Angeregt wurde die Beschäftigung mit dem Thema dieser Arbeit durch die Mitarbeiterinnen
der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt Freiburg. Sie unterstützten
mich bei der Entwicklung des Fragebogens und der Durchführung der Elternbefragung
sowohl mit Ihrer Kompetenz als auch mit finanziellen Mitteln und standen darüber hinaus
jeder Zeit für Fragen zur Verfügung. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich dafür bedanken!
In vorliegender Arbeit wird in den Theorieteilen für alle Genusbezeichnungen die männliche
Form gewählt, die weiblichen Personen sind dabei aber jeweils immer mitgemeint. Im
Praxisteil, der sich speziell auf die Arbeit der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt
Freiburg bezieht, wird die weibliche Bezeichnung gewählt, da in der betreffenden
Frühförderstelle nur Frauen beschäftigt sind.
In vielen der im Laufe der Arbeit zitierten Werken wurde die alte Rechtschreibung verwendet.
Auf Rechtschreibfehler in den Zitaten, die sich daraus ergeben, wird im Einzelfall
nicht gesondert hingewiesen.
Hervorhebungen in den Zitaten entsprechen, wenn nicht anders angegeben, denen im Original;
auch hierauf wird im Einzelfall nicht gesondert hingewiesen.
Im Verlauf der vorliegenden Arbeit taucht immer wieder der Begriff der „Frühförderin“/
des „Frühförderers“ auf. Offiziell existiert diese (Berufs-) Bezeichnung nicht und sie ist in
der Praxis auch umstritten, da die Identität der einzelnen Berufsgruppen in der Frühförderung
dadurch nicht gewahrt werden kann (persönliche Mitteilung einer Mitarbeiterin der
Frühförderung). Dass die Bezeichnung in der Literatur trotzdem immer öfter auftaucht,
führe ich darauf zurück, dass der Begriff einerseits das verbindende Zusammenarbeiten
unterschiedlicher Fachbereiche in der Frühförderung unterstreicht und andererseits eine
bequeme Kurzform für die lange Formulierung „Mitarbeiter/in der Frühförderung“ darstellt. [...] In vorliegender Arbeit soll nach einem ersten Teil, der auf die Stellung der Eltern in der
Frühförderung und ihre Bedürfnisse und Erwartungen eingeht, im zweiten Teil die aktuelle
Qualitätsdebatte im Sozialwesen dargestellt und ihr Nutzen für die Frühförderung diskutiert
werden. Ziel ist es, konkrete Anregungen zu geben, wie die Qualität in einer Frühfördereinrichtung
evaluiert werden kann und wie sich als notwendig erkannte Entwicklungsschritte
leicht realisieren lassen. [...]
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung: Begründung des Themas
2. Eltern in der Frühförderung
2.1 Überblick über Frühförderung in Deutschland
2.1.1 Entwicklung der Frühförderung in Deutschland
2.1.2 Aufgaben und Ziele von Frühförderung
2.1.3 Grundsätze der Frühförderung
2.2 Elternbeteiligung in der Frühförderung
2.2.1 Laienmodell
2.2.2 Ko-Therapeuten-Modell
2.2.3 Partnerschaftlichkeitsmodell/Kooperationsmodell
2.3 Inhalte und Ziele der Elternarbeit
2.4 Was Eltern von der Frühförderung erwarten
2.5 Zufriedenheit der Eltern mit Frühförderung
2.5.1 Zufriedenheit – ein Konstrukt
2.5.2 Warum die Zufriedenheit der Eltern wichtig ist
2.5.3 Ergebnisse von Befragungen
3. Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
3.1 Allgemeine Begriffsdefinition Qualität
3.2 Qualitätsdebatte in der sozialen Arbeit
3.2.1 Woher kommt die Diskussion um Qualität in der sozialen Arbeit?
3.2.2 Welche Effekte zeigt die Qualitätsdebatte?
3.2.3 Wurde nicht schon immer Wert auf Qualität gelegt?
3.2.4 Welche Entwicklungschancen bietet die aktuelle Qualitätsdebatte?
3.4 QM-Systeme und weitere Ansätze
3.4.1 Die Qualitätsnormenreihe DIN EN ISO 9000ff
3.4.2 TQM/EFQM
3.4.3 weitere Konzepte
3.4.4 Evaluation
3.4.5 Bedeutung der Konzepte für die Frühförderung
3.5 Ebenen von Qualität
2.5.1 Strukturqualität
3.5.2 Konzeptqualität
3.5.3 Prozessqualität
3.5.4 Ergebnisqualität
4. Elternbeteiligung am Prozess der Qualitätsentwicklung
4.1 Ausgangsüberlegungen
4.2 Ziel der Befragung
4.3 Die Arbeit der Beratungs- und Frühförderstelle der AWO Freiburg
4.4 Arbeit mit mehrfach belasteten Familien
4.5 Qualitätsentwicklung in der Beratungs- und Frühförderstelle der AWO Freiburg
4.6 Auswahl des Evaluationsinstruments
4.7 Entwicklung des Fragebogens
4.7.1 Exkurs empirische Sozialforschung
4.7.2 Aspekte, die der Fragebogen erfasst
4.7.3 Kritik am Fragebogen
4.8 Auswertung
4.8.1 Rücklauf
4.8.2 Ergebnisse
4.8.3 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
4.8.4 Wie werden die Ergebnisse den Eltern transparent gemacht?
5. Schluss
Anlagen
1. Elternfragebogen
1.1 Fragebogenversion „Frühförderung ist beendet“
1.2 Fragebogenversion „Frühförderung findet noch weiter statt“
2. Anschreiben an die Eltern
3. Auswertungsergebnisse
4. Fragebögen
4.1 Elternfragebogen der Interdisziplinären Frühförderstelle Stuttgart
4.2 Elternfragbogen der Heilpädagogischen Frühförderung Lebenshilfe Witten e.V.
4.3 Fragebogenentwurf Elternumfrage zur Versorgungssituation in der Frühförderung
4.4 Elternfragbogen der Überregionalen Arbeitsstelle Frühförderung Brandenburg
Literatur
Erklärung
Vorwort
Angeregt wurde die Beschäftigung mit dem Thema dieser Arbeit durch die Mitarbeiterinnen der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt Freiburg. Sie unterstützten mich bei der Entwicklung des Fragebogens und der Durchführung der Elternbefragung sowohl mit Ihrer Kompetenz als auch mit finanziellen Mitteln und standen darüber hinaus jeder Zeit für Fragen zur Verfügung. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich dafür bedanken!
In vorliegender Arbeit wird in den Theorieteilen für alle Genusbezeichnungen die männliche Form gewählt, die weiblichen Personen sind dabei aber jeweils immer mitgemeint. Im Praxisteil, der sich speziell auf die Arbeit der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt Freiburg bezieht, wird die weibliche Bezeichnung gewählt, da in der betreffenden Frühförderstelle nur Frauen beschäftigt sind.
In vielen der im Laufe der Arbeit zitierten Werken wurde die alte Rechtschreibung verwendet. Auf Rechtschreibfehler in den Zitaten, die sich daraus ergeben, wird im Einzelfall nicht gesondert hingewiesen.
Hervorhebungen in den Zitaten entsprechen, wenn nicht anders angegeben, denen im Original; auch hierauf wird im Einzelfall nicht gesondert hingewiesen.
Im Verlauf der vorliegenden Arbeit taucht immer wieder der Begriff der „Frühförderin“/ des „Frühförderers“ auf. Offiziell existiert diese (Berufs-) Bezeichnung nicht und sie ist in der Praxis auch umstritten, da die Identität der einzelnen Berufsgruppen in der Frühförderung dadurch nicht gewahrt werden kann (persönliche Mitteilung einer Mitarbeiterin der Frühförderung). Dass die Bezeichnung in der Literatur trotzdem immer öfter auftaucht, führe ich darauf zurück, dass der Begriff einerseits das verbindende Zusammenarbeiten unterschiedlicher Fachbereiche in der Frühförderung unterstreicht und andererseits eine bequeme Kurzform für die lange Formulierung „Mitarbeiter/in der Frühförderung“ darstellt.
1. Einleitung: Begründung des Themas
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Passage von Pirsig, die ich kürzlich las, war für mich eine wichtige Bestätigung darin, mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema Qualität zu beschäftigen. In meinem Praktikum in der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Freiburg bin ich einmal mehr Menschen begegnet, denen ganz deutlich sichtbar „etwas an den Dingen lag“, die mit „viel Liebe zur Sache“ dabei waren und die wert auf die Reflexion ihrer Arbeit gelegt haben, kurz: die in meinen Augen auf einem hohen Qualitätsniveau gearbeitet haben. Zudem bin ich im Verlauf meines Studiums immer wieder mit der Debatte um Qualitätssicherung im Sozialwesen in Berührung gekommen, mit der Frage, wie sich die Qualität der Arbeit in sozialen Berufsfeldern darstellen und objektiv nachweisen lässt und wer diese beurteilt. Als dann vonseiten des Teams der Frühförderstelle der Wunsch an mich heran getragen wurde, die Arbeit der Frühförderung in einer Evaluationsstudie aus Sicht der Eltern zu untersuchen, war ich dazu gerne bereit.
Als ich mich mit der einschlägigen Literatur zum Thema Qualitätssicherung im Sozialwesen beschäftigte, fiel mir bald auf, dass im Regelfall in einer Einrichtung kompetente Fachleute aus den Bereichen Qualitätsmanagement oder Organisationsentwicklung zu Rate gezogen werden, wenn es darum geht, ein Qualitätssicherungssystem zu entwickeln und zu implementieren. Da sie diejenigen sind, die über das nötige „Know-how“ verfügen, ist dies ohne Frage auch sehr sinnvoll. Wenn man aber schon den Schritt geht, Externe an Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen zu beteiligen, sollte man doch auch interne Ressourcen richtig ausschöpfen und vor allem die Kompetenzen aller involvierten Partner nutzen! Wichtigste Partner in der Frühförderung sind die Eltern der betreuten Kinder – dies ist zum Grundsatz der Elternarbeit in der Frühförderung geworden. Neben den Fachleuten und den Kindern selbst sollten sie diejenigen sein, die die Arbeit der Frühförderung beurteilen, da sie diejenigen sind, die im Alltag Veränderungen ihres Kindes als erstes spüren und über die kurze Spanne der Frühförderung hinaus Verantwortung für die Entwicklung ihres Kindes tragen. Die Frühförderstelle kann ein Kind nur über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum begleiten, langfristige „Beeinflussung“ kann also nur über die Eltern erfolgen. Dass ihnen auch aus diesem Grund eine entscheidende Stellung als Partner der Frühförderung zu kommt, die unter anderem dadurch gewürdigt und gefestigt werden sollte, dass sie ihre Bedürfnisse und Veränderungswünsche zu Gehör bringen können ist unumstritten. Angesichts dieser Voraussetzung wird aber meines Erachtens zu wenig diskutiert, wie Eltern im Rahmen von Qualitätssicherungsüberlegungen als Partner und nicht nur als einer von vielen Kunden kreisen einbezogen werden können. Soll es nicht nur bei der Prämisse Partnerschaftlichkeit bleiben, so müssen auch und vor allem sie an Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen beteiligt werden, vor allem dann, wenn Qualitätsentwicklung nicht vorrangig aus ökonomischen Gründen, sondern aus fachlicher Sicht und zugunsten der Betroffenen geschieht. Und sollte dies nicht das eigentliche Ziel sein, auch wenn notwendigen ökonomischen Entwicklungen und gesetzlichen Veränderungen (zusätzlich) Rechnung zu tragen ist?
