Dezember 2013), S. 3-7.
- Citar trabajo
- Agnes Müller (Autor), 2012, Michel Foucaults "Die Anormalen" und die sozialpädagogische Pflicht, Kinder nicht zu Monstern zu erziehen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307876