Es ist also notwendig, Wege zu finden, wie Eltern konkret und mit geringem Aufwand aber unter Berücksichtigung ihrer Wertigkeit als Partner in Qualitätsentwicklungsprozesse einbezogen werden können!
In vorliegender Arbeit soll nach einem ersten Teil, der auf die Stellung der Eltern in der Frühförderung und ihre Bedürfnisse und Erwartungen eingeht, im zweiten Teil die aktuelle Qualitätsdebatte im Sozialwesen dargestellt und ihr Nutzen für die Frühförderung diskutiert werden. Ziel ist es, konkrete Anregungen zu geben, wie die Qualität in einer Frühfördereinrichtung evaluiert werden kann und wie sich als notwendig erkannte Entwicklungsschritte leicht realisieren lassen. Im dritten Teil werden die Ergebnisse einer Elternbefragung an der Beratungs- und Frühförderstelle der Arbeiterwohlfahrt Freiburg vorgestellt und gezeigt, wie diese in den Qualitätsentwicklungsprozess der Institution eingebunden werden können.
2. Eltern in der Frühförderung
2.1 Überblick über Frühförderung in Deutschland
2.1.1 Entwicklung der Frühförderung in Deutschland
Die frühe Förderung benachteiligter Kinder hat sich bei uns in Deutschland erst relativ spät entwickelt. Erste Gedanken über und Forderungen nach einer frühen Förderung gab es zwar schon beispielsweise von Maria Montessori (1870-1956), die weitere Verbreitung und Umsetzung dieser Ideen erfolgte aber erst in den 60-er Jahren (vgl. Korsten/Wansing 2000).
„Im Jahre 1964 verabschiedete der amerikanische Kongress das „Head-Start“ Vorschulprogramm für sozial benachteiligte Kinder, zwei Jahre später, 1966, formulierte der Europarat „Empfehlungen“ für eine Frühförderung behinderter Kinder, 1971 wurde in der Bundesrepublik Deutschland die gesundheitspolitische Grundlage der Früherkennung durch Einführung gesetzlicher Vorsorgeuntersuchungen geschaffen, und schließlich legte der deutsche Bildungsrat 1973 seine „Empfehlungen zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher“ vor. Darin wurde der Frühförderung eine grundlegende Bedeutung beigemessen“ (Korsten/Wansing 2000, 13).
Die ersten Frühförderstellen in Deutschland entstanden in den späten 60-er Jahren, in den 70-ern kamen dann die Sozialpädiatrischen Zentren dazu, inzwischen gibt es deutschlandweit ein nahezu flächendeckendes Netz an Frühförderstellen (vgl. Korsten/Wansing 2000).
2.1.2 Aufgaben und Ziele von Frühförderung
Die Frühförderung ist ein Hilfeangebot, das sich an behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder richtet. Es kann von Zeitpunkt der Geburt an bis zum Schuleintritt bzw. bis zum Übergang in eine andere, dem Kind angemessene Förderung in Anspruch genommen werden (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 2002, 5).
„Frühförderung strebt an, Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen möglichst früh zu erkennen, das Auftreten von Behinderungen zu verhüten, Behinderungen und ihre Folgen zu mildern oder zu beheben. Dadurch sollen dem Kind bestmögliche Chancen für die Entfaltung seiner Persönlichkeit, für die Entwicklung zu selbstbestimmtem Leben und zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe geboten werden“ (ebd.).
Frühförderung wendet sich dabei immer auch an die Familie und das weitere Umfeld und bietet Stützung und Stabilisierung, Beratung und Anleitung.
Frühförderung beinhaltet die Bereiche Früherkennung, Frühbehandlung, Früherziehung und Beratung (vgl. ebd.) und kann damit insgesamt als ein Sammelbegriff für alle Maßnahmen und Angebote in den Bereichen Diagnostik, Therapie, Beratung und pädagogische Förderung verstanden werden.
Frühe Hilfen verstehen sich als ein offenes Angebot, für das sich die Eltern selbst entscheiden (vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 28).
2.1.3 Grundsätze der Frühförderung
Frühförderung soll den Grundsätzen der Ganzheitlichkeit, Familienorientierung, Interdisziplinarität, Regionalisierung und Koordinierung aller Maßnahmen entsprechen.
Ganzheitlichkeit
„Leitlinie der Frühförderung soll ein ganzheitliches Konzept sein, das sich am Kind als Gesamtpersönlichkeit in seiner sozialen Umwelt orientiert. Frühförderung versteht sich dabei als Entwicklungsförderung, die alle Aspekte der kindlichen Entwicklung berücksichtigt (psychomotorische, kognitive, soziale, kommunikative und emotionale). Sie baut auf dem auf, was das einzelne Kind kann und hilft ihm, seine eigenen Kompetenzen und sein Selbstvertrauen zu entwickeln und zu erweitern. Behinderungsspezifische Hilfen zum Aufbau bestimmter Funktionen oder Fertigkeiten sind in dieses ganzheitliche Förderungskonzept zu integrieren“ (Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 28).
Familienorientierung
Angesichts der umfangreichen und schwierigen Aufgaben und Anforderungen, die an Familien mit einem behinderten Kind gestellt werden, muss die Zusammenarbeit mit den Eltern und deren Beratung ein integraler Bestandteil jeder Frühförderung sein. Mit dem Prinzip der Familienorientierung in der Frühförderung wird die Notwendigkeit betont, bei allen Maßnahmen die gesamte Familie mit ihren Problemen und Stärken im Blick zu haben und die Eltern im Zusammenleben mit ihrem behinderten oder von Behinderung bedrohten Kind zu unterstützen, zu begleiten und wenn nötig zu entlasten. Im Rahmen einer die Förderung begleitenden Elternarbeit nehmen die Eltern eine eigene und gleichberechtigte Rolle neben den Fachleuten in der Frühförderung ein. Sie entscheiden im Rahmen ihres Sorgerechts grundsätzlich eigenverantwortlich über alle Hilfen, die das Kind betreffen.
Aus dem Prinzip der Familienorientierung leitet sich zudem das Angebot einer aufsuchenden, mobilen Frühförderung ab: Neben ambulanten Maßnahmen sollte es auch möglich sein, das Kind in seiner Alltagssituation in der Familie oder im allgemeinen Kindergarten zu erreichen. Familienorientierung setzt außerdem eine leichte Zugänglichkeit der Frühförderstellen voraus; dies berührt vor allem das wohnortnahe Angebot und die räumliche Unterbringung der Einrichtung (vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 28/29).
Interdisziplinarität
„Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder ist eine Aufgabe, die nur in fachübergreifender Arbeit angemessen erfüllt werden kann. Die verschiedenen Bedürfnisse und Ansprüche des in seiner Entwicklung gefährdeten Kindes und seiner Familie sowie die begrenzten Möglichkeiten einer einzelnen Fachdisziplin, allen diesen Anforderungen in ganzheitlicher Weise gerecht werden zu können, erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem medizinischen, pädagogischen, psychologischen und sozialen Bereich. (...) Unter dem Grundsatz der Interdisziplinarität ist nicht die additive Zusammenführung verschiedener Fachdisziplinen zu verstehen, sondern die gegenseitige Abstimmung und Integration der Betrachtungsweisen der Einzeldisziplinen zu einem fachübergreifenden Förderkonzept“ (Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 29/30).
Regionalität
Voraussetzung dafür, dass ein förderungsbedürftiges Kind überall und regelmäßig erreicht werden kann, ist ein flächendeckendes System von Frühfördereinrichtungen mit einem regional begrenzten Einzugsgebiet. Die Konzentration von Maßnahmen zur Frühförderung auf wenige zentrale Einrichtungen hätte zur Folge, dass viele Betroffene von den Angeboten ausgeschlossen wären bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand daran teilnehmen könnten (vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 30).
Kooperation und Koordination aller Hilfen
In der Frühförderung ist die wechselseitige Abstimmung der einzelnen Fördermaßnahmen entscheidend, die Zusammenarbeit und gegenseitige Ergänzung aller an der Förderung des Kindes beteiligten Fachleute und Einrichtungen ist unverzichtbar.
Frühförderstellen erbringen deshalb ihre Leistungen in enger fachlicher Kooperation mit:
- niedergelassenen Ärzten und Therapeuten,
- anderen lokalen Einrichtungen und Diensten des kinder- und jugendpsychiatrischen, psychologischen, sozialen und pädagogischen Bereichs,
- zentralen spezialisierten Einrichtungen (Sozialpädiatrischen Zentren, spezialisierte überregionale Frühförderstellen z.B. für sinnesgeschädigte Kinder usw.),
- Behörden (Sozialamt, Jugendamt, Gesundheitsamt), Krankenkasse,
- und anderen, an der Erziehung und Förderung des Kindes beteiligten Einrichtungen (z.B. Kindergarten).
Dieses Zusammenwirken verschiedenartiger Maßnahmen zu einer ganzheitlichen Förderung soll in einem umfassenden Behandlungs- und Förderplan gesichert werden und ist gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit, und Sozialordnung Baden-Württemberg 1993, 30/31).
2.2 Elternbeteiligung in der Frühförderung
Die Familie ist das primäre Entwicklungs- und Interaktionsfeld des Kindes; Interventionen der Frühförderung können deshalb nur dann wirksam sein, wenn sie für die Familie in ihr eigenes System integrierbar sind. Die Beteiligung der Eltern an der Frühförderung und ihre Beratung hat so seit den Anfängen der Frühförderung Tradition, ihre Berechtigung an sich ist von Anfang an unstrittig gewesen. Deutlich verändert haben sich jedoch im Laufe der Zeit die Formen, wie Eltern in die Frühförderarbeit einbezogen werden.
2.2.1 Laienmodell
Lange wurde das sogenannte Laienmodell in der Frühförderung bevorzugt und praktiziert. Dieses Modell betont die Fachautorität der Pädagogen und Therapeuten, deren Kompetenzen sich klar von denen der Eltern unterscheiden. Die Eltern werden als therapeutische und erzieherische Laien betrachtet, die von den Fachleuten Informationen und auch Ratschläge erhalten, deren Umsetzung erwartet wird. Durchführung und Gestaltung der Förderung und Therapie bleibt vollkommen in den Händen der dafür ausgebildeten Fachkräfte (vgl. Tietze-Fritz 1993, 13). Eltern waren so den Experten gewissermaßen ausgeliefert und beklagten in der Folge auch eine professionelle „Alleswisserei“ und Ignoranz gegenüber elterlicher Kompetenz und anderweitigen Hilfen, sowie eine Tendenz, Eltern zu Patienten zu machen (vgl. Speck/Warnke 1989, 14).
2.2.2 Ko-Therapeuten-Modell
Mit der Zeit wurde deutlich, dass es für eine optimale Unterstützung der Entwicklung eines Kindes nicht ausreicht, wenn es nur stundenweise unter Anwendung einer ausgewählten Methode von Fachleuten behandelt wird. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass Eltern dazu angeleitet wurden, zu Hause konsequent und immer wieder das zu üben, was die betreuende Frühförderperson als wichtig erachtete. Das Förderkonzept der Frühförderstunden wurde um „Hausaufgaben“ erweitert, die bestimmte Lernziele enthielten und immer wieder überprüft und ergänzt wurden. (vgl. Tietze-Fritz 1993, 13/14) Anders als im Laienmodell erhielten hier die Eltern eine aktive Rolle im Förderprozess, fungierten gewissermaßen als „der verlängerte Arm des Therapeuten“ (Speck/Warnke 1989, 14). Damit wurde ihnen eine wichtige Funktion im Förderprozess zuerkannt – gleichzeitig war ihre „Wertigkeit“ aber auch mit dieser Funktion festgelegt. Folglich bestand die Elternarbeit vor allem darin, die Eltern dazu zu befähigen, ihre „Rolle“ als Ko-Therapeuten möglichst gut auszufüllen (vgl. Weiß 1989, 20).
Für die Eltern war diese Rollenübernahme häufig mit enormem psychischen Druck verbunden, der aus der Belastung entsprang, nicht mehr nur Eltern sein zu dürfen, sondern Verantwortung für das Gelingen des Förderprozesses zu haben. Weiß bezeichnet dies als „Pädagogisierung“ bzw. „Therapeutisierung“ der Elternrolle und warnt vor der Gefahr, „daß das interaktionale und kommunikative Handeln der Eltern (Mutter) mit ihrem Kind durch therapeutische bzw. pädagogische Zielsetzungen und Interventionsmöglichkeiten (...) bestimmt wird“ (1989, 76), was letztlich „die Eltern-Kind-Interaktion belastet und verändert [weil] sich das elterliche Wahrnehmen, Erleben und Handeln auf den vorliegenden kindlichen „Defekt“ konzentriert (...) was beim Kind zu einem Abwehrverhalten führen kann, da es die elterlichen Veränderungs-Erwartungen als Last empfindet und sich in seinem So-Sein letztlich nicht genügend anerkannt fühlt.“ (ebd.).
Pretis sieht neben den pädagogischen auch wichtige ökonomische Gründe für die lange währende Bevorzugung dieses Modells: „Das Interesse an der Mitarbeit der Eltern konnte auch als Kostenersparnisfaktor gesehen werden“ (1998, 11/12).
2.2.3 Partnerschaftlichkeitsmodell/Kooperationsmodell
Infolge der massiven Kritik am Ko-Therapeutenmodell vor allen vonseiten der Eltern entwickelte sich mit der Zeit ein Modell, das durch einen „interaktionalen, wechselwirkenden Annäherungsprozess von beiden Seiten“ (Speck/Warnke 1989, 16) gekennzeichnet ist, das Kooperations- oder Partnerschaftlichkeitsmodell. Dominante Fachautorität auf der einen und Lernabhängigkeit auf der anderen Seite sollten mehr und mehr abgelöst werden durch die gegenseitige Bereitschaft, die Kompetenz des anderen anzuerkennen, einander zuzuhören, sich aufeinander einzustellen und bei der Entwicklung eines Förderkonzeptes für das Kind zusammen zu arbeiten (vgl. Speck/Warnke 1989, 16/17).
Laut Pretis spielt möglicherweise auch „die Entwicklung einer gewissen Bescheidenheit in bezug auf die Wirksamkeit der eigenen Arbeit und die Machbarkeit von Entwicklung“ bei der Veränderung eine Rolle (Pretis 1998, 12).
Er bemängelt in diesem Zusammenhang jedoch auch, dass die verwendeten Begriffe zu wenig konkrete Handlungsanweisungen böten, das Konzept der Partnerschaftlichkeit noch zu schwammig sei (vgl. ebd.) und fordert eine Weiterentwicklung des Partnerschaftlichkeitsmodells vom Haltungs- zum Handlungsmodell.
Was also bedeutet Partnerschaftlichkeit konkret?
Für eine gelingende Zusammenarbeit ist es notwendig, dass sowohl Fachleute als auch Eltern zu Beginn der Förderung und immer wieder in deren Verlauf Gelegenheit bekommen, ihre Erwartungen an Rahmenbedingungen und Förderprozess zum Ausdruck zu bringen und diese zu verhandeln. Eltern neigen (aus Überforderung) manchmal dazu, die Verantwortung für die Frühförderung ganz dem Fachpersonal zu überlassen und gerade dann ist es besonders wichtig, dass die Mitarbeiter ihre Minimalanforderung v.a. was die Kooperation der Eltern betrifft deutlich artikulieren. Einen geeigneten Rahmen für diese Aushandlungsphase stellt das Erstgespräch dar. Entscheidende Übereinkünfte die hier und auch im weiteren Prozess getroffen werden, sollten dann auch schriftlich fixiert werden. Pretis ist der Ansicht, dass aus einem gewissen Handlungsdruck heraus dieser Phase häufig zu wenig Beachtung geschenkt und sofort „lostherapiert“ werde, ohne dass es zu einer Diskussion der Minimalanforderungen (z.B. Einhalten der Termine) gekommen sei. Es könne aber „nicht davon ausgegangen werden, dass in bezug auf die Partnerschaftlichkeit ohne Abmachungen und Regeln gleiche Ziele verfolgt würden“ (Pretis 1998, 14).
Er gibt verschiedene methodische Hinweise, wie Partnerschaftlichkeit konkret werden kann (Pretis 1998, 14/15):
1. „Anknüpfen an vorhandene Bilder bei den Eltern: Was wissen die Eltern bereits über Frühförderung, was erwarten sie sich von Frühförderung, welche Bilder haben zuweisende Stellen vermittelt?“
2. „Erheben der Erwartungen der Eltern in bezug auf die Rolle und Funktion der Frühförderung, in bezug auf Partnerschaftlichkeit u.a.“
3. „Vorstellen des jeweiligen inhaltlichen und organisatorischen Konzeptes der Frühförderung.“
4. „Deklaration der Minimalanforderungen vonseiten der Frühförderin (Anwesenheit des Kindes, der Eltern (?), Raum-, Zeitstruktur). Partnerschaftlichkeit in der Frühforderung kann bedeuten, dass Frühförderung als sozialer Service auch vonseiten der Frühförderin aufgekündigt wird, wenn die Minimalanforderungen der Kooperation nicht mehr gewährleistet sind.“
5. „Transparenz im Verfahrenswesen“: verdeutlichen, wie der Frühförderprozess aussehen und welche Phasen er durchlaufen wird; einplanen gemeinsamer Reflexionszeiten.
6. „Ausarbeiten von Förderplänen gemeinsam mit den Eltern, auch was offizielle Förderberichte nach „außen“ betrifft.“
7. Theoretische Reflexion der Einheiten vor dem Hintergrund angewandter Methoden und Transparenz der Vor- und Nachbereitung.
8. „Einholen ressourcenorientierter Unterstützung vonseiten interdisziplinärer Teams, Dokumentation der Ergebnisse und Verweis auf die Möglichkeit von Supervision.“
9. „Deklarieren der eigenen pädagogisch-fundierten Einstellung, nicht Manipulation der im Verständnis der Frühförderin dysfunktionalen Entwicklungen.“ Erfahrungsgemäß betrifft dies vor allem konfliktträchtige Einschätzungsunterschiede der Frühförderinnen und der Eltern in Bezug auf Erziehungsstile, die Selbständigkeitsentwicklung oder die Einschulung.
10. „ Hinweis auf die Freiwilligkeit von Frühförderung als Sozialer Service, wobei den Eltern die Entscheidungsfreiheit, diese Angebote auch abzulehnen, zusteht.“
11. Respektieren und Nutzen möglicher weiterer Ressourcen der Eltern. „Nicht alle Eltern erwarten sich in der Frühförderung Elternarbeit im Sinne von Gesprächen über die „Annahme“ der Behinderung. Partnerschaftliche Frühförderung muss auch respektieren, dass Eltern über weitere Ressourcen verfügen, über persönliche Themen zu sprechen, ohne dass Frühförderinnen sofort argumentieren, Eltern seien in ihrem „Bejahungsprozess" noch nicht soweit, über die Behinderung des Kindes bzw. die persönliche Betroffenheit zu sprechen.“
Nur wenn, wie oben geschehen, theoretische Konzepte und Axiome mit konkreten und umsetzbaren Inhalten gefüllt werden, ist es möglich, das eigene Tun als Fachperson sicher zu vertreten und vor sich selbst, den Eltern und auch der (finanzierenden) Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Insbesondere in der Diskussion um die Partnerschaftlichkeit ist es dazu unabdingbar, auch die Eltern nach ihrem Verständnis von Partnerschaft zu befragen (vgl. Pretis 1998, 16), ihre Erwartungen und Bedürfnisse zu erheben.
Es sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die Partnerschaft zwischen Fachpersonal und Eltern auch Grenzen hat, da zum Beispiel, wo Familien Frühförderung als soziale Kontrolle verstehen und das Angebot nicht wirklich wünschen oder auch da, wo kulturspezifische Grenzen (sprachliche Barrieren, Rolle der Frau in der Erziehung, Eindringen des Helfers in den Schutzraum Familie) die Arbeit erschweren (vgl. Pretis 2001, 31/32). Es ist zudem wenig sinnvoll, sich an einem Idealtypus der Elternbegleitung festzuhalten und dabei die realen Gegebenheiten und Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren. Im Gegenteil ist es notwendig abzuwägen und die brauchbaren Anteile aus theoretischen Denkmodellen und praktischen Handlungsansätzen im jeweils spezifischen Fall herauszufinden (vgl. Tietze-Fritz 1993, 16). Elterliche Selbstgestaltungskräfte unterstützen kann so zum Beispiel auch bedeuten, Förderkenntnisse an sie weiter zu geben und sie in Techniken und Methoden einzuführen, ohne dass das bedeuten würde in als veraltet geltende Haltungsmodelle zurück zu fallen.
2.3 Inhalte und Ziele der Elternarbeit
Die soziale, emotionale und intellektuelle Entwicklung von Kindern wird insbesondere in den ersten Lebensjahren durch die familiäre Umwelt beeinflusst und von Interaktions- und Kommunikationsstrukturen im Elternhaus geprägt (vgl. Peterander 2000, 57). Bei Kindern mit Beeinträchtigungen wie einer Entwicklungsverzögerung oder geistigen Behinderung sind Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten häufig eingeschränkt, Interaktions- und Kommunikationsvorgänge belastet und Beziehungen durch die „Andersartigkeit“ des Kindes gefährdet. Der Unterstützung von Familien beeinträchtigter Kinder kommt somit schon aus präventiver Sicht eine hohe Bedeutung zu.
Innerhalb der Frühförderung hat sich im Laufe der Jahre so auch ein differenziertes Angebot der Beratung und Begleitung von Eltern und Familien entwickelt. Das breite Spektrum der elternbezogenen Aufgaben pädagogisch-therapeutischer Frühförderung lässt sich nach Steinebach (1995, 20/21) in die Bereiche
- „Elternberatung“, die der konkreten Information über den Förderprozess, über Methoden und Ziele und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Eltern daran dient,
- „Erziehungsberatung“, in der erziehungsbezogene Einstellungen und Erziehungsverhalten insbesondere auch bei Verhaltensauffälligkeiten des Kindes reflektiert werden können,
- „Entwicklungsberatung“ zur Information über Entwicklungsnormen und Reflexion der elterlichen Erwartungen bezüglich der Entwicklungsmöglichkeiten aber auch –grenzen ihres Kindes, sowie
- „strukturelle Familientherapie“ und „strategische und systemische Familientherapie“, die der Bearbeitung personaler und familialer Dynamiken, der Förderung des emotionalen Gleichgewichts in der Familie, der Rollenzufriedenheit der einzelnen Mitglieder und der Analyse und Annahme des bestehenden Problems dienen, gliedern.
An dieser Stelle soll auf die Inhalte der einzelnen Bereiche nicht näher eingegangen werden, es wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.
In der Praxis gehen die unterschiedlichen Ebenen häufig ineinander über und haben in verschiedenen Phasen der Frühförderung einen variierenden Stellenwert. Thurmair/Naggl weisen ergänzend darauf hin, dass die stärker psychotherapeutisch orientierte Ebene der Begleitung/Beratung („counseling“) eine qualitativ andere Art von Hilfe als die zumeist die Frühfördereinheiten begleitende fachliche Beratung („consulting“) ist und ein Setting außerhalb der Förderung benötigt (vgl. 2000, 195).
Aus dem inhaltlichen Spektrum lässt sich bereits auf die Breite der Ziele von Elternarbeit rückschließen. Auch diese haben entsprechend dem Wandel in der Zusammenarbeit zwischen Fachpersonal und Eltern (siehe Kapitel 2.2) im Laufe der Zeit deutliche Veränderungen erfahren. Formuliert Thurmair noch 1989: „Ziel der Frühförderung in der Elternarbeit ist es, die Eltern als Mittel für die Zwecke der Frühförderung einzusetzen“ (1989, 42), so wird knapp 10 Jahre später, im Zuge einer verstärkten Entwicklung hin zur Partnerschaft, die Kompetenz der Eltern und die Beachtung auch ihrer Bedürfnisse stärker betont und Elternarbeit weniger instrumentalisiert:
„Ausmaß und Form der Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten orientieren sich an den jeweiligen familiären Bedingungen und Wertvorstellungen sowie an den individuellen Bedürfnissen des Kindes und seiner Eltern. Sie bezweckt, als Hilfe zur Selbsthilfe die Erziehungsberechtigten in ihren erzieherischen Fähigkeiten und Kompetenzen zu unterstützen, ihr Selbstvertrauen in die zukünftige Bewältigung gegebener Anforderungen zu stärken und gemeinsam mit ihnen zu einer realistischen Einschätzung der Situation ihres Kindes und der Möglichkeiten seiner Förderung zu gelangen“ (Sozialministerium Baden-Württemberg (Hrsg) 1998, 27).
Diese grundsätzliche Zielsetzung könnte nun für die unterschiedlichen Bereiche der Beratung und entsprechend der unterschiedlichen Lebensbereiche, auf die Frühförderung Einfluss nehmen kann/will, spezifiziert und konkretisiert werden. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, soll hier aber lediglich das Augenmerk auf drei spezielle Bereiche gelenkt werden, die zu einer positiven Entwicklung eines Kindes beitragen, die wesentlich vom Verhalten der Eltern abhängen und in denen die Familie von der Frühförderung unterstützt werden kann. Weiß sieht diese Bereiche in Praxis und Forschung als noch zu wenig beachtet angesichts ihrer Bedeutung.
1. „Die Qualität der Beziehung, Interaktion und Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kind als zentrales entwicklungsförderndes Kriterium“ (Weiß 2002, 80).
In verschiedenen Studien hat sich die Responsivität der Mütter als wichtigste prognostische Variable für die Entwicklung des Kindes erwiesen. Wie sie insbesondere im Spiel Initiativen des Kindes aufgreifen und unterstützen, welchen Spiel-Raum sie ihm dabei lassen, wie sie sein Verarbeitungsniveau und –tempo beachten und wie sie ihre eigenen Impulse mit den Initiativen des Kindes abstimmen hat höchste Bedeutung (vgl. ebd.). Ziel der Frühförderung sollte es hier sein, durch ein positives Vorbild, durch Anleitung und durch gemeinsame Spiel- und Beziehungsgestaltung mit Mutter/Eltern und Kind entscheidende Impulse setzen.
2. „Die elementare Erziehungsaufgabe: Stiftung eines Sicherheit gebenden Beziehungs- und Orientierungsrahmens als entwicklungsförderlicher Spiel- und Handlungsraum“ (Weiß 2002, 81).
Dem Kind die Möglichkeit geben, erste verlässliche Einsichten in soziale und normative, aber auch zeitliche und gegenständliche Zusammenhänge zu gewinnen, sich als Subjekt zu erleben, ist Aufgabe der ersten Erzieher, in der Regel der Eltern (vgl. ebd.). Die Eltern in ihren diesbezüglichen Kompetenzen zu unterstützen mag angesichts unterschiedlichster Lebenskonzepte und der häufig erlebten Sozialisationsunterschiede zwischen Eltern und Frühförderfachpersonal nicht immer und in allen Bereichen einfach sein, ist aber als elementare Aufgabe und Teilziel von Frühförderung anzusehen.
3. „Erschwerende Bedingungen für die Erziehungsaufgabe als Ansatzpunkte frühförderspezifischen Handelns“ (ebd.).
Bei hinreichend günstigen Bedingungen, sind Eltern in der Lage, die Erziehungspraxis intuitiv kompetent zu gestalten. Unter massiven psychosozialen Belastungen oder bei gravierenden Entwicklungsproblemen des Kindes wird ihre Erziehungsaufgabe aber deutlich erschwert, häufig bis hin zu hoher Verunsicherung oder Überforderung. Frühförderung hat hier einerseits die Aufgabe, Eltern in konkreten Fragen, die zum Beispiel Pflege, Ernährung, Handling ihres behinderten Kindes betreffen zu beraten. Andererseits ist es vielfach auch notwendig, die Rolle eines „Übersetzers“ zu übernehmen, der den Eltern Deutungshilfen gibt, damit sie das ungewöhnliche Verhalten ihres behinderten Kindes besser verstehen können und es zu gelingenden Interaktionen kommen kann (vgl. Weiß 2002, 82/83). Diesem Aspekt der Schaffung entwicklungsförderlicher Bedingungen kommt vor allem in der Arbeit mit mehrfach belasteten Familien höchste Bedeutung zu und die Grenzen zu sozialarbeiterischem Handeln sind hier manchmal fließend.
Neben der „klassischen“ den Frühförderprozess unmittelbar begleitenden und ergänzenden Beratungsarbeit ist es notwendig, den Eltern spezielle zusätzliche Angebote zu machen. Zu denken ist hier zum Beispiel an Elterngruppen, deren Inhalte und Ziele sich an den Bedürfnissen der Eltern orientieren. Aufgabe der Frühförderung ist es, solche Elterngruppen zu gestalten oder in Mentorfunktion zu begleiten und bei der Vernetzung und Bekanntmachung bestehender Angebote mitzuwirken (vgl. Korsten/Wansing 2000, 128). Eltern sollten ferner in der Wahrnehmung ihrer Interessen und der Teilhabe an Entscheidungsprozessen unterstützt werden. Auch hierzu sind institutionalisierte Elternangebote wie zum Beispiel Elternabende oder Elternräte notwendig (vgl. Korsten/Wansing 2000, 129). Aus einer Studie in Nordrhein-Westfalen (Engelbert 1995) geht hervor, dass spezielle Elternangebote, wie Gesprächsgruppen, Eltern-Kind-Gruppen oder Elternbeteiligung im Sinne von Elternräten oder ähnlichen Möglichkeiten, bisher keinesfalls zum Standartangebot in der Frühförderung gehören. Hier besteht weiter großer Entwicklungsbedarf, geht man in der Forschung doch davon aus, dass sich Eltern durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch am effektivsten helfen können, dadurch positive Wirkungen für ihr Selbstbewusstsein und ihre Handlungskompetenzen erleben und unabhängiger von den Fachleuten werden (vgl. Weiß 1989, 66/67)
2.4 Was Eltern von der Frühförderung erwarten
Frühförderung ist ein gemeinsamer Prozess, ein partnerschaftliches Arbeiten von Fachleuten und Eltern zum Wohle des Kindes und der Familie. Wie bereits in Kapitel 2.2.3 dargestellt, gehört zu einer Partnerschaft unabdingbar das Abstimmen der unterschiedlichen Erwartungen und Interessen. Lange sahen sich Frühförderfachleute in der Pflicht, ausschließlich die Interessen des Kindes vertreten zu müssen. Erst nach und nach ist erkannt worden, dass es auch im Interesse des Kindes ist, sich verstärkt um ein besseres Verstehen der Eltern und um eine gelingende Kooperation mit ihnen zu bemühen. Teil dieses Bemühens ist es, sie explizit nach ihren Erwartungen und Wünschen zu fragen, ihnen als Partnern auch eine gleichberechtigte Stimme zuzugestehen. Ihre Bedürfnisse können nicht a priori als bekannt vorausgesetzt werden. In der Literatur gibt es bisher wenig Studien, die die Erwartungen von Eltern eruieren. Es ist wohl auch sinnvoll, sie im Rahmen der individuellen Hilfe Frühförderung im Einzelfall und im persönlichen Gespräch zu erfragen. Trotzdem zeigen die Ergebnisse einer Studie der Eurlyaid-Gruppe und einer Fortbildung eine Tendenz, die beachtenswert ist. Eltern äußern hier:
- dass sie unabhängiger von den Fachleuten und eindeutiger als Gesprächspartner anerkannt werden möchten,
- dass sie mehrere Möglichkeiten der Intervention zur Verfügung haben möchten,
- dass sie klare und offene Informationen wünschen,
- dass die Eigenwelt der Familie respektiert werden soll,
- dass ihnen frühe und stabile Kontakte wichtig sind
- dass Professionelle sich vermehrt als Gäste in einer Familie sehen sollten und
- dass der Kontakt Eltern-Fachleute stärker von den Eltern bestimmt werden können sollte (vgl. Vereinigung für Interdisziplinäre Frühförderung e.V. (Hrsg.) 1994, 188).
Sie wünschen sich zudem,
- die Möglichkeit zu bekommen, andere Eltern informell kennen zu lernen, zum Beispiel bei einem Elternabend,
- mehr Informationen über die Einrichtung selbst zu bekommen, mehr Offenheit vonseiten der Fachleute zu erfahren und eine bereitwilligere Informationsweitergabe zu erleben,
- keine einseitige Beziehung, sondern Partnerschaft zu erleben, Fachleute, die nicht nur ihre fachliche Kompetenz, sondern sich selbst als Mensch einbringen,
- nicht bevormundet zu werden und nicht von Fachautorität „erschlagen“ zu werden,
- ihre eigenen Kenntnisse und ihre Kreativität im Umgang mit dem Kind respektiert und anerkannt zu wissen,
- ernst genommen zu werden,
- nach Beendigung der Frühförderung nicht ganz den Kontakt zur Frühförderperson zu verlieren: aufgrund der engen Zusammenarbeit wird die Beziehung als sehr persönlich und ein Abbruch als schmerzhaft empfunden (vgl. Kautz 1992, 113ff).
Fast alle hier geäußerten Wünsche und Erwartungen berühren die Beziehungsebene zwischen Eltern und Fachleuten. Ohne dabei den Rahmenbedingungen und der personellen Qualität ihre wichtige Bedeutung für den Frühförderprozess abzusprechen wird hiermit einmal mehr die „Qualität zwischen den Zeilen“ eben die Bedeutung der Beziehungsebene im Beratungskontext betont.
Eng mit der Frage nach den Erwartungen der Eltern hängt auch die nach ihrer Zufriedenheit zusammen (Erfüllung von Wünschen steigert die Zufriedenheit!), auf die im nächsten Abschnitt eingegangen werden soll.
2.5 Zufriedenheit der Eltern mit Frühförderung
2.5.1 Zufriedenheit – ein Konstrukt
Wissenschaftlich gesehen ist der Wert der Frage nach der Zufriedenheit der Eltern zweifelhaft. Wissenschaftlich gesehen ist Zufriedenheit nämlich ein vages Konstrukt – schwer zu messen und schwer zu definieren. Zufriedenheit ist außerdem sehr relativ, weil subjektive Aussagen gemacht werden. Zufriedenheit hängt von den persönlichen Präferenzen des Betreffenden ab, von seinen Erwartungen und auch von seinem Kenntnisstand. Dieser Schwierigkeit, Zufriedenheit zu definieren wird häufig begegnet indem sie als die „Abwesenheit von Unzufriedenheit“ definiert wird. Bezogen auf die Frühförderung ist dabei aber die Frage zu stellen, wie Konzepte etc. von Eltern bewertet werden können, da häufig doch Vergleichsmöglichkeiten fehlen, die ein Unzufriedensein erst möglich machen bzw. ermöglichen ein diffuses Gefühl an Fakten zu verankern. Lanners (2002) erläutert in dem Zusammenhang, dass einige Autoren sogar sagten, Zufriedenheitsstudien ergäben in Bezug auf Frühförderung keine Informationen über Verbesserungspotentiale, da die Zufriedenheit generell sehr hoch sei (123).
2.5.2 Warum die Zufriedenheit der Eltern wichtig ist
Obwohl Zufriedenheit wie gezeigt subjektiv, relativ und schwer zu messen ist, wird im Rahmen von Qualitätsentwicklung und –sicherung großer Wert auf die Zufriedenheit der unterschiedlichen Kundenkreise gelegt. Verständlich, denn im marktwirtschaftlichen Sektor hängt der Erfolg eines Unternehmens ganz wesentlich davon ab, ob ihre Produkte oder Dienstleistungen den Kunden zufrieden stellen. Aus verschiedenen Gründen spielt die Kundenzufriedenheit, die Zufriedenheit der Eltern, aber auch in der Frühförderung eine wichtige Rolle und sollte beachtet werden (vgl. auch Lanners 2002, 122/123).
- Erstens haben sie schon a priori aufgrund ihrer Stellung als Partner der Frühförderung ein Recht darauf, ihre Wünsche und Erwartungen in den gemeinsamen Arbeitsprozess einzubringen – unabhängig davon, welchen Nutzen die Frühförderung darin sieht.
- Zweitens sollten die Wünsche der Eltern erfragt und ihre Entscheidungen respektiert werden, weil sie die wesentliche Verantwortung für die Entwicklung ihres Kindes haben. Sie sind Experten für ihr Kind und in eigener Sache und schon aus diesem Grund spielt ihre Einschätzung eine zentrale Rolle im Frühfördergeschehen. Ihre Selbstgestaltungskräfte gilt es im Sinne von Empowerment zu stärken.
- Drittens kann das Wissen um die Zufriedenheit/Unzufriedenheit der Eltern dazu genutzt werden, die Frühförderung zu verbessern oder auch das Fehlschlagen einer Intervention zu verhindern, denn nur passende und als sinnvoll erlebte, eben zufriedenstellende Hilfen können letztlich zu dauerhaften Veränderungen beitragen.
- Viertens kann durch den Einbezug der Eltern in die Evaluation auch eine verstärkte Teilnahme und ein erhöhtes Interesse an der Frühförderung erreicht werden.
- Fünftens können die gewonnenen Daten dazu genutzt werden, andere Kundenkreise (Leistungsträger, Kostenträger, Politik) von der Nützlichkeit der Frühförderung zu überzeugen und ihre Lobby zu stärken sowie andere betroffene Familien verstärkt auf das Angebot der Frühförderstelle aufmerksam zu machen. Im Zuge der Novellierung des BSHG, durch die die Freie Wohlfahrtspflege ihren Vorrang gegenüber privatgewerblichen Anbietern verliert und sich ein „Markt“ der Förderangebote entwickeln kann, gewinnt dieser Aspekt mit voraussichtlich größer werdendem Konkurrenzdruck noch an Bedeutung (vgl. Korsten/Wansing 2000, 151).
2.5.3 Ergebnisse von Befragungen
In der Literatur finden sich nur einige wenige Studien, die das Ziel hatten, Eltern die Möglichkeit zu geben, die Arbeit der Frühförderung zu bewerten, ihre Zufriedenheit mit derselben zu äußern. Insgesamt ist dieser Fragestellung zumindest in der Forschung bisher wenig Beachtung geschenkt worden.
An dieser Stelle soll nun ein kurzer Überblick über einige Studien gegeben werden.
- 1985 wurden 21 Familien im Einzugsgebiet zweier Frühförderstellen in Bayern mit Hilfe eines Interviewleitfadens befragt. Das Ziel dabei war einerseits, den Eltern die Möglichkeit zu geben ihre Erfahrungen und Sichtweisen zu wichtigen Aspekten der Frühförderung zu formulieren und andererseits Bedingungen für eine vertiefte und produktivere Zusammenarbeit zwischen Eltern und Fachleuten zu erarbeiten (vgl. Weiß 1989, 114/116). Aus der Menge der gewonnenen Daten wurden vier Fälle ausgewählt und als kasuistische Studien ausgewertet, wobei der Anspruch bestand daraus auch generalisierbare Informationen zu gewinnen (vgl. Weiß 1989, 121f).
Als positiv bewertet wurden die Fach- und Beziehungskompetenz der Frühförderfachleute, das Gefühl, bei ihnen „gut aufgehoben“ zu sein. In allen Fällen deutlich negativ wurde dagegen die zeitliche Belastung durch die Frühförderung und ein vielfach empfundener „Förder- bzw. Ergebnisdruck“ beurteilt. In einem Fall wurde zudem mangelndes Verständnis für die Belange und Bedürfnisse der Mutter kritisiert, die Frühförderin habe ausschließlich Partei für das Kind ergriffen. Die Ergebnisse der Frühförderung – die Entwicklungsfortschritte des Kindes – wurden unterschiedlich von wenig erkennbar bis deutlich erkennbar bewertet. Zusammenfassend kann zudem festgehalten werden, dass Eltern in den Interviews zum Ausdruck bringen, dass eine gute persönliche Beziehung zum Therapeuten als wichtige Grundlage der gemeinsamen Arbeit gesehen wird, dass Eltern Engagement, Kompetenz und Ehrlichkeit erwarten und dann zufrieden sind, wenn sie entsprechendes erfahren. Die in allen Interviews deutlich werdende Belastung der Eltern steht sicher in wesentlichem Zusammenhang zum Kotherapeutenmodell, dass zum Zeitpunkt der Studie noch nicht durch das partnerschaftliche Modell abgelöst war.
- 1989 hat die Frühförderstelle der Lebenshilfe in Gießen eine Befragung bei 104 Familien, die bis zu diesem Zeitpunkt von der Frühförderstelle betreut wurden, durchgeführt. Teil dieser Evaluationsstudie war ein Interview, das mit 58 Eltern durchgeführt wurde. „Fast alle befragten Eltern meinten, im Rahmen der Frühförderung eine positive Entwicklung bei ihrem Kind beobachtet zu haben (...), speziell wurden Verbesserungen im Spielverhalten (26,2%), in Konzentration (24,9%), Motorik und Geschicklichkeit („Bewegung“) (21,8%) sowie im sozialen Verhalten bzw. Kontakt (22,7%) genannt (4,4% andere Bereiche)“ (Jaehne/Malzan/Neuhäuser 1995, 15). Die Eltern betonten zumeist, dass die Beratung einen wichtigen Stellenwert einnehme, beklagten hierbei aber auch unzureichenden Informationsaustausch. „Von den Eltern als besonders hilfreich empfunden wurde die Möglichkeit, Mitarbeiter der Frühförderstelle auf alle generellen und speziellen Probleme im Zusammenhang mit der Entwicklungsstörung des Kindes ansprechen zu können. Dadurch sei die Bewältigung der gegebenen Situation erleichtert worden. Aus der Sicht der Eltern steht bei allen Frühfördermaßnahmen die Entwicklung des Kindes zwar im Vordergrund. Dies schließe jedoch die Unterstützung der gesamten Familie ausdrücklich ein, wird immer wieder betont“ (Jaehne/Malzan/Neuhäuser 1995, 15/16). 91% der interviewten Eltern gaben an, mit der Frühförderung zufrieden zu sein, bei 51% habe sich die Einstellung zum Kind verbessert, 73% hätten mehr Verständnis für die kindliche Erkrankung, 51% erlebten die Frühförderfachpersonen als kompetente Gesprächspartner in allen Bereichen (vgl. Jaehne/Malzan/Neuhäuser 1995, 13).
- Das „Europäische Netzwerk in Frühhilfe“ Eurlyaid, ein Zusammenschluss von Eltern, Frühförderfachleuten und Forschern aus verschiedenen Ländern der EU hat eine Skala entwickelt, die die Zufriedenheit der Eltern mit Frühförderung erfassen soll. Sie untersucht die Bereiche Begleitung der Eltern, Begleitung des Kindes, soziales Umfeld, Beziehung Eltern – Fachleute, Begleitmodell, Rechte der Eltern und Lokalisierung und Netzwerk des Dienstes (vgl. Vereinigung für interdisziplinäre Frühförderung 2001, 39). Im Rahmen des Projektes sind inzwischen über 800 Eltern in 31 unterschiedlichen Institutionen in 7 Ländern befragt worden, die Rücklaufquote lag bei 55-80% (vgl. Lanners 2002, 125).
Die bisherigen Ergebnisse zeigen unter anderem, dass nahezu alle Eltern ihre Begleitung und Unterstützung durch die Frühförderung als sehr gut oder gut bewerten (97,1%). Sie geben an, dass die Frühförderer die Familienkultur und den Lebensstil achten (92,4% „immer“ oder „eher ja“), dass sie erfahren haben, dass sie sich mit verschiedenen Fragen an die Frühförderperson wenden können (95,3% „immer“ oder „eher ja“), dass die Frühförderer ihre Entscheidungen respektieren (92,9% „immer“ oder eher ja) und dass sie Antworten auf ihre Fragen bekommen (95,2% „immer“ oder „eher ja“). Die Mehrzahl (94,2% „immer“ oder „eher ja“) vertraut der Fachkompetenz der Frühförderer und beurteilt die Begeleitung ihre Kindes durch die Frühförderung als sehr gut oder gut (93,7%), wobei speziell die Art wie die Frühförderperson Kontakt zum Kind aufnimmt positiv bewertet wird (92,6%).
Verbesserungspotential zeigen vor allen die Bereiche „Informationen über amtliche Angelegenheiten“ (24,4% schlecht oder sehr schlecht), „Informationen über finanzielle Möglichkeiten“ (21,6% schlecht oder sehr schlecht, 14,1% keine Angabe), „Angebot an Gruppenaktivitäten“ (19,3% schlecht oder sehr schlecht, 36,6% keine Angabe)
und die Items „Wenn ich Probleme mit einer FrühförderIn habe, weiß ich, an wen ich mich wenden kann, um sie zu lösen“ (18,4% eher nicht oder überhaupt nicht, 15,3% keine Angabe) und „Den Bekanntheitsgrad der Frühhilfe bei Personen, die uns (Eltern) zu diesem Dienst weiterleiten könnten finde ich...“ (19,6% schlecht oder sehr schlecht, 14,5 % keine Angabe) (vgl. Lanners 2002, 127).
- In einer Befragung von Peterander und Speck 1993, bei der 1099 Eltern befragt wurden, stellte sich u.a. heraus, dass die meisten Eltern gerne mit der Frühförderung zusammenarbeiten (94,7%), Vertrauen in die Förderarbeit haben (93,6%), die Vorgehensweise der Fachleute akzeptieren (92,9%), die Fachleute als kompetent erleben (92,8%), die Gespräche mit den Fachpersonen als hilfreich erleben (86,6%), mit der Beratung (80,4%) und mit der Fähigkeit der Frühförderpersonen, sich auf die jeweilige Familiensituation einzustellen (79,1%) zufrieden sind (vgl. Speck 1996, 21).
Insgesamt wird in diesen Studien die Arbeit der Frühförderstellen als sehr positiv bewertet. Man kann schließen, dass das Angebot bei den Familien ankommt, die fachliche Qualität zufrieden stimmt und auch auf der Beziehungsebene gute Arbeit geleistet wird. Trotzdem kann denen widersprochen werden, die in den Ergebnissen von Zufriedenheitsstudien kein Verbesserungspotential sehen bzw. keine Handlungsaufforderungen ableiten können (s.o.). Ergebnisse, die zeigen, dass bis zu 25% der Befragten an einigen Stellen wenig zufrieden bis unzufrieden sind und Rücklaufquoten, die zwar hoch, jedoch nicht erschöpfend sind, machen zumindest deutlich, wie wichtig es ist, in Kontakt mit den Eltern zu bleiben und bestimmte Bereiche auf Optimierungsmöglichkeiten zu überprüfen.
3. Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
3.1 Allgemeine Begriffsdefinition Qualität
Was ist Qualität?
„Qualität...man weiß, was es ist, und weiß es doch nicht. Aber das ist ein Widerspruch in sich. Aber manche Dinge sind nun einmal besser als andere, das heißt sie haben mehr Qualität. Will man aber definieren, was Qualität an sich ist, abgesehen von den Dingen, die sie besitzen, dann löst sich alles in Wohlgefallen auf. Es bleibt nichts übrig, worüber man sprechen könnte. Wenn man aber nicht zu sagen weiß, was Qualität ist, woher weiß man dann, was sie ist, oder auch nur, ob es sie überhaupt gibt? Wenn keiner weiß, was sie ist, dann sagt einem der gesunde Menschenverstand, daß es sie gar nicht gibt. Aber der gesunde Menschenverstand sagt einem auch, daß es sie gibt (Piersig 1998, 193).“
Aus diesem philosophischen Gedankengang Pirsigs lässt sich schlussfolgern, dass der Versuch, Qualität zu definieren, mit Schwierigkeiten verbunden ist, obwohl der „gesunde Menschenverstand“ weiß, was mit Qualität zu bezeichnen ist. Der Grund für diese Schwierigkeit liegt darin, dass der Begriff „Qualität“ an sich neutral ist. Beschreibbar und messbar wird Qualität erst, wenn ein Bezug auf bestimmte Anforderungen hergestellt wird. Über Qualität lässt sich zudem keine absolute Aussage machen, da sie sich zum einen auf die Beschaffenheit zwar einer im konkreten Fall bestimmten, aber an sich variablen Leistung bezieht und zum anderen dynamisch ist, abhängig von der Dynamik der Anforderungen und Erwartungen, die an sie gestellt werden (vgl. Schubert/Zink 1997, 239). Oftmals ist Qualität auch nicht durch eine einzelne Größe darstellbar, sondern setzt sich aus einer Summe unterschiedlicher Merkmale und Eigenschaften zusammen.
Qualität ist somit ein Konstrukt, das erst durch den Einfluss verschiedener Variablen beschreibbar wird. Aus diesem Grund gibt es auch unterschiedlichste Definitionen von Qualität, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen, abhängig davon, was sie als wichtigste Bezugsvariable betrachten. Weitgehend durchgesetzt hat sich v.a. im marktwirtschaftlichen Sektor die Definition der DIN EN ISO 8402: „Qualität ist die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ (QS 19, 72).
3.2 Qualitätsdebatte in der sozialen Arbeit
Während es bezogen auf Produkte relativ leicht fällt, Qualitätskriterien zu definieren – Qualität bezieht sich zum Beispiel auf die Güte der verwendeten Materialien, auf die Hochwertigkeit der Verarbeitung, auf den Preis – sind die Kriterien für Qualität im sozialen Dienstleistungssektor, zu dem auch die Frühförderung zu zählen ist, ungleich schwerer zu bestimmen. Welche und vor allem wessen Erwartungen bilden die Ausgangsdimension – die der Adressaten, die der Leistungserbringer, die der Kostenträger? Wer definiert folglich die Erfordernisse, die es zu erfüllen gilt? Und anhand welcher Kriterien lässt sich der Grad der Erfüllung dieser Anforderungen messen?
Ein wichtiges Stichwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist das der „Lebensqualität“ (vgl. u.a. Speck 1999). Lebensqualität als hohes Gut, abhängig – grob gesagt – von objektiven Lebensbedingungen einerseits und subjektivem Wohlbefinden andererseits. Vor allem in psychosozialen Arbeitsfeldern ist aus Sichtweise der Empfänger von Leistungen diesem Stichwort große Bedeutung zuzumessen. Es kann die These formuliert werden, dass Qualität im sozialen Dienstleistungssektor in hohem Maße davon abhängt, inwieweit Leistungen zur Verbesserung der Lebensqualität des Empfängers beitragen. An welchen Kriterien diese erhöhte Lebensqualität im einzelnen festgemacht und gemessen wird, muss allerdings noch näher definiert werden. Was deutlich wird ist, dass Qualität in diesem Bereich in hohem Maße abhängig ist vom subjektiven Empfinden des Kunden bzw. Adressaten und damit schwer zu objektivieren ist (kunden- bzw. adressatenorientierte Qualität). Im Bereich der Arbeit von Menschen mit Menschen vollzieht sich Fachlichkeit vor allem im Medium von Interaktion und Kommunikation – objektive und subjektive Bewertungskriterien sind hier wohl bestenfalls nur bedingt, wenn überhaupt zu trennen (vgl. Weiß 1999, 200). Es geht um interpersonale Qualität !
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Beschreibung von Qualität aus fachlicher Sicht. Hierbei geht es ähnlich wie im marktwirtschaftlichen Sektor um den Grad der Erreichung von aus fachlicher Sicht selbst vorgegebenen Standards. Zu diesem Zweck ist es notwendig, Qualitätskriterien zu entwickeln, anhand derer die Arbeit überprüft werden kann (vgl. u.a. Braun 1999, 141) (standartorientierte Qualität).
Fasst man zusammen, ergibt sich aus den Komponenten „Lebensqualität“, „interpersonale Qualität“ und „Qualität aus fachlicher Sicht“ wiederum ein komplexes Gebilde, das man als „soziale Qualität“ (vgl. Speck 1999) bezeichnen kann. Speck konkretisiert und zählt zu diesem Gebilde die Aspekte Menschlichkeit (unter Berücksichtigung des Prinzips der Bedürfnisorientierung und Individualisierung), Autonomie, Professionalität (mit dem Vorhandensein der notwendigen personellen und materiellen Ressourcen), Kooperativität (mit den Teilaspekten Teamarbeit, Interdisziplinarität und Partnerschaftlichkeit) und organisationale Funktionabilität und Wirtschaftlichkeit und weist auf die Wechselwirkung hin, in der diese Teilaspekte zueinander stehen (vgl. Speck 1999, 130ff). Soziale Qualität nach diesem Verständnis hält er für „nicht normierbar und fixierbar in dem Sinne, daß eine Einrichtung sie hat oder nicht hat. Sie ist vielmehr als Prozeß zu verstehen, dessen Gestaltung besser gelingt, wenn die genannten Komponenten als Raster oder Orientierungspunkte dienen“ (Speck 1999, 142).
3.2.1 Woher kommt die Diskussion um Qualität in der sozialen Arbeit?
Es stellt sich dem, der sich einen Überblick über aktuelle Publikationen im Bereich der Heilpädagogik oder allgemein des Sozialwesens verschafft, die Frage, warum die Frage nach der Qualität in sozialen Arbeitsfeldern derzeit so ausführlich diskutiert wird (vgl. u.a. Menne 1998, Schubert/Zink 1998, Peterander/Speck 1999, Korsten/Wansing 2000). War es nicht schon immer wichtig, sicher zu stellen, dass qualitativ gut gearbeitet wurde? Gehören die Aspekte sozialer Qualität wie Speck sie beschreibt nicht zum Selbstverständnis sozialer Professionalität? Warum werden nun im sozialen Sektor Managementmodelle diskutiert, die für die Industrie entwickelt wurden? Und welche Effekte hat diese Qualitätsdiskussion – für wen und auf welchen Ebenen?
Es zeigt sich, dass die derzeitige Aktualität der Qualitätsdiskussion wie im folgenden dargestellt wird, bedingt ist durch das Zusammentreffen verschiedener Faktoren: fachliche Aspekte treffen zusammen mit ökonomischen Bedingungen, eine Öffnung für als nützlich angesehene „fachfremde“ Disziplinen wie das Management überschneidet sich mit finanziellen und gesetzlichen Veränderungen und Notwendigkeiten.
Paradigmawechsel: vom Bedürftigen zum Kunden
Ein wesentlicher Paradigmawechsel, der allgemein im Sozialwesen und auch im Feld der Frühförderung zu beobachten ist - der Wandel vom bedürftigen Klienten zum „Kunden“ - wird aus zwei verschiedenen Argumentationsrichtungen gespeist. Die Veränderung im Bewusstsein auf der einen Seite geschieht im Prinzip schon seit längerem überall da, wo der Grundsatz des Empowerments und der Selbstbestimmung sich auch im Verhältnis zwischen Fachpersonal und Klienten spiegelt, wo der Mensch im Mittelpunkt der Dienstleistung steht und eine Orientierung an seinen Bedürfnissen wichtiges Gütekriterium der Arbeit ist. Sie bekommt auf der anderen Seite neue Nahrung und vor allem neue Begrifflichkeiten im Zuge des vermehrten Einsatzes von Qualitätssicherungsstrategien, bei denen die Kundenorientierung, Servicementalität und Serviceorientierung eine wesentliche Rolle spielen. Der Begriff des „Kunden“ fällt nun auch im Sozialwesen immer häufiger und erhält nicht nur Zustimmung, sondern verursacht auch Unbehagen: wie passt das Verständnis vom Kunden, dem man etwas verkaufen will zu dem Verständnis, das die Frühförderung von den Familien als ihren Partnern hat?
Der Kundenbegriff und das was er impliziert ist nicht 1:1 auf den Bereich des pädagogisch-therapeutischen Arbeitens übertragbar, zumal Eltern in der Frühförderung nicht nur Kunden sondern vor allem Partner sind und damit einen anderen Status einnehmen. Trotzdem lohnt es sich, wie auch Meinhold (1998) anregt, die an dem Prozess beteiligten Personen unter der Kundenperspektive zu betrachten, um neue Informationen zu gewinnen und die Qualität der Arbeit weiter zu entwickeln. Klienten als Kunden zu betrachten wird in der Frühförderung weniger „Kundenaquise“ oder „Kundenbindung“, sondern vor allem „Kundenorientierung“ bedeuten. Was erwarten die Familien von der Frühförderung? Wie können sie ihre Interessen bekunden und vertreten? Wie können Eltern von der Frühförderung erreicht und wie eingebunden werden in den Prozess der Förderung?
Und welche anderen Kundenkreise (Leistungsträger, Kostenträger, Mitarbeiter, Kooperationspartner...) haben zusätzlich ein Interesse an Information und Transparenz und müssen an Aushandlungsprozessen beteiligt werden?
Die Begrifflichkeit passt also da, wo der Kundenbegriff nicht nur auf den Aspekt des „für-ein-Produkt-Zahlenden“, auf den Rentabilitätsgesichtspunkt reduziert wird, sondern eine Erweiterung erfährt bzw. der Aspekt der Serviceorientierung in den Vordergrund tritt. Grundsätzlich kann man die Frühförderung als ein „Produkt“ ansehen, das vom Kunden (dem Kind und seiner Familie) „konsumiert“ wird und für das das Fachpersonal von Dritten (Staat, Krankenkassen etc.) bezahlt wird. Entsprechend ist es wohl auch nur legitim, wenn Grundsätze der Kundenorientierung zur Anwendung kommen. Kompliziert wird dieses einfache Kunden-Anbieter-Schema allerdings durch das besondere Verhältnis in dem Anbieter und Kunde im pädagogisch-therapeutischen Arbeitsgebiet zueinander stehen, in dem der Kunde nämlich aktiv in den pädagogischen oder therapeutischen Prozess (wenn man so will den „Fertigungsprozess) eingebunden ist, es oftmals gar um eine Selbst-Veränderung geht. Ohne die Teilhabe und die Mitverantwortung des Kunden wäre das „Produkt Frühförderung“ nicht realisierbar (vgl. u.a. Degenhardt 2000, 25). Weitere Grenzen erfährt die Begrifflichkeit da, wo trotz aller Partnerschaftlichkeit doch eine Experten-Laien-Distanz zum Tragen kommt (Eltern die mit ihrem Kind zur Frühförderung kommen haben oft nur ungenaue Vorstellungen davon was sie erwartet, noch weniger sind sie häufig über alternative Wege und Methoden informiert!) oder nur eine „quasi-Wahlfreiheit“ besteht, weil höhere Instanzen (z.B. das Jugendamt) einen gewissen Druck zur Inanspruchnahme ausüben bzw. Eltern das Gefühl haben, Frühförderung nicht ablehnen zu dürfen um dem Kind keine Förderung vorzuenthalten. Vielleicht ist auch eine Wahl zwischen verschiedenen Einrichtungen, verschiedenen Therapeutinnen, oder auch verschiedenen Förderkonzepten nicht möglich. Begrenzt wird der Kundenbegriff im Frühförderkontext auch da, wo sich marktwirtschaftliche Unternehmen den Slogan „Der Kunde ist König“ auf die Fahnen schreiben – in der Frühförderung wird man nicht selten auf die Situation stoßen, dass „Kundenwünsche“ nur schwer zu berücksichtigen sind, etwa weil sie die Möglichkeiten einer Einrichtung sprengen oder weil sie aus fachlicher Sicht hinterfragt werden müssen.
Wenn aber die Diskussion um den Terminus „Kunde“ dazu führt, dass es zu mehr Transparenz, zu mehr Kommunikation und zu mehr Kooperation unter den Beteiligten kommt, dann kann die „Frühförderfront“ mit Sicherheit Nutzen aus der Diskussion ziehen und sich auch bewährte Instrumente aus dem marktwirtschaftlichen Sektor zunutze machen ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass damit Konzepte oder Grundideen der Frühförderung angekratzt werden. Und dann kann die Diskussion letztlich auch zu mehr Qualität führen. „Nicht der Ausverkauf von Idealen und Werten schwingt bei der Verwendung des Kundenbegriffes mit, sondern eine neue Philosophie, eine neue Denkweise der Leistungserbringung“ (Wagner 1997, 8ff, zit. nach Wagner-Stolp 1999, 32) – die so neu ja eigentlich gar nicht ist, wenn man sie mit dem Konzept des Empowerments in Verbindung bringt.
Leere Kassen
Im Zuge immer stärkerer Ökonomisierung und steigender Kosten ist auch der Sozial- und Rehabilitationsbereich in Deutschland unter Druck geraten. Ein zu niedriges Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosenzahlen und eine demographische Entwicklung, die dazu führt, dass die immer höher werdenden Sozialausgaben von immer weniger Personen aufgebracht werden müssen, machen deutlich, dass viel für einen Umbau des Sozialsystems spricht: „Der bisherige Wohlfahrtsstaat ist an seine Grenzen gestoßen“ (Speck 2000, 146). Notwendige Einsparungen betreffen, folgt man der aktuellen politischen Diskussion, auch und vor allem den Sozialbereich. Wichtiger Aspekt der sozialpolitisch motivierten Neuerungen ist die zunehmende und gewünschte Einführung des Marktprinzips im sozialen Sektor zur Ermöglichung von Kostensenkungen und damit verbunden die Einrichtung von Qualitätssicherungssystemen (vgl. Speck 2000, 147). Diese kommen dem Wunsch nach Transparenz und dem Bedürfnis nach Sicherheit („Kann man den Leistungsversprechungen glauben?“) nach. Von den sozialen Einrichtungen wird gefordert, ihre Ausgaben und Leistungen transparenter zu machen, letztlich ist damit auch ein Legitimierungsdruck verbunden.
Auf Seite der Einrichtungen wird diese Diskussion verständlicherweise skeptisch gesehen, auch weil die Befürchtung da ist, dass an der falschen Stelle gespart wird, Einsparungen auf Kosten der Mitarbeiter und auch der Klienten gehen. „Nach unserer Einschätzung ist der Spielraum für Kostensparungen im psychosozialen Bereich deutlich geringer als manchmal behauptet, gleichwohl scheint er vorhanden. Er kann sinnvoll allerdings nur in Kooperation mit den Einrichtungen und Fachkräften genutzt werden, etwa indem überflüssige Arbeiten, unsinniger Verwaltungsaufwand und organisatorische Reibungsverluste vermieden werden“ (Gmür 1999, 178).
Berechtigte Skepsis bezieht sich auch darauf, dass extern eingesetzte Qualitätssicherung, die vorrangig auf Kostendämpfung setzt, möglicherweise gekennzeichnet ist durch mangelnden Einblick in das soziale Arbeitsfeld und durch mangelnde Kompetenz der Verantwortlichen (vgl. Nüßle 1999, 108). Für die nötige Qualität ist nicht zuletzt auch der Sozialstaat mit verantwortlich. Er muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen; die Verantwortung für die (finanzielle) Last darf nicht nur auf die einzelnen Institutionen abgeschoben werden.
Gesetzliche Entwicklungen
In den letzten Jahren gab es im Sozial- und Gesundheitswesen einige gesetzliche Veränderungen, die die Diskussion um Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung noch voran getrieben haben und in denen sich auch der „Sparzwang“ spiegelt. Nach Gesundheits-Reformgesetz, neu verabschiedetem Pflegegesetz und Jugendhilfegesetz wurden Aspekte der Qualitätssicherung auch in die Änderung des Bundessozialhilfegesetzes, das in weiten Teilen für die Finanzierung der Frühförderung zuständig ist, aufgenommen. Es findet sich hier die Formulierung:
„Wird die Leistung von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über:
1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung),
2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und
3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht. 2 Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen“ (§ 93 Abs. 2 BSHG).
Auch wenn noch nicht ausdrücklich überall die Verpflichtung zu Qualitätsmanagement besteht, wird die Entwicklung wohl in dieser Richtung weitergehen wie sich am Beispiel der Jugendhilfe zeigt: Auch Einrichtungen, die nicht in Trägerschaft eines Rehabilitationsträgers stehen, sind inzwischen dazu verpflichtet, Rahmenverträge abzuschließen, die u.a. „Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Leistungen, das beteiligte Personal und die beteiligten Fachdienste“ und die „Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Vereinbarung von Vergütungen“ vorsehen (vgl. §21, Abs.1 SGB IX).
Das frühere Selbstkostendeckungsprinzip wurde zudem zugunsten eines „Prinzips der prospektiven Entgelte“ aufgegeben, das leistungsgerecht vergüten soll. „Dem darin liegenden Risiko einer nicht kompensierbaren Unterdeckung steht die Chance einer Überdeckung bei wirtschaftlich arbeitenden Einrichtungen gegenüber. Damit wird die Eigenverantwortlichkeit der Einrichtungs-Tr (!) gestärkt und eine wirtschaftliche Betriebsführung honoriert“ (Fichtner 2003, 671). Nach dem neuen BSHG bezieht sich die Bemessung der Leistungen außerdem auf die Bedingung, dass sie „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein“ müssen, und dass sie „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ (§ 93a Abs. 1 S.3 BSHG). „Der Zweck ist ohne Zweifel der, die Zahl der in Betracht kommenden Kinder zu reduzieren bzw. nicht ausufern zu lassen“ (Speck 2000, 149). Andererseits ist der Personenkreis im Gesetz so unklar eingegrenzt („wesentlich behindert und von wesentlicher Behinderung bedroht“), dass Entscheidungen im Einzelfall dann doch in der Praxis und nicht auf dem Papier ausgehandelt werden müssen. Bei den Kostenträgern erzeugt dies womöglich zusätzliche Unsicherheit. Für die sozialen Einrichtungen bringt es einerseits die Notwendigkeit zur verstärkten Kontrolle ihrer Ausgaben und wirtschaftlicher Betriebsführung, in den Pauschalen und eher unklaren gesetzlichen Vorgaben kann aber andererseits auch eine Chance liegen, dann nämlich, wenn die Institutionen die Spielräume für Verhandlungen nutzen und erreichen, dass Pauschalen nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern aufgrund fachlicher Erwägungen festgelegt werden.
3.2.2 Welche Effekte zeigt die Qualitätsdebatte?
Soziale Einrichtungen stehen in der Gefahr, sich angesichts des Drucks von allen Seiten in eine Defensivhaltung drängen zu lassen, anstatt die Chancen der Debatte zu nutzen, aber auch deutlich vor den Gefahren zu warnen. Je mehr sich in der Diskussion der Aspekt der Ökonomisierung in den Vordergrund drängt, desto mehr droht eine fachlich und ethisch begründete und orientierte Qualitätsentwicklung ins Hintertreffen zu geraten, langfristig kann die Qualität sozialer Arbeit dadurch Schaden nehmen (vgl. Speck 2000, Weiß 1999).
„Sinnvolles Qualitätsmanagement stellt (...) die Qualität und deren Beurteilung durch die Beteiligten und Betroffenen in den Vordergrund. Stichworte sind Partizipation und Empowerment“ (Gmür 1999, 169). Wenn Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung unter fachlichen Kriterien realisiert werden, dann können und müssen die zugrunde liegenden Evaluationskriterien auch gegenüber externen Instanzen transparent gemacht und selbstbewusst vertreten werden.
3.2.3 Wurde nicht schon immer Wert auf Qualität gelegt?
Ein wichtiger Schritt ist folglich der, selbstbewusst zu präsentieren, was wichtiger Bestandteil sozialen Arbeitens ist: eine hohe fachliche Qualität, die Tradition hat. Gute psychosoziale und pädagogisch-therapeutische Arbeit beinhaltete immer schon auch inhaltliche Reflexion. Die Qualität der eigenen Arbeit stand immer wieder auf dem Prüfstand und wurde weiterentwickelt. So gehören zum Alltag in der Frühförderarbeit aber auch in anderen sozialen Arbeitsfeldern u.a. ein hohes Maß an mitarbeiterbezogenen Fortbildungsmaßnahmen und Zusatzausbildungen, Selbstreflexionen in Teamzeiten, Team- und Fallsupervisionen, sowie häufig auch interne und externe Evaluationsmaßnahmen und -studien, Forschungsvorhaben, Konzeptentwicklungen und die Formulierung von Gütekriterien für die eigene Arbeit (vgl. u.a. Gmür 1999, 179). Auch Bemühungen zum reflexiven Austausch mit den Beteiligten – insbesondere den Eltern – gehören schon lange zum „Frühfördergeschäft“ und dienen dazu, die fachliche Qualität der eigenen Arbeit zu sichern und weiter zu entwickeln. „Qualitätsentwicklung an sich ist eine unverzichtbare Aufgabe jeder rehabilitativen Einrichtung, also auch der Frühförderung. Sie hat diese Aufgabe auch bisher schon sehr ernst genommen (...), verdankt gerade ihrem Bemühen um eine beständige Weiterentwicklung ihres Konzeptes und ihrer Praxis ihre hohe Reputation. Es gibt kaum ein anderes Fachsystem, das so intensiv um die Entwicklung seiner Qualität bemüht gewesen ist“ (Speck 2000, 155). Reflexions- und Evaluationsprozesse werden in den Einrichtungen allerdings meist nicht explizit zum Qualitätsmanagement gerechnet – wichtig ist aber, dass das Selbstverständliche nun auch sprachlich benannt wird (vgl. Pretis 2001, 9).
3.2.4 Welche Entwicklungschancen bietet die aktuelle Qualitätsdebatte?
In der aktuellen Qualitätsdebatte lassen sich einige Veränderungen bzw. Weiterentwicklungen erkennen, die die „Qualitätstradition“ mit neuen Ideen anreichern können und die Chancen bieten, die es zu nutzen gilt:
1. Systematische Qualitätsentwicklung:
Neu ist an der aktuellen Qualitätsentwicklungsdebatte, dass es erstmals Bestrebungen gibt, alle entwickelten Konzepte, Regelungen, Abläufe und Standards in einem systematischen Konzept zusammen zu fassen und aufeinander zu beziehen (vgl. QS 28, 19).
2. Zielentwicklung (Zielorientierung):
Zum wichtigen Grundsatz wird, dass auf allen Ebenen der Einrichtung bei wichtigen Abläufen bewusst zielorientiert gearbeitet wird und die Ziele sich vom Leitbild bis auf die konkrete Praxisebene nachvollziehen lassen und zueinander in einer Wechselwirkung stehen (vgl. QS 28,19).
3. Kundenorientierung.
Wie bereits erläutert, bekommt der Kunde oder Adressat einen neuen Stellenwert, indem Leistungen bewusst aus der Sicht des Kunden überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Der Kunde wird noch direkter und verstärkt in Reflexions- und Entwicklungsprozesse einbezogen.
4. Mitarbeiterorientierung
Mitarbeiterorientierung bedeutet, die Mitarbeiter frühzeitig in den Qualitätsentwicklungsprozess einzubeziehen und konsequent daran zu beteiligen. Die Mitarbeiter sind diejenigen, die qualitatives Arbeiten in der alltäglichen Praxis gewährleisten müssen. Nur wenn es gelingt, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zum Einsatz zu bringen, entsteht Qualität (vgl. QS 28, 19).
5. Prozessorientierung
Gedacht wird nicht mehr nur in den einzelnen Arbeitsbereichen und Funktionen der Mitarbeiter, sondern in den Abläufen, wie sie Eltern, Kinder, Kooperationspartner und Kostenträger erleben. Die Prozesse werden erklärt, transparent gemacht und verbindlich und für alle zugänglich beschrieben (vgl. QS 28, 19).
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- Arbeit zitieren
- Rahel Schuster (Autor:in), 2004, Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der interdisziplinären Frühförderung - Ergebnisse einer Elternbefragung -, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30776
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